Archiv für die Kategorie ‘Interview’

Tagfeierkalender – Die Rückschau

chris faber am Sonntag den 7. August 2011

Die DailyBox ist Vergangenheit

Ein Gastbeitrag von Dominique Nöelle Mischler

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blicken wir zurück auf 31Tage mit 31 Akteuren zu 31 verschiedenen Feiertagen.

Mit dem „Tag des wohlwollenden Erinnerns“ schlossen das Team und alle Beteiligten der DailyBox von Munkels TAGFEIERKALENDER am letzten Sonntag die einmonatige Veranstaltung der Veranstaltungen ab.

Zu sehen gab es einen wilden Rückblick aller Tage sowie ein klassisches Konzert der Brüder Flurin (Gesang) und Alvin (Piano) Devonas, mit einer Auswahl an wohlwollenden Stücken quer durch alle Zeiten. Zudem beehrte uns Ferni als Special Guest.

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Bézier – eingefangene Lebenskurven

chris faber am Freitag den 5. August 2011

Fast jeder landet im Leben auch mal an einen Punkt, wo er denkt, wohin soll ich jetzt gehen, um meine Ziele zu verfolgen. Gerade heute, wo in der heutigen Arbeitswelt niemand mehr nach Studium oder Lehre in einer Firma anfängt und dort bis zur Pensionierung aufsteigt, sind Lebenskurven, die Dich auch mal in eine ferne Stadt und Land, in eine komplett andere Ausbildung oder Tätigkeit tragen, mit besonderen Menschen zusammenbringen, am Ende wichtig, um genau die Leidenschaft für einen Beruf zu entdecken, der Dir Spass macht.

Mit der namentlichen Verbindung zur Bézierkurve möchte Janine Michel die oft im ZickZack laufenden Lebenswege und die daraus entstehenden Verbindungen dokumentieren. Dazu hat Sie in Ihrer einjährigen spannenden Arbeit BÉZIER Menschen zwischen 25-35 Jahren gesucht und gefunden, die Ihr sehr offen erzählen, wie es Ihnen ergangen ist auf Ihrem Berufsweg, wie Sie gerade Niederlagen und Enttäuschungen in eine Richtung gelenkt haben, die letztendlich den Kick zu Ihrem Traumberuf gaben.

BÉZIER stellt anhand von zehn Interviews mit Kreativschaffenden zehn interessante Lebensgeschichten vor, die im Hinblick auf berufliche Wendepunkte und wegweisende Momente untersucht wurden.

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«I come to your show and bring seven friends along» – We Loyal in New York

Luca Bruno am Mittwoch den 4. Mai 2011
We Loyal

We Loyal: Ben Kuster, Sandro Simon, Fabian Trümpy, Elvis Presley (v.l.n.r.)

Die Instrumente packen und verreisen. Viele Schweizer Bands träumen davon, wenige tun es. Und noch bevor man zum ersten Mal einen Fuss auf eine ausländische Konzertbühne setzen konnte, ist der Drummer aus der Band ausgestiegen, da er sich nun doch auf sein Studium konzentrieren möchte, der Sänger will mehr Zeit mit seiner Freundin verbringen, und für die Gitarristin war Musik «sowieso nie so wichtig».

Die Basler Band We Loyal sind das perfekte Gegenbeispiel dafür. Bereits für die Aufnahmen ihrer Debüt-EP wagte das Trio den Schritt nach Liverpool, und diesen Februar verknüpfte man eine New York-Reise mit einer eigenen Konzerttour. Wir haben mit Sandro Simon, dem Sänger und Gitarristen der Band, über Eindrücke, Erfahrungen und Ambitionen gesprochen… Diesen Beitrag weiterlesen »

Von den Sofas Europas zurück nach Basel

Joel Gernet am Montag den 2. Mai 2011
We Invented Paris

Flavian Graber (rechts) bei einem der WIP-Speedgigs in Mannheim.

Über 80 Konzerte in 40 Städten Europas innerhalb von sechs Monaten – das Indiepop-Kollektiv We Invendet Paris (WIP) ist zwar noch kein Jahr alt, dennoch hat das Projekt des Basler Sängers und Gitarristen Flavian Graber schon mehr von der Welt gesehen, als die meisten anderen Schweizer Bands in ihrer ganzen Karriere.

Am Freitag beendete das Quintett mit einem Konzert in der Kuppel Basel ihre zweite Tournee – genau ein halbes Jahr nach der Konzertpremière. Der Gig markierte den Schlusspunkt einer Konzertodyssee, die das Quintett seit ihrem ersten Gig im Kleinbasler Parterre über die Sofas Europas zurück ans Rheinknie brachte – mit im Gepäck die «Iceberg EP», deren Titelsong ab Freitag, 6. Mai, auch in digitaler Form erhältlich ist. Wir unterhielten und mit WIP-Frontmann Flavian Graber über die turbulenten vergangenen Monate, den Musikvertrieb im digitalen Zeitalter und das Leben als Strassenmusiker.

Flavian Graber, wie war das Heimkonzert in der Kuppel am Freitag?
Der Auftritt war sehr cool. Ich habe es genossen, nach den ganzen Strassenkonzerten wieder einmal auf einer grösseren Bühne zu spielen. Erstaunlicherweise hat es beim Publikum hier etwas länger gedauert bis das Eis bricht als in Deutschland. Zwei der Songs, die wir in der Kuppel präsentierten, haben wir in einer Akustik-Version mitten im Publikum gespielt – ich befürchtete zuerst, dass die Leute uns dabei nicht zuhören würden und miteinander reden. Aber zum Glück hat das toll geklappt.

Wie entstand «We Invented Paris»?
Ich war als Singer-Songwriter unterwegs, hatte dann aber genug vom alleine sein und habe «We Invented Paris» initiiert. Die Idee wurde vor gut einem Jahr geboren. In den folgenden Wochen kamen mehr und mehr Künstler dazu bis dann vergangenen Herbst der erste Gig und die erste Tour gespielt wurde. Auf der jetzigen, zweiten Tour haben 80 Prozent der Musiker ihren Wohnsitz in oder um Basel. Hier zu spielen heisst also immer auch, nach Hause zu kommen.

Basler Bohème: We Invented Paris in Heidelberg.

Wie verliefen die vergangenen Monate?
Das Highlight war sicher der Startschuss mit der «Tour d’Europe» Ende 2010. Innerhalb von 60 Tagen spielten wir 50 Konzerte in 40 europäischen Städten wie Amsterdam, Gent, Wien, Berlin und Basel. Wir gaben Konzerte in Clubs, Cafés, WG-Wohnzimmern, Frisörsalons, Hausbooten und Balkonen. Und wir übernachteten bei Fremden und Freunden auf Couches, Matratzen und in Schlafsäcken – das war ein grosses Erlebnis. Wir haben viele tolle Leute kennengelernt – etwa die Jungs der Hamburger Indierock-Band Kettcar. An der diesjährigen BScene kreierten wir dann mit den Künstlern Bryan Haab (CAN) und Simon Siegenthaler (BS) zusammen mit den Zuhörern ein interaktives Kunstwerk unter dem Motto «We Invented BScene».
Daneben haben wir einige Videos gedreht. In den letzten Wochen waren wir dann auf unserer zweiten Tour, bei der wir auch bei der Musik-Talk-Show TV Noir in Berlin spielen konnten zusammen mit der Kölner Popband Klee. Und an Ostern haben wir in Heidelberg rekordverdächtige 30 Speedgigs an einem Tag gespielt.

Und wie hast Du den Tag mit diesen 30 Kurzauftritten erlebt?
Es war unglaublich anstrengend und wir mussten an unsere Grenzen gehen. Doch es hat vor allem Spass gemacht. Wir spielten zum Beispiel ein paar Songs in einem Gewürzladen – dort hätten wir ewigs bleiben können. Aber auch auf der Wiese im Innenhof der Heidelberger Uni-Mensa war es interessant. Zudem spielten wir u.a. noch in der Chocolaterie, im Kaffeerösthaus, in einer Buchhandlung, im Kunstkeller und in einer Bäckerei. Die Leute reagierten sehr positiv, viele blieben stehen oder kamen in die Geschäfte hinein, um zuzuhören. Es kam aber auch vor, dass nur zwei bis drei Leute in einem Geschäft waren. Dies schaffte aber auch sehr spezielle und intime Konzertchen. Abends, beim 30. Konzert im Club, war es dann richtig schön zu sehen, wie viele Leute, für die wir am Tag in den Shops und auf der Strasse gespielt haben, tatsächlich gekommen sind. Es war ein grossartiger Tag.

Wie ist denn das Leben als «Strassenmusikant»?
Es kann sehr schön sein, wenn man beachtet wird und die Leute stehen bleiben. Man wird zu einem Teil der Strasse, man ist nicht mehr derjenige, der durch die Strasse geht. Man beobachtet die Passanten und nicht umgekehrt. Es kann aber auch sehr hart sein, wenn man von den Leuten ignoriert wird.

WIP bei einem Gig in einem Heidelberger Geschäft.

Geht einem das Übernachten in fremden Wohnzimmern auf Dauer nicht auf die Nerven?
Wir waren schon froh, nach der Tour wieder in unseren eigenen Betten pennen zu können. Aber es ist auch sehr beeindruckend, die unterschiedlichen Kulturen so hautnah mitzuerleben. Und wir sind ja noch jung…

Kam es vor, dass Du beim Aufwachen nicht wusstest, in welcher Stadt Du bist?
Das mit der Stadt weiss ich meistens noch, aber das Gefühl für den Wochentag geht auf Tour vollkommen verloren.

«We Invented Paris» ist laut Bandbio «ein europäisches Künstlerkollektiv – ein Zusammenschluss von Multiinstrumentalisten und Freunden, die ihre feinsinnig arrangierten Indiepop-Songs in wechselnder Besetzung ‘neu erfinden’». Das erinnert doch irgendwie an Bonaparte – das Berliner Musik- und Künstlerkollektiv mit Wurzeln in Zürich. Gibt es Parallelen?
Ich glaube die Entwicklung der Musikindustrie mit dem Internet zwingt einzelne Künstler immer mehr dazu, zusammen zu arbeiten – weil einfach keine grossen Firmen mit grossen Budgets mehr vorhanden sind. Dies sehe ich aber als eine sehr positive Entwicklung, welche die Kreativität fördert. Abgesehen von der Bezeichnung des Kollektivs gibt es aber nicht viele Parallelen zu Bonaparte. Wir machen keine Partymusik, sondern eher Mitfühl-Musik.

Der Titelsong der «Iceberg EP» kann ab dem 6. Mai online gekauft werden – die CD selber ist nur an euren Konzerten erwerbbar. Warum pfeifft ihr auf die herkömmlichen Vertriebswege?
Die physische Version der «Iceberg EP» wird es nur an unseren Konzerten oder via Bandhomepage geben. Wir wollen einfach den Leuten, die an unsere Konzerte kommen oder via Homepage direkt mit uns kommunizieren etwas Spezielles bieten können. Und für eine EP lohnt sich der Aufwand eines physischen Vertriebs nicht wirklich.

Ein allfälliger Charteinstieg, der ja massgeblich von CD-Verkäufen in «herkömmlichen» Geschäften abhängt, kommt so kaum in Frage.
Oje. Wer glaubt schon an die Charts.

Und so tönt der Titelsong der «Iceberg EP»…

We Invented Paris – Iceberg (Indietronic Version) (HD) from We Invented Paris on Vimeo.

In der Hoffnung, dass die Konzertreisen und Begegnungen der vergangenen Monaten ein solides Fundament oder gar ein Sprungbrett für den weiteren Verlauf des Abenteuers «We Invented Paris» sind, plant Flavian Graber für diesen Herbst das erste WIP-Album – natürlich inklusive Tournee. Nebenbei arbeitet er bereits am übernächsten Album.

«LASSO»: Eine tragbare Ausstellung

Luca Bruno am Dienstag den 22. März 2011
Pedro Wirz: "Ohne Titel (mit Künstler)"

Pedro Wirz, "Ohne Titel (mit Künstler)"

Eigene Texte oder Fotografien veröffentlichen? Das Internet hat es leicht gemacht! Innerhalb weniger Minuten hat man auf dem entsprechenden Sozialen Netzwerk einen Account erstellt und schon kann es mit dem munteren Publizieren losgehen. Doch wer hat eigentlich Zeit, auf diesen Webseiten stundenlang nach geeignetem Material zu suchen?

Ariane Koch, Damian Koch und Alain Gloor gehen mit ihrem Magazin «LASSO» einen anderen Weg. Ausser dem vorgeschriebenen Thema der jeweiligen Ausgabe lassen sie den involvierten Textern und Künstlern zwar genauso viel Freiheit wie das Internet, bezüglich Veröffentlichung gehen sie allerdings den altmodischen Weg. «LASSO» erscheint in Heftform, in jeweils streng limitierter Auflage.

Letzten Winter erschien die erste Ausgabe und ein Grossteil davon war im Nu vergriffen. Nun haben die drei mit Unterstützung zweier Gastkuratoren nach über drei Monaten Wartezeit die zweite Ausgabe «Schauspiel» fertiggestellt. Anlässlich der Release-Party, die diesen Mittwoch, dem 23. März 2011, in der Hinterhof Bar über die Bühne gehen wird, haben wir uns mit Alain Gloor über «LASSO» unterhalten.

Woher stammt die Idee zum «LASSO»-Magazin?
Alain Gloor: Das liegt schon etwa zwei Jahre zurück, wir haben jedoch eine gute Zeit haben am Konzept gefeilt. So einfach und wirksam es heute erscheint, es war ein langer Weg bis dorthin. Warum wir das Projekt genau in Angriff genommen haben, wissen wir nicht mehr so genau. Wir hatten einfach Lust, etwas zu versuchen, wollten Kräfte bündeln, etwas für Basel und vielleicht sogar die Schweiz tun.

Vom «Wilden Westen» zum «Schauspiel»: Was für eine Bedeutung haben die jeweiligen Themen für das Magazin?
Das jeweilige Thema soll dem Magazin eine Richtung geben und trotzdem eine offene künstlerische Herangehensweise zulassen oder zu einem Beitrag anstiften. Wir suchen zu dritt nach neuen Schlagwörtern. Manchmal dauert es auch ein paar Tage, bis wir alle von einem neuen Vorschlag überzeugt sind, wie es bei «Kopf» geschah, unserem neuen Thema, für das wir bis zum 1. Juni 2011 Beiträge entgegennehmen. Eine Bedeutung haben die Themen auch insofern, als dass wir die Release-Partys grob mit dem Titel des Magazins in Verbindung zu bringen versuchen. Zum «Wilden Westen» spielte die Band Little White Mice letzten Herbst einen Sound, den wir uns zur Unterlegung eines jeden Western hätten vorstellen können. Diesen Mittwoch werden in der Hinterhof Bar passend zum aktuellen Thema «Schauspiel» Performances verschiedener Künstler stattfinden.

Claudia Link, "The Secret Behind the Scene"

Claudia Link, "The Secret Behind the Scene"

Für eure zweite Ausgabe «Schauspiel» habt ihr über doppelt so viele Einsendungen erhalten, wie ihr schlussendlich publizieren werdet. Wie funktioniert euer Auswahlprozess?
Für die zweite Ausgabe haben wir zwei Gastjuroren beigezogen, was das Ganze etwas vereinfacht hat. Wir sassen zehn Stunden am Küchentisch und haben uns über mehrere Runden beraten. Bekommt eine Arbeit drei Stimmen, dann ist sie vorerst mal dabei. Zuletzt muss jedes Werk aber auch ins Gesamtbild der jeweiligen Ausgabe passen. Da kippen manchmal Arbeiten raus, auf die wir eigentlich nur ungern verzichten würden. Und es muss selbstverständlich auch bezahlbar bleiben. Will heissen: Viel mehr als die sechzig Seiten, welche die zweite Ausgabe nun hat, können wir uns gar nicht leisten.

Ausser dem Thema sind die Autoren in der Wahl ihrer Text- bzw. Veröffentlichungsform komplett frei. Hattet ihr auch schon mit zu abstrakten Einsendungen zu kämpfen?
Es kommt auf die Empfindung des Betrachters an, was dieser als aparte Einsendung einstufen würde und was nicht. Wir haben von gewöhnlichen Ferienfotos zu Fotografien einer Performance der Wiederauferstehung von Jesus Christus bis zu Stickereien und riesigen Kritzeleien alles schon gehabt. Alles ist erlaubt. Und im Kontext des Magazins und im Zusammenspiel mit anderen Arbeiten ergeben auch gerade verquer anmutende Beiträge eine spannende Bild- und Textwelt, die, so hoffen wir, das LASSO ausmacht.

Jelena Savic, "Rabbits In Disguise"

Jelena Savic, "Rabbits In Disguise"

Heutzutage eröffnet man innerhalb von 5 Minuten einen tumblr-Account und kann dort Bilder, Texte oder sogar Videos innerhalb weniger Sekunden mit der ganzen Welt teilen. Warum habt ihr euch gegen das Netz und für ein Heft entschieden?
Wir haben absolut nichts gegen das World Wide Web. Wir haben ja selber eine Website und erreichen darüber viel mehr Menschen, als wir das sonst tun würden. Für uns ist das Internet eine riesige Vereinfachungsmaschine. Nur: Mit dem physischen Release schaffen wir eine Grundlage und bringen Menschen zusammen, und zwar nicht nur im Netz. So entstehen neue Ideen. Das Herstellen eines Magazins ist tatsächlich aufwändiger, als rasch einen tumblr-Account zu eröffnen. Wir denken aber, dass das auch die Leute, die uns Beiträge zuschicken, animiert. Wir geben uns grosse Mühe und wissen, dass auch den beteiligten Künstlern viel an ihren Werken liegt. Auch soll das Heft wie eine Art tragbare Ausstellung funktionieren, die man weiterempfehlen kann und die sich taktil, also mit dem LASSO in den Händen, erfahren lässt.

Dies führt allerdings dazu, dass ihr euch momentan auf Texte und Bilder beschränken müsst. Könnt ihr euch vorstellen, irgendwann auf andere Kunstformen wie Videos oder Installationen zu «expandieren» und dementsprechend auf eine andere Veröffentichungsform zurückzukommen?
Zuerst: Videostills und Fotografien von Installationen haben wir ja auch im LASSO. Aber es stimmt natürlich, dass diese immer eine Verkürzung des eigentlichen Kunstwerks bedeuten. In diesem Sinne sind wir auf jeden Fall offen, andere Richtungen einzuschlagen – wir sind der festen Überzeugung, dass der Prozess des Kuratierens in Zukunft noch bedeutungsvoller werden wird. Das Magazin soll aber immer Grundlage des ganzen Unternehmens und einzigartig bleiben. Mehrere Möglichkeiten der Weiterentwicklung sind schon angedacht, aber damit überraschen wir lieber, wenn es auch soweit sein wird.

LASSO Release-Party N°2 «Schauspiel»: Diesen Mittwochabend (26. März) im Hinterhof. ab 19:30, mit Performances verschiedener Künstlern und musikalischer Unterstützung von Deck Mental & Lord Soft (Team Taperape).
Ausserdem ist die Bewerbungsphase für die dritte Ausgabe «Kopf» mittlerweile angelaufen. Der Einsendeschluss für diese Ausgabe ist am 1. Juni; mehr Informationen dazu gibt’s auf der offiziellen Website des Magazins.

Rückblick #6: Eine geistreiche Lesung und ein mutloses Kulturleitbild

schlaglicht am Freitag den 31. Dezember 2010

Für den Rückblick auf das Basler Kulturjahr 2010 haben wir verschiedene Persönlichkeiten aus der Region zu ihren Höhe- und Tiefpunkten aus dem sich zu Ende neigenden Jahr befragt. Heute blickt Tobit Schäfer (30), SP-Grossrat und Geschäftsführer des Basler Rockfördervereins (RFV), auf sein Jahr zurück.

Tobit Schäfer, was war Ihr Kulturhighlight 2010?
Als Konsument gefiel mir die Lesung «Hatten Sie noch etwas aus der Minibar?» – «Ja, alles!», ein erfrischender und geistreicher Streifzug durch die Popkultur mit Intro-Redakteur Linus Volkmann und Popmusiker Jens Friebe. Als Produzent war mein Highlight die stimmige Verleihung des 2. Basler Pop-Preises an Brandhärd und The bianca Story.

Gab es auch einen kulturellen Tiefpunkt?

Der Entwurf des Kulturleitbildes Basel-Stadt, in dem viel von Controlling und Monitoring zu lesen ist, wenig jedoch von Begegnung, Freiheit, Lebensfreude und Unberechenbarkeit.

Was haben Sie verpasst?
Sicher viel in einer Stadt wie Basel, die eigentlich zu klein ist für ihre kulturelle Grösse. Das schöne daran ist aber, dass es auch im kommenden Jahr wieder viel zu erleben gibt – und zu verpassen.

Haben Sie etwas vermisst?
Immer wieder einmal Mut und Visionen in der Kultur und in der Kulturpolitik. Und manchmal vermisse ich in diesem Diskurs den Stolz auf die kulturelle Grösse unserer kleinen Stadt, aber auch die Offenheit für Neues jenseits der eigenen Schrebergärten.

Was sind Ihre Kulturwünsche fürs 2011?
Dass Basel dank seiner kulturellen Grösse über sich hinauswächst. Und dass im definitiven Kulturleitbild mehr von Begegnung, Freiheit, Lebensfreude und Unberechenbarkeit zu lesen sein wird, als in seinem Entwurf. Und vor allem, dass die Kultur in der Stadt unabhängig vom Kulturleitbild Begegnung, Freiheit, Lebensfreude und Unberechenbarkeit fordert und fördert.

Es folgen noch kulturelle Jahresrückblicke mit Carena Schlewitt (Kaserne), Hirscheneck-Booker Marlon McNeill und Galerist Stefan von Bartha. Bereits erschienen: Angelo Gallina, Guy Morin, Thomas Jenny, Smash137 und Sam Keller.

Rückblick #4: Massaker an der Art Basel Miami

schlaglicht am Mittwoch den 29. Dezember 2010

Für den Rückblick auf das Basler Kulturjahr 2010 haben wir verschiedene Persönlichkeiten aus der Region zu ihren Höhe- und Tiefpunkten aus dem sich zu Ende neigenden Jahr befragt. Der international bekannte Basler Graffiti-Künstler Smash 137 über einen verpassten Sommer, einen sonnigen Pflichttermin zum Jahresende und einen bewilligungsfreien Kulturtag für Basel.

Spraydosenmassaker: Das «Miami Can Massacre» (2010) von Smash 137.

Smash 137, was war Ihr kultureller Höhepunkt 2010?
Die Art Basel in Miami war dieses Jahr definitiv mein Highlight. Es war das dritte Mal, dass ich mir diesen späten Pflichttermin im Dezember gegeben habe, und was sich da rund um die Muttermesse Art Basel aufgebaut hat, ist der helle Wahnsinn. Im Wynwood Arts District wurde in dieser Woche jede zweite Garage leergeräumt und kurzerhand zur Galerie umfunktioniert. Und on top wurden die meisten Fassaden der Gebäude im District auch gleich noch von oben bis unten von Künstlern bemalt.Amerika zeigte sich in dieser Woche von seiner allerbesten Seite.

Gab es auch einen kulturellen Tiefpunkt?
Ja, den gab es leider. Der grosse und viel zu frühe Verlust des Basler Künstlers Sigi von Koeding alias «Dare» hat bestimmt nicht nur mich stark getroffen.

Dieses Bild entstand für eine Genfer Galerie.

Was haben Sie verpasst?
Weil ich mich intensiv auf eine Ausstellung in Genf vorbereitet hatte, habe ich den Sommer verpasst. Am Tag, an dem ich meine Bilder in die Galerie gefahren habe, regnete es und über das Radio habe ich erfahren, dass es der letzte Kalendertag des Sommer sei.

Haben Sie etwas vermisst?
Einen Abend wie die «Usestuehlete» vermisse ich schon seit längerem in Basel. Die letzte «Usestuehlete» fand hier meines Wissens im letzten Jahrtausend statt. Es war ein Abend, an dem jedermann in Basel eine Beiz auf der Strasse, unter einer Unterführung, auf einem Parkplatz oder in einem Hinterhof halten konnte. Man könnte das Ganze noch um einen Tick erweitern und es zu einem Tag erklären, an dem es in Basel keine Bewilligungen für kulturelle Events braucht. Alles wäre erlaubt, was sich nach diesem Tag wieder rückgängig machen lässt. Das könnte ein Tag sein, an dem die Stadt den Leuten gehört, die sie bewohnen und nicht denen, die sie besitzen.

Was sind Ihre Kulturwünsche fürs 2011?
Dass Basel sich mehr traut und mehr ausprobiert. Ich weiss das Kulturprogramm in Basel sehr zu schätzen, doch könnte aus meiner Sicht mehr im Bereich der nicht – oder noch nicht – etablierten Künste passieren.

Wie angeschwemmt: Ein Graffiti von Smash 137 an der Küste vor Barcelona.

Es folgen unter anderem noch kulturelle Jahresrückblicke mit Sam Keller (Fondation Beyeler) , Carena Schlewitt (Kaserne), Tobit Schäfer (Rockförderverein), Hirscheneck-Booker Marlon McNeill und Galerist Stefan von Bartha. Bereits erschienen: Angelo Gallina, Guy Morin, Thomas Jenny.

«Das Volkshaus ist eine riesige Kiste»

Luca Bruno am Mittwoch den 15. Dezember 2010

Seit letztem Donnerstag ist die Katze aus dem Sack: Die neuen Betreiber des Volkshauses heissen Leopold Weinberg und Adrian Hagenbach. Die beiden Zürcher, die sich unter dem Namen «Jugendstil AG» mit ihrem Konzept gegen zahlreiche Bewerber aus Basel durchsetzen konnten, kündigten unmittelbar nach Bekanntgabe des Juryentscheids in einer Medienmitteilung an, auch weiterhin auf die Schwerpunkte «Musik und Konzerte» setzen zu wollen.

Seite 14: Musterbespielungsplan

Wir haben die Bewerbungsmappe der «Jugendstil AG» mittlerweile genauer unter die Lupe genommen und als wir den fiktiven «Musterbespielungsplan Mai 2011» (siehe Bild links) entdeckt haben, sind wir stutzig geworden: Rainhard Fendrich? Maria Mena? «Flames of the Dance»? Entspricht dieses Musterprogramm wirklich den Vorstellungen der neuen Betreibern, dann erwartet uns zukünftig ein Musikprogramm, welches meilenweit vom vielschichtigen und abwechslungsreichen Programm, welches uns Booker Heinz Darr in den letzten 3 Jahren geboten hat, entfernt sein wird. Künstler wie Grizzly Bear, Ghostface Killah oder The Whitest Boy Alive werden den Weg ins Volkshaus wohl nicht mehr finden.

Anfang Jahr haben über 5‘000 Basler eine Petition des Komitees «Popstadt Basel» mit einer Unterschrift unterstützt. Diese Petition forderte nicht nur einen Erhalt des Volkshauses, sondern auch eine attraktive Musikprogrammierung, die sich an Clubs wie dem Fribourger «fri-son» oder der «Laiterie» in Strasbourg orientieren soll – Clubs also, die sich seit Jahren für ihr abwechslungsreiches und vor allem alternatives Musikprogramm auszeichnen. Wir haben bei Lukas Heydrich, Initiator und Vorsteher des Komitees, nachgefragt, was er von den aktuellen Entwicklungen rund ums Volkshaus hält.

Werden sie mit den neuen Betreibern Kontakt aufnehmen und sie an die Petition erinnern?
Lukas Heydrich:
Ganz klar Ja. Wir haben die «Jugendstil AG» bereits kontaktiert und werden mit ihnen diesbezüglich das Gespräch suchen.

Wie lautet ihr Ersteindruck zum Konzept der «Jugendstil AG»?
Wenn ich mir das Konzept anschaue, sehe ich ein sehr überzeugendes Gastro- und Hotellerie-Konzept. Die Bespielung der Säle kommt jedoch noch sehr profillos daher und entspricht überhaupt nicht dem, was wir mit unserer Petition damals erreichen wollten. Da müssen wir auf alle Fälle nachhaken. Grundsätzlich hat das Jahr 365 Tage und die neuen Betreiber sind zweifelsohne an einem erfolgreichen Betrieb interessiert und daher für Drittanbieter offen. Die verschiedenen Räumlichkeiten können also vielseitig genutzt werden. Jetzt geht es darum, dass die regionalen Anbieter dieses Angebot auch annehmen. Die Infrastruktur, die ganz am Anfang der Petition stand, sollte ja nun kein Problem mehr sein.

Der fiktive «Musterbespielungsplan» lässt nicht gerade auf ein kreatives Musikprogramm hoffen. Wären sie mit den anderen eingereichten Konzepten glücklicher gewesen?
Auch «act entertainment» und die «AVO Session» sind nicht gerade für ihr Independent-Programm berühmt. Und ob das Volkshaus von Baslern oder Zürchern geführt wird, ist mir schlussendlich egal. Da wehre ich mich klar gegen dieses zum Teil vorherrschende kleinräumliche Denken gewisser Personen. Man muss den Betreibern einfach darlegen, dass in Basel ein grosses Bedürfnis nach mittelgrossen Acts aus dem Independent-/Alternativbereich besteht und sich ein solches Programm auch erfolgreich durchführen lässt. Die Devise war so oder so, dass wir wachsam bleiben müssen – egal wer am Ende das Rennen machen würde.

Wie sieht für Sie eine realistische zukünftige Nutzung des Volkshauses aus?
Die verschiedenen Konzepte wollten alle auf das Gleiche hinaus: Ein neues Gastro-Konzept muss her, die Verwaltung muss raus und die Säle müssen intensiver genutzt werden. Wenn im Konzept der «Jugendstil AG» beispielsweise Platz für wöchentlich zwei Konzerte im Bereich «Independent» Platz ist und dies auch konsequent als eigenständige Veranstaltungsreihe vermarktet und wahrgenommen wird, dann wäre dies bereits grossartig. Wenn an den restlichen Abenden Emil und Diashow angesagt ist und dies das Stammpublikum so akzeptiert – man darf nicht vergessen, dass eine Location auch über eine gewisse Glaubwürdigkeit verfügen muss – dann kann ich damit gut leben. Auch darf nicht vergessen werden, dass das Volkshaus eine riesige Kiste ist, womit auch ein grosses unternehmerisches Risiko verbunden ist. Es braucht also auch die rein kommerzielle Schiene, wie es übrigens auch bereits unter Heinz Darr der Fall war.

Und falls nun doch alle Stricke reissen sollten und sich die Programmierung der «Jugendstil AG» nicht mit den Forderungen eurer Petition vereinbaren lässt, haben sie Alternativen in der Hinterhand?
Zuerst einmal abwarten und Tee trinken. Wie gesagt: Wir müssen nun auf die Leute zugehen und abklären, was möglich ist – erst dann können wir weiterplanen. Eine Petition ist ja unverbindlich. Notfalls müsste man halt bei der Kaserne nochmals ansetzen. Die Regierung hat ja bewusst ein Projekt gewählt, welches nicht mit der Kaserne konkurrieren soll – das ist für mich der heikelste Punkt. Eigentlich heisst das ja, dass die Kaserne nun das Programm des Volkshauses weiterführen muss – und da sehe ich schwarz.

Gebloggte Blogger

karen gerig am Donnerstag den 9. Dezember 2010

Schlaglicht darf sich über Interesse über die Kantonsgrenzen hinaus freuen: KulturStattBern, unsere Kollegen in Bern, haben gestern bei uns nachgefragt, wer wir so sind und was wir machen. Das Interview findet sich hier. Viel Spass beim Lesen, und danke an die Aare!

Casiotone for the painfully hopeful

Luca Bruno am Dienstag den 7. Dezember 2010

In den letzten Jahren haben die ganzen Göläs und Patent Ochsners ganze Arbeit geleistet, um uns sämtliche Freude an Schweizerdeutscher Popmusik zu nehmen. So ist es umso erfreulicher, dass es sich nun endlich eine neue Generation Musiker zur Aufgabe gemacht hat, das Thema «Popmusik auf Schweizerdeutsch» wesentlich unverkrampfter anzugehen, als es die alte Generation getan hat. Und die gesunde Portion Ironie darf dabei natürlich auch nicht fehlen.

Volta Vital gilt dank seinen zahlreichen Konzerten seit einiger Zeit als Geheimtipp und seine vor wenigen Tagen erschienene Debüt-EP (sozusagen ein Mini-Album) sorgt nun endlich dafür, dass wir das «Geheim» mit bestem Gewissen streichen dürfen. Die «Mittelmass» EP enthält 7 Pophits, irgendwo zwischen Console und dem Jeans Team, welche von «slice of life»-Geschichten handeln, die sich mit den zahlreichen Hürden, die man im Leben so zu meistern hat, befassen. Und diese Hürden sind zwar hoch, den Mut verliert Volta Vital aber nie: «Au wenn die Mönschheit dräck isch, ond zwar de letschti, wönschti trotzdem du wärsch mis Hafebecki» (aus «Hafebecki»).

Wieso er seine überdurchschnittliche EP jedoch Mittelmass nennt und wie eigentlich sein Verhältnis zu Schweizerdeutscher Popmusik ist, beantwortet uns Volta Vital gleich selber:

Du singst auf Schweizerdeutsch. Inwiefern war das eine natürliche Entscheidung?
Das war keine Entscheidung. Ich merkte einfach, dass es so auch geht – und das trotz der vielen abschreckenden Beispiele an «Schweizerdeutscher Popmusik». Eigentlich bemerkte ich sogar, dass es so viel besser geht.

Deine EP heisst «Mittelmass». Warum diese Tiefstapelei?
Mittelmass ist doch ein schönes Wort, oder?

Auf deiner EP singst du über die Wettsteinbrücke, über ein Hafenbecken und nicht zuletzt Arlesheim. inwiefern darf man deine Platte als Hommage an Basel sehen?
Ich singe oft über Dinge, die vor meiner Nase passieren, oder zumindest passieren könnten. Darum musste das wohl so kommen. Zudem liebe ich diese Stadt. Gleichzeitig ist aber der geografische Bezug für das Funktionieren der Texte meines Erachtens nicht so wichtig.

Du veröffentlichst deine EP auf dem Netzlabel Interdisco – und zwar komplett gratis. Hältst du den physischen Tonträger für überholt?
Durch meine Doppelschichten im Stahlwerk habe ich bereits ein geregeltes Einkommen. Und physische Tonträger sind zwar eine feine Sache – vor allem diese 180-Gramm Vinylscheiben – doch leider platzintensiv und dadurch belastend – und sie verbrauchen Ressourcen. Dies hat mich übrigens auch in letzter Zeit davon abgehalten, übermässig Musik einzukaufen. Zudem höre ich fast nur noch mit dem iPod Musik. Und Interdisco ist schliesslich wie eine Heimat für mich.

Du hast also mit dem physischen Besitz von Musik abgeschlossen. Hast du dennoch keine Bedenken, dass damit auch niemand anderes deine Musik physisch erwerben kann?
Bedenken, dass ich meine Musik verschenke? Nein. Einer Urheberrechtsverwertungsgesellschaft beitreten, mein Werk anmelden? Ich bin ja schon mit meiner Steuererklärung überfordert! Es sollen einfach möglichst viele Leute Spass dran haben. Klar, Konzerte spielen ist schon toll und ich suche ja auch Auftrittsmöglichkeiten, und da gibt‘s ja dann manchmal auch ein wenig Gage. Aber im Grunde ist es ein Hobby. Und es ist Independent, echt Independent!

Die komplette «Mittelmass» EP gibt’s auf dem Basler Netzlabel Interdisco Gratis zum Download: http://interdisco.net/music/id25. In naher Zukunft soll ausserdem eine Remix EP mit Remixen von Dario Rohrbach, Hachi u.a. erscheinen, die Interdisco ebenfalls kostenlos zur Verfügung stellen wird.

Volta Vital gibt’s diesen Freitag, am 10. Dezember 2010, im Artstübli Basel live zu sehen.