Archiv für die Kategorie ‘Joël Gernet’

Die Kuppel wird klassisch

Joel Gernet am Donnerstag den 12. April 2012

Wer klassische Livemusik mag, geniesst diese oft für teures Geld in pompösen Sälen. Dass es auch anders geht, beweist die «Klassikkuppel». Am Sonntag startet im Nachtigallenwäldeli die zweite Ausgabe der Konzertreihe.

Am Anfang der «Klassikkuppel» steht eine Elektroparty. Es war zu fortgeschrittener Stunde am Heiligabend 2010, als der Basler Violinen-Virtuose Mathias Inoue und zwei Freunde an der «GameBoys Xmas-Party» in der Kuppel die Geige auspackten und den herzerwärmenden Pachebel-Kanon anstimmten. Das Publikum, welches kurz zuvor noch zu den Elektro-Klängen des französischen Trios dOP getanzt hatte, reagierte begeistert. Veranstalter Olivier Mueller schwärmt noch heute von diesem Moment: «Weihnachtsbaum, Kunstschnee und dann diese Geigenklänge – da flossen bei einigen die Tränen». Auch die Akustik in der Kuppel überzeugte. Beflügelt von diesem Weihnachtserlebnis beschlossen Mueller und Inoue, dass es mehr dieser Momente geben soll. Und zwar ebenfalls in der Kuppel – damit sich auch ein junges Publikum für Klassikkonzerte begeistern kann.

Initianten der «Musikuppel»: Mathias Inoue und Olivier Mueller.

Initianten der «Musikuppel»: Mathias Inoue und Olivier Mueller.

Man gründete den Verein «Klassikkuppel», und vier Monate später startete in der Kuppel die erste Konzertreihe unter dem Motto «Barock». Das Musikexperiment fand auf Anhieb Anklang. Nach dem Überraschungserfolg von 2011 startet die «Klassikkuppel» am Sonntag in die zweite Runde. «Dieses Jahr liegt unser Schwerpunkt bei Stücken für Solisten», sagt Mathias Ionue. Das zigfach ausgezeichnete Basler Violinentalent spielt an den «Klassikkuppel»-Konzerten die erste Geige und ist für die musikalische Leitung des Events verantwortlich.

Gespielt werden technisch anspruchsvolle Werke von Klassik-Giganten wie Bach, Chopin oder Vivaldi. Dabei soll klassische Musik neu interpretiert werden, ohne dabei musikalische Einbussen zu erleiden. Auch Eigenkompositionen und unerwartete Übergänge stehen auf dem Programm. Das Ziel ist klar: Klassische Musik soll in einem ungezwungenen urbanen Rahmen den Weg zum jungen Publikum finden.

Dass diese Fokussierung funktioniert, haben die letztjährigen Konzerte gezeigt – der Altersschnitt lag irgendwo Mitte zwanzig. Womit sich Publikum und Musiker altersmässig in etwa auf Augenhöhe begegnen. «Am meisten überrascht mich, dass der Anlass bei den Musikern an Glaubwürdigkeit gewonnen hat», sagt Mueller. Es sei jedenfalls kein Problem gewesen, geeignete Musiker zu finden – im Gegenteil. Kein Wunder, verfügt Basel mit der Hochschule für Musik und der Schola Cantorum Basilensis über zwei führende Ausbildungsstätten in der klassischen Musik. Das betont auch Ständerat Claude Janiak in seiner Funktion als «Musikkuppel»-Schirmherr: «Ich weiss nicht, ob die Leuten wissen, dass Basel in der Schweiz auch Herz der Klassischen Musik ist». Selbstredend, dass alle Musiker, die von Sonntag bis Donnerstag in der Kuppel aufspielen, diese Basler Klassikinstitutionen durchliefen.

Auch für Kuppel-Betreiber Simon Lutz ist die klassische Konzertreihe in seinem Lokal ein Segen: «Das ist wie ein Geschenk des Himmels». Sein Lokal habe sich schon immer als Plattform für junge und neue Ideen verstanden. «Wir wollen ein Ort, frei von Begegnungsangst, sein.» Viele junge Menschen hätten Hemmungen, ein klassisches Konzert an einem «gesetzten Ort» zu besuchen. Diese Hemmschwelle soll mit der «Klassikkuppel» ebenso überwunden werden wie der Generationen-Graben. «Meine Grossmutter war begeistert von dem vorwiegend jungen Publikum letztes Jahr», erinnert sich Lutz. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie auch heuer wieder auf ihre Kosten kommt.

Klassikkuppel – Solisten. So. 15.04. bis Do. 19.04. in der Kuppel Basel. Mehr Infos.
Gespielt werden Kompositionen von Bach, Bartók, Chopin, Dvořák, Kreisler, Ravel, Satie und Vivaldi. Tickets: 35.-, 20.- für Studenten, Schüler und AHV Konzertdauer: ca. 90 Minuten; Türöffnung: 30 Minuten vor Konzertbeginn.

Acht Basler unter Weltstars

Joel Gernet am Mittwoch den 4. April 2012

Seit 2005 jagen Fotograf Matthias Willi und Musikjournalist Olivier Joliat Rockstars, um sie unmittelbar nach ihrem Konzert abzulichten. An die hundert Künstler haben die Basler seither für das Projekt «The Moment After The Show» vor die Linse bekommen – unter anderem so klingende Namen wie James Trujillo (Metallica), Juliette Lewis und Iggy Pop (siehe unten).

Die Bilder der beiden letztgenannten Musiker gingen, das kann man wohl sagen, bereits um die Welt. Andere – zum Beispiel die der Basler Beteiligten (siehe oben) – hat man kaum zu Gesicht bekommen – bis jetzt. Nun gibt es die Fotos, vereint in einem grosszügig gestalteten Bildband. 144 Seiten mit 96 ganzseitigen Fotos, Making-of-Reportagen und Zitaten der abgebildeten Künstler. Am Mittwochabend ist Buchvernissage in der Kaserne Basel (Doors: 20.30 Uhr), anschliessend spielen Karma To Burn (Stoner Rock, USA) und Blackmail (Independent, D) auf.

Über die Entstehung dieses umfassenden Werks und die Räubergeschichten der Beteiligten Künstler haben wir übrigens bereits hier und hier geschrieben.

Eine Kunstinsel mitten im Konsumtempel

Joel Gernet am Donnerstag den 29. März 2012


Eigentlich macht mich die am Wochenende frisch eröffnete Markthalle ja wütend. Darüber, dass die so geschichtsträchtige wie geniale Kuppelhalle zu so etwas «originellem» wie einem Einkaufzentrum transformiert wurde. Schon wieder. Bravo! Seit ich aber weiss, dass im neuen Konsumtempel zwischen Bahnhof und Innenstadt vorerst auch Zwischennutzungen ihren Platz finden, ist der Zorn immerhin ein bisschen verflogen. «High Voltage – the lab» heisst das Projekt, welches unter der 27 Meter hohen Kuppel sein temporäres Domizil hat. Hier zeigen sieben Künstlerinnen und Künstler aus Basel, Zürich und Helsinki ihre Werke – und sie arbeiten daran. Das Kunstlabor ist eine Mischung aus Ausstellungsraum und Atelier, untergebracht in einer noch nicht vermieteten Ladenfläche am hinteren Ende der Markthalle. Direkt neben einem Schuhgeschäft und der Credit-Suisse-Filiale, welche vorerst nur von Handwerkern betreten wird. Die Bankfiliale befindet sich noch im Bau, wie so Einiges in diesem neuen Konsumtempel zwischen Bahnhof und Heuwaaage.

Insofern passt das «High Voltage»-Labor hierher. Auf dieser 227 Quadratmeter grossen Kunst-Baustelle gehört der Entstehungsprozess zum Konzept. Das mussten die beiden Initianten am Eröffnungswochenende so manchem der rund 1500 Labor-Besucher erklären. «Viele fragten uns, ob wir zur Vernissage nicht fertig geworden sind mit den Werken», sagt Tarek Abu Hageb. Der Basler Künstler ist verantwortlich für die Projektleitung, zusammen mit Nora Donner. «Wir hätten gar nicht fertig sein dürfen – die Eröffnung war auch unser Start», schildert die Grafikerin. Für sie ist die kulturelle Zwischennutzung in der Markthalle ein Segen: «Wir sind wie eine Insel – so etwas erwartet man nicht hier.»

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Beatbox-Bässe aus Bauch und Backe

Joel Gernet am Freitag den 23. März 2012


Auch dieses Jahr wieder dabei: Skiller (Bul) und krNfx (Can), hier im Final des «Grand Beatbox Battles» 2011.

Kürzlich hat FCB-Star Xherdan Shaqiri bei JoizTV gezeigt, dass er nicht nur dribbeln, sondern auch beatboxen kann – zumindest ein bisschen. Das war zwar ganz sympathisch und gut für die Street Credibility, wer sich aber wirklich für die aus Bauch und Backe ins Mikrophon gespuckten Beats interessiert, geht dieses Wochenende an das «Grand Beatbox Battle» in die Kaserne Basel. Dort messen sich im Rahmen des BScene-Festivals die Shaqiris der Beatbox-Szene. 31 Teilnehmer aus 12 Ländern werden im Rossstall in den Ring steigen, darunter einige aus der Weltelite und 15 Schweizer. Für Basel ziehen Beat-Quest, Lee-On und Cagla in den Kampf.

Wir haben uns mit Organisator Claudio Rudin (27), auch bekannt unter dem Beatoxer-Namen Ciaccolo oder als ehemaliger Top-Secret-Tambour, über das von ihm gegründete Battle und dessen rasante Entwicklung unterhalten. Diesen Beitrag weiterlesen »

Eine Engelsstimme zum St. Patrick's Day

Joel Gernet am Samstag den 17. März 2012

Lachend legt Amy Belle ihre Gitarre zur Seite. «That was the worst busking ever», das schlechteste Strassenkonzert überhaupt, scherzt die schottische Sängerin und erhebt sich von der Pfalz-Brüstung. In ihrem Gitarrenkoffer liegen läppische siebzig Rappen, welche der Autor aus Spass hingeworfen hat. Soeben hat die 30-Jährige den Anwesenden eine kurze Kostprobe ihres Könnens präsentiert. «Kommt das auch auf YouTube?», will ein applaudierender Mann wissen und blickt erwartungsvoll in Richtung Kamera. So sind sie, die Gaffer 2.0. Die Frage wäre doch viel eher: Wo und wann bekomme ich mehr zu hören von dieser Engelsstimme? Diesen Beitrag weiterlesen »

Basler Stimmen spiegeln die Welt

Joel Gernet am Freitag den 17. Februar 2012

Von Basel aus die Welt erobern: The Glue mit Oliver Rudin (rechts aussen).

Zum 15-jährigen Jubiläum steht dem Basler A-cappella-Quintett The Glue ein Jahr der Wahrheit bevor. Über 40 Konzerte auf vier Kontinenten haben die fünf Sänger vor sich – und nebenbei soll ein neues Album entstehen. «Gluebâlisation» nennt sich das Ganze und umfasst unter anderem Konzerte in Südafrika, Amerika, Taiwan und Marokko – morgen Samstag ist Kickoff im Basler Schauspielhaus. «Dieses Jahr wird uns viele Antworten geben», sagt Glue-Mitbegründer Oliver Rudin. Ob es das aufregendste Jahr der Bandgeschichte wird? «Das befürchten wir auch», lacht Rudin, angesprochen auf die Welttournee. «Aber eigentlich nennen wir nennen das Ganze ja nicht Welttournee – schliesslich kommen wir ja zwischendurch zurück nach Basel», gibt sich der 30-Jährige bescheiden.

Die regelmässige Rückkehr ans Rheinknie nutzt The Glue, um dem Heimpublikum mit insgesamt fünf Konzerten die jüngsten Ergebnisse ihrer Reisen zu zeigen. «Unser Ziel ist nämlich nicht nur, Konzerte zu geben, sondern auch Kulturaustausch zu betreiben.» Der Auftakt zum Austausch erfolgt in Südafrika Anfang März, wo die Band unter anderem mit Kindern musizieren möchte. «Von ihnen können wir vermutlich am direktesten lernen, was authentisch ist», meint Rudin und vermutet, dass The Glue wohl eher von den Kleinen lernen wird, als umgekehrt. Ziemlich zeitnah zur Entstehung sollen die Früchte der Zusammenarbeit dann auf den südafrikanischen Bühnen präsentiert und aufgenommen werden. Damit die Basler nicht mir leeren Händen in Südafrika landen, hat das Quintett eigene Interpretationen südafrikanischer Volkslieder einstudiert – diese wird es morgen auch im Schauspielhaus zu hören geben. Ende April werden dann an gleicher Stelle die ersten akustischen Mitbringsel der Welttournee präsentiert – die besten davon landen dann auf der CD, welche die vermutlich aufregendste Zeit der Bandgeschichte dokumentieren soll.

Oliver Rudin: Dirigent, Band- oder Chorsänger.

Aufgenommen wird nicht nur im Studio, sondern auch live auf der Bühne. «Wir wollen, dass man die Atmosphäre dieser Konzerte auch auf CD mitbekommt», erklärt Rudin. Dass er eines Tages mit seinen Bandkollegen, die er bei der Basler Knabenkantorei kennengelernt hat, singend um die Welt reist, hätte sich Rudin vor fünfzehn Jahren beim besten Willen nicht vorstellen können. «Es ist schon ein Traum, andere Länder, Kulturen und Musiker kennen zu lernen und sich auf diese Art weiterzuentwickeln.» Das Schönste an der Sache sei, dass dies alles dank eigener Musik möglich wurde. Diese steht nun auf dem Prüfstand: «Ende Jahr werden wir noch besser als bisher wissen, ob unsere Lieder auf der ganzen Welt funktionieren», sagt Rudin. Bisher jedenfalls klappte das ganz gut – das beweist unter anderem der Glue-Erfolg an der Harmony Sweepstakes Competition am New Yorker Broadway, wo die Basler den Preis für den besten eigenen Song einsackten – mit einer deutschsprachigen Komposition (die Band berichtet damals auf diesem Blog darüber).

The Glue @Prague (Nov 2011) from The Glue on Vimeo.

Dass The Glue auch weiterhin in aller Welt Aufsehen erregen, dafür sorgen nicht nur ihr verspielte Bühnenshow, sondern auch die Wassertanks auf den Rücken der Sänger. «Viele meinen, diese Pet-Flaschen sind ein Gag – aber das ist nicht so», erklärt Rudin. «Das ist eine typische, pragmatische Glue-Lösung, um die Trinkpausen zwischen den Songs zu verkürzen.» Inzwischen hätten sich die Pet-Raketen als Wiedererkennungs-Symbol der Basler etabliert. Dass dies nicht das Einzige ist, was den Glue- Zuschauern von der «Gluebâlisation»-Tournee in Erinnerung beleibt, dafür dürfte die Performance der fünf Basler Stimmakrobaten sorgen. Und die CD Ende Jahr.

The Glue @Vienna (Nov 2011) from The Glue on Vimeo.

Ungeschliffene Momentaufnahmen

Joel Gernet am Donnerstag den 2. Februar 2012

The Weekend Session im Panorama-Format. (Bild: Pascal Brun & Matthias Willi)

Wenn sich 26 Musiker diverser Basler Bands zur «Weekend Session» treffen, ist das eine grosse Sache. Nicht nur organisatorisch. Die Essenz dieses Gipfeltreffens erscheint nun gepresst auf zwei Vinylplatten. 26 Songs, entstanden innerhalb von vier Tagen im One Drop-Studio Kleinhüningen. Schlaglicht hat sich mit den Initianten Luc Montini, Gitarrist bei der Reggae-Band The Scrucialists, und Olivier Joliat, Drummer bei den Surf-Rockern Lombego Surfers, getroffen, um sich kurz vor der Plattentaufe am Freitag (Kaserne Basel) über den Wahnwitz eines solchen Projekts zu unterhalten.

Olivier Joliat. (Bild: Matthias Willi)

Olivier Joliat, zuerst die Aufnahmen mit zum Teil völlig verschiedenen 26 Musikern und jetzt die Plattentaufe. Das klingt nach einem halsbrecherischen Projekt.
Olivier Joliat: Uns sagte auch jeder, dass es unmöglich ist, ein Album in vier Tagen zu schreiben, aufzunehmen und zu mischen. Wir wussten selber nicht, ob das funktioniert und waren dann überrascht, wie gut das geht. Im Studio haben wir nicht gross nachgedacht, sondern einfach Musik gemacht.

Wie lief das ab? Da mussten ja Musiker, die sich zum Teil vorher nicht kannten, quasi auf Knopfdruck miteinander harmonieren.
Joliat: Das war vielleicht besser so – unter Bandkumpels können ja schon einmal die Fetzen fliegen (lacht). Es gab immer jemand, der eine Idee hatte. Etwa für einen Rocksong mit Dancehall-Beat. Oder einer spielt ein Gitarrenriff und die restlichen Musiker fügen dann ihren Teil dazu bei – eigentlich das klassische jamen. Irgendwann hat man dann genügend Ideen und setzt diese zu einem Song zusammen. Dann wird aufgenommen und jeder probiert, keinen Fehler zu machen. Schlussendlich ist es ja auch ein Handwerk. Vieles haben wir absichtlich ungeschliffen belassen, weil wir erstens keine Zeit hatten, jedes Detail auszufeilen, und es zweitens nicht das Ziel des Projekts war, Perfektion anzustreben.

Inzwischen hat sich Luc Montini dazu gesellt. Zusammen mit Oilvier Joliat gehört er zu den Initianten der «Dessert Session», deren Name eine Anlehnung an die legendären «Desert Sessions» ist, welche der Amerikaner Josh Homme (Queens Of The Stone Age) in den neunziger Jahren angerissen hatte. Für die zweite Ausgabe haben die Basler ihr Projekt nun in «Weekend Session» umbenannt.

Luc Montini. (Bild: Matthias Willi)

Luc Montini, bei der zweiten Session waren nicht nur zehn Nasen mehr dabei, auch Musikalisch wurde das Projekt breiter. War das euer Ziel?
Luc Montini: Das geschah bewusst. Denn bei der ersten Session war man sich einig, dass alle Beteiligten Stoner-Rock (auch Desert Rock genannt, Anm. d. Red.) toll finden, dementsprechend klang dann auch die Platte. Der Elektro-Produzent Thom Nagy war da ja bereits dabei. Dieses Mal dachten wir, dass es toll wäre, wenn die Instrumentalisten dann mit den «Elektronikern» zusammen Session machen. Das hat allerdings nicht geklappt, weil deren elektronische Geräte halt nicht gleich einfach zu bedienen waren. So kam es, dass die Elektro-Fraktion selbstständig an Sound tüftelte und wir dann deren Musik anreicherten. Statt Samples zu suchen, konnten sie einfach einen Musiker aufbieten – das war ziemlich cool.
Joliat: Die Grundidee ist gescheitert, dafür ist etwas anderes daraus entstanden. Es kommt immer wieder anders – und trotzdem gut.

Gab es Momente im Studio, in denen alles besonders gut zusammengepasst hat?
Montini: Die Initialzündung gab es am Freitagmorgen, nachdem am Abend zuvor funky gejamt wurde – ich bin gar kein Freund, dieser Art Musik zu machen (Gelächter). Am Freitagmorgen herrschte dann eine positive Aggression. Da hatten wir innert kürzester Zeit einen Basslauf. Daraus entstand dann innerhalb einer halben Stunde, zäckzäckzäck, «Alone And Out Of Bliss». Das war cool, vor allem, als mit dem Sänger Emmi Lichtenhahn sogar noch ein unerwarteter Gast auf dem Song landete.
Joliat: Er wollte eigentlich nur kurz vorbeischauen, um zu grillieren. Aber auch die Disco-Hymne «Dance With Us» wurde super. Dort hat der Produzent Emil Tiger im Studiogang heimlich den Gesang der drei probenden Ladies aufgenommen und daraus einen Beat gemacht. Die haben das nicht einmal bemerkt. Und wie das bei einer Disco-Hymne so ist, reicht dieser eine Satz als Message, um sieben Minuten durch zu tanzen.

Wie kam es eigentlich zu dieser Mammut-Session?
Montini: Die Ursprungsidee entstand vor Jahren in unserem alten Studio in Muttenz. Ich war der Meinung, dass ein Studio auch als Instrument genutzt werden kann. So wie die ganz grossen Bands früher, etwa Def Leppard, die sich für eine Album eineinhalb Jahre lang in einem Studio auf den Bahamas verschanzt haben, um Musik zu machen. Dass die Session sich über wenige Tage erstreckt, passiert in Anlehnung an die legendären Desert Sessions der ganzen US-Wüstenrockern. Aber weil wir nie Zeit hatten, dauerte es Jahre, bis wir diese Idee überhaupt umsetzen konnten.

Die Session fand im April statt. Warum erscheint die Platte erst jetzt?
Montini: Einerseits hatten wir alle viel zu tun. Andererseits war ich nach dieser Session ziemlich am Anschlag, Da brauchte es eine Zeit, bis sich das ganze Gesetzt hat.
Joliat: Zudem benötigten wir Zeit, um Geld aufzutreiben. Das Studio konnten wir zwar gratis nutzen, aber die Pressung und das Mastering kosten halt doch Geld – deshalb: danke Rockförderverein (lacht).

Warum erscheint die «Weekend Session» ausschliesslich auf Vinyl mit Download-Code?
Joliat: Das ganze ist aus Liebe zu Musik entstanden. Um diese Liebe wiederzugeben ist Vinyl einfach die schönere Form. Eine CD landet via Computer ja ohnehin auf dem Mp3-Player. Da kann man eben so gut einen Download-Code anbieten. Wegen der Fülle der Musik ist auch nicht mehr jeder Song auf der Platte, sondern nur eine Auswahl. Alle anderen gibts dann auch im Download. Auch für die Plattentaufe am Freitag haben wir selektioniert, um eine homogene Songabfolge zu haben. Das wird ein Querschnitt durch beide Sessions mit Schwerpunkt auf den neuen Sachen. Gerade, weil dieses Konzert wegen der Konstellation etwas einmaliges ist, fänden wir es schade, wenn wir einige Songs der Erstauflage nicht spielen würden – gewisse haben sich fast schon zum Klassiker gemausert.
Montini: Die Plattentaufe wird auf jeden Fall spannend, ein geordnetes Chaos. Es dürfte interessant werden, zu sehen, wie die Musiker wechseln und der Sound dennoch ähnlich bleibt. Zwei Stunden rocken!

Wer sich einstimmen will, kann sich einzelne Weekend-Sessions Songs auf Soundcloud anhören. Wer live via Webcam an der Bandprobe dabei sein möchte, kann sich heute Donnerstag ab ca. 12 Uhr unter diesem Link zuschalten.

Plattentaufe: The Weekend Session, Freitag, 3. Februar 2012, Kaserne Basel. Doors: 21 Uhr. Afterparty mit Weekend Session DJ-Team.

«Einer der Höhepunkte meines DJ-Lebens»

Joel Gernet am Dienstag den 20. Dezember 2011


DJ-Show mit Bazooka: Eindrücke vom «Thre3style»-Weltfinal in Vancouver.

Für DJ Bazooka ist es der grösste Triumph seiner DJ-Karriere: Am Samstag sicherte sich der 26-jährige Basler am Weltfinal des «Red Bull Thre3style»-Contest in Vancouver den zweiten Platz – gleich hinter Lokalmatador DJ Hedspin. Und vor sechzehn Konkurrenten aus aller Welt. Gekürt wurde der beste Partyrocker, der das Publikum während 15 Minuten mit Songs aus mindestens drei verschiedenen Musikgenres zum Ausrasten bringt. Kaum zurück in Basel und noch «voll verwirrt von der Zeitumstellung», schildert DJ Bazooka «die wahrscheinlich aufregendste Woche» seines Lebens, in welcher er zwei der legendärsten HipHop-Produzenten begeistern konnte. Diesen Beitrag weiterlesen »

Riesengrosse Mauerblümchen

Joel Gernet am Freitag den 2. Dezember 2011


Und er will es nicht begreifen! Geduldig erklärt Stefan Winterle, Kurator der Streetart-Ausstellung «Wallflowers», einem älteren Männlein, warum er die Gesichter der wenige Meter entfernt arbeitenden Künstler in der Carhartt Gallery Weil am Rhein (D) nicht fotografieren darf. Graffiti! Nachtarbeit! Doch der altgediente Lokaljournalist will partout nicht begreifen, dass sich viele dieser fleissig malenden Männer mit ihren Arbeiten lange Zeit in der Illegalität bewegten. Einige von ihnen ziehen noch immer Nachts um die Häuser, sind alles andere als Unschuldslämmer. Auch, dass die Werke erst kurz vor der Vernissage vor Ort entstehen, verblüfft den Oldie gewaltig. Diesen Beitrag weiterlesen »

Diese Köpfe ticken anders – zum Glück

Joel Gernet am Freitag den 25. November 2011

Elf Rapper und ein DJ – plus Gäste. Auf der Bühne des Sommercasinos dürfte es eng werden am Samstagabend. Das Basler Rap-Konglomerat K.W.A.T. tauft mit «Dopamin» nach diversen Gratis-Releases und Solo-Projekten das erste richtige Crew-Album. Die Taufe ist ebenso überfällig, wie es die Veröffentlichung der CD Ende August war.

K.W.A.T. – auch bekannt als Köpf Wo Andrs Tikke – bereichert seit rund fünf Jahren die Basler Rapszene mit kompromisslosem, strassenorientiertem Battlerap. Testosteron-geschwängertem Männerrap. Auch vor dem Zusammenschluss waren die K.W.A.T.-Köpfe nicht untätig, sondern jahrelang in Crews wie Dunkelziffer (Basel), Rapreflex (Gelterkinden) oder als Solo-Artist unterwegs. Mit «Dopamin» wurde nun diese geballte Ladung Erfahrung und Können erstmals zu einem Bezahlangebot zusammengestellt. Diesen Beitrag weiterlesen »