Archiv für die Kategorie ‘Kunst’

Die Heuwaage hat eine «Bunterführung»

Joel Gernet am Donnerstag den 20. Dezember 2012

Verantwortlich für das Farbmassaker in der Bunterführung: Tarek Abu Hageb mit seiner Freundin Nora Donner.

Die Heuwaage mit ihrem Autobahnviadukt mausert sich zu einer Galerie der öffentlichen Kunst. Neben einer Eisenplastik von Paul Suter, Michael Grosserts Skulptur «Lieu dit» und Christine Zuffereys Installation «Fiktion/Fiction» ist seit gestern die grossflächige Spraykunst von Tarek Abu Hageb zu sehen. «Bunterführung» heisst das Projekt beim Kiosk, es wurde von Tarek Abu Hageb sowie zwei Jugendlichen in den letzten beiden Monaten verwirklicht. Die farbige Sprayaktion versteht sich als eine Welcome-Aktion des Präsidialdepartements. Am Mittwoch hat der Künstler sein Werk am «Urban Opening» mit Drinks und Sound feierlich der Stadt und ihrer Bevölkrung übergeben. hei

Tarek Abu Hageb bei der Arbeit an seinem Grossprojekt.

Dieser Beitrag stammt aus der BaZ vom 20. Dezember.

Die Essenz des Schreibens

Joel Gernet am Dienstag den 11. Dezember 2012

Nichts als Buchstaben – auch wenn sie nicht immer als solche erkennbar sind. In ihrer frisch eröffneten Ausstellung kehren die Macher der Carhartt Gallery in Weil am Rhein (D) zurück zur Essenz des Schreibens. Da gibt es zum Beispiel überdimensionale Tag-Letter des New Yorker Buchstaben-Virtuosen Faust zu sehen. Oder filigrane Kalligraphie-Kunstwerke des Italieners Luca Barcellona. Und bei den geometrischen Mustern des Künstlers Jia aus Vevey (CH) wird das Alphabet fast bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert. Wer will, kann in der Carhartt Gallery also Stunden damit verbringen, Schriftbilder zu entziffern.

Wobei Kenner der Graffiti- und Streetart-Szene eindeutige Vorteile haben beim Dechiffrieren: Kurator Stefan Winterle lotste auch dieses Mal Künstler aus dem Bereich Urban Art nach Weil am Rhein. In diesem Bereich hat sich die Galerie seit der Eröffnung 2006 europaweit einen Namen gemacht. Neun Künstler aus Europa und Amerika haben für die aktuelle Ausstellung «Don’t Forget to Write» – so will es die Tradition – ihre eigenen drei Wände gestaltet. Alle natürlich mit ihrer ganz eigenen Handschrift.

Die Fokussierung auf die Welt der Buchstaben ist gleichzeitig auch eine Rückbesinnung auf die Anfangszeit der Carhartt Gallery und deren Gründer Sigi von Koeding alias Dare. Die Basler Graffiti-Legende galt schon zu Lebzeiten als einer der begnadetsten und versiertesten Buchstaben-Künstler. Einer von Dares Leitsprüchen: «Handschrift ist für mich Ausdruck von Persönlichkeit». Der Slogan passt perfekt zur neusten Ausstellung jener Galerie, deren Fundament er gelegt hat.

Don’t Forget To Write. Carhartt Gallery, Schusterinsel 9, Weil am Rhein (D). Die Ausstellung läuft noch bis am 27. April 2013. Mehr Infos.

Der Meister der Totenköpfe

Joel Gernet am Freitag den 16. November 2012

Nach über 20 Jahren an der Dose präsentiert Kron mit «Still Standing» seine erste Solo-Ausstellung. Wir haben das Basler Graffiti-Urgestein auf dem Dreispitz besucht.

Zügig lässt Kron den Pinsel über die knallrote Leinwand tanzen. Totenschädel und Banderole mit Gothic-Schrift nehmen langsam Gestalt an, zwei typische Motive das Baslers. Wenn der 37-Jährige am Werk ist, wird nicht lange gefackelt. Nach über zwei Jahrzehnten Graffiti, Airbrush, Grafikdesign und Tätowieren sitzt jeder Strich.

Ganze 24 Jahre hat es gedauert bis zu Krons ersten Solo-Ausstellung, die am Samstag in der YourGallery auf dem Dreispitz Vernissage feiert. Ja, den Basler Graffiti-Pionier gibt’s noch – und er steht nach turbulenten Zeiten aufrechter denn je. Darum nennt er seine Solo-Show auch «Still Standing». Angesprochen auf sein spätes Galerie-Debut meint er grinsend: «Die ganze Stadt ist meine Galerie». Mitentscheidend war auch, dass die Macher der YourGallery der Graffiti-Szene entstammen – Hauptsache kein Schickimicki. Kron ist so bodenständig, dass er sich früher als Breakdancer darauf gewälzt hat.

Seine wahre Berufung aber war und ist das Malen. Zum ersten Mal zur Dose gegriffen hat der in Basel geborene Spanier 1988 als es in der HipHop-Szene noch um einiges rauer zuging als heute. Die berüchtigte Zeit, als man sich in der Steinenvorstadt noch um seine Homeboy-Kleidung fürchten musste, kennt er im Gegensatz zu vielen anderen nicht nur vom Hörensagen. Insbesondere in den 90er Jahren waren seine Schriftzüge, B-Boy-Männchen und Totenköpfe allgegenwärtig auf den Wänden Basels.

Damals führte der Autor, das soll hier nicht verheimlicht werden, eine Art Fernbeziehung mit Kron: Er überspayte meine Bilder – und umgekehrt. Zum Glück kreuzten sich damals unsere Wege nie direkt – der Herr kann nämlich ziemlich ungemütlich werden, hiess es. Ein halbes Leben später ist Kron Hausgrafiker der gemeinsamen Rapcrew TripleNine, bei deren Gigs er seine Spuren nicht selten auf Shirt und Haut der KonzertbesucherInnen hinterlässt. Soviel zur gemeinsamen Geschichte – ich schreibe hier also nicht ganz neutral.

Und jetzt sitzt Kollege Kron also da und arbeitet unter Hochdruck für seine Solo-Show. «Es wird fast keine typischen Graffiti-Schriftzüge geben», erklärt er, «mein Markenzeichen waren immer die Character». Gemeint sind seine typischen HipHop-Männchen mit übergrossen Turnschuhen und Augen so gross wie Hände. Oder seine Totenköpfe und Fratzen mit Eishockey-Maske. Derartige Motive hat Kron in den letzten Wochen auf rund 30 Leinwänden verewigt – Graffiti-Schriftzüge hingegen gehören seiner Meinung nach auf Wände.

Also gibt es bei «Still Standing» etwa Comic-artige Bilder von Puma-State-Sneakers mit dicken Schuhbändeln zu sehen. Oder eine Totenkopf-Fratze, die zur Hälfte von einer echten Eishockey-Maske überdeckt wird – eines der eindrucksvollsten Bilder der Ausstellung. «Am liebsten hätte ich nur Totenköpfe gemalt, aber meine Freundin meinte, das kann ich nicht machen», sagt Kron mit einem Lausbubenlächeln im Gesicht.

Seine Werke wird es für 200 bis 1000 Franken zu kaufen geben. An der Vernissage ist zudem eine Live-Aktion geplant, die unter die Haut gehen dürfte. Zur Einstimmung auf seine erste Solo-Schau zeigt Kron am Samstagnachmittag an einem HipHop-Jam in Winterthur seine Graffiti-Künste – schliesslich hat das Basler HipHop-Urgestein nie vergessen, wo seine künstlerischen Wurzeln liegen. Auch deshalb ist «Still Standing» überfällig. «Diese Ausstellung ist ein Dankeschön für alle, die mich über all die Jahre unterstützt haben – und an die Stadt Basel», sagt Kron. Ein schönes Schlusswort.

Kron – Still Standing. Vernissage: Sa. 17. November 2012, 18 Uhr, YourGallery (0123spitz), Walkeweg 1, Basel. Öffnungszeiten: 17.11. ab 18h, 18.11. ab 16h, 24.11. ab 18h, 25.11 ab 16h.

Degas, der geheimnisvolle alte Wilde

chris faber am Samstag den 6. Oktober 2012

Seit letzter Woche zeigt die Fondation Beyeler noch bis 27. Januar 2013 in einer Sonderschau Edgar Degas Werke und seine immense Bedeutung für die moderne Kunst.

Heute findet von 18.30 – 20.00 Uhr in der Fondation Beyeler die SWR Kulturnacht – Degas und die Farbe der Zeit, statt. Hier könnt Ihr in Gesprächen und Lesungen zeitgenössischer Texte Person, Werk und die Epoche des Künstlers kennen lernen. Unter den Gesprächsgästen des Abends ist der Kurator der Degas Ausstellung, Martin Schwander. Musikalisch wird der Abend gestaltet von dem Jazzmusiker und Allroundbläser Mike Svoboda. Moderator des Abends ist Thomas Koch. Die Veranstaltung in der Fondation Beyeler wird aufgezeichnet und am Samstag, den 13. Oktober ausgestrahlt (SWR, ab 20.03 Uhr).

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Der Ackermannshof als Kunst-Kirche

Joel Gernet am Donnerstag den 20. September 2012

Dieses Wochenende wird die St. Johanns-Vorstadt wieder zum Zentrum für urbane Kunst. An der «Artyou» treffen Tattoos aus Frankreich auf Basler Graffiti-Bilder oder gesellschaftskritische Comic-Kunst aus Leipzig.

Ein Triptychon ist ein dreigeteiltes Gemälde mit christlichen Motiven und einklappbaren Seitenteilen. Die grossen Exemplare sind oft Teil eines Flügelaltars. Und sie werden ausschliesslich an Feiertagen aufgeklappt. Heute ist so ein Feiertag – zumindest für die regionale Urban-Art-Szene. Heute nämlich wird der Ackermannshof in der St. Johanns-Vorstadt im Rahmen der 7. Artyou – Urbane Kunst Basel zur temporären Kunst-Kirche – dank dem Doppel-Triptychon, welches das deutsche Duo Doppeldenk auf einem grossen Altar im Herzen der Ausstellung platziert hat. Inklusiv Kerzen, Samt-Bezug und Kirchenbänken zum hinknien. Diesen Beitrag weiterlesen »

Zuckersüss und schwer gestört

Joel Gernet am Freitag den 14. September 2012

An der Gruppenausstellung «How To Make A Monster» im «High Voltage Lab» gibt es vom kindlichen Nutella-Hasen bis zum grausamen Familienvater die unterschiedlichsten Monster zu sehen. Am Freitagabend steigt in der Markthalle die Vernissage-Party.

Projektleiterin Nora Donner und Künstler Jay Rechtsteiner vor dessen Nutella-Hasen.

Projektleiterin Nora Donner und Künstler Jay Rechtsteiner vor dessen Nutella-Hasen.

Eigentlich hätten wir diesen Artikel auch mit «Fratzen und Fritzl» oder «Kunst mit Kinderschändern» betiteln können. Schliesslich ist das auf Teppich geb(r)annte Porträt des österreichischen Monstervaters Josef Fritzl eines der schockierendsten und plakativsten Werke der Ausstellung «How To Make A Monster». Die boulevardesken Titel wären allerdings etwas sehr fies gewesen, geht es doch bei der heute anlaufenden Ausstellung nicht nur um die offensichtlichen Monster, die uns glücklicherweise meist nur via Medien begegnen, sondern auch um abstraktere Monster aus Alltag oder Kindheit. Das zeigen die autobiographischen Foto-Arbeiten von Jay Rechtsteiner oder die kindlich wirkenden Figuren des Indonesiers EddiE HaRA. Das Fritzl-Werk des Basler Künstlers Tarek Abu Hageb ist mit seiner schockierenden Eindeutigkeit eher die Ausnahme.

Skurril und irritierend sind die Werke aber alle. Vor allem Jay Rechtsteiners überdimensionaler Nutella-Hase, der am anderen Ende des Raumes vor einem lärmenden Fernseher sitzt. Er guckt einen trashigen Ninja-Film mit Rechtsteiner und dessen Bruder in der Hauptrolle. «Der Hase repräsentiert das reine Kind», erklärt der Künstler und füttert den Hasen indem er ihn mit Nutella beschmiert. Über zwei Kilo nimmt das Tier so zu pro Monat. Die Gesellschaftskritik ist offensichtlich und wird noch beissender, wenn man merkt, dass der süsse Hase gar keine Augen hat.

Eines der Bilder von EddiE HaRA.

Eines der Bilder von EddiE HaRA.

In einem anderen Werk will Rechtsteiner mit modifizierten Fotos aus seiner Kindheit, auf denen er sich etwa als «Monster Boy» betitelt, aufzeigen, wie er durch gesellschaftliche Normen und Zwänge zum kleinen Monster wurde. Die Gesellschaft als Monster, die sich laufend über kleine Monster reproduziert. Wesentlich naiver und heiterer kommen da die farbenfrohen Bilder des Wahlbaslers EddiE HaRA daher. Sie erinnern an Ethno-Motive aus Asien und Mexiko.

Das Konzept zu «How To Make A Monster» trug Jay Rechtsteiner schon länger mit sich herum. Ursprünglich wollte der in London wohnhafte Schweizer die Ausstellung in Portugal realisieren. Als die dortigen Partner dann aber mit Barbiepuppen und dergleichen antanzen wollten, zog er sich zurück und fragte seine Basler Kunstfreunde EddiE HaRA und Tarek Abu Hageb an. Dass die Gruppenausstellung nun in Abu Hagebs und Nora Donners «High Voltage Lab» statt finden kann, ist ein glücklicher Zufall. Damals war nicht klar, wie sich die Zwischennutzung in der Markthalle entwickelt.

Auge des Bösen: Ein Ausschnitt von Abu Hagebs Fritzl-Bild.

Und nun trifft hier ein kindlicher Nutella-Hase auf Kinderschänder Fritzl. «Tarek ist der direkteste der drei Künstler – bei ihm geht es ans Eingemachte», sagt Projektleiterin Nora Donner und zeigt auf den Teppich mit dem per Lötkolben eingebrannten Gesicht des Österreichers. «Das ist ein richtig fieses Medium für Fritzl.» Der flauschige Stoff als Symbol für die heimelige Wohnung kontrastiere auf schauderhafte Art die grausamen Taten das Familienvaters. Dieser hatte seine Tochter 24 Jahre lang in einem unterirdischen Verlies gefangen gehalten und mehrfach geschwängert. Schräg gegenüber des Wandteppichs steht ein alter Holzschrank – die Installation ist kurz vor Ausstellungsbeginnn noch nicht ganz vollendet. Es fehlt das Frauenwimmern, welches den Schrank vom Möbel zum Kunstobjekt transformiert.

Wer sich dieses Wimmern nach der Vernissage am Freitagabend umgehend wieder aus den Gehörgangen blasen lassen will, kann dies im Anschluss im angrenzenden Projektraum FAKT machen. Dort gibt’s die Vernissage-Konzerte mit Reverend Beat Man und den Bikini Girls. «Der rustikale Rock’n’Roll-Blues-Sound passt perfekt zur Ausstellung», erklärt der Booking-Verantwortliche Valentin Ismail. Zudem spiele der Berner Musiker und «Rockgott» Reverend Beat Man passenderweise auch in der Band The Monsters. Na, dann muss der Herr aber aufpassen, dass er von Jay Rechtsteiner nicht mit Nutella beschmiert wird.

«How To Make A Monster» mit Jay Rechtsteiner, Tarek Abu Hageb und EddiE HaRA. 15. September bis 4. Oktober, High Voltage, Markthalle Basel. Vernissage: Freitag, 15.9., ab 18h. Vernissage-Konzert im F A K T (Reverend Beat Man und Bikini Girls) ab 21h.

Dreieckige Aliens auf dem Dreispitz

Joel Gernet am Freitag den 7. September 2012
Sick of being cool: Timothy Hall im Kreis seiner «Pictos».

Sick of being cool: Timothy Hall im Kreis seiner «Pictos».

Die YourGallery auf dem Dreispitz ist von Aliens eingenommen worden. Dreieck-förmige Wesen mit gummiartigen Armen und einem einzigen grossen Auge, das den Besucher anstarrt, als ob dieser der Ausserirdische wäre. Irgendwie erinnern einen die dreispitzigen Dinger an die schlabbrigen Aliens aus den Simpson-Folgen. Kein Wunder, zählt doch die gelbe TV-Familie zu den Comic-Einflüssen von Alien-Erschaffer Timothy Hall. «Pictos» nennt der 28-Jahrige seine Dreieckköpfe. «Mit ihnen will ich zurück zum Kindlichen und Comic-artigen», sagt Hall, dem die Wiedererkennbarkeit seiner Geschöpfe am Herzen liegt. «Sie sind alle gleich und trotzdem unterscheiden sie sich.»

«I Am Sick Of Being Cool» heisst diese erste Solo-Ausstellung des Baslers. Neben seinen Pictos präsentiert der HGK-Student mit Graffiti-Vergangenheit unter anderem auch Collagen seiner Serie «MyModels», für die Hall Models aus Hochglanzmagazinen entführt und ihren Luxus-Laufsteg durch Pappkarton ersetzt. «Ich pflücke die Models aus den Mode-Heftchen und nehme ihnen die Identität, indem ich ihre Gesichter überklebe», erklärt er die fehlende Menschen-Visage seiner Kunstkörper. Mit 20 Franken pro Stück sind die Karton-Collagen die preiswertesten Exponate. Wer einem der Pictos ein neues Zuhause bieten will, bezahlt zwischen 50 und 300 Stutz.

Dass Hall seine erste Solo-Schau ausgerechnet in der YouGallery präsentiert, ist alles andere als Zufall. Der 28-Jährige gehört zu den Mitbegründern der Urban-Art-Galerie, die seit Mai 2011 regelmässig regionale Jungkunst zeigt auf dem Gelände der ehemaligen Autowerkstatt bei der 36er-Bushaltestelle Dreispitz. Getragen wird der Offspace durch den eigens gegründeten Kunstverein 0123spitz. Ende Jahr ist die YourGallery – zumindest am jetzigen Standort – Geschichte. Anfang 2013 werden die alten Werkstätten platt gemacht. Bis die Bagger auffahren realisieren die Zwischennutzer aber noch drei weitere Ausstellungen, bei denen neben einer Basler Graffiti-Legende auch zum ersten Mal ein ausländischer Künstler zum Zug kommt. Die Abriss-Ausstellung zum Abschluss wird dann wieder mit Künstlern aus den eigenen Reihen bestritten. So wie damals vor bald eineinhalb Jahren als alles begann.

I Am Sick Of Being Cool, YourGalerie (0123spitz), Walkeweg 1, Basel. Vernissage: Freitag, 7. September, ab 18 Uhr (inkl. Grill). Finissage: 16. September. Öffnungszeiten: Freitag bis Sonntag ab 18 Uhr.

Graffiti-Gastronomie in Liestal

Joel Gernet am Donnerstag den 9. August 2012
Graffiti-Gastronomie: Im Kaffe Farbklex Liestal (l.) gibts bis Ende August Bilder von Dust (r.), KordOne und Florian La Castellane zu sehen.

Graffiti-Gastronomie: Im Kaffe Farbklex Liestal (l.) gibts bis Ende August Bilder von Dust (r.), KordOne und Florian La Castellane zu sehen.

Plötzlich hat Sprayer Dust seine erste Ausstellung. Schuld daran ist die grosse Schwester des Basler Graffiti-Künstlers. Sie hatte sich spontan beim Betreiber des Liestaler Kaffees Farbklex gemeldet als dieser nach einem Ersatz-Künstler suchte. Der vorgesehene August-Gast war kurzfristig abgesprungen. Nun bestreitet der 19-jährige Dust – seinen bürgerlichen Namen möchte er lieber nicht preisgeben – seine erste Werkschau, gemeinsam mit KordOne (19) und Florian La Castellane (23). «Bei dieser Menge an Bildern wollte ich das nicht alleine durchziehen», sagt Dust, «schliesslich erfuhr ich erst vor drei Wochen, dass sich diese Möglichkeit ergibt». Für alle drei Künstler ist es die erste Ausstellung.

Lack auf Stahlplatten: Bild-Reihe von KordOne.

Die Feuertaufe haben Dust, KordOne und Castellane nun hinter sich. Zum Auftakt der «ARTcore»-Ausstellung fanden rund 60 Personen den Weg ins Kaffe Farbklex. «Die Vernissage war cool, es kamen ziemlich viele Leute in diese zwei kleinen Räume», erinnert sich Dust. Gezeigt werden noch bis Ende August bemalte Leinwände, Stahlplatten und Papierbogen, denen man den Graffiti-Hintergrund der Macher ansieht. Viele Exponate kommen ziemlich abstrakt daher, was der Ausstellung gut bekommt. «Die Bilder sind sehr wild, wenn man sie mit herkömmlichen Graffiti vergleicht», sagt Dust, der im Farbklex für die Bilder mit den gut lesbaren Schriftzügen verantwortlich ist.

Coffeetime: Farblex-Betreiber Sebastian Benz.

Seit bald zwei Jahren bereichert das Kaffe Farbklex die Gastrokultur in Liestal. Am 2. Oktober 2010 eröffnete Sebastian Benz sein «Klex» in den ehemaligen BaZ-Redaktionsäumen gegenüber der Kaserne. Während die Soldaten eher in den beiden benachbarten Kneipen einkehren, bewirtet Benz viele junge Küstler und Musiker, die sich vor dem Ausgang oder am Feierabend treffen. «Ich habe aber auch viele ältere Stammgäste», sagt Benz und zieht an seiner Zigarette, «das finde ich noch interessant».

Dass Ende Juli der ursprünglich vorgesehene Künstler für die monatlich wechselnde Ausstellung abgesprungen ist, hat ihm keine schlaflosen Nächte bereitet. «Teilweise bin ich zwar auf dem letzten Drücker, aber ich kenne genügend Leute, um auch einen Plan B durchzuziehen.» Dass mit Dust, KordOne und Florian La Castellane nun drei ausgesprochen junge Künstler in seinem Kaffee ausstellen, ist Benz, der selber eine Graffiti-Vergangenheit aufweist, mehr als recht: «Ich will Künstlern, die noch keinen grossen Namen haben, eine Plattform geben», sagt der 35-Jährige und winkt einem älteren Mann mit weissem Rauschbart auf der anderen Strassenseite zu. Aus dem Innern des Kaffes ertönt abwechslungsweise Rap, Jazz, Soul und Funk. Diesen Beitrag weiterlesen »

Wal und Qualle tanzen in der Markthalle

Joel Gernet am Freitag den 3. August 2012

Onur Dinc und Wes21 verwandeln das FAKT in eine Unterwasserwelt.

Es ist ein Kampf der Giganten: Eine überlebensgrosse, honigfarbene Qualle umfasst mit ihren meterlangen Tentakeln einen stattlichen Buckelwal. Auf den zweiten Blick gleicht der Kampf dann eher einem Unterwassertanz. Die beiden Ungetümer schweben über die 25-Meter-Wand des FAKT, einem temporären Projektraum für Kunst und Musik im Mantelgebäude der Markthalle.

«Von draussen sieht der Raum aus wie ein Aquarium», sagt der Bieler Künstler Wes21. Der 23-Jährige malt mit Pinsel und Spraydose und ist im FAKT für die farbenfrohe Qualle zuständig. Sein Partner Onur Dinc (32) aus Solothurn kümmert sich daneben mit Farbrolle und vier verschiedenen Schwarztönen um den rund 20 Meter langen Buckelwal. «Es ist ein technisches Bild ohne tieferen Sinn – hier geht es vor allem um die Komposition», sagt Dinc. «Die beiden Elemente müssen sich voneinander abheben und trotzdem zusammenpassen», ergänzt Wes21.

Und tatsächlich: Obwohl – oder vielleicht gerade weil – die beiden völlig unterschiedliche Maltechniken und Farbpaletten verwenden, wirkt das 25-Meter-Bild wie aus einem Guss. Das liegt vermutlich auch daran, dass beide Künstler fast schon versessen detailgetrau malen. Mit dem bewusst dezent gehaltenen Licht im FAKT kann durchaus Aquarium-Feeling aufkommen. Während sich die Qualle hell auf dem schwarzen Hintergrund abzeichnet, bleibt der dunkle Buckelwal im schummrigen Licht fast verborgen. Umso eindrücklicher der Effekt, wenn Abends die Szene von vorbeirauschenden Autoscheinwerfern beleuchtet wird.

Es ist Donnerstag, knapp 24 Stunden vor der Vernissage (Freitag 19 Uhr), noch haben Wes21 und Onur Dinc alle Hände voll zu tun. «Wir werden die Nacht wohl durcharbeiten», sagt Dinc. Ein sanftes Lächeln zeichnet sich unter seinem Bart ab. «Das Bild heisst Qual», fügt Wes21 lachend an – wegen der Qualen bei der Entstehung, vor allem aber auch wegen dem Verschmelzen der beiden Tierbezeichnungen. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, die bei derart photorealistischen Bildern eine Foto-Vorlage an die Wand projektieren, haben Wes21 und Dinc ihre Motive freihändig auf die Wand geklatscht. Dort, wo bis vor Kurzem noch das Bild der Berner Künstlers Ata «TOAST» Bozaci prangte. «An der Toast-Vernissage vor einem Monat dachte ich: Shit, das musst du ja dann übermalen». Schlussendlich sei das aber ein fester Bestandteil des Projekts. «Unser Bild wird ja auch wieder übermalt», ergänzt Wes21.

Das Kool-Savas-Cover von Onur Dinc.

Auf die Arbeitsweise der beiden hat die vergänglichkeit ihres Mammut-Bildes jedenfalls keine Auswirkung. «Ich gebe mir nicht weniger Mühe, als etwa bei einem Auftrag für Kool Savas», sagt Dinc, der Ende 2011 (unter anderem) ein Album-Cover für den deutschen Rapstar gemalt hat. Kurz zuvor erschien die CD des nicht minder bekannten Rappers Samy-Deluxe mit einem Titelbild von Wes21.

«Das Lustige war, dass die beiden Aufträge innerhalb von sieben Minuten reinkamen», erinnert sich Wes21. Zusammen mit seinem Solothurner Kumpel sass Wes21 im Zug, als zuerst Savas bei Dinc anrief und sich Samy Minuten später bei ihm meldete. So kommt es, das zwei der erfolgreichsten deutschen Rapplatten 2011 ein Schweizer-Cover haben.

Das Samy-Deluxe-Cover von Wes21.

Kennen gelernt haben sich Dinc und Wes21 vor vier Jahren in…ratet mal wo…genau – Basel. Und zwar im Rahmen der Erstausgabe der Urban-Art-Messe ArtYou. Nun sind die beiden also wieder in Basel aktiv und verwandeln das FAKT in ein gigantisches Aquarium. Bis zur Vernissage ist davon von Aussen allerdings nicht viel zu sehen: Das FAKT-Team hat die grosse Schaufensterfront mit Packpapier verhüllt – schliesslich soll sich die Aura dieses Unterwasserbildes erst an der Vernissage voll entfalten können. Aus diesem Grund (und auf Bitte der FAKT-Macher hin) wird das Bild übrigens auch an dieser Stelle lediglich in Ausschnitten abgebildet.

Und in einem Monat kommt der nächste Künstler und übermalt den «Qual» von Wes21 und Onur Dince. Bis zum Ende der Zwischennutzung sollen sich noch ein Basler und drei ausländische Künstler an der 25-Meter-Wand austoben dürfen – dazu müsste die Zwischennutzung allerdings von den Markthalle-Betreibern verlängert werden. Die Chancen, dass es dazu kommt stehen nicht schlecht, wie aus den Reihen des FAKT-Teams zu erfahren ist. Vorerst aber gehört der Projektraum ganz dem tanzenden Meeres-Paar von Wes21 und Dinc.

Onur & Wes21, FAKT, Viaduktstrasse 10, Basel, 3.-25. August 2012. Vernissage: Fr. 3. August, 19 Uhr, Musik: Konzeptlos (Soul/Funk). Öffnungszeiten: Di.-Fr. 16h-2h, Sa. 10h-2h.

Sprayer Shez steht auf Scheiben

Joel Gernet am Freitag den 27. Juli 2012
Krea'k'tiv Reloaded: Diese Bildreihe gibts ab Samstag in der YourGallery zu sehen. (Bilder: zvg)

Krea'k'tiv Reloaded: Diese Bildreihe gibts ab Samstag in der YourGallery zu sehen. (Bilder: zvg)

Shez hat nachgeladen. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach seiner ersten Ausstellung in der YourGallery präsentiert der Basler Graffiti-Künstler ab Samstag mit «Krea’k’tiv – Reloaded» seine zweite Soloshow auf dem Dreispitz. «Ich bin zielstrebiger geworden bei meinen Arbeiten», sagt der 28-jährige. «Wenn ich jetzt eine Idee im Kopf habe, setze ich diese viel schneller um.» Trotzdem hat sich Shez für sein zweites Gastspiel am Walkeweg mehr Zeit genommen als 2011. Damals entstanden seine Exponate innerhalb von eineinhalb Monaten. «Das war ziemlich stressig», erinnert er sich. Diesmal begann er im Februar. Die vergangenen drei Nächte war der Künstler in der YourGallery bis in die frühen Morgenstunden mit den Vorbereitungen beschäftigt. «Jetzt steht die Ausstellung», sagt der Wahlbasler erleichtert. Diesen Beitrag weiterlesen »