Archiv für die Kategorie ‘Kino’

«Bruce Banner ist ein Weichei»

Fabian Kern am Donnerstag den 23. April 2015

«Avengers: Age of Ultron» läuft ab 23.4. in Capitol, Küchlin und Rex.

«Avengers: Age of Ultron» läuft ab 23.4. in Capitol, Küchlin und Rex.

Superhelden-Fans weltweit haben sich den 23. April dick in ihrer Agenda angestrichen. Endlich kommt die Fortsetzung des Mega-Blockbusters von 2012 in die Kinos. Das Ergebnis ist grösser und teurer, so wie der natürliche Auftrag an Fortsetzungen von derartigen Kalibern aussieht: lauter, spektakulärer und mit nochmals massiv erhöhtem Materialverschleiss. Die Schauplätze werden mit Südafrika, Südkorea und Europa internationaler, die Avengers erhalten nach dem Zusammenbruch von S.H.I.E.L.D. ein neues supermodernes Hauptquartier in New York, und neue Superhelden werden ins Avengers-Universum eingeführt. Während Hydra-Bösewicht Baron Strucker (Thomas Kretschmann) in irgendeinem fiktiven osteuropäischen Staat die Vernichtung der Welt plant, hat sich Tony Stark (Robert Downey jr.) nach der Schlacht von New York zum Mastermind der Avengers entwickelt. Zusammen mit Bruce Banner (Mark Ruffalo) kreiert er «Ultron», ein Abwehrsystem, das die Erde vor weiteren ausserirdischen Angriffen schützen soll. Leider aber wird das Projekt zum Bumerang, denn Ultron entwickelt ein böses Eigenleben, macht sich alle Ressourcen von Stark Industries zu eigen und wird zum mächtigen Gegenspieler der Avengers. So viel zur Story, die selbstredend nur Nebendarstellerin ist. «Avengers: Age of Ultron» lebt von den starken Figuren. Aber wer ist denn nun der Coolste der Superhelden-Crew? Ein Streitgespräch zwischen Schlaglicht-Redaktor Fabian Kern und BaZ-Online-Praktikant Serkan Abrecht zeigt, dass das gar nicht einfach ist.

Ohne Superkräfte: Hawkeye.

Ohne Superkräfte: Hawkeye (Jeremy Renner).

Abrecht: Eigentlich ist Hawkeye charakterlich am coolsten, weil er diesmal als Einziger einen bodenständigen, menschlichen Hintergrund erhält. Und vielleicht auch der einzig ernst zu nehmende Charakter ist.

Kern: Das stimmt, auch hinsichtlich Mut. Schliesslich sind er und Black Widow die Einzigen, die keine Superkräfte besitzen. Insofern ist ihr Risiko im Kampf gegen all die Roboter und Ausserirdischen grösser als das der Anderen. Wer aber gar nicht geht, ist der humorlose Captain America, oder?

Abrecht: Stimmt! In seinem Latex-Anzug sieht er trotz seiner Muskeln einfach nur tuntig aus.

Kern: Und seine moralin-schwangeren Einwände nerven nur. Ein Glück, gibt es da noch den zynischen Gegenpol Tony Stark aka Iron Man…

«Lusche mit Schild»: Captain America (Chris Evans).

«Lusche mit Schild»: Captain America (Chris Evans).

Abrecht: Ja, ansonsten wäre diese Lusche mit Schild gar nicht zu ertragen. Bei Iron Man habe ich allerdings das Problem mit der zeitlichen Einordnung: Im dritten Teil seiner eigenen Serie hat Tony Stark schliesslich mit Iron Man abgeschlossen und seine ganze Infrastruktur in Schutt und Asche gelegt…

Kern: Ja, das geht nicht ganz auf, denn «Avengers 2» muss zeitlich nach «Iron Man 3» angelegt sein… Aber egal, das wissen vielleicht die Marvel-Hardcore-Fans. Wir sind vom Thema angekommen. Was hältst du von Tony Stark?

Abrecht: Er ist immer noch zynisch, selbstherrlich und dreist, aber ein wenig zum Idealist geworden. Er lädt sich die Verantwortung für die Menschheit auf, das passt nicht so ganz zu seinem alten Ego.

Cooles Duo mit Nerd: Thor (Chris Hemsworth), Tony Stark (Robert Downey jr.) und Captain America.

Cooles Duo mit Nerd: Thor (Chris Hemsworth), Tony Stark (Robert Downey jr.) und Captain America.

Kern: Dennoch ist er immer noch sehr cool, auch wenn ich nicht so auf Roboter als Superhelden stehe. Ich finde halt auch Chris Hemsworth als Thor Weltklasse.

Abrecht: Stimmt. Für mich sieht er wie ein Zimmermann auf intergalaktischer Walz aus. Er ist fast eher die moralische Instanz als Captain America, auch weil man den göttlichen Hammermann einfach ernster nehmen kann als den anderen. Den posttraumatischen Kriegsveteran nehmen ja nicht einmal die anderen Avengers ernst. Zu etwas anderem: Was mich grundsätzlich stört, ist, dass alle immer miteinander sprechen können, egal in welcher Sphäre sie sich gerade aufhalten.

Kern: Tony Stark wird wohl irgend ein revolutionäres Funksystem entwickelt haben, das für uns Normalsterbliche viel zu kompliziert ist, um es überhaupt zu erklären. Aber du schweifst schon wieder ab. Ich tu mich schwer mit Hulk. Er ist viel zu unbeherrscht, um ein Avenger zu sein.

Grüne Schale, weicher Kern: Hulk (Mark Ruffalo).

Grüne Schale, weicher Kern: Hulk (Mark Ruffalo).

Abrecht: Ich finde die brachiale Gewalt von Hulk faszinierend. Er zerstört eine halbe Stadt, ohne dass ihn jemand daran hindern könnte. Nun hat Tony Stark ja sogar eine spezielle Iron-Man-Rüstung gebaut, um Hulk zu stoppen, aber auch diese hilft nichts. Nur Natasha Romanoff hat einen Zugang zu dem Biest. Bruce Banner allerdings ist ein Weichei. Dass er nicht beim kleinsten Flirt über Scarlett Johannsson herfällt, ist unrealistisch.

Kern: Ja, Bruce Banner. Der ist halt der klassische Wissenschaftler, Kopfmensch durch und durch – eben das pure Gegenteil von Hulk. Aber du gibst das Stichwort, bei dem jeder Mann ins Schwärmen gerät: Black Widow. Ja, als Frau hat man es einfach, die coolste Figur zu wählen!

Schlagende Argumente: Black Widow (Scarlett Johannsson).

Schlagende Argumente: Black Widow (Scarlett Johannsson).

Abrecht: Sie hat nur schlagende Argumente: Sie ist im Nahkampf nicht zu bezwingen, fährt die coolsten Motorräder und trägt die schnittigsten Outfits…

Kern: …die aber nicht jedem stehen. Dich möchte ich jedenfalls nicht im Latex-Anzug mit Decolleté sehen… Wenn wir also zusammenfassen: Wer ist denn nun der Coolste? Ich lege mich fest: Thor.

Abrecht: Für mich ist es Hawkeye. Den haben sie sehr aufgewertet. Und was hältst du von Ultron als Bösewicht?

Kern: Wie bei den Helden tue ich mich auch bei Bösewichten schwer mit Maschinen. Sie haben ihm zwar versucht, Ultron menschliche Züge zu verleihen, aber dennoch war Loki im ersten Teil in einer ganz anderen Liga unterwegs.

Charakterloser Bösewicht: Ultron (James Spader).

Charakterloser Bösewicht: Ultron (James Spader).

Abrecht: Nein, an Loki kommt Ultron niemals heran. Er ist ein wenig wie der nervige Computer in «Matrix». Der hatte auch keinen Charakter.

Kern: Ja, das kühle, logische Böse lässt einen eher kalt. Wohl auch deshalb fällt der zweite Teil etwas gegenüber dem ersten ab.

Abrecht: Ja, «Age of Ultron» ist ein guter Action-Science-Fiction-Film, aber nicht so kultig wie das Original.

«The Avengers: Age of Ultron» läuft ab 23. April 2015 in den Basler Kinos Capitol, Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Kinostarts in Basel am 23. April: Big Eyes, Ex Machina, Das Deckelbad, Viktoria: A Tale of Grace and Greed.

Al Pacinos Erbe und Hollywoods Frau der Stunde

Fabian Kern am Mittwoch den 8. April 2015

«A Most Violent Year» läuft ab 9.4. im Küchlin.

«A Most Violent Year» läuft ab 9.4. im Küchlin und im Rex.

80er-Nostalgiker sind gerade in Hollywood weit verbreitet. Auf eine ganz dunkle Ecke dieses Jahrzehnts richtet nun aber Regisseur J. C. Chandor seinen unerbittlichen Fokus. Auf 1981, das Jahr mit der bis heute höchsten Kriminalitätsrate in der Geschichte von New York City. Die Metropole an der amerikanischen Ostküste wird erschüttert von Morden, Vergewaltigungen, Überfällen. Auch die Heizöl-Transporter von Abel Morales (Oscar Isaac) werden regelmässig überfallen – und das hat seinen Grund. Der aufsteigende Unternehmer hat soeben das Vorkaufsrecht auf ein strategisch wichtiges Grundstück erworben, das ihn an die Spitze der Branche bringen könnte. Die Verluste aus den Überfällen drohen aber den Kredit zum Platzen zu bringen, weshalb sich Morales entscheiden muss, wie weit er gehen möchte, um sein Lebenswerk zu verteidigen. Er, ein aufrechter Einwanderer, dessen wichtigstes Prinzip immer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit war.

Abel und der verängstigte Fahrer Julian.

Abel und der verängstigte Fahrer Julian.

Die Fallen sind ausgelegt für Morales. Einerseits sind die Fahrer derart verängstigt, dass die Gewerkschaft darauf besteht, sie zu bewaffnen. Sollte allerdings einer der Fahrer mit einer Pistole jemanden verletzen, dann platzt der Bankkredit. Die Konkurrenz schreckt auch nicht davor zurück, Abels Familie einzuschüchtern. Zudem rückt ihm die Staatsanwaltschaft auf die Pelle und ermittelt wegen Steuerhinterziehung. Abel ist sich seiner weissen Weste sicher, bis ihm seine Frau Anna (Jessica Chastain) gesteht, dass sie schon seit Jahren Gelder auf ein sicheres Konto abzweigt. Abel sieht seinen vorgezeichneten Weg ganz nach oben, den amerikanischen Traum, den er schon sein ganzes Leben lang verfolgt, in höchster Gefahr.

Anna muss die Polizei das Haus durchsuchen lassen.

Anna muss die Polizei das Haus durchsuchen lassen.

Es gibt verschiedene Gründe, sich «A Most Violent Year» anzusehen. Erstens ist die Story von Beginn an packend und vielschichtig – ein intelligenter Thriller, der mit einem Minimum an Action und gänzlich ohne Effekte auskommt. Zweitens hält der Spannungsbogen über die vollen zwei Stunden Spielzeit. Chandor («Margin Call») schafft eine bedrückende, graue Grundstimmung und legt darüber eine dichte, nervenaufreibende Atmosphäre, die einem mit zunehmender Dauer die Luft zu nehmen scheint. Der Zuschauer wird ständig von Fragen belauert: Ist das mehr Drama oder Thriller? Was für ein Ende erwartet mich? Von Bankrott bis Durchbruch, von Selbstzerstörung bis Happy End, von Kampfscheidung bis Familienidylle scheint alles möglich für Abel Morales.

Ausdrucksstarkes Duo: Oscar Isaac und Jessica Chastain.

Ausdrucksstarkes Duo: Oscar Isaac und Jessica Chastain.

Und damit wären wir beim dritten und wichtigsten Argument für diesen Film: den Darstellern. Wem der Name Oscar Isaac nicht viel sagt, dem sei verziehen. Der 35-Jährige Sohn einer guatemaltekischen Mutter und eines kubanischen Vaters, der in Miami aufwuchs hatte, fiel bisher erst durch seine Rolle als fieser Prinz John in Ridley Scotts «Robin Hood» auf, als «Llewyn Davis» der Coen Brothers und vielleicht noch im Schatten von Ryan Gosling in «Drive». Nach «A Most Violent Year» dürfte sich das ändern. Isaac könnte der nächste Al Pacino sein. Mit seinem intensiven Blick und seiner entschlossenen Ausstrahlung wirkt er wie der Sohn der lebenden «Godfather»-Legende. Bei so einer Leistung kann der weibliche Co-Star eigentlich nur verblassen… wenn dieser nicht Jessica Chastain heissen würde. Die Frau gilt seit «Zero Dark Thirty», spätestens aber seit «Interstellar» als die begehrteste Schauspielerin der Traumfabrik. Der ausdrucksstarke Rotschopf – in «A Most Violent Year» für einmal blond –  vereint Charakter, Intelligenz und Sex-Appeal zu einer faszinierenden Mischung, der man sich nicht verschliessen kann. Die beiden verleihen dem Retro-Look den nötigen Glanz. Was also kann ein Film mehr bieten?

«A Most Violent Year» läuft ab 9. April 2015 in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Kinostarts in Basel am 9. April: Mall Cop 2, Une heure de tranquillité.

Geheimer als James Bond

Fabian Kern am Mittwoch den 11. März 2015

«Kingsman» läuft ab 12.3. in Capitol und Küchlin.

«Kingsman» läuft ab 12.3. im Capitol und im Küchlin.

Frage: «Warum nennst du deinen Hund JB? Steht das für James Bond oder für Jason Bourne?» Antwort: «Für Jack Bauer.» Dieses kurze Gespräch zwischen Arthur (Michael Caine) und Gary «Eggsy» Unwin (Taron Egerton) zeigt: Eggsy ist nicht in eine Schublade zu stecken. Er selbst kämpft mit dem Label «Unterschicht», das ihm auf der Stirn zu kleben scheint. Von seinem jähzornigen und handgreiflichen Stiefvater klein gehalten, hat er die Hoffnung auf eine anständige Zukunft aufgegeben. Stattdessen schlägt sich der eigentlich überdurchschnittlich intelligente junge Mann mit dumpfen Kleinkriminellen herum – bis ein Mann im feinen Zwirn auftaucht, mit Schirm und Charme. Nur die Melone fehlt für die Anlehnung an einen britischen Agenten-Klassiker. Aber vielleicht wird «Kingsman: The Secret Service» ja selbst zum modernen Klassiker.

Mentor und Schützling: Galahad und Eggsy

Mentor und Schützling: Galahad und Eggsy.

Dem Mann ist Eggsy schon einmal begegnet. Als kleiner Junge kam der Mann zu ihm nach Hause und teilte ihm und seiner Mutter mit, sein Vater sei als Held im Geheimdienst gestorben. Als Erinnerung erhält Eggsy ein Amulett mit einer eingravierten Nummer, die er wählen soll, wenn er Hilfe braucht. Als er in Untersuchungshaft sitzt, setzt Eggsy den einen erlaubten Telefonanruf dazu ein, diese Nummer zu wählen und ist im Handumdrehen frei. Aber nicht ohne Bedingung: Harry Hart alias Galahad (Colin Firth) möchte ihn zu den Eintrittsprüfungen zu «Kingsman» aufbieten. Das ist eine so geheime Organisation, dass sie nicht einmal die internationalen Geheimdienste kennen. «Wir sind die Ritter unserer Zeit», erklärt Arthur, der Vorsitzende der an die König-Arthur-Sage angelehnten Tafelrunde. Die Anzug und Krawatte sind die Rüstungen der modernen Kreuzritter, der Schirm ihr Schild und die Pistole ihr Schwert. Weil Lancelot (Jack Davenport) dem ebenso genialen wie grössenwahnsinnigen Technik-Genie Richmond Valentine (Samuel L. Jackson) zum Opfer gefallen ist, braucht die Tafelrunde Nachwuchs. Im harten Casting auf einem alten englischen Landsitz muss sich Eggsy deshalb erst einmal gegen die aristokratische Elite durchsetzen, bevor er die Welt retten kann.

Auf ein Gläschen mit dem Chef: Eggsy und Arthur.

Ein Gläschen mit dem Chef: Eggsy und Arthur.

Matthew Vaughn («Kickass», «X-Men: First Class») versucht mit «Kingsman» nichts weniger als einen Spagat: einen Agentenfilm, der Action, Thriller und Komödie vereint. Ein hoher Anspruch – dem der Film aber tatsächlich gerecht wird. «Kingsman» hätte leicht ins Lächerliche abgleiten können, mit dem steifen Colin Firth, der dem pöbelnden Nachwuchstalent Taron Egerton Manieren und Biss vermitteln will. Doch Vaughn fügt auch ernste und beinharte Szenen ein, die den Zuschauer überraschen, aber nicht vor den Kopf stossen. Die Inszenierung kommt leichtfüssig und nicht einmal überdreht, obwohl die mit tödlichen Prothesen wirbelnde Sofia Boutella und der mit einem nervigen Lispeln ausgestattete Samuel L. Jackson eigentlich ein lächerliches Bösewichte-Duo abgeben. Natürlich hilft der Einsatz von britischen Elite-Darstellern wie Michael Caine, Colin Firth und Mark Strong (als Merlin, dem «Q» der Kingsmen), aber dennoch ist es beachtlich, wie unterhaltsam «Kingsman» daherkommt. Während Daniel Craig als 007 eher tiefere Jahrgänge bei der Stange hält, bekommt nun auch die Jugend ihr Agenten-Idol. «Kingsman» hat das Zeug zur Erfolgsreihe.

«Kingsman: The Secret Service» läuft ab 12. März in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 12. März: Cinderella, La famille Bélier, Leviathan.

Will Smith und die Verlockungen

Fabian Kern am Mittwoch den 4. März 2015

«Focus» läuft ab 5.3. im Küchlin.

«Focus» läuft ab 5. März im Küchlin und im Rex.

Geld und Frauen, Frauen und Geld. Das sind jene Verlockungen, bei denen Mann Prinzipien und Vernunft in den Wind schlägt. Nicky Spurgeon (Will Smith) passiert das nicht. Der Sprössling einer berüchtigten Betrüger-Dynastie hat sich ein eigenes KMU aufgebaut, wenn es darum geht, ahnungslosen Bürgern an Grossanlässen das Geld aus der Tasche zu ziehen – sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinn. Ob Taschendiebstahl, Skimming oder falsches Glückspiel, die Opfer sind Nickys Fertigkeiten gegenüber ahnungs- und machtlos. In dieses absolut gewinnorientierte Unternehmen hineinzukommen, schaffen nur die Besten. Als die ambitionierte Anfängerin Jess (Margot Robbie) Nicky bei einem dilettantischen Betrug kennenlernt, möchte sie unbedingt von ihm ausgeblidet werden. Bei einem grossen Fischzug rund um den Superbowl in New Orleans überzeugt die Schöne den Meister von ihren flinken Fingern. Jess kommt aber weiter ins Team hinein als alle anderen, denn Nicky kann ihren Reizen nur eine bestimmte Zeit widerstehen und wird seinem Prinzip untreu, das er von seinem Vater gelernt hat: «Es ist kein Platz für die Liebe in diesem Geschäft. Sie kann dich umbringen.» Doch sind seine Gefühle wirklich echt oder ist Jess nur Teil einer seiner Betrügereien?

Eine Bekanntschaft mit Zukunft?

Eine Bekanntschaft mit Zukunft?

Offensichtlich stimmt es auch im privaten Bereich.

Offensichtlich stimmt es auch im privaten Bereich.

Wer kann dieser Frau widerstehen?

Welcher Mann kann dieser Frau widerstehen?

Die Handlung von «Focus» kann man schnell unterschätzen. Immer wieder ertappt man sich beim Glauben, die verschiedenen Wendungen zu durchschauen, immer wieder wird man eines Besseren belehrt. Genauso wie Jess kann sich auch der Zuschauer nie ganz sicher sein, was echt ist und was gespielt. Ist das nun eine Liebeskomödie oder ein ernsthafter Gaunerfilm? Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, was gleichzeitig Stärke und Schwäche des Streifens von Glenn Ficarra und John Requa (die Schreiber von «Crazy, Stupid, Love») ist. So ist «Focus» ebenso leichtfüssig wie leichtgewichtig, so unterhaltend wie harmlos. Der Spannungsbogen hält einigermassen, weil man nicht weiss, wohin die Geschichte steuert. Die bis ins Detail aufgelösten Betrügereien sind absolut kreativ, der Cast reizvoll. Der 46-jährige Superstar Will Smith und der 24-jährige Shootingstar Margot Robbie («The Wolf of Wall Street») als ständig flirtendes Paar ist eine gewagte Kombination, die aber gar nicht so schlecht funktioniert. Ergänzt werden die beiden Eyecatcher durch Rodrigo Santoro («300», «The Last Stand»), Routinier Gerald McRaney («House of Cards) sowie den fülligen Spassmacher Adrian Martinez («American Hustle»). Abgerundet wird das bunte Gesamtpaket von den attraktiven Drehorten New Orleans und Buenos Aires. Kurzweilige Unterhaltung ist garantiert, einen bleibenden Eindruck hinterlässt der Streifen aber nicht, denn so raffiniert wie zum Beispiel die diebischen Magier in «Now You See Me» ist auch Nicky nicht. Am Ende des Tage ist ist auch er nur ein Mann.

«Focus» läuft ab 5. März 2015 in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 5. März: Chappie, Still Alice, Seventh Son.

Willkommen zurück, Keanu!

Fabian Kern am Donnerstag den 12. Februar 2015

«John Wick» läuft ab dem 12.2. im Küchlin.

«John Wick» läuft ab dem 12.2. im Küchlin.

Keanu Reeves ist dieser Tage ein oft gesehener Gast in Basel – und auch ein gern gesehener. Knapp eine Woche nach seiner Gauguin-Lesung in der Fondation Beyeler tritt der 50-Jährige auch auf den hiesigen Kino-Leinwänden wieder einmal in Aktion. Und schiebt seine Karriere als Action-Schauspieler nochmals kräftig an. Als «John Wick» lässt er Flops wie «Constantine» (2005) oder «The Day the Earth Stood Still» (2008) vergessen und besinnt sich nach den jüngsten, wenig lukrativen Ausflügen nach Fernost («Man of Tai Chi» und «47 Ronin») wieder auf seine Stärken, die er in «Speed» (1994), der «Matrix»-Trilogie (1999-2003) und «Street Kings» (2008) eindrucksvoll demonstrierte.

John Wick hat nichts mehr zu verlieren.

John Wick hat nichts mehr zu verlieren.

John Wick trauert. Der legendäre frühere Auftragskiller für die russische Mafia in New York verlor seine Frau (Bridget Moynahan), für die er sich vor fünf Jahren in den Ruhestand versetzen liess, und lebt alleine und unglücklich in seiner Luxusvilla. Was ihm noch von ihr bleibt, ist eine Blumenarmkette und ein kleiner Beagle namens Daisy, welchen ihm seine Frau posthum zuschicken liess. Ein kleiner Lichtblick, ein Hoffnungsschimmer im Trauerschleier. Als Daisy dieser bei einem nächtlichen Einbruch brutal getötet wird, schwört Wick gnadenlose Rache und gräbt seine alten «Werkzeuge» im Keller aus. Zielscheibe seiner Wut: Iosef Tarasov (Alfie Allen), der Sohn seines Ex-Bosses Viggo Tarasov (Michael Nyqvist). Dieser setzt sofort seine Killer-Armee auf Wick an, im Wissen, dass wohl auch diese das Ableben seines schnoddrigen Sprösslings nicht werden verhindern können. Denn ein John Wick lässt sich von nichts und niemandem stoppen.

Drastische Erziehung: Iosef und Viggo Tarasov.

Drastische Erziehung: Iosef und Viggo Tarasov.

Wick mischt sein altes Revier gnadenlos auf. Wo er durchgefegt ist, steht selten noch jemand. Von wilden Schiessereien in der Egoshooter-Optik eines Baller-Games über explosive Verfolgungsjagden durch die Strassenschluchten bis zu ausgedehnten Nahkampfduellen in Wellnesszonen und Hotelzimmern – der Actionthriller von Chad Stahelski befriedigt die Genre-Fans. Doch er weiss sich auch von der Konkurrenz abzuheben, denn New Yorks Unterwelt in seiner Version präsentiert sich nicht einfach brutal, sondern auch mit einem gewissen Stil. Die Szenen im das Hotel Continental, dem Zufluchtsort aller liquiden Gangster, sind von einem feinen Humor und stellen einen schönen Kontrast zu den bleihaltigen Szenen dar. Und auch der wohl ausgesuchte Cast mit einem hochkarätigen Darsteller wie Willem Defoe in einer Nebenrolle trägt zum Gelingen von «John Wick» bei.

Stilvoller Rächer: Keanu Reeves als John Wick.

Stilvoller Rächer: Keanu Reeves als John Wick.

John Wick hat Kultpotenzial und ist genau das, was Keanu Reeves braucht, um wieder in die Blockbuster-Spur zu kommen – wenn er das denn will. Der Film hält das, was er verspricht, zu hundert Prozent ein: gradlinige Action, harte Martial-Arts-Duelle, spannende Handlung, witzige Szenen und einen Keanu Reeves, der sich fast ganz in Schwarz durch ein düsteres Setting kämpft. In diesem Sinne: Willkommen zurück, Keanu!

Wesentlichen Anteil an diesem Beitrag leistete BaZ-Praktikantin Anna Janietz.

«John Wick» läuft ab 12. Januar 2015 im Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 12. Februar: Fifty Shades of Grey, Inherent Vice, National Gallery, Domino Effect, GET – der Prozess der Viviane Amsalem, Sponge Bob Movie, Tibetan Warrior.

Depp macht sich zum Deppen

Fabian Kern am Mittwoch den 28. Januar 2015

«Mortdecai» läuft ab 29.1. im Küchlin.

«Mortdecai» läuft ab 29.1. im Pathé Küchlin.

Oft ist der Trailer schuld. In diesem Fall trifft es der Ausdruck «Teaser» besser, denn die Leute sollen mittels Reizen des Films ins Kino gelockt werden. Im Genre der Komödie grassiert leider die Unart, in solchen Teasern unlautere Mittel einzusetzen: Man packt einfach alle lustigen Szenen hinein, schneidet sie rasant zusammen und gaukelt so potenziellen Publikum vor, das sei nur die Spitze des humoristischen Eisbergs – und dabei war es das schon. Doch bei einem gross aufgezogenen und aufwändig beworbenen Streifen mit Superstar Johnny Depp kann das ja nicht sein, denkt sich der erfahrene Kinogänger. Und tappt frohen Mutes in die tückische «Mortdecai»-Falle.

Geck mit Schnauz: Charlie Mortdecai.

Geck mit Schnauz: Charlie Mortdecai.

Was sich die Macher – unter den Produzenten figuriert auch Johnny Depp selbst – bei dem haarsträubenden Plot gedacht haben, das wird beim besten Willen nicht klar. Regisseur David Koepp («Premium Rush»), der in Hollywood als Drehbuchautor einen sehr guten Namen gemacht hat, hätte sich besser ins Skript eingemischt. So steht und fällt die konfuse Krimikomödie allein mit dem prominenten Hauptdarsteller. Vor allem fällt sie. Depp mimt den halbseidenen englischen Adligen und Kunstkenner Charlie Mortdecai, der nicht nur sein ansehnliches Vermögen durchgebracht, sondern auch noch einen ansehnlichen Schuldenberg angehäuft hat. Allein bei der Krone steht er mit 8 Millionen Pfund an ausstehenden Steuern in der Kreide. Da ist guter Rat teuer und die betrügerische Ader von Mortdecai gefragt. Er wittert seine Chance, als das Gerücht die Runde macht, ein sagenumwobenes Goya-Gemälde existiere nicht nur, sondern sei nun auch entwendet worden. Auf dem Rücken dieses Bildes soll sich die Nummer eines Schweizer Bankkontos befinden, auf dem Nazi-Millionen vor sich hin schlummern. Mortdecai macht sich mit seinem treuen Mann fürs Grobe, Jock (Paul Bettany) auf die turbulente Jagd rund um die Welt.

Jock trägt Mortdecai auf Händen.

Jock trägt Mortdecai auf Händen.

Verschenkt: Paltrow und McGregor.

Verschenkt: Paltrow und McGregor.

Klingt vielversprechend? Genau. Doch das Versprechen wird leider nicht eingelöst. Mortdecai trottelt sich im Kampf mit dem skrupellosen Kunstdieb Emil Strago (Jonny Pasvolsky) durch die Weltgeschichte und lässt dabei immer wieder MI6-Agent Alistair Mortland (Ewan McGregor) schlecht aussehen, der mehr Energie darauf verschwendet, Mortdecai die Frau Johanna (Gwyneth Paltrow) auszuspannen, als den Fall zu lösen. Die Story ist keinen Satz mehr wert. Wäre dieser Streifen mit Schauspielern der zweiten oder dritten Garde verfilmt worden, dann würde sich niemand darüber aufregen. So aber muss man dem hervorragenden Cast nachtrauern: Paltrow, McGregor, Bettany – alles Top-Leute, ebenso wie Jeff Goldblum, der in einer Nebenrolle auftaucht. Und Johnny Depp enttäuscht sogar. Der Spezialist für schräge Rollen kommt überhaupt nicht auf Touren. Oft wirkt es, als hätte er nur die wichtigsten Zeilen auswendig gelernt und den Grossteil seiner Sätze improvisiert. Das Resultat ist leider absolut unlustig, die Slapstick-Szenen lahm, die Gags platt. Und das ganze Getue um Mortdecais Schnauz, der sich als Running Gag durchzieht, nervt nur. Aber der Trailer, der ist wirklich lustig.

«Mortdecai» läuft ab 29. Januar 2015 im Kino Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 29. Januar: Birdman or The Unexpected Virtue of Ignorance, Foxcatcher, Broken Land, Thomas Hirschhoren, Fünf Freunde 4, Usfahrt Oerlike.

Auf den Spuren von Russell Crowe

Fabian Kern am Mittwoch den 21. Januar 2015

«The Imitation Game» läuft ab 22.1. in Küchlin und Rex.

«The Imitation Game» läuft ab 22.1. in Küchlin und Rex.

Zwischen den Golden Globes und der Oscar-Verleihung haben ambitionierte Filme jeweils Hochkonjunktur. Dem Publikum wird ein Favorit nach dem anderen um die Ohren gehauen. Ein Blick ins aktuelle Basler Kinoprogramm unterstreicht dies: «Unbroken» von Angelina Jolie, «Wild» mit Reese Witherspoon, «St. Vincent» mit Bill Murray und «The Theory of Everything» mit Golden-Globe-Gewinner Eddie Redmayne als Stephen Hawking buhlen zur Zeit um die Gunst der Zuschauer. Und bekommen diese Woche starke Konkurrenz. «The Imitation Game» ist ein packender Thriller um britische Decodierer im Kampf gegen Adolf Hitlers Enigma und gleichzeitig ein gefühlvolles Drama um den brillanten Mathematiker Alan Turing. Warum diese beide Genres kollisionsfrei in einem Werk auf die Leinwand finden? Als Erklärung reicht ein Name: Benedict Cumberbatch.

Alan Turing überzeugt Commander Denniston.

Alan Turing überzeugt Commander Denniston.

Wer die geniale englische Miniserie «Sherlock» kennt, weiss, wozu der gross gewachsene Schauspieler fähig ist. Und ähnlich wie in seiner Paraderolle als Meisterdetektiv in modernen Zeiten verkörpert Cumberbatch auch den hochbegabten Aussenseiter Alan Turing: Die Mischung aus Schüchternheit und Arroganz, aus fachlicher Brillanz und zwischenmenschlicher Unbeholfenheit, aus professioneller Fassade und emotionaler Verfassung ist derart fesselnd, dass seine Oscar-Nomination einfach nur selbstverständlich ist. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 bewirbt sich der 27-jährige Alan Turing beim britischen Militär, um die legendäre Codierungsmaschine «Enigma» der Deutschen zu knacken. «Lassen Sie es mich versuchen, dann wissen sie es sicher», erwidert er selbstsicher auf den Hinweis, Enigma sei eigentlich nicht zu entschlüsseln.

Ein unlösbares Rätsel? Turings Team und Enigma.

Ein unlösbares Rätsel? Turings Team und Enigma.

In den folgenden Wochen und Monaten widmet sich Turing mit seinem kleinen, aber feinen Team im Bletchley Park zwischen London und Birmingham täglich von neuem der Lösung des schwierigsten Codes der Welt. Denn jeden Abend wird der Schlüssel für die codierten Funksprüche an die U-Boote wieder zurückgesetzt, womit die gesamte Arbeit der Gegner wieder von vorn beginnt, haben sie es bis dahin nicht geschafft. Die Aufgabe scheint auch für Turing zu hoch zu sein, ihm wird ein Ultimatum für seine von ihm ausgetüftelte und für teures Geld gebaute Entschlüsselungsmaschine gesetzt. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Doch nicht nur sein Job beschäftigt Turing. Das stärkste Mitglied in seiner Truppe neben ihm selbst ist nämlich eine Frau. Joan Clarke (Keira Knightley) kann aber nur unter einem Deckmantel an Enigma tüfteln, denn das England der 40er-Jahre akzeptiert keine Frauen in kopflastigen Jobs. Turing findet in ihr eine Seelenverwandte und macht ihr schliesslich einen Antrag. Aber ist der verklemmte Mann wirklich an ihren weiblichen Reizen interessiert?

Freundschaft oder Liebe? Alan und Joan.

Freundschaft oder Liebe? Alan und Joan.

Dem Drehbuch von «The Imitation Game», so stark es wirkt, haftet der Makel eines Vorwurfs der historischen Ungenauigkeit an. Diesen kann man an dieser Stelle leider nicht genauer erörtern, ohne einen Teil der Handlung zu verraten. Aber auch wenn dieser stimmen sollte, ist der Film des Norwegers Morten Tyldum («Headhunters») mit einem Staraufgebot an britischen Schauspielern ein Meisterwerk. Die eingangs erwähnte Verflechtung von Thriller und Sozialdrama tut der Spannung keinen Abbruch. Beide Handlungsstränge reissen vor allem jene Zuschauer mit, welche mit den historischen Details nicht vertraut sind. Ob das für einen Oscar in den wichtigen Kategorien reichen wird, ist offen. Die Oscars kennen keine Logik. Studiopolitik spielt bei der Academy eine grosse Rolle, ebenso Aspekte wie nationale und ethnische Zugehörigkeit. Somit gewinnen nicht immer jene Akteure die goldenen Statuen, die es aufgrund ihrer Leistung auch wirklich verdient hätten. Immerhin wurde mit Russell Crowe für «A Beatiful Mind» vor 14 Jahren schon einmal der Darsteller eines Mathematikers mit einem Oscar prämiert. Vielleicht ist das ein gutes Omen für Cumberbatch. Verdient hätte er es für seine fantastische Leistung allemal.

«The Imitation Game» läuft ab 22. Januar 2015 in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 22. Januar: Big Hero 6, Buoni a nulla.

Angelina Jolies Reifeprüfung

Fabian Kern am Mittwoch den 14. Januar 2015

«Unbroken» läuft ab 15.1. im Capitol und im Küchlin.

«Unbroken» läuft ab 15.1. in Capitol und Küchlin.

Zu Jahresbeginn hat Angelina Jolie angekündigt, sie werden ihre Schauspiel-Karriere an den Nagel hängen und nur noch hinter der Kamera stehen. Eine der bestbezahlten Hollywood-Aktricen nie mehr auf der Leinwand? Schaut man sich ihr neustes Werk an, dann kann man die Entscheidung der schönen Amerikanerin nachvollziehen. «Unbroken ist ein grosser Film – noch dazu von epischem Umfang –, mit dem die 39-Jährige ihr Talent als Regisseurin belegt. Da spielt es keine Rolle, dass einmal mehr der Zweite Weltkrieg Schauplatz eines menschlichen Schicksals ist. Wer von der Leidensgeschichte von Louis Zamperini nicht in den Bann gezogen wird, der sollte dringend Nachhilfe in Sachen Empathie in Betracht ziehen.

Louis Zamperini im Berliner Olympia-Stadion (Mitte)...

Louis Zamperini im Berliner Olympia-Stadion (Mitte)…

Im Januar 1998 trägt ein 81-jähriger Mann die olympische Fackel eine Etappe lang auf dem Weg in Richtung Nagano – auf japanischem Boden. Letzteres ist deshalb von Belang, weil derselbe Mann mit dem Land der aufgehenden Sonne die schrecklichsten Erinnerungen seines Lebens verbindet. Vor seiner Leidenszeit während des Zweiten Weltkriegs musste der junge Louis allerdings erst einmal sein Leben auf die Reihe kriegen. Als Sohn italienischer Einwanderer fristet er kein einfaches Dasein und driftet in Richtung schiefe Bahn. Bis sein älterer Bruder ihn zum Laufsport drängt oder vielmehr zwingt. «Du kannst es schaffen, du musst nur daran glauben», lautet dessen Devise. Es sollte Louis’ Lebensmotto werden.

... über die Einsamkeit des Pazifiks...

… über die Einsamkeit des Pazifiks…

Louis schafft es als High-School-Läufer über 5000 Meter an die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und sorgt dort mit einer unglaublichen letzten Bahnrunde derart für Aufsehen, dass er sogar von Adolf Hitler gelobt wird – als Amerikaner wohlgemerkt. Doch dann muss er in den Krieg. Auf einer Rettungsmission wird Louis über dem Pazifik abgeschossen und überlebt als einer von drei Besatzungsmitgliedern. Und damit beginnt die Tour de Force. 47 Tage kämpft er erfolgreich gegen Hunger, Durst, Haie und feindlichen Beschuss, bis er gerettet wird. Wenn man die Gefangennahme durch die Japaner als Rettung bezeichnen will. Fortan leidet Louis in einer feuchten, dunklen Zelle auf den Marshall-Inseln und wird in japanischen Arbeitslagern erniedrigt, gefoltert, verprügelt – aber nie gebrochen. Bis zum Kriegsende.

... bis ins japanische Arbeitslager: Louis bleibt stark.

… bis ins japanische Arbeitslager: Louis bleibt stark.

Der Titel ist in den fast schon quälend langen 137 Minuten unumgängliches Programm. Jolie lässt den roten Faden nie los, was die Geschichte etwas eindimensional macht, ebenso wie die Stereotypen. Die Japaner sind überwiegend arrogant, böse und haben einen Hang zum Sadismus, während die Alliierten fast durchwegs coole Buddy-Typen sind, die auch noch mehr auf dem Kasten haben als die Asiaten. Der imponierenden Geschichte von Louis Zamperini – die Coen-Brothers adaptierten das Buch von Lauren Hillenbrand – kann das allerdings nichts anhaben. Der bislang nur Insidern bekannte Engländer Jack O’Connell («300 – Rise of an Empire») verkörpert den standhaften Olympioniken mit einer ansteckenden Lebensfreude und darf als Entdeckung gefeiert werden. Als eine von zwei von Angelina Jolie.

Angelina Jolie mit dem fiktiven...

Angelina Jolie mit dem fiktiven…

... und dem echten Louis Zamperini.

… und dem echten Louis Zamperini (1917-2014).

«Die Besetzung der Hauptrolle war eine wirklich schwierige Aufgabe», gestand Jolie. «Beim Vorsprechen von Jack aber merkte ich, dass er den übergeordneten Sinn eines Films verstand.» Der 23-jährige O’Connell war bei den Dreharbeiten physischen aufs Äusserste gefordert, musste er doch vom durchtrainierten Leichtathleten bis zum ausgezehrten Kriegsgefangenen sämtliche Körperzustände darstellen. Bei der Besetzung von Louis’ Gegenspieler im Gefangenenlager, dem Gefängniskommandanten Mutsuhiro Watanabe, wurde Jolie gar noch kreativer und landete einen kleinen Coup, der in Japan für volle Kinos sorgen wird: Sie überredete den japanischen Rockstar Miyavi zum Mitwirken, obwohl dieser gar nicht an der Schauspielerei interessiert war. Alle Darsteller – bis auf eine Ausnahme durchwegs männlich waren in der Folge hell begeistert ob der Führungsqualitäten Jolies. Das ist vielleicht die grösste Bestätigung für deren Entscheidung, voll auf ihre zweite Karriere zu setzen.

«Unbroken» läuft ab 15. Januar 2015 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 15. Januar: Annie, St. Vincent, Wild, Frau Müller muss weg, Danioth – der Teufelsmaler, A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence.

Argentinische Ausraster

Fabian Kern am Mittwoch den 7. Januar 2015

«Wild Tales» läuft ab dem 8.1. im Atelier und im Küchlin.

«Wild Tales» läuft ab dem 8.1. in Atelier und Küchlin.

Wann haben Sie sich im Alltag zum letzten Mal aufgeregt? Haben Sie schon einmal «zu Unrecht» eine Busse bekommen? Wenn ja, was haben Sie gemacht? Haben Sie mit der Polizei einen Kleinkrieg angezettelt, der in Mord und Totschlag ausgeartet ist? Wenn ja, dann sind Sie ein Kandidat für die Schweizer Version von «Wild Tales». Der Argentinier Damiàn Szifron zelebriert in sechs Episoden genüsslich das, was schon Michael Douglas in «Falling Down» so brillant darstellte: das Ausrasten. Allerdings ist das, was Hollywood 1993 zeigte, Nasenwasser im Vergleich mit der argentinischen Groteske von 2014, die schon an den letzten Filmfestspielen von Cannes für Furore sorgten.

Ein Handwerker im Blutrausch.

Ein Handwerker im Blutrausch.

Ein Sprengmeister rechnet ab.

Ein Sprengmeister rechnet ab.

Das Leitmotiv ist bei allen Episoden dasselbe. Immer fühlt sich jemand als Opfer einer Ungerechtigkeit und sucht Genugtuung. Die Ausprägung dieser Vergeltungsaktion ist allerdings so unterschiedlich wie die inszenierten Situationen. Mal löst ein arroganter Audi-Fahrer mit seiner verbalen Beleidigung eines ihn provozierenden Handwerkers ein erbittertes Duell auf der staubigen Landstrasse aus. Mal rächt sich ein psychisch labiler Musiker an ausnahmslos allen, die ihm seiner Ansicht nach Leben und Karriere verpfuscht haben. Mal erhält eine Restaurantbesitzerin die Möglichkeit, sich an einem Mafioso für das Ableben ihrer Eltern zu rächen, da er an einem Gewitterabend der einzige Gast ihn ihrem Lokal ist. Gemeinsam sind den Episoden aber drei Dinge: Jede gipfelt in einer kleineren oder grösseren Katastrophe, die Sach- und Körperschäden sind jeweils beträchtlich und der schwarze Humor ist ein steter Begleiter.

Eine Braut läuft Amok.

Eine Braut läuft Amok.

Eine Beizerin sucht Genugtuung.

Eine Beizerin sucht Genugtuung.

Es verwundert nicht, dass Pedro Almodovar als Produzent an dieser Aufsehen erregenden Thriller-Komödie beteiligt war. Der spanische Kultregisseur («Frauen am Rand eines Nervenzusammenbruchs», «Todo sobre mi madre», «Hable con ella») hat ein untrügliches Gespür für die menschlichen Schwächen und weiss sie publikumswirksam zu inszenieren. Szifrons «Wild Tales» – wenn auch um eine Episode zu lang geraten – thematisiert charakterliche Defizite wie Arroganz, Gier, Untreue sowie die Unbeherrschtheit selbst auf irrwitzige Weise und lässt der Rache der Protagonisten freien Lauf. Die Ausraster lösen eine Kettenreaktion aus, die in grotesken Szenen ausarten, in denen ganz normale Menschen vor keiner Schandtat zurückschrecken. Szenen, die wir uns vielleicht selbst ausmalen, wenn wir auf der Autobahn geschnitten werden, in einer Warteschlange dreist überholt werden oder vom eigenen Chef zu Unrecht abgemahnt werden. Deshalb ein gut gemeinter Rat: Schauen Sie sich «Wild Tales» an, bevor Sie ihre eigenen Rachefantasien in die Tat umsetzen. Wie weit würden Sie gehen?

«Wild Tales» läuft ab 8. Januar 2015 im kult.kino Atelier und im Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 8. Januar: Taken 3, The Best of Me, The Fool, Si accettano miracoli.

Starpower im Engadin

Fabian Kern am Mittwoch den 17. Dezember 2014

«Sils Maria» läuft ab 18.12. im Atelier.

«Sils Maria» läuft ab 18.12. im kult.kino Atelier.

Lautlos schleicht das schmale Wolkenband über den Malojapass und den Silsersee. Immer dichter wird der weisse Dunst und füllt jedes Tal im Oberengadin: Das Wolkenphänomen mit dem mystischen Namen «Maloja-Schlange» kündigt schlechtes Wetter an. In dieser wunderbaren Landschaft bereitet sich Maria Enders (Juliette Binoche) auf ihre Rolle im gleichnamigen Theaterstück vor. Ein Theaterstück, in dem sie bereits 20 Jahre zuvor schon eine Hauptrolle gespielt hatte. Diesmal aber soll Maria nicht die jugendliche Verführerin Sigrid verkörpern, sondern das etwas in die Jahre gekommene «Opfer» Helena. Für Sigrid ist Jo-Ann Ellis (Chloë Grace Moretz) vorgesehen, ein 19-jähriges Hollywood-Sternchen, das mit ihren Skandalen weniger die Feuilleton-Seiten füllt, als vielmehr die Klatschspalten. Maria überwindet ihre Hemmungen und stellt sich der Herausforderung Alter.

Rollenspiel vor Naturkulisse: Maria und Valentine.

Rollenspiel vor Naturkulisse: Maria und Valentine.

Mit einem frischen Kurzhaarschnitt macht sich Maria zusammen mit ihrer Assistentin Valentine (Kristen Stewart) auf die Fahrt von Zürich, wo sie eine Laudatio auf den verstorbenen Autor des Stücks, ihren Mentor Wilhelm Melchior, hält, ins Engadin. In dessen Haus in Sils Maria bereitet sie sich auf ihre Rolle vor. Doch die Perspektive der Sigrid kann sie nicht so leicht abschütteln. Alles an Helena kommt ihr verachtenswürdig vor. Nur Valentine hält dagegen und verteidigt die Figur, die der jungen Sigrid verfällt und von dieser schliesslich in den Selbstmord getrieben wird. Das enge Aufeinanderhocken im Chalet und das ständige Üben der Rollen nagt an den beiden Frauen. Realität und Fiktion beginnen sich für Maria zu vermischen. Wo hört Helena auf und wo beginnt Maria?

Diva und Regisseur: Maria und Klaus Diesterweg.

Diva und Regisseur: Maria und Klaus Diesterweg.

Mit der Philosophie ist es so eine Sache. Sie hat keinen Anfang und kein Ende – und jeder sieht es ein wenig anders. Und genau das macht zugleich Reiz und Schwäche von «Sils Maria» aus. Das Aufweichen der Grenzen zwischen dem Stück und Marias Leben ist genial gemacht und das herbstliche Engadin einfach perfekt für die Auseinandersetzung mit Alter und Vergänglichkeit. Vor der grossartigen Bergkulisse weiss man nie, ob Maria oder Helena, Valentine oder Sigrid. Nur leider löst sich dann der rote Faden auf wie die Maloja-Schlange. Maria erkennt, dass die Welt eine andere geworden ist in den letzten zwanzig Jahren, aber auch, dass sich ihr Blick darauf verändert hat. Dieser Erkennungsprozess zieht sich über lange 124 Filmminuten hin und findet nicht wirklich ein Ende. Das ist von Regisseur Olivier Assayas so gewollt, aber sicher nicht jedermanns Sache. Aber eben: Philosophie ist subjektiv.

Absolut objektiv kann man festhalten, dass die Natur atemberaubend in Szene gesetzt wurde – ein wahrer Werbefilm für Engadin Tourismus – und mit Juliette Binoche, Kristen Stewart und Chloë Grace Moretz quasi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der internationalen weiblichen Top-Garde verpflichtet. Letzteres allein ist schon fast philosophisch.

«Sils Maria» läuft ab 18. Dezember 2014 im kult.kino Atelier.

Weitere Filmstarts in Basel am 18. Dezember: The Homesman, Night at the Museum: Secret of the Tomb, The Tale of Princess Kaguya, Timbuktu, Il ricco, il povero e il maggiodormo, Der kleine Drache Kokosnuss.