Der Fussball-Idiot Teil I

Fussballfans  an der Gessnerallee zeigen Fussball-Banausen die kalte Schulter.

Fussballfans an der Gessnerallee zeigen Fussball-Banausen die kalte Schulter.

Drei einfache Fragen, zwei europäische Mannschaften und ein unbedarfter Fussball-Idiot – das war die Versuchsanordnung. Ich, als totaler Nichtswisser in Sachen Fussball, wollte von den Fans während des Spiels Deutschland-Portugal in einer Zürcher EM-Bar wissen, was ein Offside, ein Corner oder das Torverhältnis ist.

Erster Versuch: Vor der Reithalle Gessneralle, frequentiert von durchschnittlichen Zürcher Fans. Ich setze mich mit meinem pinkfarbenen Drink an einen Tisch, an dem alle Anderen Bier trinken. Ich kann mich da hinsetzen, weil niemand sonst in Zürich sich an den letzten freien Platz zu Fremden setzen würde. Mein Ankommen wird ignoriert, schliesslich läuft der Match schon.

Erst als ich die Frage in die Runde werfe, wer denn spiele, drehen sich die Köpfe von vier Männern und zwei Frauen in meine Richtung. Eine der Damen macht «Psst», die Männer starren ungläubig auf meinen Drink, mit dem ich ihnen freundlich zuproste. Dann, die erste Chance, ein Eckball. Ich frage die Anwesenden: «Das ist doch jetzt Corner. Wieso ist das jetzt Corner? Wieso kriegt nicht der Goalie den Ball?»

Die Männer schweigen eisern und starren auf den Monitor. Die eine Dame, die vorher «Psst» gemacht hat, flüstert mir zu: «Weil der Letzte, der den Ball berührt hat, zum Team des Goalie gehört». Hm, das erscheint mir eine klare, kurze und sinnvolle Erklärung. So einfach hat das noch niemand auf den Punkt gebracht. Frage Eins beantwortet.

Die Dame behält mich im Auge, sie ahnt offenbar, dass da noch mehr kommt. Ein paar Minuten geschieht gar nichts, und ich nehme mir die Freiheit, nachzufragen, ob die aus Gruppe A denn besser seien als die aus Gruppe B, oder wozu den sonst die alphabetische Ordnung sei. Die Dame lacht, ihr Freund schaut irritiert. Sie verdreht die Augen und zuckt mit den Schultern.

Eine opfert sich

Als ich dann noch von ihr wissen will, was denn ein Torverhältnis sei, fragt sie mich, ob wir nicht ein paar Schritte weiter weg eine Zigarette rauchen wollten. Ich stimme zu, ihr Freund seufzt erleichtert (offenbar sieht er in mir keine Gefahr, er hält mich  des Pink-Drinks wegen wohl für schwul).

Im Gespräch gesteht die Dame, dass sie selbst nicht besonders oft Fussball schaue, aber gerne ihren Freund an EM- oder WM-Viewings begleite. Als ich sie frage, ob sie nicht doch lieber den Match sehen wolle, meinte sie: «Ich musste dich da wegbringen, du hast alle tierisch genervt.» Offen und ehrlich. Ich rauche fertig und verlasse den Platz, bevor der Regen kommt.

Fazit: Fussballfans sind eine intakte soziale Gruppe, deren schwächstes Mitglied sich mutig opfert, damit die Anderen in Ruhe das Spiel schauen können.

Ich weiss aber noch immer nicht mehr über Offside und Torverhältnis. Bald mehr vom nächsten Versuch, zwei Fragen sind noch offen.

PS: Wer hat eigentlich gewonnen?

44 Kommentare zu «Der Fussball-Idiot Teil I»

  • reto sagt:

    Eigentlich spielt das Torverhältnis (besser Torquotient) keine grosse Rolle im Fussball. Entscheidend ist die Tordifferenz, die aber umgangsprachlich oft als Torverhältnis bezeichnet wird.

  • Mathias Baumgartner sagt:

    …und ich dachte immer, Fussball-Idioten seien diejenigen, die besonders viel ueber Fussball wissen

  • Jaguar sagt:

    Das erinnert mich irgendwie an Peter Sellers im Film „The Party“. Einfach herrlich. Ich freue mich schon auf die Antworten zu den anderen beiden Fragen.

  • Philipp Rittermann sagt:

    herr el arbi -> sich soo doof anzustellen ziemt sich für einen stadtzürcher also gar nicht! immerhin können sie froh sein, dieses experiment nicht bei dart-spielern angewendet zu haben; die sind da absolut humorlos und hätten sie aus dem pub geprügelt! -:)

  • Alex Bötschi sagt:

    Das Wort Fussballidiot ist etwas wenig. Wer heutzutage nicht weiss was Corner, Torverhältniss und Offside ist (Allgemeinwissen) und zudem andere (Interessierte) mit seinen Fragen während des Spiels belästigt ist kein Fussballidiot, sondern einfach ein anstandsloser Idiot. Man könnte den gleichen Test in Opern, Museen, Theatern, usw. ansetzen, ich bin mir sicher die Folgen wären spannender.

    • Beat sagt:

      Fussball ist nämlich kein Spiel, sondern eine todernste Angelegenheit, v.a. in dieser schönen Zwinglistadt.

      • Patrick sagt:

        Wieso, gibt’s in Zürich Fussball?

        Da müssten sie mal die Reaktionen auf diese Fragen in Basel sehen…

    • Markus Kreis sagt:

      Herr Bötschi

      Wenn es für Sie so klar ist, was Offside ist, so können Sie das sicher auch gleich korrekt wiedergeben. Ich vermute mal, Sie sind nicht in der Lage, dass Offside klar zu definieren. Es gibt 4 Punkte, welche kummulativ erfüllt sein müssen, dass Offside ist.

  • Beat sagt:

    Schöner Aufrisstrick 🙂

    Weiss nur nicht, ob das Resultat reproduzierbar ist…

  • Klara sagt:

    Zum Fazit: ich seh nicht ein, dass die helfende Frau das schwächste Mitglied der Gruppe sein soll, nur weil sie so flott ist und einige klärende Worte spricht;-) Sie ist wohl nur weniger interessiert als die anderen. Netter Versucht aber, die Zürcher und ähnliche aus der Fasson zu bringen. Façon?

  • Goliath sagt:

    Der Fussball-Idiot ist ein Idiot, weil er bewusst zur unpassenden Zeit, unpassende Fragen stellt. Er wäre kein Idiot, würde er damit zumindest die Halbzeit abwarten oder sich bereits vor dem Spiel als interessierten Neuling zur Gruppe der Fans gesellen.

    Aber das weiss der Reda El Arbi natürlich und da dies keinen lustigen Artikel generiert, drinkt er weiterhin pink-farbene Drinks mit Strohhalm. Ist ja auch in Ordnung so. Aufregen ist für den Pedanten.

    • Reda El Arbi sagt:

      Getestet wurde natürlich auch die Toleranz für Fussball-Idioten. Und die ist eigentlich ganz ok 🙂

  • Albert Seiler sagt:

    Ich glaube nicht, der Autor ist der Idiot, sondern das Grüppchen, zu dem er sich gesetzt hat. Wie kann man nur soooo stier sein. Ich fände das den Brüller, wenn ich einen wie Reda El Arbi beim Fussball-Gucken antreffen würde. Dem würde ich sogar ein Bier spendieren.

  • Don Martin sagt:

    Fussball ist wie Schach – nur ohne Würfel

    • Dan sagt:

      Sie haben also keine Ahnung von Fussball und auch nicht von Schach.
      1. kann ich nachvollziehen, macht aber nichts, ich habe auch keine Ahnung
      2. ist schade

      • Jaguar sagt:

        Jetzt verstehe ich den Spruch „Das Runde muss ins Eckige“. Auf dem eckigen Würfel hat es runde Punkte.

  • Mustafa de Marseille sagt:

    Meinungsfreiheit ok… trotzdem, an alle die hier motzen, wieso habt ihr den Beitrag ueberhaupt gelesen?
    OK, ist nicht Nobelpreismaessig, noch sonstwie literarisch besonders wertvoll… aber unterhaltsam genug um ein
    Schmunzeln aus den grauen gelangweilten Geischter dieser getriebenen Masse zu locken.
    Mister El Arbi weiter so bitte. Perfekt fuer viertel nach 11 am Sonntag Abend.
    Noch ’ne Kleinigkeit: Wer bitte glaubt denn an einen Massenevent der nicht kommerziell ausgenutzt wird?
    Heute? 2012? In der ach so tollen globalen, liberalen, vom Kapital getriebenen und gefuehrten Welt?
    Oder glaubt ihr ehrlich noch an den Weihnachtsmann? Waer suess wenn ihr wirklich noch glauben wuerdet…
    Geniesst die EM. Ist doch lustig. Oder wolt ihr lieber jeden Abend Tatort? Good luck and good night.

    • Michel Zenger sagt:

      Kann mich nur anschliessen und freue mich auf Teil II und hoffentlich noch viele folgende, ich stehe eben auf Slapstick. Fehlt nur noch die versteckte Kamera um die blöden Gesichter der befragten „Fussballexperten“ zu zeigen.
      Weiter so!

  • Thomas Gerber sagt:

    Einfach nur langweilig… weil schon hundertfach von Print, Radio- und TV-Medien bei jedem grossen Anlass gemacht. Originell wäre anders… Mein Tipp: Mach das mal bei einem Rockertreffen… Dann kriegst du die Antworten, wie du sie eigentlich auch von den Fussballfans verdient hättest. Aber die sind ja mittlerweile auch schon soziialisiert. Schade eigentlich.

  • Rolf sagt:

    ich fand den bericht gut und unterhaltsam. es gibt auch einen vorschlag an den verfasser. stickwort „journalismus-idiot“. am besten kommt das bestimmt kurz vor redaktionsschluss 🙂

    https://www.facebook.com/events/119277018210437/permalink/122162687921870/

  • urs bilger sagt:

    köstlichst geschrieben. und bringt den“ intellekt“ des fussballs klar zum ausdruck – danke !!!!

  • schiri sagt:

    brilliant – lol 🙂

  • harald sagt:

    So geil ! Bad Idea 🙂 Freu mich auf Feldversuch Teil zwei 🙂

  • Rudolf Sägesser sagt:

    Fussballer sind keine Idioten, sondern extrem clevere Geschäftsleute, die den tumben Millionenzuschauern weltweit mit einer minderwertigen, gezinkten Show (zwei Teams hinter einem Ball herrennend; Brot und Spiele) das Geld aus der Tasche ziehen. Mit Sepp Blatter als Generalmanager und staatlicher Subvention.

    • urs bilger sagt:

      doch doch – der fussballer an sich ist ein idiot – er verkauft sich ja ganz klar dem seppli und anderen abzockern !

      • Rudolf Sägesser sagt:

        Einverstanden, doch zum Trost haben sie dann den Mammon im Sack. Ausser den Fussballern gibt noch Millionen andere, die sich diesem weltweit verkaufen, da würden wir mit zählen nie fertig!

    • diva sagt:

      herr sägesser besser kann man es nicht sagen! traurig nur, dass die leute schon so «tumb» (abgestumpft) sind, dass es nicht merken, wie sie auch nicht merken, wie die brauereien sich daran auch noch eine goldene nase verdienen. wie überhaupt ein ganzer kult kreiert wurde (bier und grillfleisch/-würstchen) und an dem kult gaaaaaaanz viel leute verdienen. mit spiel, sport und spass hat das nix mehr zu tun. reiner kommerz. reine abzocke.

      • sandro steiner sagt:

        Naja, wie geben Sie denn Ihr Geld aus? Kaufen sie Lippenstift und Make-Up? Traurig, dass sie schon so „tumb“ sind, dass Sie nicht merken wie sich die Kosmetik Konzerne daran eine goldene Nase verdienen. Reiner Kommerz, reine Abzocke.
        Wenn man Ihren und Herrn Sägessers Argumenten folgt kann man im Prinzip sagen, dass sich die ganze Menschheit auf irgendeine Art verkauft. So sind wir alle Huren unserer Arbeitgeber, Opfer des Systems. Wenns Ihnen dies nicht passt können Sie gerne in ein nicht kaptialistisches Land auswandern.

  • Volkan Aydin sagt:

    Hehe, welch ein genialler und ehrlicher artikel!…. leider verhalte ich mich genauso wenns ums thema F1 geht, diese rennen suche ich nur mit handvoll ausgelesener Freunde und ganz sicher niemals in der Öffentlichkeit.

  • Urban Zuercher sagt:

    War ja jetzt nicht besonders originell… Vor oder nach dem Match hat man ja genügend Zeit um solche Fragen zu klären.
    Weitere Vorschläge für diese fulminante Reihe:

    Der Kunst-Idiot:
    An einer Vernissage während der Ansprache des Künstlers bei den Zuhörern den Unterschied zwischen Aquarell und Ölfarben erfragen.
    Der Musik-Idiot:
    In der Tonhalle jeweils an den Pianissimo-Stellen rumfragen, wieso jetzt keine E-Gitarren in einem klassischen Orchester mitspielen.
    Der Politik-Idiot:
    Während Chrigis Albisgüetlirede herumfragen, wie denn das mit den 2 Kammern in Bern und so genau geht (naja, es ist zu befürchten, dass die das wirklich nicht wissen).
    Der Verkehrs-Idiot:
    Abends um halb sechs mitten auf die Strasse beim Central stehen und sich die Verkehrsregeln erklären lassen.

    • Reda El Arbi sagt:

      Danke für den Input. Einige Ansätze könnten wirklich witzig sein 🙂

    • sepp z. sagt:

      der Demokratie-Idiot:
      An einer Gemeindeversammlung mit anwesenden Stimmbürgern werde erfragt, weshalb alle umständlich darüber abstimmen müssen; ob nicht einfach einer vorn bestimmen kann.

  • Daniel sagt:

    Ja natürlich Gruppe A, Gruppe B ist ja logischerweise schlechter.

    • Marcello sagt:

      Aber wieso spielen denn die Brasilianer nicht mit? Die sind doch die besten (oder war das beim Korbball?).

  • Paul Gerber sagt:

    Da mimt ein Intellektueller den Idioten, um zu beweisen, dass Fussballfans Vollidioten sind.

  • Pius sagt:

    Zum Totlachen. Fast so lustig wie die versteckte Kamera zur Zeit meiner Kindheit.

  • Marcello sagt:

    Ich glaub, Gruppe A hat gewonnen, oder?

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