Das dürfte jeden Schweizer Rapfan freuen: Die Taz-Aman-Flink-Squad – kurz TAFS – lässt am 8. März ihr drittes Album «Landgang» vom Stapel. Aber drehen wir den Zeiger zuerst etwas zurück: Das Baselbieter Trio bescherte mir Ende des letzten Jahrtausends einen dieser magischen HipHop-Momente. Wir schreiben das Jahr 1999 und ich – ein junger, naiver Teenager – bin völlig aus dem Häuschen ob der Bühnen-Performance der drei Emporkömmlinge, schwitze und springe voller Euphorie. Es war die Plattentaufe der allerersten TAFS-Maxi «8i Bahnhof» im Liestaler Jugendhaus Splash, das einen Steinwurf von besagtem Bahnhof – dem eigentlichen Jugendtreff jener Zeit – entfernt liegt. Die Platte war innert Kürze ein Klassiker und ich der Überzeugung, dass die TAF-Squad die beste Rapcrew des Planeten ist. Und ihre Konzerte nicht zu überbieten.
Das Problem bei Bands, die man in jungen Jahren vergöttert hat, ist leider oft, dass diese einen ein halbes Leben später nur noch enttäuschen. Zu mächtig die nostalgisch gefärbten Erinnerungen. Zu schwer der emotionale Ballast der Songs, die einen durch die Jugend begleiteten. Was also haben meine Helden noch drauf bei ihrem Landgang? Schnell wird klar: Die TAFS sind noch ganz die Alten, halt einfach vierzehn Jahre älter. Die Ergüsse der Rapper Aman und Taz versprühen noch immer viel Charme und Wortwitz. Und die Flink-Beats haben sogar noch mehr Bumms als früher.
Waren die TAFS vor drei Jahren auf «Gschwäll» – Baselbieter Slang für Geschwätz – noch die alten «Hasenimbiz», so bestreiten sie ihren Landgang heuer als «Päirätts». Nun ist das Piraten-Sujet für Rapper in etwa so cool, wie ein geschminkter Clown an der Basler Fasnacht, das haben andere Rapcrews leider schon bewiesen. Aber den TAFS verzeiht man so etwas. Erstens kommt die Augenklappe in Form einer «einäugigen» Ray-Ban-Sonnenbrille äusserst stilvoll daher – ebenso die Social-Media-Kampagne, bei der diverse Promis per Fotoshop eine ebensolche verpasst bekommen. Und zweitens präsentiert sich die Musik der Baselbieter so leichtfüssig und humorvoll, dass Sound und Sujet halt doch zusammenpassen.
Man merkt: Die Jungs müssen niemandem mehr etwas beweisen, sondern wollen nichts als Spass haben miteinander. «Quality time», nennen sie das. Da gibt es witzige Chuck-Norris-Vergleiche und Baselbieter Mundart-Gschwäll am Laufmeter. Auf welcher Rapplatte hört man schon Wörter wie Suurribel oder Bäfzger? Bemerkenswert ist bereits der Album-Auftakt mit filigranen Glockenklängen und wummernder Dubstep-Baseline. Zu diesem herrlichen Klangteppich werden die Namen sämtlicher Baselbieter Gemeinden aufgezählt, und auch Basel bleibt nicht unerwähnt – schliesslich lebt die Rapfraktion seit Jahren in der Stadt. Ich kann es kaum fassen, dass die TAFS aus so einem Brett von einem Beat keinen wirklichen Song basteln! Das ist dekadent, irgendwie auch cool.
Ein weiterer Höhepunkt folgt mit «Alles verbi». Ein stimmungsvolles Piano-Intro suggeriert einen nachdenklichen Track – bevor ein Nintendo-artiger Basslauf einsetzt. Und ein Aman in Bestform. Netter Nonsens im Ohr, ein breites Grinsen im Gesicht. Das sind die TAFS, die ich liebe! Auf dem «Vereinssong» und «Dreih mi nid um» beweist der neu dazu gestossene DJ OK, dass er sich mit seinen Beats keineswegs hinter (DJ) Flink zu verstecken braucht. Dieser fokussiert sich seit einiger Zeit an den Konzerten auf seine Rolle als Percussionist – was sich rhythmisch auch spürbar auf seine Beats auswirkt. Positiv, versteht sich. Von Rap über Reggae bis hin zu Dubstep räubern die Piraten in allen Genres – auch eine der Stärken der Crew.
Herrlich die Gangnam-Style-Persiflage, die bei den Baselbieter Freibeutern «Landgangstyle» heisst und mit seinem pumpenden Beat und dem verrückten Refrain irgendwie an die Berliner Ragga-Formation Seeed erinnert. Könnte ein Club-Hit werden.
Als ich den Song zum ersten Mal auf SRF 3 hörte, realisierte ich erst in der Hälfte des Songs, dass da Schweizer am Werk sind. Experiment geglückt. Der Taz-Solosong «Cloudtouch» ist vergleichsweise nachdenklich, der Beat federleicht. Ebenso die Texte, in denen der Rapper dem Alltrag entflieht: «Ych zieh vo Insle zu Insle, immer mit em Gfühl es liggt no meh dinne».
Nach dem pumpenden Video-Track «Klarschiff», auf dem der übernötige Frühlingsputz erledigt wird, folgen mit «Dreih mi nid um» und «Nid mi Ding» die einzigen – ansatzweise – kritischen Songs. Selbst hier bleiben die TAFS heiter und smart. Ein Bisschen mehr Biss würde zuweilen nicht schaden, zumal sich bei all dem Frohmut einzelne Songs auf Dauer inhaltlich kaum unterscheiden. Just als ich mir überlege, wie stark ich mich über das Übermass an nettem Nonsens aufregen soll, sticht mir folgende Aman-Zeile ins Ohr: «Dr Ernscht isch nid in unserer Crew, also frog mi nid wo er blibt». Die Sache ist gegessen!
Mein liebster Album-Beat folgt im «Outro», ein typisches Flink-Brett mit positivem Vibe, der an Shabaam Sahdeeqs «Soundclash» erinnert. Im Refrain darf der DJ sogar noch seine Scratch-Skills beweisen. Anders als im Intro wird dieses Mal auch gerappt. Schöner Abschluss eines guten Albums. Ich kann mich zufrieden zurücklehnen: Die Helden von damals haben mich nicht hängen lassen. So wie Schweizer Rap im Allgemeinen zur Zeit, das soll hier nicht unerwähnt bleiben: Die eben erschienenen Solo-Alben von Manillio («Irgendwo») aus Solothurn und des Berners Dezmond Dez («Verlornigs Paradies») lassen die eidgenössische Rapszene im besten Licht erstrahlen. Und nun auch die TAFS. HipHop-Hooray!
Tafs – Landgang. Nation Music. VÖ: 08. März 2013. Online erhältlich via iTunes und Urbanpeople.ch.