Archiv für die Kategorie ‘Blog-Autoren’

«Das Volkshaus ist eine riesige Kiste»

Luca Bruno am Mittwoch den 15. Dezember 2010

Seit letztem Donnerstag ist die Katze aus dem Sack: Die neuen Betreiber des Volkshauses heissen Leopold Weinberg und Adrian Hagenbach. Die beiden Zürcher, die sich unter dem Namen «Jugendstil AG» mit ihrem Konzept gegen zahlreiche Bewerber aus Basel durchsetzen konnten, kündigten unmittelbar nach Bekanntgabe des Juryentscheids in einer Medienmitteilung an, auch weiterhin auf die Schwerpunkte «Musik und Konzerte» setzen zu wollen.

Seite 14: Musterbespielungsplan

Wir haben die Bewerbungsmappe der «Jugendstil AG» mittlerweile genauer unter die Lupe genommen und als wir den fiktiven «Musterbespielungsplan Mai 2011» (siehe Bild links) entdeckt haben, sind wir stutzig geworden: Rainhard Fendrich? Maria Mena? «Flames of the Dance»? Entspricht dieses Musterprogramm wirklich den Vorstellungen der neuen Betreibern, dann erwartet uns zukünftig ein Musikprogramm, welches meilenweit vom vielschichtigen und abwechslungsreichen Programm, welches uns Booker Heinz Darr in den letzten 3 Jahren geboten hat, entfernt sein wird. Künstler wie Grizzly Bear, Ghostface Killah oder The Whitest Boy Alive werden den Weg ins Volkshaus wohl nicht mehr finden.

Anfang Jahr haben über 5‘000 Basler eine Petition des Komitees «Popstadt Basel» mit einer Unterschrift unterstützt. Diese Petition forderte nicht nur einen Erhalt des Volkshauses, sondern auch eine attraktive Musikprogrammierung, die sich an Clubs wie dem Fribourger «fri-son» oder der «Laiterie» in Strasbourg orientieren soll – Clubs also, die sich seit Jahren für ihr abwechslungsreiches und vor allem alternatives Musikprogramm auszeichnen. Wir haben bei Lukas Heydrich, Initiator und Vorsteher des Komitees, nachgefragt, was er von den aktuellen Entwicklungen rund ums Volkshaus hält.

Werden sie mit den neuen Betreibern Kontakt aufnehmen und sie an die Petition erinnern?
Lukas Heydrich:
Ganz klar Ja. Wir haben die «Jugendstil AG» bereits kontaktiert und werden mit ihnen diesbezüglich das Gespräch suchen.

Wie lautet ihr Ersteindruck zum Konzept der «Jugendstil AG»?
Wenn ich mir das Konzept anschaue, sehe ich ein sehr überzeugendes Gastro- und Hotellerie-Konzept. Die Bespielung der Säle kommt jedoch noch sehr profillos daher und entspricht überhaupt nicht dem, was wir mit unserer Petition damals erreichen wollten. Da müssen wir auf alle Fälle nachhaken. Grundsätzlich hat das Jahr 365 Tage und die neuen Betreiber sind zweifelsohne an einem erfolgreichen Betrieb interessiert und daher für Drittanbieter offen. Die verschiedenen Räumlichkeiten können also vielseitig genutzt werden. Jetzt geht es darum, dass die regionalen Anbieter dieses Angebot auch annehmen. Die Infrastruktur, die ganz am Anfang der Petition stand, sollte ja nun kein Problem mehr sein.

Der fiktive «Musterbespielungsplan» lässt nicht gerade auf ein kreatives Musikprogramm hoffen. Wären sie mit den anderen eingereichten Konzepten glücklicher gewesen?
Auch «act entertainment» und die «AVO Session» sind nicht gerade für ihr Independent-Programm berühmt. Und ob das Volkshaus von Baslern oder Zürchern geführt wird, ist mir schlussendlich egal. Da wehre ich mich klar gegen dieses zum Teil vorherrschende kleinräumliche Denken gewisser Personen. Man muss den Betreibern einfach darlegen, dass in Basel ein grosses Bedürfnis nach mittelgrossen Acts aus dem Independent-/Alternativbereich besteht und sich ein solches Programm auch erfolgreich durchführen lässt. Die Devise war so oder so, dass wir wachsam bleiben müssen – egal wer am Ende das Rennen machen würde.

Wie sieht für Sie eine realistische zukünftige Nutzung des Volkshauses aus?
Die verschiedenen Konzepte wollten alle auf das Gleiche hinaus: Ein neues Gastro-Konzept muss her, die Verwaltung muss raus und die Säle müssen intensiver genutzt werden. Wenn im Konzept der «Jugendstil AG» beispielsweise Platz für wöchentlich zwei Konzerte im Bereich «Independent» Platz ist und dies auch konsequent als eigenständige Veranstaltungsreihe vermarktet und wahrgenommen wird, dann wäre dies bereits grossartig. Wenn an den restlichen Abenden Emil und Diashow angesagt ist und dies das Stammpublikum so akzeptiert – man darf nicht vergessen, dass eine Location auch über eine gewisse Glaubwürdigkeit verfügen muss – dann kann ich damit gut leben. Auch darf nicht vergessen werden, dass das Volkshaus eine riesige Kiste ist, womit auch ein grosses unternehmerisches Risiko verbunden ist. Es braucht also auch die rein kommerzielle Schiene, wie es übrigens auch bereits unter Heinz Darr der Fall war.

Und falls nun doch alle Stricke reissen sollten und sich die Programmierung der «Jugendstil AG» nicht mit den Forderungen eurer Petition vereinbaren lässt, haben sie Alternativen in der Hinterhand?
Zuerst einmal abwarten und Tee trinken. Wie gesagt: Wir müssen nun auf die Leute zugehen und abklären, was möglich ist – erst dann können wir weiterplanen. Eine Petition ist ja unverbindlich. Notfalls müsste man halt bei der Kaserne nochmals ansetzen. Die Regierung hat ja bewusst ein Projekt gewählt, welches nicht mit der Kaserne konkurrieren soll – das ist für mich der heikelste Punkt. Eigentlich heisst das ja, dass die Kaserne nun das Programm des Volkshauses weiterführen muss – und da sehe ich schwarz.

«Do you understand english? English sucks, english sucks…»

Luca Bruno am Montag den 13. Dezember 2010

Vorgestern haben wir euch von den beiden Mixtapes des New Yorker Rapkollektivs Das Racist vorgeschwärmt. Gestern Abend haben wir im 1.STOCK nun gleich selbst überprüft, ob das Brooklyner Trio seine Versprechen auch Live einhalten kann.

Zuerst allerdings die Aufwärmübungen, die an diesem Sonntagabend von der jungen New Yorkerin Tecla übernommen werden. Mit ihren synthesizer-lastigen Popsongs bringt sie während 15 Minuten zumindest die ersten Reihen mehrmals zum Hüpfen. Ein Versprechen für die Zukunft.

Im Verlaufe des Abends bezeichnen Das Racist den mittlerweile gut gefüllten 1. Stock geschätzte 20 Mal als «super dope». Auf ihrem Track «hahahaha jk?» rappen Das Racist jedoch «We’re not joking, just joking, we are joking» und in der Tat konnte man sich das ganze Konzert über nicht ganz sicher sein, ob die drei New Yorker wirklich Gefallen am Basler Publikum gefunden haben oder ob wir gerade veräppelt werden. «Do you understand english?», wollten die Drei etwa von der johlenden Menge wissen. «English sucks, english sucks, english sucks…» gab es als Antwort.

Die Herren sind Meister im Vor-den-Kopf-Stossen, unterwegs auf dem schmalen – und unterhaltsamen – Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Wen wundert es da noch, dass wenn Das Racist plötzlich zum Publikum meint «shut up». Zuerst mit ernstem Gesicht, dann mit breitem Kiffergrinsen. Eines steht fest: Die Drei haben jede Menge Spass auf der Bühne – zumindest unter sich. Das Airhorn wird rege betätigt und auch auf das in der Ecke stehende Drumkit wird immer mal wieder eingehauen.

Das Racist fordern «mehr Pizza» auf den Monitoren, ihren Hit «Combination Pizza Hut and Taco Bell» verweigern sie uns jedoch. Hits wie «Who’s That? Brooown!» oder «You Oughta Know» machen die Absenz ihres Breakout-Hits jedoch vergessen.

Zum Abschluss erklingt dann «Simply the Best» von Tina Turner aus den Boxen – um diesem Motto auch wirklich gerecht zu werden, hätte uns Das Racist allerdings gerne mehr als 30 Minuten unterhalten dürfen.

Hare-Krishna-Rap und ein Vierteljahrhundert Country in Münchenstein

Luca Bruno am Samstag den 11. Dezember 2010

Letzte Woche haben wir vom 1.STOCK in Münchenstein geschwärmt. Ob unsere Behauptung, dass das Lokal momentan über die beste Livemusik-Programmierung der Stadt verfügt, auch wirklich stimmt, können wir in den nächsten 7 Tagen gleich mehrmals überprüfen.

«Sit Down, Man»

«Sit Down, Man»

Den Anfang machen die New Yorker Das Racist, welche diesen Sonntag, dem 12. Dezember, dem 1. Stock einen Besuch abstatten werden. Auf ihrer MySpace-Seite beschreibt sich die Band als «a weed edge/hare krishna hard core/art rap/freak folk music trio». Letztes Jahr bekam die Blogosphäre dank ihrem Track «Combination Pizza Hut and Taco Bell» zum ersten Mal Wind von Das Racist und schnell war man versucht, das Duo als ein weiteres Hipsterprojekt aus Brooklyn abzustempeln. Doch schon ihr erstes Mixtape «Shut Up, Dude», welches diesen März erschien, bewies eindrücklich das Gegenteil.

Das Racist bringen zwar eine wichtige Komponente von Hipstermusik mit: Ihre Lyrics lesen sich wie ein Lexikon zeitgenössischer Popkultur und kommen dementsprechend auch verpackt in jede Menge Ironie daher, ihre musikalischen Referenzen sind allerdings viel zu tief, als dass es sich hier nur um ein blosses Spassprojekt handeln könnte. So ist beispielsweise der erste Track von «Shut Up, Dude» eine clevere Hommage an A Tribe Called Quest und in einem anderen Track wiederum wird Ghostface Killahs Klassiker «Nutmeg» angegangen.

Vor knapp 3 Monaten erschien mit «Sit Down, Man» nun ihr zweites Mixtape und ein kurzer Blick auf die Produzenten- und Gästeliste zeigt, dass sich Das Racist über die vergangenen Monate jede Menge Bewunderer angeschafft haben. Besonders erfreulich ist jedoch, dass sich unter den Gästen nicht nur Hip Hop-Grössen wie beispielsweise El-P befinden, sondern auch zahlreiche junge Brooklyn-Bands wie Chairlift oder KeepAway, die mit Hip Hop normalerweise nichts am Hut haben, die Produzentenrolle auf «Sit Down, Man» übernahmen.

Wir empfehlen das Konzert von Das Racist also allen, die wieder einmal über den Tellerrand hinausschauen möchten und wer sich aus diesem Grund ordentlich vorbereiten will, macht das am besten mit den beiden erwähnten Mixtapes, die sich auf der offiziellen Homepage von Das Racist in voller Länge anhören lassen.

Ein komplett anderes Bild bietet sich uns dann am nächsten Mittwoch. Am 15. Dezember tritt nämlich Alt Country-Grösse Howe Gelb mit seiner Band Giant Sand im nahegelegenen Depot auf. Und wer sich auf dieses Konzert ebenfalls optimal vorbereiten möchte, wird bis nächsten Mittwoch ausgiebig beschäftigt sein: Seit 1985 erschienen nämlich nicht weniger als 25 Alben von Giant Sand.

Das Motto der aktuellen Tour lautet dementsprechend «25 Jahre, 25 Alben Giant Sand» und wir dürfen nebst Stücken aus ihrem sehr gelungenen aktuellen Album «Blurry Blue Mountain» also auch auf den einen oder anderen Klassiker hoffen. Howe Gelb war in den vergangenen Jahren zwar gern gesehener Gast in der Schweiz, sein letzter Auftritt in Basel unter dem Namen Giant Sand liegt jedoch schon einige Jahre zurück. Und wer sich seit 10 Jahren nicht mehr mit Howe Gelb beschafft haben sollte, sei hiermit beruhigt: Auch 2010 steht Giant Sand noch immer für staubigen und intimen Alternative Country – wie man ihn in der Wüste von Arizona schon seit 25 Jahren macht.

Gebloggte Blogger

karen gerig am Donnerstag den 9. Dezember 2010

Schlaglicht darf sich über Interesse über die Kantonsgrenzen hinaus freuen: KulturStattBern, unsere Kollegen in Bern, haben gestern bei uns nachgefragt, wer wir so sind und was wir machen. Das Interview findet sich hier. Viel Spass beim Lesen, und danke an die Aare!

Casiotone for the painfully hopeful

Luca Bruno am Dienstag den 7. Dezember 2010

In den letzten Jahren haben die ganzen Göläs und Patent Ochsners ganze Arbeit geleistet, um uns sämtliche Freude an Schweizerdeutscher Popmusik zu nehmen. So ist es umso erfreulicher, dass es sich nun endlich eine neue Generation Musiker zur Aufgabe gemacht hat, das Thema «Popmusik auf Schweizerdeutsch» wesentlich unverkrampfter anzugehen, als es die alte Generation getan hat. Und die gesunde Portion Ironie darf dabei natürlich auch nicht fehlen.

Volta Vital gilt dank seinen zahlreichen Konzerten seit einiger Zeit als Geheimtipp und seine vor wenigen Tagen erschienene Debüt-EP (sozusagen ein Mini-Album) sorgt nun endlich dafür, dass wir das «Geheim» mit bestem Gewissen streichen dürfen. Die «Mittelmass» EP enthält 7 Pophits, irgendwo zwischen Console und dem Jeans Team, welche von «slice of life»-Geschichten handeln, die sich mit den zahlreichen Hürden, die man im Leben so zu meistern hat, befassen. Und diese Hürden sind zwar hoch, den Mut verliert Volta Vital aber nie: «Au wenn die Mönschheit dräck isch, ond zwar de letschti, wönschti trotzdem du wärsch mis Hafebecki» (aus «Hafebecki»).

Wieso er seine überdurchschnittliche EP jedoch Mittelmass nennt und wie eigentlich sein Verhältnis zu Schweizerdeutscher Popmusik ist, beantwortet uns Volta Vital gleich selber:

Du singst auf Schweizerdeutsch. Inwiefern war das eine natürliche Entscheidung?
Das war keine Entscheidung. Ich merkte einfach, dass es so auch geht – und das trotz der vielen abschreckenden Beispiele an «Schweizerdeutscher Popmusik». Eigentlich bemerkte ich sogar, dass es so viel besser geht.

Deine EP heisst «Mittelmass». Warum diese Tiefstapelei?
Mittelmass ist doch ein schönes Wort, oder?

Auf deiner EP singst du über die Wettsteinbrücke, über ein Hafenbecken und nicht zuletzt Arlesheim. inwiefern darf man deine Platte als Hommage an Basel sehen?
Ich singe oft über Dinge, die vor meiner Nase passieren, oder zumindest passieren könnten. Darum musste das wohl so kommen. Zudem liebe ich diese Stadt. Gleichzeitig ist aber der geografische Bezug für das Funktionieren der Texte meines Erachtens nicht so wichtig.

Du veröffentlichst deine EP auf dem Netzlabel Interdisco – und zwar komplett gratis. Hältst du den physischen Tonträger für überholt?
Durch meine Doppelschichten im Stahlwerk habe ich bereits ein geregeltes Einkommen. Und physische Tonträger sind zwar eine feine Sache – vor allem diese 180-Gramm Vinylscheiben – doch leider platzintensiv und dadurch belastend – und sie verbrauchen Ressourcen. Dies hat mich übrigens auch in letzter Zeit davon abgehalten, übermässig Musik einzukaufen. Zudem höre ich fast nur noch mit dem iPod Musik. Und Interdisco ist schliesslich wie eine Heimat für mich.

Du hast also mit dem physischen Besitz von Musik abgeschlossen. Hast du dennoch keine Bedenken, dass damit auch niemand anderes deine Musik physisch erwerben kann?
Bedenken, dass ich meine Musik verschenke? Nein. Einer Urheberrechtsverwertungsgesellschaft beitreten, mein Werk anmelden? Ich bin ja schon mit meiner Steuererklärung überfordert! Es sollen einfach möglichst viele Leute Spass dran haben. Klar, Konzerte spielen ist schon toll und ich suche ja auch Auftrittsmöglichkeiten, und da gibt‘s ja dann manchmal auch ein wenig Gage. Aber im Grunde ist es ein Hobby. Und es ist Independent, echt Independent!

Die komplette «Mittelmass» EP gibt’s auf dem Basler Netzlabel Interdisco Gratis zum Download: http://interdisco.net/music/id25. In naher Zukunft soll ausserdem eine Remix EP mit Remixen von Dario Rohrbach, Hachi u.a. erscheinen, die Interdisco ebenfalls kostenlos zur Verfügung stellen wird.

Volta Vital gibt’s diesen Freitag, am 10. Dezember 2010, im Artstübli Basel live zu sehen.

Amici del Rap – Vom Sofa in den Club

Joel Gernet am Freitag den 3. Dezember 2010

Ein Sofaheld sitzt vor dem Fernseher und kann alles besser. Den verschossenen Penalty hätte er höchstpersönlich eiskalt versenkt; die Quizfrage hätte er ohne Zusatzjoker beantwortet und die jämmerliche Darbietung dieses billigen Casting-Sternchens hätte er sowieso mit links überboten. Amici del Rap (ADL) sind Sofahelden. Deshalb heisst auch das neuste Album der Rapband aus Liestal so. «Im Rap geht es ja meistens darum, der grösste Held zu sein – und wir sind halt Sofahelden», erklärt Rapper Mirco Melone. «Der Albumtitel ist Selbst- und Gesellschaftskritik zugleich», ergänzt Dicher, der zweite Rapper der Crew.

In einer Zeit, in der es überall darum geht, der Beste und Grösste zu sein, geben Amici del Rap also Gegensteuer. Auf «Sofahelde» – draussen seit dem 5. November – wird kein aufgesetztes Winnerlächeln präsentiert, viel eher wird entwaffnend gegrinst. Neben nachdenklichen und kritischen Passagen (etwa auf «Schtill» oder «Kei Bock») ist es vor allem diese unverkrampfte Ehrlichkeit, welche die Crew aus Lietsch-City auszeichnet. Etwa bei der «Chalberei» mit den Kollegen und Wegbereitern der TAFS. Das Gastspiel passt perfekt, sind doch Amici del Rap drauf und dran, sich als zweite Liestaler Rapband hinter der TAF-Squad einen hervorragenden, überregionalen Ruf zu erarbeiten.

Beeindruckend auch der Kontrast auf dem Song «California», dessen Strophen nachdenklich-depressiv daherkommen, gefolgt von fast schon kitschigem kalifornischen Sonnenschein im Refrain. Solche Gegensätz finden sich selten in einem einzigen Song – zumindest im Schweizer Rap.

Im Gegensatz zum Debut-Album «Euses Ding» (2006) sind ADL nun mit kompletter Band im Rücken unterwegs – ein Gewinn, nicht nur bei den Live-Konzerten. Im November haben Amici del Rap noch als Vorgruppe der TAFS die Kuppel aufgeheizt. Nun sind die Freunde des Rap selber am Zug – am Samstag, 4. Dezember, wird im Modus Liestal das neue Album getauft. Selbstverständlich wird dann auch das rosarote Sofa aus dem Sofahelden-Videoclip auf der Bühne zugegen sein.

  • CD: Amici del Rap, Sofahelde, VÖ 05.11.2010
  • Plattentaufe: Modus, Liestal, mit Black Tiger, Blazup Tunes, Vinyl Bros, uvm… Doors, 21:00 Uhr, Abendkasse: CHF.20.-
  • Wir verlosen 2 Sofahelde-CDs: Wer gewinnen will, schreibt uns ein Mail, in dem beantwortet wird, ob der ADL-Rapper a) Mirco Mamba b) Mirco Melone oder c) Mirco Microphon heisst. Viel Glück.

«Guitar madness» im Hirscheneck

Luca Bruno am Montag den 29. November 2010
Marnie Stern

Foto: David Torch

Die Zeiten, in denen im Hirscheneck regelmässig Bands wie The National, Patrick Wolf oder Why? zu Gast waren, sind dank immer höher steigenden Künstlergagen zwar seit längerem vorbei. Wer deswegen aber meint, dass am Lindenberg 23 nur noch Hardcore, Deathcore und Sowiesocore-Bands auftreten, täuscht sich gewaltig. Auch 2010 bespielten wieder einige Indie Rock-Perlen die Bühne des Hirschenecks und die grösste Perle des Jahres schaut morgen Abend, am 30. November, vorbei.

Die Rede ist von Marnie Stern, eine 34-jährige Songwriterin aus New York. Wer hinter dem Begriff «Songwriterin» musikalische Untermalung für den nächsten Starbucks-Besuch erwartet, ist bei  Marnie Stern jedoch an der falschen Adresse. Die Homepage des Hirschenecks kündigt das Konzert als «Guitar madness» an und bevor wir näher auf diesen Begriff eingehen, schauen wir uns doch am besten kurz folgendes Video an:

«Guitar madness» trifft es also ganz gut. Und wem dieses Video nur ein emotionsloses Schulterzucken hervorlocken sollte – schliesslich gibt es ja nichts langweiligeres als endlose Gitarrensolos – beruhigen wir mit folgender Tatsache: Marnie Sterns Herz gehört trotz technischer Versiertheit dem Pop. Ihre Songs sind kurz und prägnant und orientieren sich nicht etwa am Classic Rock, sondern viel mehr an Bands wie den Minutemen oder Television.

Marnie Sterns drei Alben sind auf dem traditionsreichen US-Label Kill Rock Stars erschienen. Eine hervorragende Kombination; denn wer beispielsweise ihre Labelkollegen Deerhoof oder Sleater-Kinney mag, wird auch an Marnie Stern Gefallen finden.

«Transparency Is The New Mystery» (aus «Marnie Stern», 2010, Kill Rock Stars)

Marnie Stern: Diesen Dienstagabend (30. November) Live im Hirscheneck. Support von den Longjhons. Doors: 21:00, Beginn: 21:30.

«Eine Stadt in der Grösse von Basel sollte auf jeden Fall einen grösseren Club haben.»

Luca Bruno am Samstag den 27. November 2010

Kaum jemand anderes hatte in den vergangenen Jahren einen so guten Blick hinter die Konzertkulissen der Stadt Basel wie Heinz Darr. Bis vor kurzem war er Bookingverantwortlicher des Volkshauses und hatte vor ein paar Jahren die gleiche Position in der Kaserne inne.

Gestern haben wir uns gefragt, ob Basler eigentlich einfach nicht gerne an Konzerte gehen. Heinz Darr präsentiert uns seine Sicht der Dinge:

Ist Basel ein gutes Pflaster für Konzerte?
Heinz Darr:
Basel hat eine gute Tradition im Britpop, die bis heute wirkt. Natürlich werden die Konzertgänger älter und neue Generationen wachsen nach. Doch wenn man ein Programm nicht nur für die «Szene» macht und auch Publikum von Deutschland, Frankreich und der Restschweiz generiert, hat man auch in Basel tolle Möglichkeiten.

Was heisst das konkret für die Programmierung einer Location wie das Volkshaus?
Ein grösserer Club, der nur auf eine Richtung spezialisiert ist, sei es Indie, Hip Hop oder Techno, wird auf Dauer Probleme haben. Das was für einen kleinen Club unverzichtbar ist – Ausrichtung auf ein Stammpublikum und Verlässlichkeit in der Programmausrichtung – kann für einen grossen Club zur Falle werden, weil es so unheimlich schwierig wäre, regelmässig 1000 Besucher zu generieren. Deshalb muss man aber noch lange nicht «alles» machen, das hängt dann von der eigenen Kompromissfähigkeit ab.

In Basel beschweren sich Konzertgänger oftmals darüber, dass ein zu kleines Angebot besteht. Trotzdem sind die Konzerte in dieser Stadt chronisch unterbesucht. Woran liegt das?
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es Bands gibt, die in einer vergleichbaren Stadt das Gegenteil bewirken. Das heisst im Klartext: Konzerte, die in Basel kein Publikum anziehen, sind in einer vergleichbaren Stadt auch nicht plötzlich ausverkauft. Es bleibt ein Problem für unbekannte Bands, ein Publikum zu erreichen. Das ist nicht nur in Basel so. Allerdings hatte ich auch schon den Eindruck, dass man hier nicht sonderlich experimentierfreudig ist. Anderseits ist ein grosses Konzertangebot immer vom Publikumszuspruch abhängig: Langfristig wird es nicht 10 Konzerte pro Woche geben, wenn nur eines oder zwei gut besucht werden. Wenn alle die gleiche Rosine picken, wird die Möglichkeit des Rosinenpickens wegfallen.

Ist es in Basel, das nur knapp 50 Zugminuten von Zürich, einer Stadt mit einem viel besseren Konzertangebot, entfernt liegt, überhaupt möglich, ein vernünftiges Konzertprogramm auf die Beine zu stellen?
Natürlich ist Zürich eine Liga für sich, welche die Konzerte bündelt. Die Konkurrenz um eine bekannte Band ist vielfältig, da in der Regel nur ein Termin für die Schweiz zur Verfügung steht. Zürich ist die erste Präferenz, alle anderen Schweizer Städte bewerben sich auch und die Clubs in Basel konkurrieren sich ebenfalls. Aber natürlich gibt es immer wieder Chancen, Bands auch nach Basel zu holen, das zeigt die Vergangenheit.

Das Komitee «Popstadt Basel» fordert eine zusätzliche Konzerthalle für Basel die 1000-1500 Zuschauer fasst. Ist das überhaupt der richtige Ansatz, wenn Konzerte hier so oft nur spärlich besucht sind?
Eine Stadt in der Grösse von Basel sollte auf jeden Fall einen grösseren Club haben. Es gibt ja Schweizer Künstler wie Stress, die Lovebugs oder Sophie Hunger, die nicht mehr unbedingt in einem kleinen Club spielen. Dann sind da deutsche Acts wie Clueso, Sido, BossHoss u.a., die national erfolgreich sind und gerne und oft in der Deutschschweiz spielen. Und internationale Acts von grösserer Bekanntheit würden ohne grössere Konzerthalle so einen Bogen um Basel machen. Und dass grosse Clubs in mittelgrossen Städten funktionieren, sieht man ja in anderen Städten wie Bern, Fribourg oder Solothurn.

Die Kaserne reicht also nicht aus?
Die Reithalle in der Kaserne ist eine tolle Konzertlocation. Durch die zusätzlichen Sparten Theater und Tanz gibt es allerdings zum Einen recht wenig Freitermine für Konzerte und zum Anderen steht die Halle nicht «konzertbereit» mit Bühne, Sound und Lichtanlage zur Verfügung und muss immer erst auf- und nach der Veranstaltung wieder zurückgebaut werden, was jeweils mehrere Tage dauert und sehr kostenintensiv ist.

Nehmen wir mal an, es stünde ein unlimitiertes Budget für die Errichtung einer neuen Konzertlocation in Basel zur Verfügung. Wie sollte diese Location aussehen?
Ich finde das Volkshaus architektonisch und klanglich wesentlich gelungener als viele neue Spielorte, an denen ich war. Einem Neubau fehlt einfach das Flair, wie es ein älteres Gebäude hat. Ich würde also viel Geld in das Volkshaus investieren, bevor etwas Neues gebaut wird. Umgebaute Fabrikhallen haben meist eine gute Atmosphäre, leiden aber oft unter Soundproblemen. Ich war allerdings einmal im Kraftwerk in Rottweil, einem Industriedenkmal, jetzt Veranstaltungslocation. Da dachte ich, das dies in etwa die perfekte Location sei – ausser der Tatsache, dass sie in Rottweil steht (die Rottweiler mögen mir verzeihen).

Auch wenn Ihre Zeit im Volkshaus von eher kurzer Dauer war: Was waren Ihre Highlights?
Das erste Konzert von Sophie Hunger hatte etwas magisches, das sie niemals mehr in dieser Form erreichte. Grizzly Bear waren als Band der Stunde unheimlich schwer zu bekommen und ich war doch ziemlich stolz darauf, dass sie schlussendlich in Basel spielten. Milow war das am schnellsten ausverkaufte Konzert – das hätte man sicherlich auch an drei Tagen vollbekommen. Und die Aftershow-Party von Erobique und The Whitest Boy Alive war unglaublich cool und der wohl schönste Sommerabend, den ich in Basel erlebt habe.

stahlbergerheuss «Im Schilf»

chris faber am Freitag den 26. November 2010

Die wahnwitzigen Maschinen von Erfinder Stefan Heuss spielen den 2 Künstlern im Teufelhof wahrlich in die Hände. Verkehrskegel-Megafon, Flamenco-Gitarren-Nähmaschine, Kokosnusstrommel, Pingpongkanone oder die Sparversion des Dudelsacks: Presskanister mit Flötenansatz umspielen die heftigst heimtückischen Liedtexte wie eine Filmmusik und gehen in Richtung Kunstperformance. Die Texte, charmant stoisch von Stahlberger und liebevoll enthusiastisch von Heuss vorgetragen, nutzen Situationen wie Schneeschuhlaufen, Zahnarzt, Saunagang oder auch mal den Weltuntergang, um skurrile, aber sehr wahrhaftig witzige nachdenkliche Ansichten zu verbreiten. Heuss funktioniert alltägliche Dinge so gekonnt genial zu Musikmaschinen um, das sie auch dem Museum Tinguely gut stehen würden. Wie Heuss spielt Mäder-Kultcomics-Autor Manuel Stahlberger seine Instrumente mit einer wunderbaren Lässigkeit, während Kompressor und Verschwindwurst die Bühne bereichern.

Diese unvergleichliche Kombination führte stahlbergerheuss gradewegs zum Gewinn des Kabarettpreises «Salzburger Stier» 2009 und begeisterte auch gestern Abend das zugabenwillige Publikum.

Das Duo ist noch am Fr 26. / Sa 27. November und Do 2. / Fr 3. / Sa 4. Dezember 2010, jeweils um 20.30 Uhr im Theater im Teufelhof zu sehen. Nicht verpassen!

Basler Graffiti-Wahrzeichen als Weltkulturerbe?

Joel Gernet am Freitag den 26. November 2010

Quelle: foto-werkstatt.ch

Mehr urbane Schweizer Traditionen, darunter Graffiti als Teil der Hip-Hop-Kultur, wünscht sich David Vitali vom Bundesamt für Kultur auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes, wie er diese Woche gegenüber 20minuten Online sagte. Auf den ersten Blick eine gute Idee, gehört doch Graffiti tatsächlich zu den prägenden Elementen im Stadtbild. Die Basler Bahnhofseinfahrt etwa mit ihrer kilometerlangen Graffiti-Galerie ist weit über die Landesgrenze hinaus bekannt. Und nicht wenige sehen in ihr sogar eine Art inoffizielles Wahrzeichen.

Man stelle sich vor: Diese bunte Bahnhofsgalerie gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO – zusammen mit den Pyramiden von Gizeh, dem Yellowstone-Nationalpark, dem Taj Mahal und 908 anderen Objekten in 151 Ländern. Das wärs doch, oder? Basel Tourismus könnte die Kunststadt am Rheinknie noch besser vermarkten und die ansässige Graffiti-Szene (nicht zu verwechseln mit den zahlreichen Schmierfinken) bekommt endlich einmal die Anerkennung, die ihr zusteht.

Doch so schmeichelhaft die Idee auch ist – der Vorschlag ist Bullshit. Erstens: Graffiti ist ein weltweites Phänomen, entstanden Anfang der 70er Jahre in New York. Warum also sollen nun ausgerechnet die Graffiti aus der sauberen Schweiz zum Teil des Weltkulturerbes werden? Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Pioniere. Wenn schon, müsste die Subway in New York – von wo aus die farbigen Buchstaben die Welt erobert haben – «geschützt» werden. Oder die unzähligen Graffiti-Mauern der Bronx. Das geht nicht, weil die meisten Bilder dieser Zeit schon weggeputzt wurden? Aha! Da sind wir bei Punkt zwei: Graffiti ist eine flüchtige Kunst. Sie kommt und geht. Altes wird von Neuem übermalt. Das war schon immer Teil dieser Kultur.

Als ich nach dem Tod des weltbekannten Basler Sprayers Dare der Frage nachging, ob seine Bilder im öffentlichen Raum nun eines speziellen Schutzes bedürfen, wurde mir gesagt, dass Dare zeitlebens gegen eine solche Archivierung von Graffiti war. Und ich bin es auch. Das hat nichts mit Geringschätzung dieser Kultur zu tun. Eher mit Respekt und dem Bewusstsein der steten Erneuerung. Graffiti ist eine lebendige Kultur, die auf den Strassen dieser Welt statt findet. Legal und illegal. Im Moment, indem sie unter Schutz gestellt oder ins Museum gesteckt wird, läuft sie Gefahr, dass sie stirbt. Dann müsste man sie tatsächlich ausgraben und archivieren.