Archiv für die Kategorie ‘Kino’

Im Auge des Katastrophenfilms

Fabian Kern am Mittwoch den 20. August 2014

«Into the Storm» läuft ab 21.8. im Küchlin und im Rex.

«Into the Storm» läuft ab 21.8. im Küchlin und Rex.

Plötzlich erstummt das ohrenbetäubende Fauchen des Tornados, und es geht kein Lüftchen mehr. Was der Katastrophenfilm-Fan spätestens seit «Twister» (1996) weiss, als Bill Paxton und Helen Hunt plötzlich im Auge des Sturms staunend in den Himmel blicken, dass man nämlich im Zentrum eines Wirbelsturms ein Picknick veranstalten könnte, erlebt er in diesem Kino-Sommer noch viel deutlicher. Denn natürlich ist in «Into the Storm» – obwohl nicht in 3D-Optik gefilmt – alles noch grösser und spektakulärer als vor 18 Jahren, als die CGI (Computer-Generated Imagery) im Vergleich zu heute noch in den Kinderschuhen steckte. Die Computereffekte sind markant besser geworden, die Klischees aber immer noch gleich geblieben.

Wo ist der Sturm? Die Hauptdarsteller. (Bilder Warner)

Wo ist der Sturm? Die Hauptdarsteller. (Warner)

Da wäre zunächst das Personal: Gary (Richard Armitage; der Zwerg Thorin Oakenshield in «The Hobbit») ist Vater von zwei halbwüchsigen Söhnen. Weder der 17-jährige Donnie (Max Deacon) noch sein ein Jahr jüngerer Bruder Trey (Nathan Kress) haben ein enges Verhältnis zum strengen Dad – der als High-School-Rektor von Silverton, einem Kaffs im Mittleren Westen der USA, quasi auch noch ihr Boss ist. Am Morgen dieses unheilvollen Tages, an dem ein Sturm aufziehen soll, kommt es zum Streit, worauf Donnie seine Pflichten, die Abschlussfeier zu filmen, in den Wind schiesst und seinem Schwarm, der High-School-Schönheit Kaitlyn (Alycia Debnam-Carey), bei einem Filmprojekt hilft. In einer verlassenen Fabrik. Das ist eines der Dinge, die man in einem Katastrophenfilm unbedingt unterlassen sollte.

Da ist er doch! Der Tornado in Silverton.

Da ist er doch! Der Tornado in Silverton.

Tornado voraus: Die Sturmjäger in ihrem Element.

Den Tornado im Visier: Die Sturmjäger.

Und dann, pünktlich zu den Feierlichkeiten des High-School-Abschlusses kommt endlich der Sturm. Erst als – natürlich – unglaublich seltenes Phänomen, dass gleich vier, fünf Trichter gleichzeitig den Boden aufwühlen, dann als der grösste Tornado, den es jemals gab. Natürlich. Begleitet von den unvermeidlichen Sturmjägern. Einerseits eine Handvoll Dorftrottel, die in Jackass-Manier eine Youtube-Karriere machen möchten, andererseits eine professionelle Crew, die das Naturspektakel auf Video bannen und sich mit dem Dokumentarfilm eine goldene Nase verdienen wollen. Mit dabei im Team um den cholerischen Pete (Matt Walsh), der dem Twister in einem panzerähnlichen Spezialfahrzeug folgt, ist die – natürlich – attraktive Meteorologin Allison (Sarah Wayne Callies), passenderweise auch sie alleinerziehende Mutter. Zusammen mit Gary und Trey macht sie sich auf zur Rettung von Donnie und Kaitlyn.

Visuelles Highlight: Brennender Tornado.

Visuelles Highlight: Ein brennender Tornado.

Doch trotz aller sich anbahnender Nebengeschichten – der Hauptdarsteller gerät nie in Vergessenheit. Die Tornado-Trichter sind perfekt animiert, das Ausmass der Zerstörung beeindruckend dokumentiert und die subjektive Perspektive packend. Gerade die Bilder von den Trümmern, den in Fetzen gerissenen Habseligkeiten von Menschen in ganzen Quartieren berühren. Klar, «Into the Storm» ist in erster Linie ein grosse Show der Spezialeffekte. Ganze Lasterzüge und Linienflugzeuge werden in die Luft gehoben, als wären sie Spielzeuge eines gigantinschen gelangweilten Kleinkinds. Der Film von Steven Quale («Final Destination 5») spielt jedoch auch mit den zahlreichen Klischees. Er etabliert genüsslich eins ums andere, verzichtet aber weitgehend auf die in diesem Genre üblichen kitschigen Auflösungen. Dadurch erhält «Into the Storm» eine realistische Note, die man ihm nicht zugetraut hätte. Das ist doch nicht nur eine aufgewärmte Version von «Twister».

So sahen die Tornados vor 18 Jahren in «Twister» aus:

«Into the Storm» läuft ab 21. August 2014 in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 21. August: The Expendables 3, The Hundred-Foot Journey, Maps to the Stars, Jimmy’s Hall, Fascinating India 3D, Mittsommernachtstango.

Ausserirdische Venusfalle

Fabian Kern am Mittwoch den 13. August 2014

«Under the Skin» läuft ab 14.8. im Atelier.

«Under the Skin» läuft ab 14. August im kult.kino Atelier.

Scarlett Johansson kann man derzeit nicht ausweichen. Die schöne Amerikanerin mit dänischen Wurzeln begegnet einem auf fast allen Kanälen. Sei es, weil ihre betörende Ausstrahlung sie zum Sexsymbol schlechthin und zur Protagonistin manch feuchten Traumes macht, wegen ihrer Schwangerschaft – das Baby soll noch im August zur Welt kommen – oder aufgrund ihrer grossen Kinopräsenz. Nachdem sie als künstliche Intelligenz in «Her» erst gerade Joaquin Phoenix den Kopf verdreht hat, nimmt die 29-Jährige diese Woche gleich mit zwei Filmen die Schweizer Leinwände in Beschlag. Mit zwei ganz unterschiedlichen Streifen, in denen ihre Figuren gegensätzliche Entwicklungen durchmachen, die aber trotzdem einige Gemeinsamkeiten aufweisen.

Scarlett als ballernde Lucy...

Scarlett als ballernde Lucy…

... und als männermordendes Alien. (Keystone)

… und als männermordendes Alien. (Keystone)

«Under the Skin» ist ein verstörender Experimentalfilm, der ganz nach dem Gusto des verstorbenen Stanley Kubrick («2001: A Space Odyssey») gewesen wäre. Ohne Soundtrack, dafür mit schrillen Hintergrundgeräuschen ausgestattet, wird man das Gefühl nicht los, der Film sei noch gar nicht fertig bearbeitet. Doch genau diesen dokumentarischen Touch wollte der Regisseur. Er liess grosse Teile mit versteckter Kamera drehen, weshalb sich Johansson im Nutten-Outfit durch ein völlig authentisches Glasgow bewegt. Das Ziel des Aliens ist es, den Sexualtrieb der Männer auszunutzen, denn ihr Volk braucht Frischfleisch. Hinfällig zu sagen, dass sie damit überaus erfolgreich ist.

Was ist Liebe? Laura will es wissen.

Was ist Liebe? Laura will es wissen.

Es geht aber nicht um Sex oder Action, sondern um das, was uns als Menschen ausmacht. Laura, die Ausserirdische, beginnt sich und ihre Mission nach einigen unglücklichen Opfern zu hinterfragen und entwickelt zumindest eine Ahnung von Mitgefühl. Sie hat den Wunsch, ebenfalls zu fühlen, zu lieben – und bewegt sich somit genau in der entgegengesetzten Richtung wie in «Lucy», wo sie durch ihre Superintelligenz beinahe unbesiegbar wird und emotional abstumpft. Das zeigt die Bandbreite der enorm vielseitigen Scarlett Johansson. Sie nur auf ihr zugegebenermassen sehr attraktives Äusseres und ihre sexy Kurven zu reduzieren, wäre zu einfach.

Wer kann diesem Gesicht widerstehen?

Wer kann diesem Gesicht widerstehen?

Jenes Mädchen, das vor 16 Jahren an der Seite von Robert Redford mit den Pferden flüsterte, ist nun bald Mami – und eine grosse Schauspielerin. Sie trägt «Under the Skin» mit ihrem subtilen Spiel ganz von selbst und macht ihn zu einem sehr speziellen Erlebnis, über das man zwei Mal nachdenkt. Und wer es nicht so mit der Philosophie hat, dem bleibt immer noch «Lucy», um Johansson zu bewundern oder das Warten auf ihren nächsten Auftritt als knackige «Black Widow» in «Avengers 2», der für 2015 angekündigt ist. Denn Mann will ihr gar nicht ausweichen.

«Under the Skin» läuft ab 14. August 2014 im kult.kino Atelier.

Und hier noch der Trailer von Scarlett Johanssons Film «Lucy», der gleichzeitig anläuft (im Capitol und im Pathé Küchlin):

Weitere Filmstarts in Basel am 14. August: The Raid 2, Planes 2: Immer im Einsatz, The Way He Looks – Hoje Eu Quero Voltar Sozinho.

Woody, der Zuhälter

Fabian Kern am Mittwoch den 6. August 2014

«Fading Gigolo» läuft ab 7.8. im kult.kino club und im Küchlin.

«Fading Gigolo» läuft ab 7. August im kult.kino club und im Küchlin.

Eigentlich ist «Fading Gigolo» ein typischer Woody-Allen-Film: eine krude Story aus New York, gespickt mit drolligen Figuren sowie schrägen Dialogen, und ein beeindruckender Cast. Doch der «Stadtneurotiker» spielt für einmal nur eine Hauptrolle. Der Streifen, wohl eine Art Ode an den Altmeister, stammt aus der Feder von John Turturro, der sich auch gleich die Titelrolle gab. Wer mag es ihm verdenken, darf er doch Klassefrauen wie Sharon Stone und Sofia Vergara verführen. Jede für sich und auch beide zusammen.

Turturro, ein Liebling der Coen-Brothers, ist bekannt für die Darstellung skurriler Gestalten. Höhepunkt war sicher sein Kult-Auftritt als schriller Bowler Jesus Quintana in «The Big Lebowski». Der Florist Fioravanti (Turturro) hingegen ist eher von der stillen Sorte. Umso überraschter ist er, als ihm sein bester Freund Murray (Allen) vorschlägt, er sähe ihn als Mann für gewisse Stunden. Der Buchhändler ist soeben pleite gegangen und durch seine Hautärztin auf die Idee gebracht worden, als Zuhälter ins älteste Gewerbe der Welt einzusteigen. Die in ihrer Ehe gelangweilte Dr. Parker (Stone) möchte mit ihrer attraktiven Freundin Selima (Vergara) einen Dreier versuchen.

Freunde, aber auch Zuhälter und «Hure»: Murray und Fioravanti. (Bilder: Ascot-Elite)

Freunde, aber auch Zuhälter und «Hure»: Murray und Fioravanti. (Bilder: Ascot-Elite)

Freierin und Gigolo: Dr. Parker und Fioravanti (Bilder: Ascot-Elite)

Freierin und Gigolo: Dr. Parker und Fioravanti.

Angesichts der vielen Rechnungen lässt sich Fioravanti trotz anfänglich heftigen Protests («Bist du auf Drogen?») schnell überzeugen und er beglückt die sexuell ausgehungerte Hautärztin. Offensichtlich beschränken sich seine Qualitäten nicht nur aufs Blumenbinden, denn der Kundenstamm des ungleichen Duos wächst rasant. Doch dann will Murray etwas zuviel. Er versucht, die streng gläubige Jüdin Avigal (Vanessa Paradis) in Fioravantis Bett treiben. Dieser allerdings spürt, dass die sensible Witwe und sechsfache Mutter etwas Anderes braucht als heissen Sex. Bei der orthodoxen Gemeinde in Brooklyn, die in Gestalt des eifersüchtigen Aufpassers Dovi (Liev Schreiber) über seine gläubigen Schäfchen wacht, sieht man aber weder das Eine noch das Andere gern – erst recht nicht, wenn es sich nicht um einen Juden handelt…

Witwe und Aufpasser: Avigal und Dovi.

Witwe und Aufpasser: Avigal und Dovi.

Endlich mal ein Film, der es auf den Punkt bringt und sich wie früher auf neunzig Minuten beschränkt, möchte man John Turturro gerne sagen. Allerdings hätten der Komödie ein paar Zeigerumdrehungen nicht schaden können. Denn über die Grundaussage und das Ende lässt sich diskutieren. Eben: ein typischer Woody-Allen-Film. Allen konnte die Finger nicht davon lassen, an Turturros Drehbuch herumzuwerkeln, und dieser konnte dem Altmeister die Änderungswünsche nicht abschlagen. Dennoch soll das Positive herausgehoben werden. Allen voran die Leistung Turturros, Woody Allen in alter Frische auf die Leinwand zu bringen. Der 77-Jährige sprüht nur so vor Lebensenergie und quasselt wie in seinen besten Zeiten. Von den Frauen stechen zwei heraus. Während Sofia Vergara absolut zweidimensional spielt, schaffen es Vanessa Paradis und vor allem die beeindruckende Sharon Stone, ihre Figuren in der kurzen Zeit sehr vielschichtig darzustellen. Nicht zuletzt sie verleihen «Fading Gigolo» durchaus das Prädikat «sehenswert».

«Fading Gigolo» läuft ab 7. August 2014 im kult.kino club und im Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 7. August: Dawn of the Planet of the Apes, Aimer, boire et chanter, Die geliebten Schwestern, Step Up: All In.

Johnny Depps dämliche Erben

Fabian Kern am Mittwoch den 30. Juli 2014

«22 Jump Street» läuft ab 31.7. im Capitol und im Küchlin.

«22 Jump Street» läuft ab 31.7. im Capitol und im Küchlin.

Zugegeben, mit der gleichnamigen Kultserie um Johnny Depp aus den Achtziger Jahren hatte bereits «21 Jump Street», der vor zwei Jahren durch die Kinosäle flimmerte, schon nicht viel zu tun. Nur die Grundidee war übernommen worden, um mit Channing Tatum und Jonah Hill eine Actionkomödie der dämlicheren Sorte zu drehen. Der Erfolg an den Kassen beschert uns nun die unvermeidliche Fortsetzung, die endgültig eigenständig ist. Nun sollen der komplexbehaftete Schultz (Hill) und der mit überschaubarer Intelligenz ausgestattete Jenko (Tatum) einen Drogenring am College auffliegen lassen. Und auch das Dezernat ist eine Hausnummer grösser: aus 21 wird dank grösserem Budget, das Captain Dickson (Ice Cube) umgehend für eine völlig übertrieben High-Tech-Ausstattung auf den Kopf gehauen hat.

Ab ins College: Schmidt und Jenko (Bilder Disney)

Ins College: Schmidt und Jenko. (Bilder Disney)

Man kann nun diesen Film unter ernsthaften Gesichtspunkten betrachten und ihn in allen Punkten durchfallen lassen. Die Story ist dünn bis transparent, die Gags entspringen reihenweise der untersten Schublade, und die beiden Protagonisten sind dumm und dümmer. Als Actionkomödie hat sie aber durchaus ihre Berechtigung, denn was man dem Streifen von Phil Lord und Christopher Miller – den Machern von «Lego Movie» – nicht absprechen kann, sind zwei Attribute, welche die 112 Minuten im Kinosessel zu einem zwar sinnfreien, aber kurzweiligen Spass machen: Konsequenz und Selbstironie.

Dumm und dümmer: Zook und Jenko.

Dumm und dümmer: Zook und Jenko.

Schön und verliebt: Maya und Schmidt.

Schön und verliebt: Maya und Schmidt.

Das Konzept wird gnadenlos durchgezogen. Schultz und Jenko machen keine Wandlung zur Vernunft oder gar zum Erwachsenwerden hin durch – sie wäre auch unglaubwürdig. Viel lieber feiern sie sich durch jene College-Zeit, die ihnen aus Mangel an Disziplin (Schultz) oder Intelligenz (Jenko) verwehrt geblieben ist. Da tritt der Fall schon mal in den Hintergrund, vor allem weil Jenko im Football-Quarterback Zook (Wyatt Russell) seinen Seelenverwandten und Schultz in der schönen Maya (Amber Stevens) seine grosse Liebe findet. Und an diesem Punkt setzt der rote Faden ein: die Beziehungsgeschichte zwischen den beiden trotteligen Ermittlern. Sie müssen zeitweise eigene Wege gehen, zerstreiten sich und finden wieder zusammen. Alles wird mit übertriebenem Ernst wie eine Liebesbeziehung zelebriert und ist überraschend witzig.

Unter der Gürtellinie: Schmidt und Jenko.

Die seichte Story wird getragen von zwei Running Gags der seichten Story. Einerseits das offensichtlich fürs College hohe Alter der beiden: Immer wieder wird selbstironisch auf die Schippe genommen, dass den beiden eigentlich niemand als echte Studenten wahrnimmt. Mayas Zimmergenossin Mercedes (Jillian Bell) etwa hängt Schultz bei jeder Gelegenheit Senioren-Sprüche an. Andererseits macht sich «22 Jump Street» ständig über die Sinnlosigkeit von Sequels lustig. Das beginnt schon beim Auftrag selbst. «Ihr macht genau dasselbe wie beim letzten Mal», sagt Deputy Chief Hardy (Nick Offerman) augenrollend. Und auch der brüllend komische Abspann – unbedingt Sitzenbleiben! – ist Selbstironie pur. Das und die Aufritte von den Rappern Ice Cube und Queen Latifah als Paar lassen die teils schmerzhaft tief unter der Gürtellinie liegenden Witze ertragen

Johnny Depp war nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Stellvertretend geben aber Dustin Nguyens Minirolle als «Vietnamesischer Jesus» und Richard Griecos 2-Sekunden-Auftritt kurz vor Schluss dem Film den Segen der ursprünglichen Besetzung. Immerhin.

«22 Jump Street» läuft ab 31. Juli 2014 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 31. Juli: Jersey Boys, The Purge: Anarchy, Tom à la ferme.

Kiffen und Weinen am Ganges

Fabian Kern am Mittwoch den 9. Juli 2014

«Faith Connections» läuft ab 10. Juli im kult.kino.atelier.

Nein, wirklich zum Bade ladet das dreckige Wasser des Ganges nicht. Das kümmert aber 80 bis 100 Millionen Hindus herzlich wenig. Sie tauchen am Triveni Sangam, dem Zusammentreffen von Ganges, Yamuna und dem unsichtbaren mythischen Fluss Saraswati, in die braunen Fluten, um sich von allen Sünden reinzuwaschen und sich vom Kreislauf der Wiedergeburt zu befreien. Es ist Kumbh Mela, das grösste religiöse Fest der Welt. Man sagt, dass man bis zum nächsten Kumbh Mela 12 Jahre lang ohne Kraft lebe, wenn man es verpasst. Das spirituelle Spektakel dauert ganze 55 Tage.

Regisseur Pan Nalin ist 2013 nach Allahabad im Norden des Subkontinents Indien gereist, um seinem Vater eine Flasche mit heiligem Wasser mitzubringen. Zurückgebracht hat er aber nicht nur besagtes Gefäss, sondern auch einige berührende Geschichten aus einer Welt, die der westlichen fast so fremd ist wie ein anderer Planet. Da wäre der Ausreisser Kishan Tiwari, der sich irgendwie durchschlägt und allen erzählt, er sei Waise. Wie der Zehnjährige Hanfkugeln isst, Alkohol konsumiert und erzählt, er wolle Mafioso werden und Leute umlegen, geht einem ans Herz. Überhaupt werden viele Rauschmittel konsumiert beim Kumbh Mela. Die Sadhu – radikale Hindus, die der Welt entsagt haben, um sich ganz der Spiritualität zu widmen und dem Wohl aller zu dienen – kiffen, was das Zeug hält, um besser meditieren zu können. Frei nach dem Motto «Gott schuf Gras, der Mensch Alkohol».

Heiliges Wasser : der Ganges. (Bilder: Filmcoopi)

Heiliges Wasser : der Ganges. (Bilder: Filmcoopi)

Das Lager der Kumbh Mela ist unfassbar gross. Über 55 km² erstrecken sich die verschiedenen Lager und Zeltquartiere. Kein Wunder, gehen so viele Leute verloren, dass das «Lost & Found Centre» heillos überfordert ist. Als der Filmemacher vorbei schaut, nach nicht einmal der Hälfte des Festes, werden bereit 135’000 Menschen vermisst – vorwiegend Kinder und Alte. Die Leute sind vom heiligen Ereignis so gefangen, dass sie schlicht vergessen auf ihre Liebsten zu achten. Einmal verloren, ist es beinahe eine «Mission Impossible», einen Angehörigen wiederzufinden. Tränenreich muss manch eine Familie mit Lücken in ihren Reihen abreisen und hoffen, dass der verirrte Verwandte den Heimweg irgendwie findet.

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Rührende Beziehung: Yogi und Stiefsohn.

Neben diesen tragischen Szenen, die das Chaos in diesem Mega-Event deutlich machen, hat Pan Nalin aber auch die rührendste Geschichte auf Lager. Der Yogi Baba hat sich seit zwei Jahren einem der vielen ausgesetzen Babys angenommen und kümmert sich herzlich um den Kleinen – auf seine ganz eigene Art. Mit all diesen nur allzu menschlichen Episoden schafft es der Regisseur, den Zuschauer in den Bann zu ziehen und die Dimension und Bedeutung der «Kumbh Mela» wenigstens ansatzweise zu erfassen. Es ist eine eigene Welt, eine Bewegung, die fasziniert. Besonders in Mitteleuropa, wo organisierte Religion immer weniger Leute zu mobilisieren vermag.

«Faith Connections» läuft ab 10. Juli 2014 im kult.kino.atelier in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 10. Juli: Suzanne, L’amour est un crime parfait, Rico, Oskar und die Tieferschatten.

Liebe mit Sauerstoffschlauch

Fabian Kern am Mittwoch den 11. Juni 2014

«The Fault in Our Stars» läuft ab 12. Juni im Küchlin.

«The Fault in Our Stars» läuft ab 12. Juni im Küchlin.

«Not Just Another Teen Movie», hiess eine Filmsünde aus dem Jahr 2000. Nicht, dass die Qualität auch nur im mindesten mit jener von «The Fault in Our Stars» vergleichbar wäre, aber die Aussage würde genau passen. Ebenso ist die Verfilmung des Bestsellers von John Green nicht nur ein weiterer Krebs-Film, die schon fast wieder aus der Mode gekommen sind, weil es schon so viele davon gibt. Es geht um mehr als nur um den Umgang mit dem Unausweichlichen. Es geht darum, die Zeit, die uns auf Erden zugestanden wird, mit Inbrunst und Herz zu leben.

Ein Happy End wird es nicht geben. Und bevor eifrige Kommentarschreiber schon wieder einen «Spoiler»-Alarm bei diesem Beitrag fordern: Hazel (Shailene Woodley) stellt das schon ganz am Anfang des Films klar. Für sie, deren Lungen eine Zeitbombe darstellen, ist es aber dennoch eine Frage des Happy Ends – des Happy Ends ihres Lebens, das viel zu kurz dauern wird. Die aufgeweckte 16-Jährige ist durch papilären Schilddrüsenkrebs schon seit Jahren zum Tod verurteilt, trägt ihren Sauerstoffschlauch rund um die Uhr und ihr Herz auf der Zunge. Ihre Eltern (Laura Dern und Sam Trammell) kümmern sich rührend um Hazel, und nur ihnen zuliebe besucht sie die verhasste Krebs-Selbsthilfegruppe. Freunde finden soll sie, na super. Aber siehe da, in der peinlichen Veranstaltung taucht der fesche Gus (Ansel Elgort) auf, der seit seiner Unterschenkel-Amputation vor 14 Monaten krebsfrei ist. Hazel will es nicht zugeben, aber sie verliebt sich sofort in den charmanten Teenager.

Zaghafte Annäherung in der Heimat... (Bilder: Fox)

Zaghafte Annäherung in der Heimat… (Bilder: Fox)

Und ab diesem Punkt unterscheidet sich «The Fault in Our Stars» so von anderen Filmen in diesem Genre. Auch Hazel will sich zu sehr verlieben, um mit ihrem Ableben nicht Gus’ Herz zu brechen. Aber anstatt sich in ärgerlichen Missverständnissen zu verrennen, sprechen die Protagonisten darüber. Das nimmt dem Plot die Konstruiertheit und lässt ihn so authentisch wirken. In so einer Situation hat man schlicht nicht die Zeit, um sich mit Spielchen um falschen Stolz abzugeben. Vielmehr leben Gus und Hazel mit ihrer Krankheit und jeden Moment sehrbewusst. Sie wollen zwar aus genannten Gründen «nur Freunde» sein, doch beiden ist klar, dass sie ihre Herzen schon lange aneinander verloren haben. Der Höhepunkt in Hazels Leben soll eine Reise nach Amsterdam zu Peter Van Houton (Willem Dafoe), dem Autor ihres Lieblingsbuchs werden. Doch der Trip nimmt eine unvorhergesehene Wendung.

... zärtliches Tête-à-Tête in Amsterdam.

… zärtliches Tête-à-Tête in Amsterdam.

Wie der deutsche Buchtitel schon sagt: Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Gewisse Dinge sind unvermeidlich und Krebs eine schreckliche Geissel der Menschheit. Das bekommen auch Hazel und Gus zu spüren. Was sie aber auch erfahren ist, dass das Leben schön ist. Gut, dass keine gestandenen Jungstars gecastet wurden, denn die beiden noch ziemlich unverbrauchten «Divergent»-Darsteller bringen John Greenes Botschaft – seine Charaktere beruhen übrigens auf realen Menschen – so rührend auf die Leinwand, dass in jedem Kinosaal Taschentücher Pflicht sind. Eine wunderschön lebensbejahende, witzige und poetische, aber auch traurige Liebesgeschichte. Happy End ist relativ.

«The Fault in Our Stars» läuft ab 12. Juni 2014 im Kino Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 12. Juni: Hotell, Make Your Move, The Fault in Our Stars, Tinker Bell: The Pirate Fairy, Henri, Feuer & Flamme,
NT Theatre: A Small Family Business, The Letter Writer .

Dornröschen Reloaded

Fabian Kern am Donnerstag den 29. Mai 2014

«Maleficent» läuft ab 29. Mai 2014 im Kino Pathé Plaza in Basel.

«Maleficent» läuft ab 29. Mai im Pathé Plaza.

Dornröschen? Die Story ist bekannt: Es war einmal eine böse Königin, eine schöne Prinzessin, ein Stich der Spindel, ein komatöser Schlaf, ein Kuss des Prinzen, ein Happy End. Dafür muss man nicht nochmals ins Kino, Angelina Jolie hin, 3D-Optik her. «Maleficent» hat einen neuen Anreiz geschaffen, denn nun erzählt Dornröschen höchstselbst: die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Offensichtlich wurden wir alle von den Gebrüdern Grimm jahrzehntelang verschaukelt. Die Disney-Studios korrigieren nun diesen Irrtum – 55 Jahre nach ihrem eigenen Zeichentrickklassiker.

Die Geschichte, die uns die gealterte «Sleeping Beauty» jetzt erzählt, handelt von einer guten Fee namens Maleficent (Angelina Jolie). Das geflügelte Wesen beschützte das Feenreich im Sumpf vor den verfeindeten Menschen. Ein Jüngling von ausserhalb aber konnte ihr Herz gewinnen. Stefan (Sharlto Copley) gesteht ihr an ihrem 16. Geburtstag die wahre Liebe, um sie ein paar Jahre später zu hintergehen. Er beraubt Maleficent ihrer geliebten Flügel, um die Krone zu erhalten. Die wort- und sprichwörtlich Gehörnte lässt sich fortan von ihrem Hass gegen die Menschen leiten und wird zur dunklen Fee, welche den Sumpf mit einem gigantischen Dornwall vor den machtgierigen Sterblichen schützt. Maleficent rächt sich mit dem bekannten Fluch gegen Stefans Tochter Aurora, der an ihrem 16. Geburtstag eine Nadel zum Verhängnis werden soll. Sie zeigt dabei gar noch Gnade, denn die Prinzessin soll durch die «wahre Liebe» aus ihrem Schlaf erweckt werden – jene Liebe, an die Maleficent nicht mehr glaubt.

Unheilvoll: Maleficent vor dem Fluch im königlichen Schloss.

Unheilvoll: Maleficent vor dem verhängnisvollen Fluch im königlichen Schloss. (Bilder: Disney)

Definitiv einen neuen Weg schlägt dann die Story während Auroras Kindheit ein. Die kleine Prinzessin soll von drei Feen beschützt werden, die sich aber in Erziehungsfragen bald als komplett unfähig herausstellen. Maleficent beobachtet das Kind auf Schritt und Tritt aus dem Schatten. Und – siehe da – der fröhliche Blondschopf rührt das kalte Herz der dunklen Fee. Fortan wacht Maleficent mithilfe des verzauberten Raben Diaval (Sam Riley) über Aurora (Elle Fanning), ja vermittelt ihr gar die menschlichen Werte. Den von ihr ausgesprochen Fluch bereut sie schon bald einmal, doch leider erweist er sich als unwiderruflich. Da hilft nichts: Ein Prinz muss her!

Mutter und Tochter: Angelina Jolie und Vivienne Jolie-Pitt.

Mutter und Tochter: «Maleficent» Angelina Jolie und «Aurora» Vivienne Jolie-Pitt.

Angelina Jolie als Fee zu besetzen, ist interessant. Die kühle Schönheit hat eigentlich nichts Feenhaftes an sich. Die Wandlung zur desillusionierten bösen Fee allerdings ist der 38-Jährigen auf den Leib geschrieben. Und sie hält sich auch erstaunlich gut auf dem Weg zurück zu Nächstenliebe und Güte. Vielleicht hat ihr dabei ihre Töchter geholfen, denn Angelina ist nicht die einzige Jolie im Cast von «Maleficent». Vivienne Jolie-Pitt spielt die fünfjährige Aurora, und auch ihre Schwester Zahara kommt zu einem Auftritt. Der Löwenanteil an der guten Qualität des Films gebührt aber nicht der erfahrenen Hauptdarstellerin, sondern einem Regie-Neuling.

Kühle Schönheit: Maleficent in ihrem Dornenwall.

Kühle Schönheit: Maleficent versteckt sich im Dickicht vor ihren wahren Gefühlen.

Robert Stromberg, als Produktionsdesigner von «Avatar» und «Alice im Wunderland» bereits zweimal mit einem Oscar ausgezeichnet, hat aus «Maleficent» nicht nur ein optisch ansprechendes Werk mit beeindruckenden Baumkriegern, Dornwällen und Drachen geschaffen, sondern auch eine Story, die einen mitraten lässt, wie denn das Ende des «echten» Märchens aussieht. Es handelt sich sozusagen um «Dornröschen Reloaded», eine zeitgemässe Version des Märchen-Klassikers mit differenzierten Figuren: Es gibt nicht nur Gut und Böse, sondern viele Schattierungen und Wendungen. Willkommen im 21. Jahrhundert, Dornröschen!

«Maleficent» läuft ab 29. Mai 2014 im Kino Pathé Plaza in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 29. Mai: A Million Ways to Die in the West, Edge of Tomorrow, Omar, The Two Faces of January, Violette.

Revolution in der ratternden Arche

Fabian Kern am Donnerstag den 1. Mai 2014

«Snowpiercer» läuft ab 30. April im Küchlin und im Rex.

«Snowpiercer» läuft ab 30. April im Küchlin und im Rex.

Globale Erwärmung? Von wegen! Weil ein Gegenschlag der Menschheit gegen die Klimaveränderung nach hinten losgeht, herrscht auf der Erde Eiszeit. Der Globus ist in einen dicken weissen Mantel gehüllt, der ein Leben im Freien unmöglich macht. Deshalb zwängen sich alle Überlebenden der Welt in einen einzigen gigantischen, 650 Meter langen Zug, der als Perpetuum Mobile um die Welt fährt. Da könnte man meinen, alle sitzen nicht nur in einem Zug, sondern auch in einem Boot. Weit gefehlt – Free Seating ist nicht in diesem «Snowpiercer». Die sozialen Schichten sind klar verteilt: von vorne nach hinten Erste Klasse, Economy und Dritte Klasse. So weit, so krude die Idee des «Transpierceneige», einer französichen Gothic Novel, deren Verfilmung nun in unseren Kinos läuft. Das Ganze klingt ein bisschen nach B- oder gar C-Movie. Doch nochmals weit gefehlt, denn dieser europäische Thriller von einem koreanischen Regisseur bietet sowohl eine gehobene Science Fiction als auch grimmige Action und eine Sozialkritik, die sich gewaschen hat.

Hallo Klassenkampf! Curtis sieht sich einer Übermacht gegenüber.

Hallo Klassenkampf! Curtis sieht sich einer Übermacht gegenüber.

«Kennt euren Platz!» Mason setzt auf Erniedrigung. (Bilder: Ascot-Elite)

«Kennt euren Platz!» Mason setzt auf Erniedrigung. (Bilder: Ascot-Elite)

Während die High Society seit 17 Jahren im Luxus schwelgt, herrschen im hintersten Teil des Zugs nämlich Ghetto-Verhältnisse. «Kennt euren Platz, behaltet euren Platz», wird den vermeintlich Minderwertigen von der arroganten Mason (köstlich: Tilda Swinton), der Botschafterin der Oberschicht, eingebläut. Diese Ausgangslage verrät das Unvermeidliche: Der Pöbel plant den Aufstand. Waggon um Waggon kämpfen sich die Revoluzzer unter dem Kommando von Curtis (Chris Evans) in Richtung der «Heiligen Maschine», die vom Erbauer Wilford (Ed Harris) unterhalten wird. Dabei begegnen die Aufrührer, die den Türschloss-Entwickler Namsoong Mingoo (Song Kang-Ho) aus dem Gefängnis-Waggon befreit haben, allerlei Skurrilem und der puren Dekadenz. Doch die gehobene Gesellschaft lässt die Unterklasse nicht kampflos durch den «Snowpiercer» marschieren.

Im falschen Film: Die Revoluzzer mit Mason im Schul-Waggon.

Im falschen Film: Die Revoluzzer sind mit Mason im Schul-Waggon gelandet.

Curtis' Mentor: Gilliam, der Vater des Aufstands.

Curtis’ Mentor: Gilliam, der Vater des Aufstands und frühere Partner von Wilford.

Der Klassenkampf ist kein neues Thema. Dennoch ist der Film von Bong Joon-Ho absolut sehenswert, denn er bietet nicht nur einen hochklassigen Cast mit Charakterdarstellern erster Güte wie Tilda Swinton, John Hurt oder Ed Harris, sondern auch einen Plot abseits des Mainstream. Das ist kein Aufsteiger-Epos mit einem charismatischen Helden, der die Arbeiterklasse befreit. «Captain America» Chris Evans trägt als Curtis schwer an seiner dunklen Vergangenheit in der Dritten Klasse und will kein Anführer sein. Entsprechend ist die Grundatmosphäre düster, die Gewaltszenen blutig und dreckig, wie eine Revolution eben ist. Als krasser Gegensatz wirken die quietschbunten Bilder aus der High Society, die mit viel Zynismus überzeichnet werden. Es macht Spass, die verschiedenen Waggons des «Schneekreuzers» zu entdecken, die durch die Eiszeit rattern. Trotzdem macht einem die pessimistische Stimmung und der skrupellose Egoismus nicht viel Hoffnung auf ein Happy End. Hat eine solch kranke Gesellschaft überhaupt das Überleben verdient? Der perfekte Film zum Tag der Arbeit.

«Snowpiercer» läuft ab 30. April in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Kinostarts in Basel am 30. April und 1. Mai: One Chance, Muppets Moste Wanted, La belle et la bête, The Other Woman.

Depp goes digital

Graziella Kuhn am Mittwoch den 23. April 2014

Was passiert wenn Mensch und Maschine sich vereinen? In «Transcendence» gelingt Johnny Depp dieses Experiment mit Hilfe seiner Frau. Durch den Zugang zum World Wide Web mutiert er zum Überwesen, das bald nicht mehr zwischen Helfen und Herrschen unterscheiden kann…

Filmplakat Transcendence

«Transcendence» ab 24. April im Pathé Küchlin.

Unbrauchbare Smartphones vermüllen die Strassen von Berkeley; Computertastaturen werden als Türstopper missbraucht und Ampellichter gehen sowieso nicht mehr: So sieht die Welt in einer nicht zu weit entfernter Zukunft in «Transcendence» aus. Der Erzähler (Paul Bettany) berichtet von einer «unaufhaltsamen Kollision zwischen Menschheit und Technologie», indem er fünf Jahre zurück in der Zeit springt, um uns sogleich mit auf seinen Leidensweg zu nehmen.

Dr. Will Caster (Johnny Depp) und seine Frau sowie Arbeitskollegin Evelyn (Rebecca Hall) forschen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Dass sie noch nicht ganz der Technik verfallen sind, zeigt ihr kleiner Garten im Hinterhof, der eine Pergola aus Kupferdraht erhalten hat.

Auf Investoren Suche: Dr, Will Carter beim Symposium über die Zukunft der künstlichen Intelligenz und was damit alles möglich wäre.

Auf Investoren Suche: Dr. Will Carter beim Symposium über die Zukunft der künstlichen Intelligenz und was damit alles möglich wäre. (Bilder: Warner Bros.)

Im Labor allerdings arbeiten sie gewissenhaft an einem Computer namens «PINN» (Physically Independent Neural Network). Mit ihm wollen sie die nächste Stufe der Technologie erreichen: Ein Elektronengehirn, das über menschliche Emotionen verfügt und selbstständig reflektieren kann. Nicht allen ist diese Idee geheuer und so hat sich längst im Untergrund die Gruppe «RIFT» – ein Zusammenschluss von technikfeindlichen Extremisten – formiert. Im Verlauf eines Tages verüben sie dutzende Anschläge auf Labore und Technikinstitutionen, bei denen auch Dr. Caster verletzt wird. Durch eine Kugel, versetzt mit einem Plutonium Isotop, ist sein Leben drastisch verkürzt worden. Seine Forschungen will er aber noch nicht aufgeben und so kommen das Ehepaar Caster und ihr Freund Max Waters (Paul Bettany) auf die Idee, Wills Gehirn upzuloaden.

Der Versuch gelingt und Will erwacht zum «Leben»: Ist es Leben oder Erinnerung? Mensch oder Maschine? Wie viel davon ist Will selbst oder PINN – als Grundlage dienten ein paar Quantenprozessoren von ihm? Der neue Will ist aber mit einem massiven Server nicht zufrieden, er will immer mehr Bits und Bytes. Seine Frau, glaubend das er noch lebt, gewährt ihm diese Freiheit und schaltet ihn online. So transmutiert er zu einem hochintelligenten Wesen, dass sich bald seiner ungeheuren Macht bewusst wird…

Will als AI

Will als künstliche Intelligenz: Evelyn (Rebecca Hall) stellt ihrem Freund Joseph (Morgan Freeman) und FBI-Agent Anderson Buchanan (Cillian Murphy) ihre Forschung vor.

Seit «2001: Odyssee im Weltraum» oder «Terminator» bedient Hollywood immer mal wieder die «Computer übernehmen die Weltherrschaft»-Angstkeule. Nun nahm sich auch Christopher Nolan als Produzent diesem Thema an: Regisseur des Werkes ist Wally Pfister, ein erfahrener Kameramann, der sein Regiedebüt feiert. Dieses Team hat die Kinozuschauer schon mit Filmen wie «Batman Begins», «The Dark Knight», «Prestige – Die Meister der Magie» und «Inception» beglückt.
Doch interessanter sind die Fragen, die «Transcendence» aufwirft: Geht es hier wirklich nur um technologische Singularität oder befinden wir uns mitten in einer heftigen Diskussion um Transhumanimus oder dreht es sich hier gar um die Eschatologie? Die Philosophie des Filmes, die natürlich auch das alte Klischee «Der Mensch soll nicht Gott spielen» bedient, regt aber mal wieder zum Nachdenken an: Was passiert wohl in den Laboren dieser Welt, die Google und Co. gehören?

RIFT Werbung

Schon ein heutiges Problem: RIFT-Reklame, die für eine Gesellschaft ohne Internet und Technologie wirbt.

Wird sich der Mensch durch seine (zu) schnelle technische Entwicklung dereinst selber vernichten? Werden die Maschinen die Schnauze voll von dem herumwandernden Biomüll namens Mensch haben? Werden Roboter dereinst empindungsfähige Lebewesen? Ab wann sind ethische Grenzen überschritten? Dass diese Ideen im Film nicht bei den Haaren herbeigezogen sind, zeigen schon verschiedene Gruppieren: Wer genug Geld hat, kann sich auf 2045.com schonmal sein eigenen Avatar (menschliches Bewusstsein in digitalem Körper) bestellen. Sogar im Europäischen Parlament besteht das Human Brain Project, dessen Aufgabe es ist das menschliche Gehirn komplett zu entschlüsseln, natürlich alles zum Wohle der Erdbevölkerung. Diese Träume der Menschheit werden im Film szenisch mit sehr schönen Bildern produziert: Sie sprechen eine deutlichere Sprache als das Gesprochene an sich.

Die Geschichte verfällt leider immer wieder in alte Schwarz/Weiss-Muster, wie die zu harsche Trennung zwischen Gut (furchtlose Kämpfer «RIFT») und Böse (herzlose Technokraten). Die Hauptfiguren, vor allem Rebecca Hall als Casters Frau wirken etwas blass und unscheinbar. Dazu wandelt Morgan Freeman als Stimme der Vernunft hie und da durchs Bild und versucht die Welt zu retten. Wenn man aber davon absieht ist «Transcendence» eine sehr gelungene Mischung aus einer realitätsnahen Sci-Fi-Story, einer romantischen Liebesgeschichte und einem Thriller-Element durch «RIFT». Ob es ein Blockbuster wird, muss sich zeigen, aber es wird ein Film sein, über den man später bei einem Bier intensiv und hitzig diskutieren kann.

 «Transcendence» läuft ab 24. April im Kino Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 24. April: Irre sind männlich, Beltracchi – The Art of Forgery, Hunting Elephants.

Camel-Trophy der besonderen Art

Fabian Kern am Mittwoch den 16. April 2014

«Tracks» läuft ab 17. April im kult.kino.atelier.

«Tracks» läuft ab 17. April im kult.kino.atelier.

«Ich wollte schon immer mal…» Gedanken mit einem solchen Beginn hatte schon jeder von uns. Mal auf Weltreise gehen, mal an den Nordpol reisen, mal mit dem Boot den Amazonas erforschen, mal auf einem Elefanten reiten. Doch wie viele setzen solche abenteuerlichen Wünsche auch wirklich um? Die Australierin Robyn Davidson (Mia Wasikowska) hat lange keinen solchen Wunsch. Im Jahr 1975 erfüllt sie nur eine grosse Leere, als es sie nach Alice Springs verschlägt, damals noch ein verschlafenes Wüstenkaff im Herzen des roten Kontinents. Da beschliesst die Mittzwanzigerin, nur mit ihrem Hund Diggity und der Unterstützung von drei Kamelen die 2700 Kilometer durch die Gibson-Wüste bis zum Indischen Ozean zurückzulegen, um ihre eigene Mitte zu finden.

Hartnäckiger Begleiter: Rick Smolan (Adam Driver).

Hartnäckig: Rick Smolan (Adam Driver).

Will allein sein: Robyn (Mia Wasikowska).

Will allein sein: Robyn (Mia Wasikowska).

Für diesen Plan erntet Robyn im patriarchalischen Australien der Siebzigerjahre nur mitleidiges Kopfschütteln, zumal sie weder über Kamele noch Geld verfügt. Also verdient sie sich die Trampeltiere mit monatelanger harter Arbeit auf zwei Kamelfarmen und lässt sich vom amerikanischen Fotografen Rick Smolan (Adam Driver) dazu überreden, sich von der Zeitschrift National Geographic sponsern zu lassen – für die Gegenleistung von regelmässigen Fotoshootings für Ricks Reportage. Diesen Deal bereut Robyn, welche das Alleinsein sucht, schon kurz nach dem Start ins Abenteuer. Die gestellten Posen gehen der eigenwilligen jungen Frau gründlich gegen den Strich, und sie lässt Rick ihre Abneigung spüren. Bis sie im Lauf der gefährlichen und kräftezehrenden Reise von der Einsamkeit übermannt wird und das Unternehmen abbrechen will. Auch, weil sie die Wirkung ihres Trips unterschätzt hat, und sich bald von einer Horde Journalisten aus aller Welt verfolgt sieht.

Der Star ist die Landschaft: Robyn allein in der Wüste. (Bilder: Ascot)

Der Star ist die Landschaft: Robyn (Mia Wasikowska) allein in der Wüste. (Bilder: Ascot)

Die Originale: Rick Smolan und Robyn Davidson.

Die Originale: Rick Smolan und Robyn Davidson.

Ist eine Geschichte – noch dazu eine wahre – derart stark, dann braucht es keine künstliche Inszenierung. Regisseur John Curran hat dies offensichtlich verstanden und setzt als einzigen Special Effect die grossartige Landschaft Australiens ein. Hinzu kommen schöne Momente wie den einseitigen Gesprächen zwischen Robyn und dem Aborigine-Ältesten Mr. Eddy (Rolley Mintuma), der sie einen Stück der Strecke führte. Ohne Pathos, mit einer grossartig widerspenstigen Mia Wasikoska («Alice im Wunderland») in der Hauptrolle beschreibt Curran eine unglaubliche Willensleistung. «Jeder kann alles schaffen», lautet das Motto von Robyn Davidson, die nach ihrer Reise den weltberühmten Roman «Tracks» veröffentlichte. Unter Beweis stellt die toughe Frau das auf eindrückliche Weise. «Tracks» ist ein wunderbarer Film für alle Aussteiger, Australien-Fans und jene, die ab und zu sagen: «Ich wollte schon immer mal…»

«Tracks» läuft ab 17. April 2014 im kult.kino.atelier in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 17. April: The Amazing Spider-Man 2, Ida.