Die Colab Gallery in Weil am Rhein (D) zeigt in ihrer sechsten «Public Provocations»-Ausstellung Grenzen und Grossformatiges.
Mit gesenktem Blick sitzt der gigantische Affe da, in den Händen einen Tablet-Computer. Der Vernissage-Trubel scheint ihn kaltzulassen. Er würdigt die schicken und schönen Menschen mit ihren Weissweingläsern und den vergnügt spielenden Kindern keines Blickes. Der drei Meter grosse Koloss ist nicht nur wegen seiner Dimension das herausragende Exponat an der Urban-Art-Ausstellung «Public Provocations» in der Colab Gallery. Ansprechende Ästhetik, gekoppelt mit subtiler Gesellschaftskritik – der Affe der kanadischen Künstlerin Laurence Vallières wirkt wie die 3-D-Version eines Bildes von Banksy, dem britischen Street-Art-Superstar, der die Kunstwelt seit Jahren zum Narren hält. Im Gegensatz zu Banksys Werken sind die Skulpturen von Vallières noch bezahlbar: Den Affen gibts für 5000 Euro – hier ist also eher der Platz das Problem.
Vier Wochen hat die Geburt des Giganten gedauert: Die junge Kanadierin hat die Skulptur vor Ort zusammengebastelt, intuitiv und ohne Vorlage. Das Baumaterial lieferten alte Kleiderkartons des Carhartt-Outlets, unter dessen Dach sich die Galerie befindet. Einzige Hilfen: ein Teppichmesser und viel Heissleim. Neben dem Affen sind auf diese Weise zwei stattliche Bärenköpfe entstanden, die an unkaschierte Basler Fasnachtslarven erinnern.
Dass Laurence Vallières bereits einen Monat vor Eröffnung der Gruppenausstellung anreiste, ist aussergewöhnlich. Am Tag vor der Vernissage war die ein oder andere Künstlerkoje noch komplett weiss. Jeder der neun geladenen Künstler gestaltet seine Nische spontan vor Ort. Dabei entstehen auch Werke, die nach sechs Monaten wieder übermalt werden. Kunst, so vergänglich wie Street-Art- und Graffiti-Bilder im öffentlichen Raum. «Es ist gut, dass man nicht alles kaufen kann», sagt Kurator Stefan Winterle über die zum Untergang geweihten Wandbilder. Da sich Vallières grosse Skulpturen schlecht in einer Künstler-Koje an die Wand pressen lassen, werden ihre Werke im weitläufigeren Eckbereich zur Schau gestellt, verschont von den alles gleich machenden Farbrollen der Erneuerung.
Neben der Kartonkunst der Kanadierin präsentiert der Sprayer Egs seine Werke. Der Finne ist seit über zwanzig Jahren aktiv und hat den Sprung von der Strasse in die grossen Galerien zeitgenössischer Kunst geschafft. Zwar zeugen die zerstäubten und zerlaufenen Striche noch immer von seiner Vandalen-Vergangenheit. Im abstrakten und reduzierten Schwarz-Weiss-Bild lassen sich aber beim besten Willen keine Graffiti-Buchstaben mehr erkennen.
«Egs hat den Ausschnitt einer Weltkarte an die Wand gesprüht», erklärt Winterle. «Viele Sprayer bilden sich ja etwas ein auf die Aussagekraft, den Schwung und die Sauberkeit ihrer Striche – aber die mächtigsten Linien überhaupt sind jene auf der Landkarte, die Landesgrenzen.» In den gerahmten Werken an den Seitenwänden der Koje erkennt man die Bildsprache des Skandinaviers: Kontinente und Landesgrenzen sind deutlich erkennbar. Doch die Linien sind auch hier zerfleddert und zerstäubt. Als wollte der Künstler die Brutalität gezogener Landesgrenzen anprangern. Hier hat Egs nicht zur Spraydose gegriffen, sondern zu Tinte und medizinischen Spritzen.
Ebenfalls mit Landesgrenzen beschäftigt hat sich der deutsche Künstler 1010 mit seiner «Abyss»-Serie. Was zunächst anmutet wie ein farbenfroher Abgrund aus immer enger gezogenen Tiefen- statt Höhenlinien entpuppt sich als Grundriss einer Steueroase. 81 derartige Bilder hat 1010 gemalt. Eines für jeden Abgrund, in dem Steuergelder verschwinden. «Gerne hätte ich hier auch das Schweiz-Bild gezeigt», erklärt Kurator Winterle, «aber der Künstler hat das Werk bereits verkauft.»
Völlig anders präsentieren sich die Werke des amerikanischen Schablonen-Künstlers Logan Hicks. Seine silbernen und goldenen Totenköpfe bestechen durch eine leicht erschliessbare Ästhetik. Es ist gut erkennbar, warum Hicks neben Banksy und Blek Le Rat zu den Koryphäen der Stencil-Kunst gehört. «Sigi hatte schon früher Kontakt zu ihm, kam aber nicht mehr dazu, Logan Hicks einzuladen», erklärt Winterle in Gedenken an den verstorbenen Galeriegründer Sigi von Koeding alias Dare: «Jetzt schliesst sich der Kreis.»
Colab Gallery, Weil am Rhein. Schusterinsel 9. Bis Oktober.
www.carhartt-gallery.com
Capsules artistes Chromatic | Laurence Vallières from massivart on Vimeo.
Ein Galerist, der von Mainstream nichts hält
karen gerig am Montag den 22. August 2011Guillaume Daeppen, umringt von Werken aus seiner Sammlung.
Frei sein in den Entscheidungen, das ist wichtig für Guillaume Daeppen. Seit zwanzig Jahren ist der Galerist in Basel präsent, jetzt feiert er mit einer Ausstellung sein Jubiläum. Seit rund fünf Jahren stellt er nur noch aus, was ihm wirklich gefällt. Kunst, die man unter dem Label «Urban Art» verkaufen könnte. Wobei es gerade mit dem Verkaufen hapert. Daeppen jedoch wundert das nicht. «Viele meiner Künstler ecken an», sagt er. «Das hat manchen Sammler verschreckt.» Offen präsentierte Geschlechtsteile, wenn auch nur gemalt, sind nun einmal nicht jedermanns Sache. Auch Gewaltdarstellungen nicht. Diesen Beitrag weiterlesen »
Schlagworte: Basler Galerienverband, Damien Comment, Gallery Daeppen, Guillaume Daeppen, Reh4
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