Woody Allen ist ein Phänomen. Der Mann dreht und dreht und dreht. Und wenn er gerade mal nicht dreht, dann schreibt und schreibt und schreibt er. Meistens die eigenen Filme. Seit 1982 kann sich die Filmwelt auf mindestens einen Allen pro Jahr verlassen, seit 2002 hat er sich auf genau ein jährliches Werk beschränkt – in dem er selbstredend sowohl für das Drehbuch als auch die Regie verantwortlich zeichnet. Nach einem kurzen Comeback als Hauptdarsteller in einem Film – in John Turturros «Fading Gigolo» mischte er sich allerdings auch massgeblich in den Plot ein – liefert er nun auch 2014 seinen obligaten Film ab. Und nach dem Oscar-prämierten «Blue Jasmine» stand der diesmal unter einem gewissen Erwartungsdruck.
Der Altmeister, von dem man sagt, er könne seine Stars alle dazu überreden, auf ihre Gage zu verzichten, pendelt, seit er sich von New York etwas abgenabelt hat, zwischen den USA und Europa. Dieses Jahr hat es ihn wieder einmal auf den alten Kontinent gezogen. Im Berlin des Jahres 1928 der weltbeste Magier Wei Ling Soo, hinter dessen Maskerade sich der egozentrische und äusserst arrogante Brite Stanley Crawford (Colin Firth) verbirgt, von seinem Zauberer-Kollegen Howard Burkan (Simon McBurney) mit einem besonderen Auftrag betraut. Crawfords unbestechliches Auge soll in Südfrankreich den faulen Zauber eines Mediums aufdecken. Denn für ihn steht ebenso wie für Burkan fest: «Es gibt keine Geisterwelt.» Entsprechend selbstsicher nimmt Crawford die Herausforderung an, zumal er bei dieser Gelegenheit seiner geliebten Tante Vanessa (Eileen Atkins) in der Provence wieder einmal seine Aufwartung machen kann.
In der überaus grosszügigen Residenz der Catledges ist Sophie Baker (Emma Stone) derweil schon der Liebling aller. Das junge Medium geniesst den grössten Respekt der Mutter Grace (Jacki Weaver), mit deren verstorbenem Mann sie Kontakt aufnehmen soll und hat Sohn Brice (Hamish Linklater) mit ihrem attraktiven Äusseren bereits so weit gebracht, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Stanley schafft es schon mit seinem ersten, vor Zynismus und Überheblichkeit triefenden Auftritt alle gegen sich aufzubringen – ausser Sophie selbst. Während sich die vermeintliche Betrügerin in den zahlreichen gemeinsam verbrachten Tagen an der malerischen Côte d’Azur in den steifen Briten zu verlieben beginnt, kommen bei Stanley ernsthafte Zweifel an seinem eigenen Weltbild auf, denn Sophies Wahrsagungen sind sehr überzeugend…
Ob Colin Firth und Emma Stone für «Magic in the Moonlight» ohne Gage vor der Kamera standen ist nicht bekannt. Falls sie es aber taten, dann hat sie dies in ihrer Leistung nicht gehemmt. Im Gegenteil: Das auf den ersten Blick ungleiche Paar harmoniert in der Sonne Südfrankreichs hervorragend. Firth, der Paradeschauspieler für einen arroganten Engländer, ist sehr fein in seiner Darstellung der feinen Risse in Stanleys rationaler, streng nach naturwissenschaftlichen Regeln aufgebauter Welt, den stetig wachsenden Zweifeln an seiner Weltanschauung, seinem Glauben und auch seiner Gefühle. Er wird von den Fesseln der Rationalität richtiggehend befreit und ist empfänglich für die Schönheiten und Geheimnisse dieser Erde. An seiner Seite brilliert Stone als theatralisch agierendes Medium, das sich der betörenden Wirkung seines auf seine Umwelt absolut bewusst ist und diese auch einzusetzen weiss. Entsprechend wird ihr Selbstbewusstsein erschüttert, als Stanley komplett immun gegenüber ihren weiblichen Reizen zu sein scheint. Die Entwicklungen dieser beiden Figuren gibt dem leichtfüssigen Film eine Dynamik, die hervorragend unterhält.
Woody Allen holt sein Stammpublikum auch dieses Jahr wieder ab. Nicht mit einem Meilenstein wie letztes Jahr mit «Blue Jasmine», aber mit einem leichtfüssigen, sonnendurchfluteten Film. Ein Theater-ähnlicher Aufbau in einem herrlichen Setting, wunderbar gefilmt – nur das Ende wirkt etwas abrupt. Hier hätten fünf Minuten mehr nicht geschadet. Aber vielleicht macht der «Stadtneurotiker» das schon 2015 wieder besser. Sein nächstes Projekt ist bereits im Kasten. Einen Titel hat es noch nicht, aber Emma Stone in der Hauptrolle und Amerika turnusgemäss als Drehort. Auf Woody ist eben Verlass. Auch mit bald 79 Jahren.
«Magic in the Moonlight» läuft ab 27. November 2014 im kult.kino Atelier und im Pathé Küchlin in Basel.
Weitere Filmstarts in Basel am 27. November: Paddington, Alles ist Liebe, Freifall – eine Liebesgeschichte, Mulhapar, The Disappearance of Eleanor Rigby: Him.