Archiv für die Kategorie ‘Konzert’

Deutschlands lustigster Gangster-Rapper kommt ans Rheinknie

Joel Gernet am Freitag den 2. Mai 2014

Wenn man den Texten des deutschen Rappers SSIO glauben schenkt, besteht dessen Alltag aus Kiffen, Dealen und dem Besuchen von Puffs, Muckibuden und Clubs. Wobei natürlich stehts mit dicker Karre vorgefahren wird – da lässt sich der Herr nicht lumpen.

SSIO_FlyerDiesen Samstag fährt der Benz von SSIO am «City Jam» im Alten Wasserwerk in Lörrach (D) vor. Via Facebook verkündet der Rapper voller Selbstironie: «Am 3. Mai mach ich Breakdance in Lörrach». Ironisch ist die Aussage, weil an Jams normalerweise der traditionellen HipHop-Kultur und ihren vier Elementen gefrönt wird – und nicht Gangsterrap, wie SSIO ihn fabriziert.

In seiner Musik bedient der Bonner so ziemlich jedes Gangster-Klischee, das Otto Normalverbraucher im Kopf hat. Und er überspitzt seine Stories bis zum Erbrechen. Das äussert sich etwa in Zeilen wie diesen:

Bull’n jagen mich durch Zeugenaussagen.
Leider vergebens, weil ich im Freudenhaus schlafe.
Nutte, ich fahr den Mercedes Benz.
Während aus dem Fenster-Rahmen der Penis hängt.

Was SSIO im Vergleich zu so vielen rappenden Muckibuden-Dumpfbacken aus Deutschland speziell macht, ist sein Humor und seine Selbtironie. Zwei Eigenschaften, die man bei den meisten seiner Artgenossen schmerzlich vermisst. Natürlich kann man generell darüber diskutieren, inwiefern derartiger Rap überhaupt sinnvoll ist – diese allgegenwärtige Grundsatzdebatte soll hier ausgeklammert werden. Wenn man die Musik von SSIO als Entertainment betrachtet – 50 Cent sagt ja auch immer, seine Musik sei wie ein Hollywoodfilm –, lässt sich feststellen, dass man bei ihm wunderbar unterhalten wird. Saudumm und smart zugleich.

Die Inhalte der SSIO-Tracks sind eigentlich stets die selben. Dementsprechend liessen sich die einzelnen Song-Strophen auch beliebig austauschen. Wie er aber seine Kleinkriminellen-Stories vorträgt, ist allererste Sahne. Aussagekräftiger als seine Lieder sind fast schon deren Titel: Sie heissen etwa «Einbürgerungstest für schwererziehbare Migrantenkinder» oder «Ein tiefsinniges, sozialkritisches und moralvermittelndes Lied» oder «Das Wasser ist nass» oder schlicht «Unbekannter Titel». Dadaistischer Gangsterrap voller Selbstironie und Stumpfsinn – wobei diese Untertöne vermutlich von einem Grossteil seiner Fans nicht herausgehört werden.

Oben genannte Songs stammen von SSIOs Debütalbum «BB.U.M.SS.N», das 2013 nicht nur in der deutschen Rapszene hohe Wellen warf – und das eher unerwartet auf Platz 6 chartete. Diesen Samstag kann man sich in Lörrach ein Bild davon machen, ob sich hinter der grossen Klappe von SSIO auch ein guter Live-Rapper verbirgt. Unterstützt wird der Deutsche unter anderem vom Basler Rapkollektiv Köpf wo andrs tikke (K.W.A.T.). Also ab über die Grenze! Wir schliessen mit zwei Zeilen von SSIO…

Manchmal denke ich, meine Sucht macht mich Blind.
Doch das fällt mir erst auf wenn die U-Haft beginnt.

SSIO, live in Lörrach:
Sa. 3. Mai, Altes Wasserwerk, Lörrach (D).
Vorgruppen: K.W.A.T. (Basel), Curlyman (Karlsruhe), Mr. Waks (Lörrach).

Die BScene 2014 aus den Augen der Künstler, Teil 2: The Waves

Luca Bruno am Dienstag den 4. März 2014

BSceneLogoBezüglich unserer alljährlichen Berichterstattung zur BScene haben in der Vergangenheit vor allem wir selbst oder die Organisatoren das Zepter übernommen. Für die diesjährige Ausgabe überlassen wir nun den auftretenden Künstlern selbst das Wort. Während der achtzehnten Edition der BScene haben wir mit einigen ausgewählten Künstlern Kurzinterviews geführt, die wir euch hiermit präsentieren. Heute an der Reihe: The Waves. Eine noch ziemlich junge Basler Band, die sich unüberhörbar der R.O.C.K.-musik verschrieben hat.

The Waves: Yannick Frich, Ruben Bachmann, Silas Gusset und Micha Setlik (v.l.n.r.)

The Waves: Yannick Frich, Ruben Bachmann, Silas Gusset und Micha Setlik (v.l.n.r.). Kopf hoch! Sollte es mit der Musikkarriere nicht klappen, gibt es noch immer die Option «Haarmodelle».

Betrachtet man die musikalischen Trends, die in dieser Stadt derzeit Vorrang haben, stellt sich folgende Frage: Steht man als Gitarrenband in Basel auf verlorenem Posten?
Micha Setlik, Vocals/Gitarre: Naja, zumindest The Waves gibt es ja noch! Und uns wird es auch noch lange geben!
Ruben Bachmann, Gitarre: Und dann gibt es ja auch noch haufenweise andere Gitarrenbands in Basel… Ich arbeite in einem Musikladen und kann dort jeden Tag wieder aufs Neue feststellen, dass es in Basel noch immer sehr viele Musiker gibt, die sich der Rockmusik widmen.

Stört es euch, als Vertreter der Rockmusik, dass die BScene dieses Jahr auch vermehrt elektronische Acts ins Programm aufgenommen hat?
Setlik: Nun ja, unser Drummer Yannick hat am späteren Abend auch noch einen Auftritt als DJ und bekommt da viel mehr Gage als wir jetzt. Das geht natürlich überhaupt nicht (lacht). Aber im Ernst: Das stört mich überhaupt nicht. Das ist halt einfach eine musikalische Tendenz, die momentan ziemlich fest spürbar ist. Übrigens auch bei ganz vielen Rockbands: Da gibt es ja derzeit einige, die sich neuerdings am Synthpop versuchen…

Heisst das also, dass bei euch Keyboards weder in den Proberaum noch auf die Bühne kommen?
Bachmann: Keyboards waren bei uns definitiv auch schon ein Thema. Das Schöne am Keyboard ist halt, dass du damit ganz andere Klangfarben in deine Musik reinbringen kannst. Das kannst du mit der Gitarre natürlich auch – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Eine derart breite Soundpalette wie diejenige eines Keyboards kannst du mit einer Gitarre einfach nicht abdecken.

Das Herz von «The Waves» schlägt unverkennbar für den Gitarrenrock. Jedoch haben die einzelnen Mitglieder ziemlich unterschiedliche Musikbiographien. Was sind die Einzelteile, aus denen sich die Musik von «The Waves» zusammensetzt?
Setlik: Auf mich hatten sicherlich Oasis, Richard Ashcroft und die ganze übrige «Britpop»-Szene den grössten musikalischen Einfluss. Aber das ist natürlich noch längst nicht alles – was sich ja auch in unserer Musik zeigt. So sagen wir intern zum Beispiel immer, dass sich unser jüngster Song ziemlich fest nach B.R.M.C. anhört. Und die ruhige, amerikanische Art à la Ryan Adams schwebt bei uns natürlich auch immer mit.
Bachmann: Ich hingegen war lange Zeit ein riesiger U2-Fan, habe aber ebenfalls immer viel Oasis und Britpop gehört. Und Kings of Leon. Und Bon Iver. Und Coldplay…
Setlik: Unser Drummer Yannick hingegen kommt – wie schon erwähnt – aus der elektronischen Ecke. Und unser Bassist Silas, der früher Teil von The Triad war, hat bislang mit Leib und Seele den Stoner Rock ausgelebt. So macht es rückblickend betrachtet also schon Sinn, dass wir uns ausgerechnet im Gitarrenrock zusammengefunden haben – aber es war definitiv keine Entscheidung, die wir im vornherein bewusst getroffen haben.
Wichtig ist ja eigentlich sowieso nur, dass es für uns momentan funktioniert und es uns dabei auch Spass macht. Aber ich schätze, dass unsere Musik in zehn Jahren ganz anders klingen wird als jetzt.

Was machen «The Waves» in zehn Jahren also?
Setlik: Immer noch montags und mittwochs fleissig proben. Und natürlich ab und zu an der BScene spielen.

Dann wieder im Sommercasino, so wie heute?
Setlik: Ich war überrascht, dass das Sommercasino dieses Jahr überhaupt dabei war. Die Location ist ja eigentlich ziemlich weit weg von allen anderen Orten, die ich sonst normalerweise an einer BScene besuche. Gleichzeitig habe ich aber auch sofort gewusst, dass die Soundverhältnisse im Sommercasino meistens sehr gut sind und es dementsprechend immer «geil» tönt, wenn man hier spielt. Ich habe mich also durchaus gefreut, hier spielen zu dürfen.

Aber wenn ihr jetzt für euren Auftritt an der BScene 2015 einen Ort frei nach Wahl aussuchen dürftet, dann wäre es wahrscheinlich nicht das Sommercasino, oder?
Setlik: Am coolsten wäre es natürlich in der Reithalle in der Kaserne zu spielen. Aber ehrlich gesagt würde ich nächstes Jahr dort noch nicht auftreten wollen. Wir sind schliesslich noch immer mitten in einem musikalischen Findungsprozess und haben unsere Bandidentität noch nicht zu 100 Prozent gefunden.
Bachmann: Ja, angesprochener Selbstfindungsakt ist immer noch in vollem Gange. Darum sind wir beispielsweise momentan auch noch nicht dazu bereit, ein Album oder ähnliches aufzunehmen.
Setlik: Bezüglich Studioaufnahmen mache ich der Band noch einen weiteren Stich durch die Rechnung: Ich gehe im August nämlich für fünf Monate in die Ferien. Die Welt muss also noch ein wenig warten, bis sie von uns erobert werden kann.

Und welche Tipps gebt ihr einer aufstrebenden Basler Band, die nächstes Jahr an der BScene spielen möchte, mit auf den Weg?
Setlik: Üben, üben, üben.
Bachmann: Und – das darf durchaus auch einmal gesagt werden – es gibt ein paar Schlüsselpersonen in Basel, bei denen es nur von Vorteil sein kann, wenn man sie kennt.

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Neustart nach dem Crystal-Hype

Luca Bruno am Donnerstag den 20. Februar 2014

«Crystal Antlers» und «Crystal Stilts» heissen zwei Bands, die bald in der Kaserne Basel zu Gast sind. Die Bands gleichen sich nicht nur vom Namen her, sie haben auch einen ziemlich ähnlichen Karriereverlauf vorzuweisen.

Da geht's lang: Crystal Antlers (r.) & Crystal Stilts (l.)

Zur Kaserne bitte rechts abbiegen: Crystal Antlers (l.) & Crystal Stilts (r.)

In jungen Jahren schlagartig ins Rampenlicht befördert, nur um kurze Zeit später bereits wieder vergessen zu werden? Nein! Die Rede ist nicht von den durchschnittlichen Karriereaussichten unserer kickenden U17-Welt- und Europameister, sondern von jenen Bands, die uns Blogosphäre und einflussreiche Musikmagazine seit etwa 2005 im Zweiwochentakt als «Next Big Thing» auftischen – nur um sie im nächsten Atemzug bereits wieder als «Schnee von Gestern» bezeichnen zu können.

Dabei schreibt jedes einzelne Jahr seine Geschichten und Hypes aufs Neue. Und so hatte auch das Musikjahr 2008 seine unverkennbaren Trends: Wer damals beispielsweise die Worte «Crystal», «Wolf», «Black» oder «Girls» im Bandnamen hatte, auf Lo-Fi Produktion setzte und zugleich entweder an der Küste Kaliforniens oder im New Yorker Stadtteil Brooklyn angesiedelt war, hatte gute Karten für massive Magazin- und Blogpräsenz. Kein grosser Zufall also, dass ausgerechnet die beiden Bands Crystal Antlers und Crystal Stilts mit ihren jeweiligen Debüt-EPs voll ins Schwarze der damaligen Meinungsmacher getroffen haben.

Jetzt, rund sechs Jahre später, statten beide Bands der Kaserne Basel einen Besuch ab. Während das Konzert der Crystal Antlers bereits diesen Samstagabend, am 22. Februar 2014 stattfindet, müssen wir auf den Besuch der anderen «Crystal»-Band noch ein wenig länger warten: Die Crystal Stilts haben ihren ersten Basler Auftritt am Mittwoch, den 5. März. Diesen Beitrag weiterlesen »

«Wir warten, bis Lady Gaga was Falsches sagt!»

Joel Gernet am Freitag den 29. November 2013

Es ist frei! The bianca Story verschenken ab sofort ihr neues Album «Digger». Im Interview redet Bandleader Elia Rediger kurz vor der heutigen Plattentaufe in Basel über die neue CD, den Ideenklau eines internationalen Popstars – und über Maulwurfpfauen.

Premiere: Das brandneue Video von The bianca Story.

 

Es ist die Frucht knallharter Knochanarbeit: Heute Freitag veröffentlicht – und tauft – die Basler Artpop-Band The bianca Story ihr drittes Album «Digger». Um ihre Musik zu «befreien» hat sich das Quintett 90’000 Meter durch den Fels der Musikindustrie gepickelt und dabei via Crowdfunding stolze 90’000 Euro zusammengeschaufelt (wir berichteten). Seit heute ist das neue Album der Biancas also frei. Genauer: zur freien Verfügung für alle – erhältlich als Gratis-Download auf der Homepage der Band.

Und am Freitagabend, 29. November, wird «Digger» im Rossstall der Kaserne Basel getauft. Wir haben Frontmann Elia Rediger kurz vor der Rückkehr ans Rheinknie im Tourbus erreicht und mit ihm via Mail ein kleines aber feines Interview geführt.

Ab sofort im Umlauf: «Digger» von The bianca Story.

Ab sofort im Umlauf: «Digger» von The bianca Story.

Elia Rediger, was machst du gerade?
Ich sitze in dem schaukelnden Tourbus, auf dem Weg von Wiesbaden nach Basel! Mein Sitznachbar schläft (Anmerkung aus dem Off: unser neuer Gitarrist Jonas Wolf) und erholt sich von den Solos!

Wie ist die Tournee angelaufen? Gibts erste Höhe- oder Tiefpunkte zu vermelden?
Köln und Wiesbaden gestern waren ein wilder Auftakt mit vielen bekannten Gesichtern im Publikum! Das freut uns immer riesig! Und die neuen Songs von der Platte rutschen schon ziemlich gut Live…wohl auch, weil sie auf Tour geschrieben wurden. Ein Tiefpunkt war die Polizeikontrolle gestern in Köln, wir waren im Bus nicht alle angeschnallt. Aber Anna war dann ziemlich scharmant und schenkte ihnen eine CD…

Warum habt ihr Erfolg in Deutschland?
Weil wir mittlerweile ein sehr tolles und treues Publikum haben und sehr gerne live spielen.

Eure selbstbewusste Attitüde, der Wille zum Erfolg und die kompromisslose Art, alles auf die Karte Musik zu setzen ist ziemlich unschweizerisch, oder?
Wirklich? Ich fühl mich ziemlich schweizerisch…jodle auch gerne mal ab und zu. Aber die Band hält mich da zurück. Nun, das mit der Karte Musik hat sich ja auch erst entwickelt! Das passiert nicht über Nacht. Da wächst man rein!

Warum dieses Himmelfahrskommando?
Falsche Kompromisse sind wie lauwarmer Kaffee auf einer Autobahnraststätte.

Welcher Song auf dem neuen Album macht Dich besonders stolz?
Eine äusserst internationale Frage! Stolz scheint mir ja das Gegenteil von schweizerisch, um dir nochmals den Schweizer unter die Nase zu reiben! Meine Favoriten sind die Schweizer Songs wie «Glück Macht Einsam» und «You Sir».

Was war der schwierigste Moment während der Album-Produktion?
Ich glaube wir standen ziemlich unter Druck. Weil wir wenig Zeit hatten, war der Plan ziemlich streng geplant. Wahrscheinlich war das aber schlussendlich sogar hilfreich für die Songs!

Welches Tier wäre euer aktuelles Album, wenn ihr es im Zolli präsentieren müsstet?
Ein Maulwurfpfau! Gut im Graben, und versehen mit einem Glanz.

Du warst in Basel quasi ein Vorreiter des Bart-Hypes. Wäre es nicht an der Zeit, dass Du ihn nun als einer der Ersten wieder abwirfst?
Und mit den Haaren ein Kissen stopfen? Why not! Jetzt auf die kalten Wintertage… Aber mal ehrlich, mein Kopfschmuck geht ja doch hauptsächlich mich was an. Und ja, der Bart ist nicht angeklebt.

Das Konzept von Lady Gagas neuem Album «Artpop» hat sie ja eigentlich bei euch abgekupfert. Zieht ihr eine Klage in Betracht?
Ja, wir haben unsere Anwälte schon auf pickett! Wir warten nur noch, bis sie was Falsches sagt! Aber sie verhält sich ziemlich schlau!

Ihr habt schon in den legendären Londoner Abbye-Road-Studios aufgenommen, spielt in Deutschland in ausverkauften Häusern und werdet mit Tim Renner von einer der schillerndsten Persönlichkeiten im deutschen Musikbusiness gemanagt. Was würde euch wirklich noch aus den Socken hauen? Der ultimative Traum?
Der ultimative Traum? Ich würde gerne mit David Byrne mit einem Ghetto Blaster auf der Schulter durch den Jardin du Luxembourg spazieren… Ja, ich weiss unsere Chronik liest sich ziemlich süffig, aber ich glaube, wir stehen noch am Anfang von einem langen gemeinsamen Weg! Ich glaube, wir haben noch viele tolle Sachen vor uns! Zum Beispiel freue ich mich auf den Auftritt an der Deutsche Oper in Berlin mit der Platte «Digger» im nächsten Frühling.

Album: The bianca Story, Digger (Motor, 2013). Free Download.
Live: Fr. 29. November 2013, Rossstall, Kaserne Basel. Weitere Tourdaten.

Elektronische Musik zum Anfassen: Brandt Brauer Frick

Luca Bruno am Freitag den 17. Mai 2013
Jan Brauer (Foto: Nico Stinghe & Park Bennett)

Jan Brauer: Hier für einmal mit wenig Fingerspitzengefühl (Foto: Nico Stinghe & Park Bennett)

Man kann der hiesigen Konzertlandschaft ja vieles vorwerfen, aber dass es den Bands, die sich tatsächlich nach Basel verirren, hier nicht gefallen würde, kann mit grösster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Nur so ist es nämlich zu erklären, warum sich so viele Acts kurze Zeit nach ihrem ersten Konzert auf einer der hier beheimateten Konzertbühnen ein erneutes Stelldichein geben wollen.

So sind fast auf den Tag genau anderthalb Jahre vergangen, dass Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick, kurz Brandt Brauer Frick ein Konzert in der Kaserne gespielt haben und nun statten sie Basel am kommenden Pfingstwochenende erneut einen Besuch ab. Mit ihrem aktuellen Album «Miami» im Gepäck sind die drei Berliner diesen Sonntagabend, am 19. Mai 2013 im Hinterhof zu Gast… Diesen Beitrag weiterlesen »

Die nächste Generation?

Luca Bruno am Donnerstag den 9. Mai 2013

Unter dem Banner der «Set it Off»-Tour touren derzeit die fünf jungen Produzenten XXYYXX, Slow Magic, Giraffage, Beat Culture und Blackbird Blackbird – mit Ausnahme von Erstgenanntem alle aus Kalifornien stammend – quer durch Europa. Eine neue Generation Musiker, die an ihrer Musik vorwiegend in den eigenen Schlafzimmern bastelt um sie gleich anschliessend ihrem massiven Gefolge auf Twitter und Facebook via Soundcloud oder Bandcamp verteilen zu können – und das meistens ohne dafür Geld zu verlangen. Fünf Produzenten, die dementsprechend mehr Wert auf die korrekte Tumblr- und Vaporware-Ästhetik legen, als mit dem Verkauf von physischen Tonträgern Geld zu verdienen. Gestern Mittwochabend, am 8. Mai 2013, machte die Tour halt in der KaserneDiesen Beitrag weiterlesen »

Ein rastloser Rene beim Zwischenhalt in Basel

Joel Gernet am Mittwoch den 13. März 2013

«Es gibt nichts dazwischen.» MC Rene erklärt im ausführlichen Interview, warum er sein bürgerliches Dasein hinter sich gelassen hat für ein Leben auf Reisen und ohne viel Besitz. (Interview: Joël Gernet)

Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht liegt MC Rene auf der Bühne des FAKT und präsentiert seine neusten Songs. Hier, im Kunst-, Konzert- und Barbetrieb bei der Markthalle, wird der 36-Jährige heute Mittwochabend aus seinem Buch vorlesen und – vielleicht – auch rappen. «Das kommt ganz auf die Stimmung an», meint der Braunschweiger mit einem Augenzwinkern, «aber in letzter Zeit ist das öfters passiert».

Neuer Sound: MC Rene mit seiner «USBahncard 100».

Rene kommt gerade aus Baden, zuvor war er in Zürich. Eine knallrote Pudelmütze mit weissem Kreuz zeugt von seinem Schweiz-Trip. Drei Jahre dauert die abenteuerliche Reise des René El Khazraje inzwischen. Zuvor hat er seinen Job in einem Callcenter an den Nagel gehängt, seine Wohnung gekündigt und einen Grossteil seiner Habseligkeiten verschenkt.

Seither reist MC Rene mit einer Bahncard 100, vergleichbar mit dem Schweizer SBB-Generalabonnement, quer durch Deutschland, schreibt, rappt und bleibt, wohin es ihn gerade treibt. Dabei agiert er nicht nur als Rapper, sondern auch als Stand-Up-Komödiant. Fast schon prophetisch muten da die Zeilen an, die MC Rene auf seinem Debut-Album «Renevolution» (1995) rappte:

«Bekomme meinen Zug und steige ein. Setz meine Kopfhörer an, die Fahrt wird lang sein» (Auf: Ein anderer Ausflug)

«Ich passe mich nicht an, will nicht sein wie alle andern. Will wandern, nach meinen eigenen Plänen. Als Alternative bestehn zu einem Spiessersystem (…). Ich will kein kleiner Angestellter in einem grossen Betrieb sein, der nur lebt, um ein Arbeiter zu sein»
(Auf: Nutze den Tag)

Seine Erfahrungen als rappender Vagabund hat Rene im Buch «Alles auf eine Karte» zusammengefasst. Dass er die Erlebnisse seiner permanenten Reise aber auch in Reimform verarbeitet, zeigen die Rapsongs, die im FAKT aus Renes mobilen Boxen pumpen. Im Track «Bereuen» betitelt sich der Mcee als «beratungsresistenten Karriereverweigerer» und beschreibt, wie er sich von seinem bürgerlichen Ballast befreite und seither seinem Traum folgt.

Die Reime des 36-Jährigen sprudeln immer noch so fliessend und locker aus seinem Mund wie Mitte der 90er-Jahre, als der Teenager mit marokkanischen Wurzeln als eines der grössten Raptalente in Deutschland gehandelt wurde. Und eine Freestyle-Wundertüte war er obendrauf. Ein Improvisations-König, dessen Gabe ihm auch bei der Moderation der Viva-Rapsendung «Mixery Raw Deluxe» zugute kam.

Kein Wunder, heisst der bemerkenswerteste neue Rene-Song «Mein Leben ist ein Freestyle». Begleitet von einem schönen Klavier-Beat erzählt der Rapper von seinem Leben auf der Schiene. Das Video zum Song wurde kürzlich in Heidelberg gedreht – inklusive Gastauftritten langjähriger Weggefährten wie den Stieber Twins, Mirko Machine oder Spax. Von seiner Zeit im Callcenter handelt «Stefan Eckert», betitelt nach Renes Pseudonym als Telefonarbeiter. Ein funky Track, auf dem Rene sein damaliges Leben seziert und das Klischee des überangepassten Spiessbürgers auf die Spitze treibt. Eine herrliche Audio-Karrikatur.

Insgesamt sechs neue Songs lässt MC Rene über die FAKT-Bühne brettern. Sie sollen in wenigen Wochen auf einem USB-Stick in Form einer «USBahncard 100» veröffentlicht werden – gemeinsam mit dem Audiobuch und einem Experimentalfilm. Mit sechs Stunden Spielzeit eignet sich Renes neuster Wurf bestens für längere Zugfahrten. Wer nicht bis zur offiziellen Veröffentlichung warten will, kann seinen Allerwertesten ins FAKT bewegen. Gut möglich, dass MC Rene einige Kostproben zum Besten gibt.

MC RENE Alles auf eine Karte (2012) from mc rene on Vimeo.

Live: MC Rene, Mittwoch, 13. März 2013, F A K T, Viaduktstrasse 10, Basel. Eintritt: 10.- Franken (mit Buch 15.-). Programm: 20h DJ Core, 21.30h MC Rene, 23h Freestyle Session.

Buch: MC Rene – Alles auf eine Karte: Wir sehen uns im Zug (272 Seiten). rororo-Verlag 2012.

Besuch aus dem hohen Norden: Sigur Rós

Luca Bruno am Montag den 25. Februar 2013


Überlebensgross: Sigur Rós in der St. Jakobshalle.

Knapp anderthalb Dekaden ist es nun bereits her, dass sich Sigur Rós mit ihrem zweiten Album «Ágætis byrjun» dazu aufgemacht haben, um die Jahrtausendwende die Bühnen dieser Welt mit ihrer faszinierenden Kombination aus Post-Rock und ätherischem Kammerpop zu verzaubern. Den Überraschungseffekt hat die Band aus dem «fernen Island», die ihre Auftritte gerne hinter halbtransparenten Vorhängen absolviert, deren Lyrics grösstenteils in einer erfundenen Sprache namens «vonlenska» (zu Deutsch in etwa «hoffnungsländisch») gesungen werden und deren Leadsänger seine E-Gitarre fast ausschliesslich mit einem Geigenbogen anspielt, dank unzähligen Alben, Konzertfilmen sowie Live-DVDs, die seither erschienen sind, mittlerweile zwar nicht mehr auf ihrer Seite und trotzdem wirkt sie auch weiterhin so undurchdringlich wie kaum eine andere Band, die eine solch ähnlich grosse Popularität geniesst.

Gestern Sonntagabend legte die Band um Sänger Jón Þór Birgisson auf ihrer aktuellen Welttournee einen schweizexklusiven Halt in der Basler St. Jakobshalle ein und bewies dabei, dass sie auch trotz regelmässigen Platzierungen in den oberen Regionen sämtlicher Charts rund um den Globus noch immer nichts von ihrer Originalität eingebüsst hat. Diesen Beitrag weiterlesen »

Ein Wiedersehen mit Freunden

Luca Bruno am Dienstag den 5. Februar 2013

Efterklang und Hinterhof: Freunde fürs Leben! Bereits 2011, als der Hinterhof seinen ersten Geburtstag feiern durfte, war die Folk Rock-Truppe aus Dänemark der Ehrengast des Abends und nun, auf den Tag genau (!) zwei Jahre später, ist das Ensemble aus Kopenhagen erneut zu Besuch. Die Wiedersehensfeier zwischen den drei Dänen, ihren zahlreichen Begleitmusikern und dem Hinterhof findet heute Dienstagabend, am 5. Februar 2013, statt.

Mit im Gepäck haben Casper Clausen, Mads Christian Brauer und Rasmus Stolberg aber nicht nur ihr ständiges Begleitorchester, sondern auch ihr aktuelles Album «Piramida», für dessen Aufnahmen man sich letztes Jahr während rund neun Tagen in die Pyramiden begab… allerdings nicht in diejenigen von Gizeh, sondern in jene auf den Spitzbergen. Und wie auf dem mittlerweile vierten Album der Band zu hören ist, haben sich diese norwegischen Pyramiden – in Wirklichkeit eine verlassene russische Kohlemine auf dieser weit im Norden abgelegenen Inselgruppe – für Efterklang als durchaus fruchtbarer Geräuschefundus entpuppt. Diesen Beitrag weiterlesen »

Gesund und munter

Luca Bruno am Donnerstag den 24. Januar 2013
Get Well Soon

Get Well Soon: Konstantin Gropper (ganz links im Bild) und seine fünf Mitstreiter (Foto: Simon Gallus)

Im Studio fast ausschliesslich alleine, auf der Bühne dann mit bis zu sechs Mitmusikern, macht Multiinstrumentalist Konstantin Gropper alias Get Well Soon auf seiner aktuellen Europatour nun auch zum ersten Mal Halt in Basel. Die mittlerweile europaweit erfolgreiche Band aus Mannheim bringt ihren Folk-Rock, der irgendwo zwischen Friska Viljor und Efterklang anzusiedeln ist, morgen Freitag, am 25. Januar 2013, in den Rossstall der Kaserne.

Während eines Tourstopps in Brüssel nahm sich Konstantin Gropper nun Zeit, um sich mit uns telefonisch über das bevorstehende Konzert, sein aktuelles Album, italienische B-Movies, Henry Darger und seine Produktionsarbeit für andere Künstler zu unterhalten. Ein Ausflug in den Verstand von jemandem, in dessen Schlafzimmer regelmässig Ideen wie für fiktive B-Movies rund um eine scharlachrote Bestie («The Scarlet Beast O’ Seven Heads», 2012) oder Konzeptalben über den Stoizismus («Vexations», 2010) entstehen… Diesen Beitrag weiterlesen »