Eigene Texte oder Fotografien veröffentlichen? Das Internet hat es leicht gemacht! Innerhalb weniger Minuten hat man auf dem entsprechenden Sozialen Netzwerk einen Account erstellt und schon kann es mit dem munteren Publizieren losgehen. Doch wer hat eigentlich Zeit, auf diesen Webseiten stundenlang nach geeignetem Material zu suchen?
Ariane Koch, Damian Koch und Alain Gloor gehen mit ihrem Magazin «LASSO» einen anderen Weg. Ausser dem vorgeschriebenen Thema der jeweiligen Ausgabe lassen sie den involvierten Textern und Künstlern zwar genauso viel Freiheit wie das Internet, bezüglich Veröffentlichung gehen sie allerdings den altmodischen Weg. «LASSO» erscheint in Heftform, in jeweils streng limitierter Auflage.
Letzten Winter erschien die erste Ausgabe und ein Grossteil davon war im Nu vergriffen. Nun haben die drei mit Unterstützung zweier Gastkuratoren nach über drei Monaten Wartezeit die zweite Ausgabe «Schauspiel» fertiggestellt. Anlässlich der Release-Party, die diesen Mittwoch, dem 23. März 2011, in der Hinterhof Bar über die Bühne gehen wird, haben wir uns mit Alain Gloor über «LASSO» unterhalten.
Woher stammt die Idee zum «LASSO»-Magazin?
Alain Gloor: Das liegt schon etwa zwei Jahre zurück, wir haben jedoch eine gute Zeit haben am Konzept gefeilt. So einfach und wirksam es heute erscheint, es war ein langer Weg bis dorthin. Warum wir das Projekt genau in Angriff genommen haben, wissen wir nicht mehr so genau. Wir hatten einfach Lust, etwas zu versuchen, wollten Kräfte bündeln, etwas für Basel und vielleicht sogar die Schweiz tun.
Vom «Wilden Westen» zum «Schauspiel»: Was für eine Bedeutung haben die jeweiligen Themen für das Magazin?
Das jeweilige Thema soll dem Magazin eine Richtung geben und trotzdem eine offene künstlerische Herangehensweise zulassen oder zu einem Beitrag anstiften. Wir suchen zu dritt nach neuen Schlagwörtern. Manchmal dauert es auch ein paar Tage, bis wir alle von einem neuen Vorschlag überzeugt sind, wie es bei «Kopf» geschah, unserem neuen Thema, für das wir bis zum 1. Juni 2011 Beiträge entgegennehmen. Eine Bedeutung haben die Themen auch insofern, als dass wir die Release-Partys grob mit dem Titel des Magazins in Verbindung zu bringen versuchen. Zum «Wilden Westen» spielte die Band Little White Mice letzten Herbst einen Sound, den wir uns zur Unterlegung eines jeden Western hätten vorstellen können. Diesen Mittwoch werden in der Hinterhof Bar passend zum aktuellen Thema «Schauspiel» Performances verschiedener Künstler stattfinden.
Für eure zweite Ausgabe «Schauspiel» habt ihr über doppelt so viele Einsendungen erhalten, wie ihr schlussendlich publizieren werdet. Wie funktioniert euer Auswahlprozess?
Für die zweite Ausgabe haben wir zwei Gastjuroren beigezogen, was das Ganze etwas vereinfacht hat. Wir sassen zehn Stunden am Küchentisch und haben uns über mehrere Runden beraten. Bekommt eine Arbeit drei Stimmen, dann ist sie vorerst mal dabei. Zuletzt muss jedes Werk aber auch ins Gesamtbild der jeweiligen Ausgabe passen. Da kippen manchmal Arbeiten raus, auf die wir eigentlich nur ungern verzichten würden. Und es muss selbstverständlich auch bezahlbar bleiben. Will heissen: Viel mehr als die sechzig Seiten, welche die zweite Ausgabe nun hat, können wir uns gar nicht leisten.
Ausser dem Thema sind die Autoren in der Wahl ihrer Text- bzw. Veröffentlichungsform komplett frei. Hattet ihr auch schon mit zu abstrakten Einsendungen zu kämpfen?
Es kommt auf die Empfindung des Betrachters an, was dieser als aparte Einsendung einstufen würde und was nicht. Wir haben von gewöhnlichen Ferienfotos zu Fotografien einer Performance der Wiederauferstehung von Jesus Christus bis zu Stickereien und riesigen Kritzeleien alles schon gehabt. Alles ist erlaubt. Und im Kontext des Magazins und im Zusammenspiel mit anderen Arbeiten ergeben auch gerade verquer anmutende Beiträge eine spannende Bild- und Textwelt, die, so hoffen wir, das LASSO ausmacht.
Heutzutage eröffnet man innerhalb von 5 Minuten einen tumblr-Account und kann dort Bilder, Texte oder sogar Videos innerhalb weniger Sekunden mit der ganzen Welt teilen. Warum habt ihr euch gegen das Netz und für ein Heft entschieden?
Wir haben absolut nichts gegen das World Wide Web. Wir haben ja selber eine Website und erreichen darüber viel mehr Menschen, als wir das sonst tun würden. Für uns ist das Internet eine riesige Vereinfachungsmaschine. Nur: Mit dem physischen Release schaffen wir eine Grundlage und bringen Menschen zusammen, und zwar nicht nur im Netz. So entstehen neue Ideen. Das Herstellen eines Magazins ist tatsächlich aufwändiger, als rasch einen tumblr-Account zu eröffnen. Wir denken aber, dass das auch die Leute, die uns Beiträge zuschicken, animiert. Wir geben uns grosse Mühe und wissen, dass auch den beteiligten Künstlern viel an ihren Werken liegt. Auch soll das Heft wie eine Art tragbare Ausstellung funktionieren, die man weiterempfehlen kann und die sich taktil, also mit dem LASSO in den Händen, erfahren lässt.
Dies führt allerdings dazu, dass ihr euch momentan auf Texte und Bilder beschränken müsst. Könnt ihr euch vorstellen, irgendwann auf andere Kunstformen wie Videos oder Installationen zu «expandieren» und dementsprechend auf eine andere Veröffentichungsform zurückzukommen?
Zuerst: Videostills und Fotografien von Installationen haben wir ja auch im LASSO. Aber es stimmt natürlich, dass diese immer eine Verkürzung des eigentlichen Kunstwerks bedeuten. In diesem Sinne sind wir auf jeden Fall offen, andere Richtungen einzuschlagen – wir sind der festen Überzeugung, dass der Prozess des Kuratierens in Zukunft noch bedeutungsvoller werden wird. Das Magazin soll aber immer Grundlage des ganzen Unternehmens und einzigartig bleiben. Mehrere Möglichkeiten der Weiterentwicklung sind schon angedacht, aber damit überraschen wir lieber, wenn es auch soweit sein wird.
LASSO Release-Party N°2 «Schauspiel»: Diesen Mittwochabend (26. März) im Hinterhof. ab 19:30, mit Performances verschiedener Künstlern und musikalischer Unterstützung von Deck Mental & Lord Soft (Team Taperape).
Ausserdem ist die Bewerbungsphase für die dritte Ausgabe «Kopf» mittlerweile angelaufen. Der Einsendeschluss für diese Ausgabe ist am 1. Juni; mehr Informationen dazu gibt’s auf der offiziellen Website des Magazins.