Archiv für die Kategorie ‘Theater’

Vom Rapper zum Bünzli

Joel Gernet am Donnerstag den 15. August 2013

Die Schweizer Streetrap-Ikone Griot heisst jetzt wieder Mory – und ist Komiker: Mit seinem Allschwiler Kumpel Djibril bildet der Binninger das Comedy-Tagteam «Zwei Bünzlis». Wir haben uns mit den beiden im Video-Interview über Latrinen-Geschäfte, Gesellschaftskritik und einen Bünzli namens Eric Weber unterhalten.


Grossmäuler unter sich: Djibril und Mory erklären, warum sie Bünzlis sind.

Wenn Mory redet, ist man sich nie ganz sicher, was grösser ist – seine Klappe oder sein Bizeps. Ausser er ist mit Kumpel Djibril unterwegs, dann plappern sie sich ihre Lippen wund. So auch am Grossbasler Rheinufer, wo wir uns treffen, um über ihr Podcast-Projekt «Zwei Bünzlis» zu reden. Noch bevor die Kamera läuft, übertreffen sich die beiden mit Anekdoten zu Muhammad Ali, dessen Name auf Morys Muskelshirt prangt. «Ali macht das gleiche wie wir: Er hat eine riesige Klappe, ist eigentlich als Boxer bekannt, aber sobald man ihn ein Mikrophon hinhält, gehts los – sensationell!», schwärmt Djibril.

Seit Anfang Jahr stellen die Zwei Bünzlis ihre Dialoge in unregelmässigen Abständen ins Internet. Ins Auge stechen coole Comic-Bilder statt Fotos. Auf die Ohren gibts nach einer hämischen Warnung an die Hörer ein Brett von einem Intro, bei dem Kuhglocken und Handörgeli plötzlich von einem basslastigen Dubstep-Beat weggeblasen werden. Dicke Post!

Zwei Bünzlis: Griot und Djibril.

Ganz klar: Der Reiz der selbsternannten «Neo-Bünzlis» besteht vor allem auch darin, dass die beiden «afroeidgenössischen Euroafrikaner» so gar nicht dem gängigen Spiesser-Klischee entsprechen. «Wenn man uns betrachtet, sieht das zuerst gar nicht nach Bünzli aus», erklärt Mory. Aufmerksamkeit durch Irritation heisst hier das Konzept. Und Djibril ergänzt: «Schweizer sind pünktlich, zuverlässig und seriös, das ist eigentlich etwas Tolles – doch die Schweizer machen mit dem Wort Bünzli etwas Negatives daraus.» Djibril und Mory jedenfalls sind stolz darauf, Bünzlis zu sein. Und ähnlich wie afroamerikanische Rapper das negativ behaftete Wort «Neger» zu dessen Gegenteil konvertiert haben haben, verwenden die beiden Schweizer mit Wurzeln in Guinea und Mali nun den – zugegeben wesentlich weniger problematischen – Bünzli-Begriff im positiven Sinn um.

Auch die beiden Bünzli haben sich in ihrer vorletzten Episode eingehend mit dem N-Wort und dessen Verwendung beschäftigt. Comedy als Gesellschaftskritik – noch offensichtlicher zeigt sich dies bei der eben veröffentlichten sechsten Episode, in der Djbril und Mory zum zweiten Mal den Basler Rechtspopulisten Eric Weber auf die Schippe nehmen. «Wir machen zwar gerne Spässe über ihn, aber man darf nicht vergessen: Weber ist ein Rassist – das muss man im Hinterkopf behalten», stellt Djibril klar. Natürlich kommen bei den Afro-Bünzlis auch Macho-Gehabe und Sprüche unter der Gürtellinie nicht zu kurz. Wenn sich Djibril und Mory über Latrinen-Geschäfte bei der Arbeit philosophieren, überkommt den Hörer ein Gemisch aus Faszination und Ekel, wie man es von anderen Feuchtgebieten her kennt.

Begonnen hat das Bünzli-Gehabe nach Morys Rücktritt als Solo-Rapper im Jahr 2010. War früher Djibril an Griots Konzerten als Stand-Up-Comedian mit dabei, heftete sich der Rapper nun an die Versen seines Kumpels. Vom Rapper zum Komiker – insbesondere bei Griot ist das ein bemerkenswerter Schritt, hat der Binninger in den vergangenen rund 15 Jahren doch das Schweizer Subgenre Streetrap wesentlich mitgeprägt, einige sagen sogar: begründet. Für viele ist Griot noch heute ein Vorzeigebeispiel, wenn von Schweizer Rap mit Gangster-Attitüde die Rede ist. «In meinen Raps war immer schon viel Humor, nur hat das niemand verstanden – im Podcast kommt diese Seite nun mehr hervor», findet Mory lachend, um kurz darauf mit einem Augenzwinkern klarzustellen: «Ich lache nur, weil ich fröhlich bin, nicht, weil ich lustig bin – sonst meinen die Leute noch, ich sei sympathisch.»

Wer ist authentischer: Rapper Griot oder Komiker Mory? So siehts der Protagonist…

Im echten Leben sind Djibril Traoré und Mory Konde gemäss eigenen Angaben übrigens «IT Psychologe» und «Bodyflüsterer». Dass es ihr Audio-Geblödel eines Tages auch in Bewegtbild gibt, schliessen sie ebenso wenig aus wie Bühnenauftritte. Zuerst gilt es aber, den noch jungen Podcast voranzutreiben – dazu wären eine verbesserte Tonqualität und eine zeitliche Straffung der Episoden nicht die schlechteste Idee. Weiter gehts auf jeden Fall, denn wenn die beiden Kumpel aufeinandertreffen, sitzt das Mundwerk lockerer als der Büstenhalter von Topless-DJane Micaela Schäfer.

Leben ohne externe Trostquellen

chris faber am Donnerstag den 6. Dezember 2012

There Must Be Some Kind of Way Out of Here!

Termin/Uhrzeit: /DO 06.12./FR 07.12. 20 Uhr

Ort: Kaserne Basel

Tickets: Kaserne Basel oder Startticket

Kurzbeschreibung:

Sechzehn SchweizerInnen treffen sich im Gemeindezentrum, um ihre Heimat abschaffen. Sie erinnern daran, aus welcher Vielfalt das Schweizer Volk besteht und welche Interessen die Schweizer bewegen. Braucht es da noch eine nationale Identität? Ist diese Identität nicht eine externe Trostquelle wie Religion, Status, Hobby? Was macht den Schweizer aus? Es gibt einen Weg, glücklich zu sein ohne eine nationale Identität; einfach nur als Weltbürger zu leben.

Bewertung Inszenierung:

Eine erfrischende Mischung aus Theaterstück, Tanz und Live- und Chormusik unter der Dramaturgie von Simon Helbling. Der Text bohrt genau die Fragen des Themas auf, der Sound mit Bass- und Geigenloops unter der Leitung von Mathias Weibel geht in den Bauch, erzeugt auch beim Publikum eine tranceartige Stimmung. Die Inszenierung von Thom Luz ist spannend und abwechslungsreich, das Gemeindezentrum als Lichtkasten und die Lichtregie lässt den Zuschauer in das Stück eintauchen. Treibender Einzel- und Gruppentanz, choreographiert von Arthur Kuggeleyn, umrahmt mit vielen überraschenden Einfällen das Stück und lässt viele eigene Interpretationen zu.

Bewertung Darsteller:

Alle Darsteller/Innen zeigen enorme Präsenz und Körpereinsatz. Textsicher einnehmend vorgetragene Texte, schöne Stimmen und ein symphatisches Ensemble lassen das Publikum auch mit dem Wunsch zurück, mitmachen zu dürfen.

Bewertung Publikum:

Begeisterter Applaus bis die Hände wehtun.

Gesamtbewertung:

Hingehen und danach keine Schweizer Fahnen verbrennen.

Literatur an der Geschmacksgrenze

chris faber am Freitag den 23. November 2012

Am Mittwoch waren Andreas Storm und Cathrin Störmer wieder mit Worst Case Szenarios in der Kaserne Basel. Die 2 Schauspieler wählen gekonnt mit Worst Case Szenarios verunglückte, grenzwertige oder missratende Kunstwerke aus, diesmal mit dem Schwerpunkt schreibende Politiker. In Wohnzimmeratmosphäre wechseln sich Lachflashs mit Betroffenheit ab, danach darf in den gedruckten Wunderwerken gestöbert werden.

Ob Peter Handke mit seinen späten Werken so verstört, dass wir nur hoffen können, er meint es lustig mit seinen Texten; Luise Rinser Nordkorea so naiv entdeckt und das Regime preist, dass Drogen im Spiel sein müssen; SVPler Oskar Freysinger so schwülstig Propaganda mit Erotik verbindet, dass ihn der Schweizerische Schriftstellerverband ablehnen musste; surrealistische Erotik uns zwischen Lachen und Aufhören pendeln lässt;
Ghaddafis Volkdefinition zwischen Menschen mit und ohne Überseekoffern unterscheidet; Saddam Husseins Liebesroman “Zabiba und der König” offenbart, wie er vom Volk gesehen werden wollte; Mao Furzgedichte schreibt, die heutzutage subtile Aufführungen verlangen; Hans-Rudolf Merz mit dem “Landammann” so erotisch danebengreift, dass wir uns in einem Appenzeller Darkroom wiederfinden; William Paul Young in “Die Hütte” die Dreifaltigkeit als höllennette Wohngemeinschaft inszeniert und Uri Geller in “Auf Biegen und Brechen” seine Fantasie erschreckender wirken lässt wie seine Illusionen; dieser Abend wärmt mit Witz und Sonderbarem.

Am Sonntag, den 2. Dezember 2012, tauchen die Worst Caser um 20 Uhr in die Welt der Esoterik ein und berichten von Indigokindern, Venusbesuchern und anderen Skurrilitäten. Unbedingt wieder empfehlenswert, befreiendes Lachen garantiert. Mehr Infos…

Nessi Tausendschön im Theater im Teufelhof

chris faber am Samstag den 19. Mai 2012

Der scheidende Theaterdirektor Dominique Thommy hat als Abschluss seines hochkarätigen Engagements die unvergleichliche Kölner Kabarettistin Nessi Tausendschön nach Basel geholt. Für Ihre Programme wurde sie bereits mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet.

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Gunkl-Kabarett: «Verluste – Eine Geschichte»

chris faber am Freitag den 4. Mai 2012

Gunkl alias Günther Paal erzählt in seinem Kabarett-Solo die Geschichte von Verlusten im Leben. Mehr Philosoph und Nachdenker spürt er den Hintergründen nach. Dabei seziert er zwinkernd sein Gefühlshabitat und schlägt einen Bogen über die Veränderungen von Weltansichten im Lauf des Lebens. Diesen Beitrag weiterlesen »

Basler sind die besten Jerks

Joel Gernet am Mittwoch den 18. April 2012

Laute Rapmusik hallt über den Betonplatz unter der Dreirosenbrücke. Immer wieder wird der Sound übertönt vom Gejohle euphorisierter Teenager, die dicht gedrängt im Kreis stehen. Auf der Tanzfläche zwischen den rund 300 Kids duellieren sich Tänzer mit spastischen Zuckungen und Akrobatik-Einlagen. Baseballcaps und Rüeblihosen sind die dominierenden Kleidungsstücke. Die Szenen könnten ohne Weiteres einem amerikanischen Videoclip entspringen – abgespielt haben sie sich vergangenen Samstagnachmittag vor dem Jugendtreff Dreirosen während der «Swiss Jerk Championship 2012» (SJC), der inoffiziellen Schweizermeisterschaft im Jerkin’.

Der noch ziemlich junge HipHop-Tanzstil Jerk, auch Jerkin’ genannt, entstand um 2008 in Los Angeles und erfährt derzeit in Amerika einen riesigen Hype. Dieser hat nun offensichtlich auch die Schweiz erreicht – wir berichteten an dieser Stelle bereits 2010 über die ersten zarten Basler Auswüchse dieses Phänomens. «Jerkin’ ist in der Schweiz schwer am kommen», sagt SJC-Organisator Bemvindo Nzolamesso, den alle Bem nennen. «Dass so viele Leute kommen, hätte ich nicht erwartet – die Stimmung war richtig geil.» Diesen Beitrag weiterlesen »

«Dann fressen’s, dann kotzen’s, dann scheissen’s, dann schnackseln’s, dann sterben’s.»

gastautor am Mittwoch den 19. Oktober 2011

Die Berliner Theatertruppe Das Helmi scheitert in der Kaserne kalkuliert an einer Novelle von Heinrich von Kleist. Mit seinen Puppen aus Abfall, seinen trashigen Zwischenspielen und seinem pubertären Spielwitz wird aus «Die Verlobung in St. Domingo» Hackfleisch gemacht. Nichts und niemand ist Helmis Häcksler heilig. Freude kommt dennoch keine auf.

Ein Gastbeitrag von Simon Aeberhard

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Unvermeidliche Lieder im Parterre

chris faber am Donnerstag den 29. September 2011

Der grosse gemütliche Teppich auf der Bühne des Parterre war gestern Abend Sinnbild für die Atmosphäre, denn ein unvergleichliches Wohnzimmerkonzert mit vielen Zugaben verzauberte die ZuschauerInnen. Bild: Benno Hunziker

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Treibstoff – Die Kritiker – Rum Diary

chris faber am Samstag den 10. September 2011

Alkohol gegen die Tropenfäule von Cyril Werndli

Tumasch Clalüna inszeniert Hunter S. Thompsons Roman „The Rum Diary“ und vertraut dabei auf die Kraft von karibischer Atmosphäre und Salsa-Rhythmen. Was vielversprechend beginnt ermüdet über die Dauer und kann den dreieinhalbstündigen Abend nicht zusammenhalten. Diesen Beitrag weiterlesen »

Treibstoff – Die Kritiker – Erste Stimmen zu Selberdenken, Setzen!

chris faber am Samstag den 3. September 2011

“Die Demokratie der Unterschriftensammler: Corinne Maier fühlt in ihrer Theaterperformance ‘Selberdenken, Setzen!’ dem Schweizer Demokratieverständnis auf den Zahn. Der Bürger von heute kümmert sich um Lärmschutz und Osttangenten. Er kann ja nichts für die Hungernden am Horn von Afrika. Maier gelingt ein feinsinniges Plädoyer für mehr Mut zum Handeln.”

(Cyril Werndli) Diesen Beitrag weiterlesen »