Archiv für die Kategorie ‘Kino’

Aufstand der Lego-Männchen

Graziella Kuhn am Mittwoch den 9. April 2014

Filmplakat The Lego Movie

«The Lego Movie» läuft ab 10. April im Pathé Küchlin.

Was tu ich mir da für einen Schrott an: Wie überlebe ich bitte diese 1,5 Stunden im Kino bei «The LEGO® Movie»? Und das Ganze dann auch noch in 3D. Reichte es den Lego-Machern nicht schon, dass sie die Gamewelt mit ihren Bauklötzchen-Männchen infiltrieren? Müssen sie nun auch auf die Leinwand? Trotz aller Vorwände war nach fünf Minuten im Kinosaal plötzlich «everything awesome!» – so die Hauptaussage des Titelsongs.

Genauso ist es auch: Der Film überzeugt nämlich auf der ganzen Linie! Ein Feuerwerk an rasanter Action, knalligen Farben, flotter Musik und natürlich Millionen von Legosteinen. Das Animationsabenteuer überrascht mit sehr viel Witz, Selbstironie, einer Menge an Popkultur- und Filmreferenzen und Gesellschaftskritik. Dazu der eingängige Awesome-Titelsong, der direkt der 90er-Jahre-Popgeneration entsprungen zu sein scheint und der sich zu einem veritablen Ohrwurm mausert: Bei mir ist alles super….

Lustige Weggefährten: Wyldsytle, Vitruvius, Emmet und das Einhornkätzchen (v.r.n.l; Bilder: Warner Bros.)

Lustige Gesellen: Wyldsytle, Vitruvius, Emmet und das Einhornkätzchen (v.r.n.l; Bild: Warner Bros.)

Die Fröhlichkeits-Matrix diktiert die Welt der farbigen Klötzchen, in der Bauarbeiter Emmet (gesprochen von Chris Pratt) zuhause ist. Der Tagesablauf folgt – tiefgründig allegorisch – einer exakten Anleitung, wie sie jedem LEGO-Spielzeug beiliegt: das morgendliche Aufstehritual, der Frühsport, das gemeinschaftliche Singen auf Arbeit und die Feierabendplanung im ständigen Wechsel zwischen Bockwurst und der Lieblingssitcom «Schatz, wo ist meine Hose?». Dieser überdrehten Gesellschaft, deren Leben in jeder einzelnen Sekunde per Gesetz geregelt wurde, obliegt einer Prophezeiung.

Die ultimative böse Macht: Lord Business (Bild: Warner Bros.)

Die ultimative böse Macht: Lord Business (Bild: Warner Bros.)

Denn der böse Lord Business (gesprochen von Will Ferrell, der auch im kurzen Liveaction-Segment zu sehen ist) hat die Ultra-Waffe «Kragle» gestohlen, um seine perfekt durchgeplante Welt zu erhalten. Daraufhin prophezeit Vitruvius (Morgan Freeman) die Ankunft eines speziellen «Meisterbauers», der alle von der grauenhaften Macht befreien soll: Dieser soll nun genau Emmet Brickowoski sein, der Bauarbeiter, dessen Gehirn nichts anderes kennt als Anleitungen. Doch nach einem Sturz nach der Arbeit entdeckt er zufällig den «Widerstands-Stein» («Piece of Resistance»), woraufhin er von Regimegegnerin Wyldstyle (Elizabeth Banks) für den prophezeiten Retter «Special» gehalten wird. Mit ihr erlebt er nun einen rasanten Road-Trip durch Welten wie den Wilden Westen, Mittelseeland und Wolkenkuckucksheim, wo sie auf ein ganzes Konglomerat von schrulligen Typen treffen, darunter Batman – übrigens der Partner von Wyldstyle –, Gandalf, der immer wieder mit Dumbledore verwechselt wird, Wonder Woman, Superman mit seinem Bewundern Green Lantern und dem Rest der «Justice League». Auch ein ewig lächelndes Einhornkätzchen mit krampfhaft unterdrückten Wutanfällen wird angetroffen, oder ein ausrangierter 80er-Jahre Astronaut sowie Basketballspieler wie Shaquille O’Neal.

Liebespaar: Wyldstyl gehört leider schon Batman. (Bilder: Keystone)

Liebespaar: Wyldstyl gehört leider schon Batman – Armer Emmet. (Bild: Keystone)

Die Regisseure Phil Lord und Christopher Miller («Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen») schafften es, den typischen Charakter des Legospielens einfliessen zu lassen, das bisweilen Züge alter Stop-Motion-Filme annimmt und seine staksigen Plastikfiguren im dreidimensionalen Raum plastisch real erscheinen lässt. Die Geschichte eines unbedarften Helden, der mit seinen Freunden gegen ein übermächtiges Regime antritt, ist nicht neu. Sie wird hier aber aberwitzig mit viel Spass und tollen Einfällen für Jung und Alt umgesetzt. Die Kernbotschaft von LEGO verfehlt ihre Wirkung nicht: es bleibt ein Appell an die eigene Kreativität, etwas immer wieder neu zu erschaffen, und an die Grenzenlosigkeit der Fantasie – ohne Anleitung.

«The Lego Movie» läuft ab 10. April 2014 im Kino Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 10. April: Divergent, Sabotage, Pelo malo, Supercondriaque, Yves Saint Laurent.

Der Anti-Actionheld

Fabian Kern am Mittwoch den 12. März 2014

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«Non-stop« läuft ab 13.3. im Capitol, Rex und Küchlin.

«Non-stop« läuft ab 13.3. im Capitol, Rex und Küchlin.

Als Liam Neeson als Oskar Schindler in Steven Spielbergs Nazi-Drama «Schindlers Liste» (1993) auf einen Schlag weltberühmt wurde, hätte in ihm wohl niemand einen Actionhelden erwartet. Der Nordire schien auf Charakterrollen abonniert. Entsprechende Auftritte in «Nell», «Michael Collins» und «Les Misérables» schienen das zu bestätigen. Doch bereits mit dem Part als «Rob Roy» und natürlich als Qui-Gon Jinn in «Star Wars – Episode I» deutete der gross gewachsene Schauspieler mit der markanten Nase sein Potenzial als vielschichtiger Actionstar an. In den letzten Jahren schliesslich schoss sich der heute 61-Jährige wortwörtlich und endgültig auf das lauteste aller Film-Genres ein.

Wo sitzt der Bösewicht? Bill Marks unter Strom. (Bilder: Impuls)

Bill Marks sucht den Bösewicht. (Bilder: Impuls)

In seinem neusten Auftritt in «Non-Stop» schliesst Neeson nahtlos an «Taken» 1 und 2 sowie an «Unknown Identity» an. Wenig überraschend, führte doch wie bei letzterem Jaume Collet-Serra Regie. Wieder spielt Neeson den gescheiterten Vater und abgehalfterte Agent, der wider Willen zum Retter mutieren muss. Als Bill Marks, der seinen Job als Federal Air Marshal – quasi ein Bodyguard für Flugzeuge – leid ist, sieht er sich auf einem Atlantikflug plötzlich mit einem Erpresser konfrontiert. Via SMS wird er angewiesen, 150 Millionen Dollar überweisen zu lassen. Bei Nichterfüllung würde alle 20 Minuten ein Mensch an Bord sterben. Der Alkoholiker muss alle seine grauen Zellen und Nerven zusammen nehmen, um den Bösewicht unter den Passagieren zu entlarven. Denn die Zeit tickt unerbittlich gegen ihn.

Jen Summers steht Marks bei.

Jen Summers (Julianne Moore) steht Marks bei.

«Non-Stop» hat einige Überraschungen auf Lager. Der Erpresser ist Marks immer einen Schritt voraus und scheint den alternden Agenten nach Belieben zu benutzen. So steht der herunter gekommene, aber rechtschaffene Air Marshal bald selbst im Verdacht, das Flugzeug zu entführen. Zudem ist es lange schwierig abzuschätzen, wer denn ein falsches Spiel spielt, denn verschiedene Passagiere benehmen sich höchst verdächtig. In der Anlage und von der Machart erinnert der Film an einen anderen Flugzeug-Thriller: «Flightplan». Im Gegensatz zum perfiden Streifen mit Jodie Foster aus dem Jahr 2005 kann «Non-Stop» die Spannung aber nicht ganz bis zum Schluss halten. Dennoch bietet er solide Spannungskost mit einem starken Cast, denn auch Julianne Moore ist mit von der Partie in luftiger Höhe. Einzig das mit dem Schiessen im Flugzeug hinterlässt beim Aviatik-Laien immer ein zweifelhaftes Gefühl. Aber man muss ja nicht alles wissenschaftlich hinterfragen.

Liam Neeson arbeitet derweil unverdrossen an seinem Ruf des Anti-Actionhelden. Er hat schon wieder drei Actionfilme in der Pipeline, darunter «Taken 3» und ein weiteres Werk von Jaume Collet-Serra. Der Mann dreht «Non-Stop».

«Non-Stop» läuft ab 13. März 2014 in den Basler Kinos Capitol, Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 13. März: The Book Thief, Vampire Academy, Pettersson und Findus, Tableau Noir, August: Osage County.

Blutbad in der Ägäis

Fabian Kern am Mittwoch den 5. März 2014

«300 – Rise of an Empire» läuft ab 6. März im Rex und im Küchlin.

«300 – Rise of an Empire» läuft ab 6. März im Rex und im Küchlin.

Stahlblauer, wolkenloser Himmel und romantische Inseln in glattem, türkisem Wasser – so kennt und schätzt der durchschnittliche Mitteleuropäer die Ägäis. Von einer ganz anderen Seite lernt man das griechische Meer nun im Kinosaal kennen: Eine aufgewühlte schwarze See unter einer düsteren bleischweren Wolkendecke, die nur durch die stetigen Blitze aufgerissen wird. Für die einzigen Farbtupfer ist das spritzende Blut der fallenden Griechen und Perser besorgt. Das dafür in rauen Mengen. Was das für ein Streifen ist? Richtig geraten, wir befinden uns in «300 – Rise of an Empire», der von den Hardcore-Fans sehnlichst erwarteten Fortsetzung von Zack Snyders Kult-Splatterfilm aus dem Jahr 2006. Ja, so schnell vergeht die Zeit.

Der Pfeil der Provokation: Themistokles tötet Darius. (Bilder: Warner)

Der Pfeil der Provokation: Themistokles tötet Darius. (Bilder: Warner)

In den letzten sieben Jahren wurde oft diskutiert, wie man denn das Heldenepos um den spartanischen König Leonidas (Gerard Butler) und seine märtyrerische Mini-Armee weiterführen könnte. Comicautor Frank Miller hat die Antwort in seiner neusten Gothic Novel «Xerxes» gegeben, die dem neusten Film als Vorlage dient. Das Clevere am Plot: Die Handlung findet nicht, wie einer der Trailer suggeriert, als Anschluss an «300» statt, sondern überschneidet sich zeitlich. Held der Geschichte ist diesmal kein Spartaner, sondern ein Athener General. Themistokles (Sullivan Stapleton) sorgt mit der Tötung des persischen Königs Darius für die grösste Provokation der eroberungswütigen Asiaten. Der königliche Sprössling Xerxes (Rodrigo Santoro) sinnt auf Rache und schwingt sich, angestachelt von Darius’ rechter Hand Artemisia (Eva Green) zum gefürchteten «Götterkönig» auf. Die Griechen sollen nicht nur besiegt, sondern auch gedemütigt und ausradiert werden. Dem stellt sich Themistokles entgegen, der fest an die Vereinigung der griechischen Stadtstaaten zu einer starken Einheit glaubt.

Grausam und sexy: Die persische Befehlshaberin Artemisia.

Grausam und sexy: Die persische Befehlshaberin Artemisia.

Der Star des neusten Gemetzels ist wie schon im Vorgänger weder der Hauptdarsteller noch die Story, sondern die Optik. Den Wechsel auf dem Regie-Stuhl von Snyder zu Noam Murro («Smart People) merkt der Zuschauer nicht, die Schlachten kommen genau so gewaltig daher, nun sogar in beeindruckender 3D-Optik. Da möchte man sich nach jedem Schwerthieb das Blut vom Gesicht wischen, und angesichts des neuen Schlachtfelds, der hohen See, kommt vielleicht der eine oder andere empfindliche Magen in Aufruhr. Themistokles bietet mit seinen mickrigen 50 Schiffchen Artemisias 1000 Galeeren-starken Flotte die Stirn und kämpft zeitgleich wie Leonidas mit seinen tapferen Mannen. Während die zusätzliche Dimension des Meeres dem Werk einen frischen Anstrich verleiht, wird die Figur der weiblichen Befehlshaberin den ohnehin schon übermächtigen Anteil von männlichen Kinogängern noch weiter in die Höhe treiben. Eva Green verleiht der eiskalten Rächerin einen unglaublichen Sex-Appeal, dem auch der griechische Held nicht widerstehen kann. Ein Highlight ist der Geschlechtsakt zwischen den Widersachern: Man weiss gar nicht, ob man ihn als Sex- oder Gewaltszene einordnen soll.

Zerstrittene Stadtstaaten: Spartas Königin Gorgo und Athens General Themistokles.

Zerstrittene Stadtstaaten: Spartas Königin Gorgo und Athens General Themistokles.

«300 – Rise of an Empire» ist Testosteron-Kino in Reinkultur. Da stören nicht einmal die flammenden Reden von Themistokles, die immer wieder an Loyalität bis zur Selbstaufgabe appellieren. Schliesslich geht es um Ruhm und Ehre – und nicht zuletzt um die Freiheit, das höchste Gut eines Mannes. Wahre Hingabe und Leidenschaft besiegen die zahlenmässige, aber seelenlose Übermacht, Demokratie schlägt Tyrannei. Für solche Werte lohnt es sich schon mal, die Ägäis mit Blut und Leichen zu überfluten.

«300 – Rise of an Empire» läuft ab 6. März 2014 in den Basler Kinos Rex und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 6. März: Saving Mr. Banks, The Grand Budapest Hotel, Tokyo Family, Bibi & Tina – der Film.

Fremdschämen für Fortgeschrittene

Fabian Kern am Mittwoch den 19. Februar 2014

«Stromberg – der Film» läuft ab 20.2. im Capitol und im Küchlin.

«Stromberg – der Film» läuft ab 20.2. im Capitol und im Pathé Küchlin.

Der Humor von Stromberg ist nicht jedermanns Sache. Der Mann tritt gegen unten und schleimt gegen oben und sorgt mit seinen diskriminierenden Witzen immer wieder für hochnotpeinliche Pausen. Und auch wer das lustig findet – in höheren Dosen scheint der Humor nicht mehr allzu bekömmlich zu sein. Deshalb die bange Frage vor dem Gang in die Vorstellung der Kinoversion «Stromberg – der Film»: Ist Christoph Maria Herbst in seiner Paraderolle als arschkriechender Opportunist über 100 Minuten zu ertragen oder entwickelt man bei dieser epischen Länge des Fremdschämens eine bleibende Abneigung gegen Bürojobs jeglicher Art? Ich setzte meine berufliche Zukunft aufs Spiel und wagte den Selbstversuch.

Sorgenfalten bei Stromberg. (Bilder: Praesens)

Wie gehts weiter? Sorgenfalten bei Stromberg. (Bilder: Praesens)

Eingefleischten Stromberg-Fans wird angesichts der Ereignisse der Atem stocken, denn nach dem Film wird nichts mehr so sein, wie es in der Serie gewesen ist. Das ist letztlich das Geniale an «Stromberg – der Film»: Er ist inhaltlich an die TV-Serie gekoppelt, führt sie sogar fort, funktioniert aber auch als eigenständiger Film. Aber wir wollen nicht vorgreifen. Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) sitzt als Leiter der Schadensregulierung der Capitol Versicherung bombemfest im Sattel. Zumindest nach Eigenansicht des selbstgefälligen Bürolisten. Doch dann erfährt er – ausgerechnet über den Hausmeister –, dass seine Filiale dicht gemacht werden soll. Sein Kommentar dazu: «Eine Firma ist wie die Ehefrau: Die fickt dich, wenn du nicht damit rechnest.»

Wo gehts zur Firmenfeier? Stromberg und «Ernie».

Wo gehts zur Feier? Stromberg und «Ernie».

Deshalb hilft Stromberg nur die Flucht nach vorn. Er beschliesst, mit der gesamten Abteilung an der 50-Jahr-Feier der Capitol in der Provinz teilzunehmen – obwohl er genau das noch tags zuvor seinen motivierten Mitarbeitern verboten hatte. Aber so ist halt Stromberg: Er versucht, alles zu seinem Vorteil auszunutzen. Dass er dabei in seiner Arroganz allerdings sehr kurzsichtig agiert, ignoriert er komplett, muss er aber an der Firmenfeier am eigenen Leib erfahren. Denn eigentlich will er sich mit einer Schleimattacke für einen Wechsel in die Firmenzentrale seine berufliche Zukunft in der Capitol sichern, begegnet dabei aber lauter früheren Kollegen, welche er früher lächerlich gemacht hat. Ausgerechnet Berthold «Ernie» Heisterkamp (Bjarne I. Mädel) hingegen, Strombergs Mobbing-Opfer Nummer eins, kommt beim Capitol-Boss richtig gut an. Stromberg muss sich zur Abwechslung richtig ins Zeug legen, um nicht zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Bloss – wie macht man das?

Wie behalte ich den Job? Stromberg zieht alle Register.

Wer mag mich? Stromberg zieht alle Register.

Triste Grundstimmung, haarsträubender Kleidergeschmack und minutenlanges Fremdschämen – Stromberg bleibt sich auch auf der Leinwand treu. Die Story ist gut und vermag über die volle Spielfilmlänge zu unterhalten. Nicht zuletzt durch den Ausbruch aus dem Grossraumbüro und die Wandlung zum Roadmovie. Trotzdem wurde der dokumentarische Stil beibehalten. Die Kommentare der Angestellten direkt in die Kamera sorgen für die besten Lacher und sind die Essenz von Stromberg. Deshalb kann der Selbstversuch als Erfolg verbucht werden, und ich muss mein berufliches Dasein künftig nicht völlig desillusioniert in meinem Grossraumbüro fristen. Oder mit den Worten von Stromberg: «Lass das mal den Papa machen… Papa macht das gut.»

«Stromberg – der Film» läuft ab 20. Februar 2014 in den Kinos Capitol und Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 20. Februar: Monuments Men, Dallas Buyers Club, Tarzan 3D, Traumland, Alphabet, Viva la libertà.

«Krieger» – eine geballte Portion Emotionen

Gawin Steiner am Montag den 17. Februar 2014

Es ist keine Premiere, eher eine Dernière und ein vermeintliches Ende eines erfolgreichen Kursierens eines Kurzfilms. Am 22. Februar flimmert «Krieger» im Neuen Kino Basel am Kurzfilmfestival «Kurz&Knapp» noch einmal über die Leinwand. Protagonist und «Krieger» im Film ist der 24-jährige Mickey, ein Freund des Regisseurs aus der Region. «Ich kenne Mickey seit vier, fünf Jahren und ich wusste, ich will einen Film mit ihm machen», sagt Regisseur Patrick Meury.

Die Erzählung von Mickey lebt von Gestik und Emotionen.

Die Erzählung von Mickey lebt von Gestik und Emotionen.

Es habe aber lange gedauert, bis er realisiert habe, dass er dafür gar kein Drehbuch braucht, sondern Mickey nur seine Geschichte erzählen lassen muss: Dem Heroin verfallen, reiste Mickey nämlich nach Peru um seiner Sucht zu entkommen. Mit traditioneller schamanistischer Methoden, wo eines der stärksten bekannten Halluzinogene, Ayahuasca, eingesetzt wird. Es ist ein Kampf, von dem Mickey auf einem Stuhl sitzend erzählt, surreal, in einer eigenen Welt. Zwölf Minuten geballte Emotionen in einem dunklen Raum.

Patrick Meury, Regisseur von «Krieger»

Patrick Meury, Regisseur von «Krieger».

Dass es eben nicht nur ein «Erzählen» ist, davon lebt die Geschichte: Schreie und Emotionen, mit total authentischer Wirkung. Es ist genau das, was die Geschichte ausmacht, kein Drehbuch, es ist bloss ein Zusammenschnitt eines zweistündigen Interviews, welches nicht gespielt, sondern gelebt wird.

Dafür wurde Regisseur Patrick Meury Anfang 2013 an den Schweizer Jugendfilmtagen in Zürich mit dem 2. Rang ausgezeichnet: «Durch die formale Einfachheit der intensiven und kraftvollen Erzählung, erhält der Zuschauer Einblick in eine ganz besondere Reise», begründet die Jury die Platzierung. «Krieger» war die Abschlussarbeit von Patrick Meury an der Filmhochschule Luzern, die ihn aufnahm, bloss anhand seiner bereits produzierten Filme. Gezeigt wurde der Film unter anderem auch an den Solothurner- und Winterthurer Filmtagen sowie am «Zoom – Basler Filme im Fokus». Das Highlight erlebte der 29-jährige Röschenzer Filmemacher aber erst im vergangenen November in München, wo sein Film für das 33. Internationale Festival der Filmhochschulen ausgewählt wurde. Reise und Unterkunft bezahlt. So nahm sich der freischaffende Schreiner eine Woche frei und reiste ohne jegliche Vorstellungen nach München.


So professionell kommt das Internationale Festival der Filmhochschulen in München daher.

Einen Preis gewann er nicht, so viel vorweg. Doch dies war auch nicht nötig: Eine riesige Eröffnungsfeier mit Prominenz wie dem Münchner Bürgermeister, ein vollgepacktes Programm mit vielen Interviews und stets vollbesetzten Kinovorführungen. «Ein perfekt organisiertes Festival», schwärmt Meury. Vor allem aber auch eine ideale Plattform für den Austausch mit anderen 48 jungen Filmemachern aus aller Welt. «Es war einfach grossartig, an so einem grossen Festival dabei zu sein». Nun ist aber Kurz&Knapp das letzte Filmfestival, das den im Sommer 2012 erschienenen Film im Programm hat. Doch: «Bei Kurzfilmen erhält man immer wieder Anfragen für ein Festival, wenn man schon gar nicht mehr damit rechnet», sagt Meury. Und so schnell wird Meury auch nicht einen neuen Film aus dem Boden stampfen, Qualität und Lust haben Vorrang gegenüber der Quantität.

Der Protagonist von Krieger ist bis heute clean.

www.patrickmeury.ch
«Krieger», Samstag, 22.02.2014 ab 21.00 Uhr, Neues Kino Basel

Schweighöfer mit Biss

Fabian Kern am Donnerstag den 6. Februar 2014

«Vaterfreuden» läuft ab 6.2. im Capitol und im Küchlin.

«Vaterfreuden» läuft ab 6.2. im Capitol und im Küchlin.

Eines steht fest: Matthias Schweighöfer hat die deutsche Liebeskomödie nicht neu erfunden. Aber der Blondschopf ist mit Abstand deren produktivster Vertreter. Kaum hat sich der 32-Jährige mit «Schlussmacher» und «Frau Ella» aus den Kinos verabschiedet, bevölkert er sie schon wieder. «Vaterfreuden» heisst sein neuster Wurf, und er bietet nicht mehr, aber auch nicht weniger, als man von einem Schweighöfer erwarten kann. Denn im Gegensatz zu seinem Kumpel Til Schweiger, der vor ihm prägend für die deutsche Schnulze war, hat Schweighöfer keine qualitativen Ausrutscher. Kein Wunder, denn schauspielerisch agiert Schweighöfer ein bis zwei Etagen höher als Schweiger. Die Steigerung von Schweiger ist Schweighöfer.

Keine Freunde: Carsten und Felix. (Bilder: Warner)

Bissige Beziehung: Carsten und Felix. (Bilder: Warner)

Für einige Anleihen bei «Keinohrhasen» und «Kokowääh» ist sich der 32-Jährige dennoch nicht zu schade. Denn wie gesagt: Er hat die deutsche Liebeskomödie nicht neu erfunden – und will es auch gar nicht. Angesichts einer für den Plot nicht ganz unwichtigen tierischen Nebenfigur hat Schweighöfer wohl auch über den grossen Teich gelinst. Das Frettchen in «Vaterfreuden» erinnert doch stark an jenes aus «Along Came Polly». Während besagter Nager von Jennifer Aniston aber ziemlich harmlos ist, muss man bei Carsten schon mal sein bestes Stück einziehen – zumindest, wenn es gerade mit Honig beträufelt wurde. Denn das ist Carstens Leibspeise. Leider passiert Felix (Schweighöfer) aber genau das, und das erst noch mit Handschellen ans Bett gefesselt. Der notorische Frauenheld wird lebenslang für diesen Fauxpas büssen müssen, denn Carstens Zähne haben ihn seine Zeugungsfähigkeit gekostet.

Fruchtbare Geschichte: Felix und Henne beim Arzt.

Fruchtbare Sache: Felix und Henne beim Arzt.

Was grundsätzlich kein Problem wäre, da Felix ein überzeugter Single ist. Aber mit dem Abschied der Kronjuwelen kommt im Gegenzug der Kinderwunsch. Gut, hat sich Felix kurz vor dem Unfall von seinem  ebenso nervigen wie unerwünschten Bruder Henne (Friedrich Mücke) zur Samenspende hat überreden lassen. Und weil dieser ein schlechtes Gewissen hat, dass ausgerechnet sein Haustier den Bruderherz die Männlichkeit gekostet hat, lässt er sich auch nicht von der Anonymität der Fruchtbarkeitsklinik abschrecken und findet heraus, dass Felix’ Samen bereits den Weg in einen Uterus gefunden hat – jenen von Maren (Isabell Pollak), Münchens beliebtester Sportmoderatorin. Nur hat die Schöne nicht auf Felix gewartet, sondern plant ein dreisame Zukunft mit ihrem Verlobten, dem Yuppie Ralph (Tom Beck) und dem ungeborenen Kind. Aber der verhinderte Vater hat sich in den Kopf gesetzt, im Leben seines wohl einzigen Kindes eine Rolle zu spielen.

Paar-Potenzial: Maren und Felix.

Paar-Potenzial: Maren und Felix.

Natürlich, einen Filmpreis wird der Streifen nicht absahnen. Dafür ist er zu oberflächlich und gibt es zu viel derben Humor und zu viele vorhersehbare Slapstick-Einlagen. Natürlich, einiges kennt man aus anderen Filmen. Das ist in diesem Genre nicht ungewöhnlich. Natürlich, wenn man selbst Kinder hat, muss man einige üble Klischees aushalten. Alles in allem aber ergibt das einen gefälligen Mix mit einem authentischen Charme. Muss man denn überhaupt um jeden Preis bahnbrechend sein? Muss man die deutsche Liebeskomödie neu erfinden? Nein. Wer sie bisher nicht geschaut hat, wird sie auch jetzt nicht schauen – ausser Mann wird von der Partnerin dazu genötigt. Und das bisherige Stammpublikum wird am neusten Schweighöfer seine Freude haben.

«Vaterfreuden» läuft ab 6. Februar 2014 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 6. Februar: Der Goalie bin ig, RoboCop, Free Birds, Mandela: Long Walk to Freedom.

Ein bittersüsses Vergnügen

Fabian Kern am Mittwoch den 22. Januar 2014

«Philomena» läuft ab 23. Januar im kult.kino atelier.

«Philomena» läuft ab 23. Januar im kult.kino atelier.

Das wahre Leben schreibt die krassesten Geschichten. Im Positiven wie im Negativen. Eine Woche nach der Verfilmung von Jordan Belforts skandalöser Autobiografie «The Wolf of Wall Street» kommt nun eine völlig andere filmische Umsetzung eines Buches in unsere Kinos – jene von Martin Sixsmiths «The Lost Child of Philomena Lee». Es ist eine Geschichte, die jeden sofort reinzieht und absolut erschütternde Ereignisse aus einer Zeit offenbart, die noch gar nicht so lange her ist. Und sich nicht etwa in einem Drittwelt-Land abspielte, sondern in Westeuropa: Irland. In einem erzkatholischen Irland.

Im Jahr 1952 war Philomena Lee Teenager. Mit allen Hormonen und Sehnsüchten wie jedes andere Mädchen ihres Alters. Deshalb lässt sie sich von einem feschen Jungen verzaubern. Weil vorehelicher Sex absolut Tabu war und somit Verhütung kein Thema, wird das arme Mädchen schwanger. Von ihrer Familie verstossen findet Philomena in einem Kloster Unterschlupf und schenkt einem Jungen das Leben. Doch in einem katholischen Kloster werden einem befleckten Teenager keine Mutterfreuden zugestanden. Der kleine Anthony wird zur Adoption freigegeben, Philomena kann sich noch nicht einmal von ihm verabschieden. Als letzte Erinnerung bleibt ihr, wie ihr Sohn durch die Heckscheibe eines davonfahrenden Autos schaut – einfach nur herzzerreissend. Von christlicher Nächstenliebe keine Spur.

Ein ungleiches Paar: Martin und Philomena. (Bilder: Pathé)

Ein ungleiches Paar: Martin und Philomena.

50 Jahre bewahrt Philomena, mit nichts als einem kleinen Foto ihres geliebten Sohnes in den Händen, das Schweigen über Anthony und glaubt die Version des Klosters, alle Unterlagen über die Kinder seien bei einem Brand vernichtet worden. Weil der Schmerz aber nicht kleiner geworden ist, erzählt sie das Ganze ihrer Tochter, welche sie davon überzeugt, die Presse einzuschalten – zumindest einen Journalisten: Martin Sixsmith. Der langjährige TV-Mann wurde soeben von der BBC geschasst und ist nicht eben motiviert, eine aus seiner Sicht minderwertige People-Story zu schreiben. Doch der Zyniker lässt sich von der herzensguten Frau erweichen, ihr bei der Suche nach ihrem Sohn zu helfen. Das ungleiche Gespann macht sich auf eine ungewöhnliche, für beide sehr lehrreiche Reise.

Am Ort des Schmerzes: Philomena 1952...

Am Ort des Schmerzes: Philomena 1952…

... und 50 Jahre später.

… und 50 Jahre später. (Bilder: Pathé)

An so einem Schicksal kann eine Mutter schon einmal zugrunde gehen. Wie Philomena aber trotz der Jahrzehnte der Ungewissheit und des Leidens ihre Lebensfreude nicht verloren hat, ist so bewundernswert wie schwer nachvollziehbar. Als Darstellerin der Titelfigur hätte Regisseur Stephen Frears keine passendere Schauspielerin finden können als die wunderbare Judi Dench. Die Grande Dame des englischen Kinos bewegt sich als Philomena stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen Traurigkeit und Optimismus, ohne dabei ins Rührselige abzugleiten. Ihr Gegenpart Steve Coogan als Martin Sixsmith erinnert in seinem gelangweilten Zynismus an Hugh Grant in dessen besten Rollen. Die Dialoge zwischen den beiden sorgen für die gut verteilten lustigen Momente in einem melancholischen Film über ein tieftrauriges Thema. Kein Wunder, ist Frears’ gelungener Spagat in vier Kategorien für einen Oscar nominiert, darunter die wichtigen Sparten «Bester Film» und «Beste Hauptdarstellerin».

Zum Schluss seien aber noch all jene potenziellen Zuschauer gewarnt, die selbst Kinder haben: Für «Philomena» gilt unbedingte Taschentuch-Pflicht. Da bleibt kein Auge trocken. Nicht, dass hier Propaganda für Teenager-Schwangerschaften gemacht werden soll, aber wir können froh sein, dass solch düstere Zeiten vorbei sind.

«Philomena» läuft ab 23. Januar 2014 im kult.kino atelier in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 23. Januar: 12 Years A Slave, Homefront, I, Frankenstein, Amazonia, The Captain and His Pirate, Erbarmen.

Zum Teufel mit der Moral!

Fabian Kern am Mittwoch den 15. Januar 2014

Filmplakat

«The Wolf of Wall Street» läuft ab 16. Januar im Capitol, Küchlin und Rex.

Geld, Sex und Drogen – mit drei Worten kann «The Wolf of Wall Street» zusammengefasst werden. Gerecht wird man Martin Scorseses dreistündigem Film über den Aufstieg und Fall eines Shootingstars der Wall Street damit aber nicht. Der Altmeister gibt alles, was er an eindrücklichen Bildern zur Dekadenz von Neureichen zu bieten hat. Kein Wunder, musste Scorsese auf eine unabhängige Finanzierung umsteigen. Keines der grossen Hollywood-Studios wollte sich an den ausgiebigen Sex- und Drogenszenen die Finger verbrennen. Weil inmitten der orgiastischen Szenen immer wieder das spitzbübische Grinsen von Leonardo DiCaprio hervor blitzt, darf man getrost festhalten: Das Filmjahr 2014 beginnt mit einem lauten, bunten, aber auch hochklassigen Knall.

Immer raus damit: Jordan Belfort wirft mit 100-Dollar-scheinen um sich.

Immer raus damit: Jordan Belfort wirft mit 100-Dollar-Scheinen um sich. (Bilder: Universal)

Von der Theoriestunde mit Mentor Mark Hanna... (Bilder: Universal)

Von der Theoriestunde mit Mentor Mark Hanna…

... zur Praxis als Kopf von Stratton Oakmont.

… zur Praxis als Kopf von Stratton Oakmont.

Jordan Belfort (DiCaprio) will nur eines, als er mit Anfang 20 an die Wall Street geht: reich werden. Ironischerweise wird er das genau mithilfe jener Leute, die das auch wollen. Nur, die werdens nicht. Dafür Belfort umso mehr. Aber auch das reicht ihm nicht. Einer der Eckpfeiler der Aktiengeschäfts ist die Tatsache, dass keiner den Hals voll kriegt. Würde jeder seine Schäfchen ins Trockene bringen, würde der Markt stagnieren. Das ist es, was der junge Belfort von seinem Mentor Mark Hanna (mit tuntiger Föhnfrisur: Matthew McConaughey) mitnimmt. Und verinnerlicht. Ebenso wie die Haltung, dass ein Broker ohne Drogen kein guter Broker ist. Da Belfort nicht nur gut ist, sondern sogar ein Genie, weiss er sogar nach dem Börsencrash von 1987 Millionen und Abermillionen zu scheffeln. Und sie fast ebenso rasend wieder auszugeben. Mit den «Gründungspartnern» seiner wie eine Rakete an der Wall Street aufsteigenden Firma Stratton Oakmont – im Grunde einer Ansammlung von Nerds, die es ohne einen charismatischen Anführer niemals zu etwas im Leben gebracht hätten – zerbricht er sich mit andauerndem Erfolg immer mehr darüber den Kopf, mit welchen Perversitäten und Kindereien sie die Spesenausgaben noch weiter in die Höhe treiben können. Eine Sexorgie mit exzessivem Kokainkonsum im Grossraumbüro, ein 2-Millionen-Dollar-Junggesellenabschied in Las Vegas, Zwergenwerfen zwischen den Schreibtischen – die Lausbuben in Massanzügen verlieren immer mehr den Bezug zur Realität und jeglichen Anstand, sofern sie diesen jemals besessen haben. «Das ist nicht verrückt, das ist obszön», bemerkt Belforts Vater Max (Rob Reiner). Treffend, aber fast noch untertrieben.

Reicher Nerd: Donnie Azoff.

Reicher Nerd: Donnie Azoff (Jonah Hill).

Dieser Film ist eine einzige Orgie. Das Krasseste daran: Er basiert auf der wahren Lebensgeschichte von Jordan Belfort. Der Vorwurf an Scorsese, er verherrliche den exzessiven Kapitalismus, greift aber viel zu kurz. Denn es braucht diese epische Länge und die expliziten Darstellungen von Belforts Ausschweifungen, um den Prozess zu begreifen, den Belfort und sein Wolfpack um Partner Donnie Azoff (Jonah Hill) durchmachen – nämlich gar keinen. Zum Zuschauen ist es faszinierend, wie man anfangs amüsiert ist ob des Blödsinns, den erwachsene Männer mit viel zu viel Geld ausbrüten und auch umsetzen können. Mit der Zeit wird das Ganze aber ermüdend und schliesslich nur noch abstossend. Den Protagonisten hingegen geht jegliche Selbstreflexion ab. Sie merken nicht, dass sie in ihrer unersättlichen Gier nach immer noch mehr Geld und Macht für ihr Umfeld unerträglich werden. Belfort mag ein Verkaufsgenie sein, doch was das Leben angeht, hat er überhaupt nichts begriffen. So verpasst er auch sämtliche Chancen, auszusteigen, als sowohl Börsenaufsicht als auch FBI seinen alles andere als legalen Methoden auf die Schliche kommen. Das Geld und die Drogen unterdrücken nicht nur jegliche Empathie, sondern auch die Vernunft. Der freie Fall der Rakete Stratton Oakmont und ihrer Spitze Jordan Belfort ist vorprogrammiert. Hochmut kommt vor dem Fall – willkommen an der Wall Street.

Blonde Schönheit: Naomi Lapaglia.

Schönheit: Naomi Lapaglia (Margot Robbie).

Altmeister in Hochform: Martin Scorsese.

Altmeister in Hochform: Martin Scorsese.

Der Bilderreigen, den uns ein Scorsese in Bestform vor die Augen setzt, uns beinahe um die Ohren haut, ist grossartig. Die fünfte Zusammenarbeit mit DiCaprio ist wohl die mutigste – und das Risiko hat sich gelohnt. Der Golden Globe als bester Hauptdarsteller für DiCaprio ist mehr als verdient, denn der lange auf seine Titanic-Rolle reduzierte 39-Jährige ist eine Wucht. Mit unglaublicher Präsenz besetzt er die Leinwand und verkörpert Belforts Arroganz und Dekadenz in Perfektion. Neben dem strahlenden Leitwolf ist aber auch Platz für andere bemerkenswerte Leistungen. Neben dem  verblüffenden Jonah Hill, der bisher nur in Blödelrollen auffiel, ist Margot Robbie die Entdeckung des Films. Die 23-jährige Australierin bringt mit  ihrem Sex-Appeal als blondes Gift nicht nur Belforts Blut in Wallung, sondern empfiehlt sich für eine steile Hollywood-Karriere. Doch trotz der beeindruckenden One-Man-Show DiCaprios, trotz des guten Skripts, starken Casts und bestechenden Regie – Hauptdarsteller in «The Wolf of Wall Street» ist das Geld, prominenteste Abwesende die Moral. Und in diesem Sinne kommt man nach drei sehr kurzweiligen Stunden zu einer alten Weisheit: Geld allein macht nicht glücklich – ausser den Zuschauer.

«The Wolf of Wall Street» läuft ab 16. Januar 2014 in den Basler Kinos Capitol, Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 16. Januar: Nebraska, Glückspilze, Fünf Freunde 3.

Bully verleiht (sich) Flügel

Fabian Kern am Dienstag den 24. Dezember 2013

«Buddy» läuft ab 25.12. im Pathé Küchlin.

«Buddy» läuft ab 25.12. im Capitol und im Küchlin.

Weihnachtszeit, Engelszeit. Pünktlich zum Fest der Feste lässt Michael «Bully» Herbig mal wieder einen Kinofilm vom Stapel. Natürlich wieder eine Komödie, und wieder einmal vereint der bayrische Filmemacher alle Schlüsselfunktionen: Drehbuchautor, Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller. Als Titelfigur verleiht er sich in «Buddy» sogar Flügel. Der Schutzengel soll einem verantwortungslosen Lebemann auf den richtigen Weg helfen und ihn mit der Frau des Lebens verbinden. Ja, diesmal ist Bully richtig romantisch.

Vier Jahre sind seit seinem letzten Streifen «Wickie und die starken Männer» ins Land gezogen. In dieser Zeit hat Herbig sich als Schauspieler unter fremden Regisseuren versucht und nicht an seinem nächsten aufsehenerregenden Wurf gearbeitet. «Buddy» ist zwar solider romantischer Klamauk, dessen Plot aber hat man schon dutzendweise gesehen: Erfolgreicher Mann feiert sich durch sein oberflächliches Dasein und bekommt dabei gar nicht mit, dass er unglücklich ist und seiner Traumfrau schon diverse Male über den Weg gelaufen ist, sie aber nicht gesehen hat. Dafür braucht der Millionenerbe Eddie Weber (Alexander Fehling) erst einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf. Überraschend ist höchstens, dass so ein Film von Bully Herbig stammt.

Eddie wird Buddy nicht mal im Knast los (Bilder: Warner)

Unzertrennlich: Eddie wird seinen Schutzengel Buddy nicht mal im Knast los (Bilder: Warner)

Den einzige kreativen Ansatz bietet die Figur Buddy. Der Rookie-Schutzengel hat eigentlich den Auftrag von ganz oben, Eddie unauffällig auf sein Glück zu lenken. Doch weil er einmal nicht aufpasst, wird er von seinem Schutzbefohlenen gesehen, womit seine Deckung auffliegt. Eddie kann nun Buddy sehen und hören – aber nur er. Und das treibt ihn in den Wahnsinn, denn der Playboy denkt nicht daran, sich von dem komischen Kerl, den er in seinem Wandschrank überrascht hat, einen neuen Lebensstil diktieren zu lassen. Buddy aber nutzt die Tatsache, dass nur Eddie ihn sehen und vor allem hören kann und beschallt ihn nonstop mit Schlagergesang – da drückt der «echte» Bully durch. Auch Selbstmordversuche fruchten nicht, denn Buddy ist schliesslich ein Schutzengel. Eddie bleibt nichts anderes übrig, als sich der vermeintlichen Traumfrau Lisa (Mina Tander) tatsächlich zu stellen.

Eddie wirft sich bei Lisa ins Zeug.

Eddie wirft sich bei Lisa ins Zeug.

Die Beliebigkeit der Geschichte ist für den Film Fluch und Segen zugleich. Herbig verschenkt etwas die überzeugenden Schauspieler und wird Fans von «Schuh des Manitu» und «(T)Raumschiff Surprise» enttäuschen – zumal sein Weggefährte Christian Tramitz gar nicht und Rick Kavanian nur in einer Minirolle auftritt. Gleichzeitig sichert er sich aber das klassische Liebeskomödien-Publikum, das nichts anderes sehen will als eine vorhersehbare Handlung mit dem obligaten Happy End. Somit ist der Kinostart clever gewählt: Zum Jahresende kuschelt sichs im Kino einfach am besten.

«Buddy» läuft ab 25. Dezember 2013 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 25. und 26. Dezember: The Physician, Kedi ézledi, Like Father, Like Son.

Stumpfe Machete

Fabian Kern am Donnerstag den 19. Dezember 2013

«Machete Kills» läuft ab 19. Dezember im Capitol und im Küchlin.

«Machete Kills» läuft ab 19.12. im Capitol und im Küchlin.

Ausufernde Gewalt, coole Sprüche, nackte Haut und eine hanebüchene Story – das war «Machete». Zudem hatte Splatter-Spezialist Robert Rodriguez vor drei Jahren die Originalität auf seiner Seite, aus einem fiktiven Trailer in den Grindhouse-Filmen «Death Proof» und «Planet Terror» einen echten Film gemacht zu haben. Von den Attributen des billigen, aber als C-Movie durchaus gelungenen Actioners geblieben sind drei Jahre später bei der Fortsetzung «Machete Kills» nur die ausufernde Gewalt und die hanebüchene Story. Die Originalität ist ebenso auf der Strecke geblieben wie die Bereitschaft der weiblichen Stars, sich auszuziehen. So bleibt als erotisches Highlight die Art, wie Amber Heard das Wort «Machete» ausspricht. Eigentlich ist das sogar alles, was bleibt.

Optisches Highlight: Amber Heard.

Hingucker: Amber Heard. (Bilder: Impuls)

Am wenigsten ein Vorwurf zu machen ist dabei Danny Trejo. Dem 69-jährigen Narbengesicht scheint der Trash in die Wiege gelegt worden zu sein. In 275 Filmen hat der Mexikaner bisher schon mitgewirkt, nicht weniger als 32 weitere Rollen werden bis 2015 folgen. Gefühlte 98 Prozent seiner Streifen wurden direkt in die Videotheken geschickt und verrotten dort auf den billigsten Regalen. Deshalb muss sich niemand wundern, wenn Trejos zweiter Auftritt als menschliche Allzweckwaffe Machete Cortez Schrott ist. Wundern muss man sich einzig darüber, dass er im Kino läuft und gleich viel kostet wie ein Blockbuster. Denn Blockbuster-Format weist einzig der Cast von «Machete Kills» auf: Michelle Rodriguez, Amber Heard, Charlie Sheen aka «Carlos Estevez», Mel Gibson, Cuba Gooding Jr., Jessica Alba, Antonio Banderas und Lady Gaga gemeinsam auf die Leinwand zu bringen, macht Eindruck. Doch das Versprechen auf ein Kinovergnügen bleibt ein leeres.

Machete und die Bösewichte Mendez...

Machete und die Bösewichte Mendez…

... und Luther Voz.

… und Luther Voz.

Diese Stars wechseln sich nahezu beliebig mit dem grosszügigen Einsatz von Kunstblut ab, was mit zunehmender Dauer einschläfernd wirkt. Aus Mangel an neuen Ideen geht dem Machwerk jegliche Originalität ab, sogar der niveaulose Spass hält sich in engen Grenzen. Nicht einmal als gute Parodie geht die Story um einen schizophrenen mexikanischen Kartellboss (Demian Bichir), der Washington dem Erdboden gleichmachen will, dabei aber nur die Marionette eines grössenwahnsinnigen Strippenziehers ist, durch. Da helfen auch die zahlreichen Anleihen bei James Bond und Star Wars nichts, ja nicht einmal Charlie Sheen als politisch unkorrektester US-Präsident aller Zeiten. Wenn man den gleichen Witz immer wieder erzählt, wird er dadurch nicht lustiger. Dem zahlenden Publikum bleibt nur der Eindruck, nicht nur Geld, sondern auch 107 Minuten Lebenszeit verschwendet zu haben – da kann Amber Heard «Machete» hauchen, so oft sie will.

Das einzig Schockierende an «Machete Kills» ist die Tatsache, dass der zweite Film direkt zum dritten Teil überleitet: «Machete Kills Again… in Space». Wer dafür Geld ausgibt – ob als Produzent oder Kinogänger–, ist definitiv selbst Schuld.

«Machete Kills» läuft ab 19. Dezember 2013 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 19. Dezamber: Die schwarzen Brüder, Belle et Sebastian, Only Lovers Left Alive, Le passé, Dinosaurier – Im Reich der Giganten 3D.

Und hier zum Abgewöhnen schon mal der Trailer zum dritten Teil «Machete Kills Again… in Space»: