Das Studium der Kunstgeschichte weist einen grossen Mangel auf. Meist merken die Studierenden das erst rückblickend. Dann nämlich, wenn im Berufsleben plötzlich die Praxis gefragt ist und man merkt, dass man sich jahrlang hinter Bildern und Büchern vergraben hat. Es kann durchaus sein, dass ein Student während seines Studiums nicht ein einziges Wort mit einem Kunstschaffenden gewechselt hat. Andrea Domesle, Kuratorin in der Kunsthalle Palazzo in Liestal, kennt dieses Problem aus eigener Erfahrung. Deshalb fasste sie den Plan, am Kunsthistorischen Seminar in Basel ein Praxisseminar anzubieten.

Andrea Domesle (heller Pulli, vorne rechts) mit ihren Co-Kuratorinnen und einigen Künstlerinnen. Foto Dirk Wetzel
Zehn Studentinnen fanden sich, die zusammen mit Andrea Domesle die Ausstellung zur «Regionale» kuratieren wollten. «Dass es nur Studentinnen waren, war nicht geplant», sagt Domesle. Doch weil im Masterstudiengang nur wenige Männer überhaupt Kunstgeschichte studieren, kam es so. So plante die reine Frauengruppe «Eine schöne Ausstellung» – so der Titel. «Schön – das Wort ist ja eigentlich verpönt», sagt Domesle. «Doch uns ging es genau darum, um das Positive im Leben.»
Die Kunsthalle Palazzo liegt direkt am Liestaler Bahnhof. Immer wieder steht draussen vor der Tür der Bahnverkehr still, weil ein Mensch auf den Schienen sein Leben beendet hat oder es beenden wollte. Der Bahnhof Liestal führt schweizweit diese ungeliebte Statistik an. «Liestal verdankt das wohl der Psychiatrischen Klinik, die nur unweit von hier liegt», mutmasst Domesle. Die hohe Selbstmordrate, die Verzweiflung, die den Menschen zu solchen Taten treibt, wählte die Kuratorin als Ausgangspunkt für die Ausstellung. Sie beginnt draussen, vor den eigentlichen Ausstellungsräumen, im Putzschrank neben dem WC, wo Claire Guerrier eine Sequenz ihrer Videoarbeit «Alice» zeigt – jenen siebten Teil, der sich den Selbstmordphantasien der Protagonistin widmet.
In der Kunsthalle drin dann führt der Weg durch die Räume stetig hin zu mehr Lebensfreude. Am Schluss steht wieder eine Videoarbeit, diesmal von Muda Mathis und Sus Zwick. «Das ideale Atelier – woher unsere Bilder kommen» ist nicht nur ein Film über das Kunstmachen und das Kunstleben, sondern auch Ausdruck der Freude daran. Ein heiterer Schlusspunkt. «Meine Lieblingsarbeit hier», sagt Domesle. Zwischen Mathis/Zwick und Guerrier beschäftigen sich unter anderem Esther Hiepler, Ruth Buck oder Ariane Andereggen mit den Themen Kunst, Mensch – und Frau-Sein. Alles Frauen, auch hier. «Eine Ausstellung zu machen, das hat auch mit Selbstpositionierung zu tun», erklärt Domesle. «Wir als Frauengruppe spiegeln so fast automatisch unsere eigene Realität – als Frau.» So war auch klar, dass nur Künstlerinnen für die Ausstellung aus den Dossiers ausgesucht oder direkt angesprochen wurden. Solche aus einer jüngeren Generation wie Celia und Nathalie Sidler, oder solche aus einer älteren Generation wie Regula Hügli. Und viele dazwischen. Sie alle haben ihre Arbeiten für die Ausstellung geliefert. Schön sollte sie werden. Schön ist sie geworden.