Archiv für die Kategorie ‘Joël Gernet’

Vom Rapper zum Bünzli

Joel Gernet am Donnerstag den 15. August 2013

Die Schweizer Streetrap-Ikone Griot heisst jetzt wieder Mory – und ist Komiker: Mit seinem Allschwiler Kumpel Djibril bildet der Binninger das Comedy-Tagteam «Zwei Bünzlis». Wir haben uns mit den beiden im Video-Interview über Latrinen-Geschäfte, Gesellschaftskritik und einen Bünzli namens Eric Weber unterhalten.


Grossmäuler unter sich: Djibril und Mory erklären, warum sie Bünzlis sind.

Wenn Mory redet, ist man sich nie ganz sicher, was grösser ist – seine Klappe oder sein Bizeps. Ausser er ist mit Kumpel Djibril unterwegs, dann plappern sie sich ihre Lippen wund. So auch am Grossbasler Rheinufer, wo wir uns treffen, um über ihr Podcast-Projekt «Zwei Bünzlis» zu reden. Noch bevor die Kamera läuft, übertreffen sich die beiden mit Anekdoten zu Muhammad Ali, dessen Name auf Morys Muskelshirt prangt. «Ali macht das gleiche wie wir: Er hat eine riesige Klappe, ist eigentlich als Boxer bekannt, aber sobald man ihn ein Mikrophon hinhält, gehts los – sensationell!», schwärmt Djibril.

Seit Anfang Jahr stellen die Zwei Bünzlis ihre Dialoge in unregelmässigen Abständen ins Internet. Ins Auge stechen coole Comic-Bilder statt Fotos. Auf die Ohren gibts nach einer hämischen Warnung an die Hörer ein Brett von einem Intro, bei dem Kuhglocken und Handörgeli plötzlich von einem basslastigen Dubstep-Beat weggeblasen werden. Dicke Post!

Zwei Bünzlis: Griot und Djibril.

Ganz klar: Der Reiz der selbsternannten «Neo-Bünzlis» besteht vor allem auch darin, dass die beiden «afroeidgenössischen Euroafrikaner» so gar nicht dem gängigen Spiesser-Klischee entsprechen. «Wenn man uns betrachtet, sieht das zuerst gar nicht nach Bünzli aus», erklärt Mory. Aufmerksamkeit durch Irritation heisst hier das Konzept. Und Djibril ergänzt: «Schweizer sind pünktlich, zuverlässig und seriös, das ist eigentlich etwas Tolles – doch die Schweizer machen mit dem Wort Bünzli etwas Negatives daraus.» Djibril und Mory jedenfalls sind stolz darauf, Bünzlis zu sein. Und ähnlich wie afroamerikanische Rapper das negativ behaftete Wort «Neger» zu dessen Gegenteil konvertiert haben haben, verwenden die beiden Schweizer mit Wurzeln in Guinea und Mali nun den – zugegeben wesentlich weniger problematischen – Bünzli-Begriff im positiven Sinn um.

Auch die beiden Bünzli haben sich in ihrer vorletzten Episode eingehend mit dem N-Wort und dessen Verwendung beschäftigt. Comedy als Gesellschaftskritik – noch offensichtlicher zeigt sich dies bei der eben veröffentlichten sechsten Episode, in der Djbril und Mory zum zweiten Mal den Basler Rechtspopulisten Eric Weber auf die Schippe nehmen. «Wir machen zwar gerne Spässe über ihn, aber man darf nicht vergessen: Weber ist ein Rassist – das muss man im Hinterkopf behalten», stellt Djibril klar. Natürlich kommen bei den Afro-Bünzlis auch Macho-Gehabe und Sprüche unter der Gürtellinie nicht zu kurz. Wenn sich Djibril und Mory über Latrinen-Geschäfte bei der Arbeit philosophieren, überkommt den Hörer ein Gemisch aus Faszination und Ekel, wie man es von anderen Feuchtgebieten her kennt.

Begonnen hat das Bünzli-Gehabe nach Morys Rücktritt als Solo-Rapper im Jahr 2010. War früher Djibril an Griots Konzerten als Stand-Up-Comedian mit dabei, heftete sich der Rapper nun an die Versen seines Kumpels. Vom Rapper zum Komiker – insbesondere bei Griot ist das ein bemerkenswerter Schritt, hat der Binninger in den vergangenen rund 15 Jahren doch das Schweizer Subgenre Streetrap wesentlich mitgeprägt, einige sagen sogar: begründet. Für viele ist Griot noch heute ein Vorzeigebeispiel, wenn von Schweizer Rap mit Gangster-Attitüde die Rede ist. «In meinen Raps war immer schon viel Humor, nur hat das niemand verstanden – im Podcast kommt diese Seite nun mehr hervor», findet Mory lachend, um kurz darauf mit einem Augenzwinkern klarzustellen: «Ich lache nur, weil ich fröhlich bin, nicht, weil ich lustig bin – sonst meinen die Leute noch, ich sei sympathisch.»

Wer ist authentischer: Rapper Griot oder Komiker Mory? So siehts der Protagonist…

Im echten Leben sind Djibril Traoré und Mory Konde gemäss eigenen Angaben übrigens «IT Psychologe» und «Bodyflüsterer». Dass es ihr Audio-Geblödel eines Tages auch in Bewegtbild gibt, schliessen sie ebenso wenig aus wie Bühnenauftritte. Zuerst gilt es aber, den noch jungen Podcast voranzutreiben – dazu wären eine verbesserte Tonqualität und eine zeitliche Straffung der Episoden nicht die schlechteste Idee. Weiter gehts auf jeden Fall, denn wenn die beiden Kumpel aufeinandertreffen, sitzt das Mundwerk lockerer als der Büstenhalter von Topless-DJane Micaela Schäfer.

Das temporäre Streetart-Stübli beim Bahnhof

Joel Gernet am Mittwoch den 12. Juni 2013

Kunststübli mit Industriecharme: In der «Artstübli Pop Up Exhibition» treffen Werke wie jene von Rae Martini (rechts hinten) auf das stylische Interieur der Schleifferei. (Fotos: Joël Gernet).

Bröckelnde Wände, Eisenrohre, eine vom Rauch angeschwärzte Decke…mehr urbanen Industriecharme als die «Schleifferei» kann einem ein Ausstellungsraum kaum bieten. In Kombination mit wild durcheinander gewürfelten Kronleuchtern, Stehlampen und Sofas ergibt das den perfekten Ort für die kleine aber feine «Artstübli Pop-Up Exhibition». Die rohen, absichtlich abgefuckten Leinwände der französischen Graffiti-Ikone Tilt oder die vom Flammenwerfer malträtierten Plakatwände des Italieners Rae Martini wirken wie geschaffen für den Eventraum beim Gundeli-Seitenausgang des Bahnhof SBB. Diesen Beitrag weiterlesen »

Kesse Strassenkunst aus Rom

Joel Gernet am Freitag den 7. Juni 2013

«In der Nacht sprayen? Ich doch nicht – ich bin eine Frau!», sagt Alice Pasquini und lacht. Die Römer Streetart-Künstlerin zieht es vor, auch ihre unbewilligten Wandmalereien bei Tageslicht anzubringen. In Italien ist das mit etwas Erfahrung, Fingerspitzengefühl und einem chicen Auftreten kein grösseres Problem. Im Gegenteil: Es kommt immer wieder vor, dass die kesse Künstlerin bei ihrer Strassenarbeit neue Aufträge reinholt.

Dieses Wochenende ist Pasquini nicht auf den Strassen Roms, sondern in Weil am Rhein (D) unterwegs: als ausstellende Künstlerin an der «Public Provocations». Die fünfte Ausgabe der Ausstellungsreihe präsentiert ab Samstag unweit des Rheincenters zehn internationale Urban-Art-Künstler.

Frau mit Apfel: Pasquinis Werk in Weil am Rhein. (Foto: Jessica Stewart, RomePhotoBlog).

Vor zwei Jahren war Alice Pasquini das erste Mal in Weil am Rhein. Als Begleiterin des französischen Streetart-Stars C215 hinterliess die Römerin damals bei der Carhartt Gallery ein kunstvoll verziertes Verkehrsschild. Inzwischen heisst die auf Urbane Kunst spezialisierte Galerie Colab Gallery – und Pasquini ist nicht mehr Anhang, sondern geladene Künstlerin.

Als wir Pasquini während der Gestaltung ihrer Ausstellungskoje treffen, beschäftigt sich die Italienerin mit der Hintergrundgestaltung ihres Bildes. Es zeigt eine junge Frau mit Apfel und Blumen in den Haaren. Naturfarben wie Braun und Grün dominieren das Motiv. Dass es daherkommt, als hätte es die Patina einer kunstvoll verwitterten Statue, ist kein Zufall. Pasquini mag alte Motive: «Ich habe mich von einer amerikanischen Zeitschriften-Werbung aus dem Jahr 1902 inspirieren lassen.»

Die Römerin beschäftigt sich seit jeher mit Malerei und Bildgestaltung. Nach Abschluss der Kunsthochschule arbeitete sie als Illustratorin, was ihr aber ziemlich rasch verleidete: «Ich war gar nicht mehr am malen», erinnert sie sich. Als sie daraufhin in Madrid Freizeitparks für Kinder gestaltete und deren Begeisterung sah, realisierte Pasquini, dass sie Kunst machen will, die unmittelbar auf den Betrachter trifft. Deshalb brachte sie, die immer schon eine Affinität zur HipHop-Kultur hatte, ihre Bilder vor rund sechs Jahren auch auf die Strassen. Inzwischen blicken ihre Motive – mit Vorliebe sanfte Frauen- und Kindergesichter – an fast allen Ecken dieser Welt von den Fassaden.

Wenn Pasquini ausserhalb Italiens tagsüber ungefragt Wände umgestaltet, geht sie dabei allerdings vorsichtiger vor. Die Passanten reagieren nämlich überall anders, wie folgende Episode aus dem norwegischen Oslo zeigt: «Ich mag, was sie machen», habe da eine Frau zur malenden Pasquini gesagt, «aber jetzt mache ich ein Foto und rufe die Polizei». Kunst im öffentlichen Raum – wir reden hier nicht von Schmierereien – wird halt in gewissen Kreisen immer noch als Provokation wahrgenommen. Daran soll auch der Ausstellungsname «Public Provocations» erinnern. In Weil am Rhein wurde Pasquinis Kunst bis jetzt allerdings noch nicht als störend empfunden – im Gegenteil. Das von ihr verzierte Strassenschild wurde vor zwei Jahren nach wenigen Wochen von einem kunstaffinen Dieb abgeschraubt.

Public Provocations V, Colab Gallery (früher: Carhartt Gallery), Schusterinsel 9, Weil am Rhein. Vernissage Sa. 8. Juni ab 20 Uhr. Die Ausstellung läuft bis Oktober 2013.

Künstler: Alice Pasquini (I), Amose (F), Case (D), Chris Stain (USA), Gris1 (F), Michael Grudziecki (PL), Orticanoodles (I), Robert Proch (PL), Wolfgang Krell (D). Mehr Infos.

Drei starke Duos und ein funky Supplement

Joel Gernet am Donnerstag den 6. Juni 2013

Gleich drei neue regionale Rap-Releases lassen die Szene am Rheinknie zur Zeit im besten Licht erstrahlen: Mit «Airplane To Paradise» präsentieren die Ladies PearlBeatz und Quenn ihr erstes Kollabo-Album; Dirty D und Trace ballern mit «Startschuss» ein eindrückliches Signal in den Himmel; und Scout legt nach über einer Dekade seinen allerersten Solo-Release überhaupt vor.

Pearlbeatz & Quenn – Airplane To Heaven.

Pearlbeatz & Quenn – Airplane To Heaven.

Wie es sich gehört, gewähren wir an dieser Stelle den Damen den Vortritt. Insbesondere in der Testosteron-geschwängerten Rapwelt ist das ganz wichtig. Zum ersten Mal gemeinsam aufhorchen liessen PearlBeatz & Quenn im Herbst 2011 mit einem Song auf Pearls Produzenten-Album. Zwei Jahre später präsentiert das Duo nun ihr Kollabo-Album «Airplane To Paradise». Die samtweiche Stimme von Quenn zieht den Hörer sofort in Bann – der Rapperin und Sängerin würde man vermutlich auch zuhören, wenn sie Packungsbeilagen vorliest. Das Hochdeutsch der Baslerin ist einwandfrei, manchmal fast zu perfekt.

Dass der erste Song «Startklar» reimtechnisch nicht zu den besten des Albums gehört, ist leider etwas unglücklich. Scheint ein älterer Track zu sein, auf dem Quenn eigentlich mein Album-Fazit vorzieht: «Danke denen, die an uns glauben, die jetzt schon das in uns sehen, was erst Entwicklung braucht», rappt die Baslerin und liegt damit absolut richtig. Man hört nämlich, dass Quenns Raps und Pearls Beats hervorragend miteinander harmonieren. Und dass man sich in den letzten zwei Jahren gehörig entwickelt hat. Bester Beweis ist «Showgirl», ein Song über eine selbstbewusste Vorstadtfrau, die weiss, was sie will und macht. Ein Beat wie aus dem Pariser Varieté, dazu der buttwerweiche, lockere Singsang von Quenn – ganz gross, dieses Ding!


Ausnahmsweise auf Englisch: Pearlbeatz & Quenn mit «Evil Clowns». Dieser Song ist nicht auf dem Album vertreten.

Im Titeltrack «Airplane To Paradise» philosophiert Quenn über Todessehnsucht. Und kommt zum Schluss, dass sie das Paradies in sich selbst – im Diesseits – finden kann. Ebenfalls um den Tod gehts im Song «Der Zug rollt»: Über einen knackigen Beat mit sphärischen Stimm- und Piano-Samples schildert die Rapperin, wie sie im Alltagsstress bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt und danach die Szenerie vom Jenseits aus beobachtet. Packendes Storytelling.

Trotz seiner tragischen Momente ist «Airplane To Paradise» keine düstere Platte. Das beweisen Songs wie «Easy» und «Hallo mein Lieber» – zwei Tracks, so stark wie dieses Album, dessen Fazit ihr ja bereits oben lesen konntet. Ein solides Debut eines vielversprechenden Duos.

Trace & Dirty D – Startschuss.

Trace & Dirty D – Startschuss.

Ebenso vielversprechend kommen Trace und Dirty D mit ihrer Gratis-EP «Startschuss» (download hier) daher. Auf insgesamt sieben Songs zeigen sich die beiden selbstbewusst und nachdenklich zugleich. Nachdem man der Schweizer Rapszene einen «Tritt ins Gsicht» verpasst hat, lassen der Rodersdorfer Trace und der Allschwiler Dirty D auf «Alles wo blibt» die Höhepunkte und Tiefschläge ihrer bisherigen Rapkarrieren Revue passieren – ein ganz starker Song mit super Hook und stimmigem Beat. In eine ähnliche Richtung geht «Schall und Rauch» (siehe Video), der mich vor das Luxusproblem stellt, dass ich mich nicht entscheiden kann, welchen Song ich mehr mag. Worum es auf Songs wie «Kings» oder «Läbe für das» geht, muss bei diesen Titeln ja eigentlich nicht erklärt werden.

Die Beats auf der «Startschuss»-EP überzeugen durchs Band und bewegen sich alle im Bereich gut bis sehr gut. Vom Club-Banger bis zum melancholischen Piano-Heuler ist alles dabei. Dass die sieben Soundunterlagen von sechs verschiedenen Produzenten stammen (von denen ich schändlicherweise noch nie gehört habe), macht die Sache umso interessanter. Dass Dirty D ein guter Rapper und Hoffnungsträger ist, habe ich ja bereits einmal geschrieben. Die grosse Offenbarung dieser EP ist für mich Trace: Früher hat man den jungen Rapper weniger wegen seiner Skills, sondern vielmehr wegen seiner Aufdringlichkeit wahrgenommen, beziehungsweise ignoriert. Jetzt steht uns da ein selbstbewusster Rapper gegenüber, der massive Fortschritte gemacht hat und wunderbare Refrains schreiben und singen kann. Chapeau! Von der Nervensäge vom Hoffnungsträger – ich mag solche Geschichten. Und ich liebe Gratis-Downloads von derart herausragender Qualität. Jungs, jetzt muss ein Album her!

Scout – Ohni Sorge.

Scout – Ohni Sorge.

Als Letzter reiht sich Scout MC aus Pratteln ein. Nach über zehnjähriger Absenz präsentiert der Ausnahmerapper nun sein erstes Solo-Album «Ohni Sorge». Und der Name ist Programm: Man hört dem Familienvater an, dass sich in seinem Leben einiges verändert hat – in die richtige Richtung.

Wenn Scout über Freunde, Familie und das Leben im Allgemeinen rappt, strahlt er eine ansteckende Zufriedenheit aus. Man meint beim Zuhören förmlich das Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. Das erlebt man nicht oft. Aus dem herausragenden Freestyle-Rapper, der um die Jahrtausendwende von sich Reden machte, ist ein Musiker geworden.

Neben dem positiven Vibe bestechen vor allem Scouts intelligente Texte – und seine Gesangskünste, die er etwa auf dem Titeltrack «Ohni Sorge» zeigt. So ist eine Art Songwriter-Rap-Album entstanden, das auch durch die Handschrift des Gitarristen Andreas Röthlisberger geprägt wird. Im Kellerstudio des Muttenzers wurde Scouts Album in Eigenregie produziert und aufgenommen. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits verfügt das Album so über einen ganz eigenständigen Klang; andererseits würde den Gitarren-dominierten Beats auf Albumlänge etwas mehr Abwechslung nicht schlecht bekommen. Scout und Röthlisberger haben mit wenigen Mitteln ein hervorragendes Album erschaffen – und damit auch das Fundament für weitere Musik.

Das funky Supplement kommt an dieser Stelle von DJ Ace. Der Basler bereichert die HipHop-Szene am Rheinknie mittlerweile seit rund zwei Jahrzehnten als Sprayer, Breaker, Party-Organisator, Shop-Betreiber – und vor allem als DJ und Beat-Produzent. In eben dieser Funktion hat der Tausendsassa kürzlich das neue Video zu seinem Breakdance-Song «Arsal The B-Boy» veröffentlicht. Der Track – ich würde ihn liebevoll als Mariachi-Funk bezeichnen – erschien 2012 auf auf dem Soundtrack zum «Battle Of The Year», das sind sozusagen die Weltmeisterschaften im Breakdance. Im Video zu sehen ist das Who-is-Who der Basler Breakdance-Szene: Jay-Roc, Still-Ill, Ben-X, TK-O, Janick und Pedrolic, gemeinsam bekannt als Ruff’n’X. Das Video ist von Jakebeatz (PW Records). Viel Spass…

Basler Rapper lancieren ein Silbengewitter

Joel Gernet am Donnerstag den 16. Mai 2013

Beim «Swiss Video Battle Turnier» bekämpfen sich Schweizer Rapper via Videoclip. Das «Schlaglicht»-Fazit nach der Qualifikation zeigt: Die Region Basel ist mit 13 Silben-Söldnern nicht nur überdurchschnittlich stark vertreten – diesmal liegt sogar der Titel drin.

Siegerlachen: Der Basler MadCed gewann die Vorrunde. (Screenshot: VBT)

Das ist beachtlich: Bei der Erstausgabe 2012 schafften es bei halb so viel Teinehmern nur zwei der auch heuer wieder antretenden vier Basler ins Viertelfinale – nämlich die beiden B1Recs-Söldner Bone und Rippa. Wenn am 19. Mai die KO-Runde des Swiss VBT startet, sind sie ebenso wieder am Start wie TMC Ries und ATeP. Die weiteren VBT-Vertreter aus der Region heissen MadCed, Misandope, Leikos, Sherry-ou, Muddy Pents, Smoky, Skip, R.I.G. und King Phips, aufgelistet nach ihrem Abschneiden in der Qualifikation. Diese wurde von einem starken Basler MadCed gewonnen. Die Bewertung erfolgt zu zwei Dritteln durch eine Jury-Urteil (Song, Video, Gesamteindruck), ein Drittel macht das Publikums-Voting aus.

Auf dem zweiten Platz: Bone sorgte bereits am VBT 2012 für Aufsehen. (Screenshot: VBT)

Die Vorrunde startet kommenden Sonntag (19.5.). Danach ist ein heisser Sommer angesagt, denn die Kämpfe ziehen sich hin bis Anfang Oktober – schliesslich gibt es zu jeder Begegnung eine Hin- und Rückrunde, damit ein Rapper das Gesagte des Gegners über dessen Beat kontern kann (hier mehr zu den Regeln). Wer es bis in den Final schafft, wird am Ende nicht weniger als zehn Videos abgeliefert haben – eine respektable Leistung.

Hier nun die Übersicht aller Vorrunden-Paarungen mit Basler, bzw. Baselbieter, Beteiligung (Reihenfolge gemäss Quali-Ranking). Die Rapper freuen sich bestimmt über Unterstützung der Schlaglicht-Leser. Wer weiss, vielleicht wandert nach DJ Bazookas Triumph am «Red Bull Thre3 Style»-Contest auch die VBT-Krone ans Rheinknie. Die Chancen scheinen nicht schlecht zu stehen. Diesen Beitrag weiterlesen »

Alle wollen auf die JKF-Bühne, keiner will voten

Joel Gernet am Mittwoch den 15. Mai 2013

Am Donnerstag endet das Publikums-Voting zum Jugendkulturfestival – die Bilanz ist durchzogen. Dennoch haben alle Beteiligten Grund zur Freude. Eine kleine Polemik von einem, der den Mund eigentlich nicht zu weit aufreissen dürfte.

Das JKF 2013 findet am 30. und 31. August statt. (Fotos: zvg)

Das JKF 2013 findet am 30. und 31. August statt. (Fotos: zvg)

Da soll noch einer sagen, die Jungen sitzen nur zu Hause. Auf die Bühne zieht es sie! Ans JKF! Noch nie wollten so viele Bands am Basler Jugendkulturfestival auftreten wie dieses Jahr. Nicht weniger als 205 Musikformationen wollen am letzten Augustwochenende eine der zahlreichen Bühnen in der Innenstadt rocken – ein Viertel mehr als beim letzten JKF 2011.

Dazu kommen noch über hundert Anmeldungen aus den Bereichen Tanz, Theater, Sport und Freestyle. Das ist ein neuer Rekord, wie die Organisatoren stolz verkünden. Für Jugendliche und Kreative ist das alle zwei Jahre statt findende JKF einer der kulturellen Höhepunkte des Sommers. Wann sonst gehört die Innenstadt ganz der Jugend?

Bands, die sich ihrer Teilnahme am 8. Jugendkulturfestival ganz sicher sein wollen, lassen sich beim Publikums-Voting auf der JKF-Homepage unter die ersten Zehn wählen. Diese sind nämlich auf sicher dabei. Alle anderen durchlaufen das gängige Selektionsverfahren der Organisatoren. Das Voting endet am Donnerstagabend, 16. Mai 2013. Zeit also für den Endspurt und eine kleine Zwischenbilanz kurz vor dem Zieleinlauf. Eigentlich sind solche Votings ja eine gute Sache. Insbesondere für junge Bands mit treuer Fanbasis, aber geringem Bekanntheitsgrad.

Aber überspitzt könnte man sagen: Die Band-Anmeldungen mögen in die Höhe schnellen – doch keine Sau nimmt am Voting teil. Alle wissens, keiner votet. 14 der über 200 Bands kommen am Mittwochvormittag auf mehr als 100 Stimmen, davon zwei auf mehr als 200 (hier werden der Fairness halber bewusst keine Bandnamen genannt). Bei den restlichen Formationen ergibt sich ein tristes Bild: Wenn es eine Band nicht einmal schafft, 40 Stimmen zu mobilisieren, fragt man sich schon, ob die überhaupt einmal jemandem erzählt haben, dass man Musik macht. Und wenn man dann sieht, dass es etablierte Bands gibt, die weniger Stimmen als Bandmitglieder haben, dann kann man schon von einem kleinen Desaster reden.

Woran liegt das? (Ausser am für den Voter lästigen Registrierungsverfahren – wie wärs z.B. mit einem Facebook-Login?) Erstens wissen die etablierten Acts, dass sie den JKF-Gig so gut wie sicher in der Tasche haben. Ebenso eine tolle Auftrittszeit auf einer der grösseren Bühnen – dafür gibt es ja zu Recht das Organisationskomitee. Dieses kennt die Basler Bandszene und weiss, wie man ein ansprechendes Festival programmiert. Und junge Bands, die wirklich gut sind, könnten sich ihrer Sache eigentlich auch sicher sein – sofern sie genug Selbstvertrauen haben, um dem OK zu vertrauen. Das bedeutet eigentlich, dass sich nur durchschnittliche oder blutjunge Bands via Voting in die Top Ten katapultieren lassen müssten. Dass dies nicht so ist, zeigen die ersten 15 des Votings, wo durchaus auch grosse Namen zu finden sind.

Fotobeweis: 2011 war der Autor selber am JKF dabei – nachdem er mit «Brandhärd» das Publikums-Voting gewann.

Meiner Meinung nach liegt das dürftige Interesse am JKF-Voting vor allem am Voting selber. Hier also Punkt zwei: Die Leute haben Votings satt! Heute wird wegen jedem Furz (und damit meine ich nicht das JKF) eine Publikumsabstimmung lanciert in der Meinung, dass man so via Social Media «die Jungen» erreicht und gratis Promo erhält. Das ist zum kotzen!

Ich habe langsam keine Lust mehr, meinen Facebook-Account zu besuchen, weil ich zugebettelt werde von Musikern und anderen Kreativen, die sich für irgendwas verknechten lassen. Als Künstler kann man sich doch heute keine coole Aura mehr erarbeiten, wenn man seine Fans permanent auf Knien anbetteln muss. Hallo! Wo bleibt denn da der Rock’n’Roll? Das sage ich als Fan und Musiker zugleich – wobei ich jetzt hoffe, das ich mit meiner Band demnächst nicht auch wieder auf eine Voting-Teilnahme angewiesen bin. Ich habe keine Lust, meine Freunde zu nerven.

Denn ich weiss, es geht vielen wie mir. Darum: Hört um himmels Willen auf mit diesen lästigen, degradierenden Votings! Wer einen Künstler unterstützen will, soll seine Konzerte Besuchen, CDs kaufen und YouTube-Videos anclicken. Und zwischendurch vielleicht ausnahmsweise ein Voting wie das des JKF. Denn eigentlich, das darf man nicht vergessen, kann die Diktatur solcher Mini-Mehrheiten auch eine gute Sache sein – in der richtigen Dosis.

Also votet! Ihr habt noch Zeit bis am Donnerstagabend. Danach kehrt zumindest in dieser Sache Ruhe ein – und wir können uns auf das Wochende vom 30. und 31. August 2013 freuen. Dann findet zum achten mal das Jugendkulturfestival statt und die Innenstadt gehört für einmal ganz der Jugend und allen Junggebliebenen.

PS: Vielleicht habe ich es verdrängt – oder ich bin einfach schon alt – aber ich möchte und sollte an dieser Stelle natürlich nicht verschweigen, dass ich 2011 mit meiner Band Brandhärd das JKF-Voting gewonnen habe. Allerdings ohne Bettel-Tour.

Basler Sieg am DJ-Showdown in Zürich

Joel Gernet am Freitag den 3. Mai 2013

Update vom 5. Mai: Die DJ-Krone bleibt in Basel. DJ Bazooka gewinnt zum zweiten Mal den Schweizer «Red Bull Thre3 Style»-Contests – dank seines Triumphs wird er am Weltfinale in Toronto mit dabei sein. Auf dem zweiten Rang landet DJ Mitch Cuts (LU), den dritten Platz belegt Bazookas Basler DJ-Kollege Montes (Goldfinger Brothers).

Triumphiert in Zürich: DJ Bazooka. (Foto: Christoph Däppen, Red Bull)

Triumphiert in Zürich: DJ Bazooka. (Foto: Christoph Däppen, Red Bull)

Am 4. Mai kämpften DJ Montes und DJ Bazooka im Final des «Thre3 Style»-Contests im Kaufleuten um die Krone – und um die Weltfinal-Teilnahme in Toronto. Wir haben mit den befreundeten Turntable-Rockern über die spezielle Ausgangslage gesprochen.

Mixen in Zürich ausnahmsweise gegeneinander: DJ Montes und DJ Bazooka (mitte) mit ihren Crewkollegen Larry King und La Febbre (v.l.).

Mixen in Zürich ausnahmsweise gegeneinander: DJ Montes und DJ Bazooka (mitte) mit ihren Crewkollegen Larry King und La Febbre (v.l.).

Hartgesottenen HipHop-Heads dürften die DJ-Organisationen DMC und ITF noch ein Begriff sein – sie krönten früher die besten HipHop-Plattendreher in der Schweiz und weltweit. Das war einmal. Heute ist die Schweizer Ausgabe des «Red Bull Thre3 Style»-Contests der einzige DJ-Wettbewerb mit landesweiter Ausstrahlung. Seit seiner Lancierung thront die «Thre3 Style»-Krone auf Basler Häuptern: Bei der Erstauflage 2010 holte DJ Montes den Titel – beim Weltfinale in Paris wurde er Dritter – und ein Jahr später wurde der Wahlbasler DJ Bazooka beim internationalen Final in Vancouver Zweiter nachdem er die Trophäe erneut ans Rheinknie holte.

Goldfinger Brother: DJ Montes wurde Dritter. (Foto: Thomas Stöckli Red Bull)

Goldfinger Brother: DJ Montes wurde Dritter. (Foto: Thomas Stöckli Red Bull)

Und die Chancen stehen gut, dass die Krone in Basel bleibt: Im sechs DJs umfassenden Final der dritten Auflage treffen die beiden Basler Freunde nämlich aufeinander. «DJ Bazooka wir wohl mein härtester Konkurrent sein», sagt Montes vor dem Showdown. Pikant: Montes legt nicht nur regelmässig mit Bazooka auf, er hat ihn vor dem Final im vergangenen Jahr gecoacht und ihm als Jury-Mitglied zum Titel verholfen: «Ich fand Bazooka einfach am geilsten», sagt Montes. «Dieses Jahr würde ich es ihm gönnen und umgekehrt – aber ich will nach Toronto, ich war noch nie in Kanada.»

Und was meint Bazooka? «Das ist natürlich schon speziell – ich trete nicht gerne gegen ihn an», sagt der 27-Jährige. Kurz nachdem Bazooka vor sechs Jahren nach Basel kam, gewann der gebürtige Schaffhauser einen DJ-Wettbewerb und wurde zum Resident-DJ der Partyreihe Soulsugar in der Kuppel – an der Seite von DJ Montes und dessen Goldfinger Brother La Febbre. «Schon damals guckte ich zu ihm hoch», sagt Bazooka.

Bongo Kid: DJ Bazooka. (Foto: Christoph Däppen Red Bull)

Bongo Kid: DJ Bazooka. (Foto: Christoph Däppen Red Bull)

Und nun soll er quasi zum Vatermörder werden? «Ich sehe die Sache ziemlich gelassen – ich mache aus purem Spass mit», sagt Bazooka, der seiner DJ-Show für den Final noch den letzten Schliff verpassen will. Von Montes erwartet er ein «Bomben-Set» – und kündigt ein ebensolches von sich selber an. Und Routinier-Montes ist ohnehin ready: «Ich habe eine gute Show mit lustigen Überraschungen und zwei ganz dicken Beats im Gepäck», sagt er. «Kein 0815-Set, bei dem HipHop-Klassiker runtergeleiert werden.»

Es ist also angerichtet zum grossen DJ-Showdown im Zürcher Kaufleuten-Club. Neben Bazooka und Montes werden Doobious, Mitch Cuts, Ob One und HiGH.Fi antreten – es dürfte spannend sein, zu sehen, wie sie gegen die Basler Kronfavoriten abschneiden. Die Chancen stehen jedenfalls nicht schlecht, dass die «Red Bull Thre3 Style»-Krone zum dritten Mal in Folge nach Basel wandert.

Über den «Red Bull Thre3 Style»-Contest
Zum dritten Mal führt Red Bull der Schweiz das Red Bull Thre3 Style durch: Es stehen sich jeweils sechs DJ’s gegenüber. Diese haben je eine Viertelstunde, um mit ihrem Können zu punkten. Dabei gilt es, mindestens drei verschiedene Styles – von Hip-Hop bis Klassik – auf möglichst überzeugende Art zu Mixen. Der Schweizer Gewinner darf zieht ins Weltfinale in Toronto ein.

«Red Bull Thre3 Style» Swiss Finals
Samstag 4. Mai 2013; Kaufleuten Klub, Zürich; Türöffnung: 22h; Eintritt (inkl. Afterparty) CHF 20 (ab 23.30h CHF 30); Afterparty: A-Trak & Tiga (vs the World). Mehr Infos.

Ein rastloser Rene beim Zwischenhalt in Basel

Joel Gernet am Mittwoch den 13. März 2013

«Es gibt nichts dazwischen.» MC Rene erklärt im ausführlichen Interview, warum er sein bürgerliches Dasein hinter sich gelassen hat für ein Leben auf Reisen und ohne viel Besitz. (Interview: Joël Gernet)

Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht liegt MC Rene auf der Bühne des FAKT und präsentiert seine neusten Songs. Hier, im Kunst-, Konzert- und Barbetrieb bei der Markthalle, wird der 36-Jährige heute Mittwochabend aus seinem Buch vorlesen und – vielleicht – auch rappen. «Das kommt ganz auf die Stimmung an», meint der Braunschweiger mit einem Augenzwinkern, «aber in letzter Zeit ist das öfters passiert».

Neuer Sound: MC Rene mit seiner «USBahncard 100».

Rene kommt gerade aus Baden, zuvor war er in Zürich. Eine knallrote Pudelmütze mit weissem Kreuz zeugt von seinem Schweiz-Trip. Drei Jahre dauert die abenteuerliche Reise des René El Khazraje inzwischen. Zuvor hat er seinen Job in einem Callcenter an den Nagel gehängt, seine Wohnung gekündigt und einen Grossteil seiner Habseligkeiten verschenkt.

Seither reist MC Rene mit einer Bahncard 100, vergleichbar mit dem Schweizer SBB-Generalabonnement, quer durch Deutschland, schreibt, rappt und bleibt, wohin es ihn gerade treibt. Dabei agiert er nicht nur als Rapper, sondern auch als Stand-Up-Komödiant. Fast schon prophetisch muten da die Zeilen an, die MC Rene auf seinem Debut-Album «Renevolution» (1995) rappte:

«Bekomme meinen Zug und steige ein. Setz meine Kopfhörer an, die Fahrt wird lang sein» (Auf: Ein anderer Ausflug)

«Ich passe mich nicht an, will nicht sein wie alle andern. Will wandern, nach meinen eigenen Plänen. Als Alternative bestehn zu einem Spiessersystem (…). Ich will kein kleiner Angestellter in einem grossen Betrieb sein, der nur lebt, um ein Arbeiter zu sein»
(Auf: Nutze den Tag)

Seine Erfahrungen als rappender Vagabund hat Rene im Buch «Alles auf eine Karte» zusammengefasst. Dass er die Erlebnisse seiner permanenten Reise aber auch in Reimform verarbeitet, zeigen die Rapsongs, die im FAKT aus Renes mobilen Boxen pumpen. Im Track «Bereuen» betitelt sich der Mcee als «beratungsresistenten Karriereverweigerer» und beschreibt, wie er sich von seinem bürgerlichen Ballast befreite und seither seinem Traum folgt.

Die Reime des 36-Jährigen sprudeln immer noch so fliessend und locker aus seinem Mund wie Mitte der 90er-Jahre, als der Teenager mit marokkanischen Wurzeln als eines der grössten Raptalente in Deutschland gehandelt wurde. Und eine Freestyle-Wundertüte war er obendrauf. Ein Improvisations-König, dessen Gabe ihm auch bei der Moderation der Viva-Rapsendung «Mixery Raw Deluxe» zugute kam.

Kein Wunder, heisst der bemerkenswerteste neue Rene-Song «Mein Leben ist ein Freestyle». Begleitet von einem schönen Klavier-Beat erzählt der Rapper von seinem Leben auf der Schiene. Das Video zum Song wurde kürzlich in Heidelberg gedreht – inklusive Gastauftritten langjähriger Weggefährten wie den Stieber Twins, Mirko Machine oder Spax. Von seiner Zeit im Callcenter handelt «Stefan Eckert», betitelt nach Renes Pseudonym als Telefonarbeiter. Ein funky Track, auf dem Rene sein damaliges Leben seziert und das Klischee des überangepassten Spiessbürgers auf die Spitze treibt. Eine herrliche Audio-Karrikatur.

Insgesamt sechs neue Songs lässt MC Rene über die FAKT-Bühne brettern. Sie sollen in wenigen Wochen auf einem USB-Stick in Form einer «USBahncard 100» veröffentlicht werden – gemeinsam mit dem Audiobuch und einem Experimentalfilm. Mit sechs Stunden Spielzeit eignet sich Renes neuster Wurf bestens für längere Zugfahrten. Wer nicht bis zur offiziellen Veröffentlichung warten will, kann seinen Allerwertesten ins FAKT bewegen. Gut möglich, dass MC Rene einige Kostproben zum Besten gibt.

MC RENE Alles auf eine Karte (2012) from mc rene on Vimeo.

Live: MC Rene, Mittwoch, 13. März 2013, F A K T, Viaduktstrasse 10, Basel. Eintritt: 10.- Franken (mit Buch 15.-). Programm: 20h DJ Core, 21.30h MC Rene, 23h Freestyle Session.

Buch: MC Rene – Alles auf eine Karte: Wir sehen uns im Zug (272 Seiten). rororo-Verlag 2012.

Die «tafsten» Rap-Piraten des Planeten

Joel Gernet am Donnerstag den 7. März 2013

Päirätts: Flink, DJ OK, Taz und Aman.

Das dürfte jeden Schweizer Rapfan freuen: Die Taz-Aman-Flink-Squad – kurz TAFS – lässt am 8. März ihr drittes Album «Landgang» vom Stapel. Aber drehen wir den Zeiger zuerst etwas zurück: Das Baselbieter Trio bescherte mir Ende des letzten Jahrtausends einen dieser magischen HipHop-Momente. Wir schreiben das Jahr 1999 und ich – ein junger, naiver Teenager – bin völlig aus dem Häuschen ob der Bühnen-Performance der drei Emporkömmlinge, schwitze und springe voller Euphorie. Es war die Plattentaufe der allerersten TAFS-Maxi «8i Bahnhof» im Liestaler Jugendhaus Splash, das einen Steinwurf von besagtem Bahnhof – dem eigentlichen Jugendtreff jener Zeit – entfernt liegt. Die Platte war innert Kürze ein Klassiker und ich der Überzeugung, dass die TAF-Squad die beste Rapcrew des Planeten ist. Und ihre Konzerte nicht zu überbieten.

Das Problem bei Bands, die man in jungen Jahren vergöttert hat, ist leider oft, dass diese einen ein halbes Leben später nur noch enttäuschen. Zu mächtig die nostalgisch gefärbten Erinnerungen. Zu schwer der emotionale Ballast der Songs, die einen durch die Jugend begleiteten. Was also haben meine Helden noch drauf bei ihrem Landgang? Schnell wird klar: Die TAFS sind noch ganz die Alten, halt einfach vierzehn Jahre älter. Die Ergüsse der Rapper Aman und Taz versprühen noch immer viel Charme und Wortwitz. Und die Flink-Beats haben sogar noch mehr Bumms als früher.

Waren die TAFS vor drei Jahren auf «Gschwäll» – Baselbieter Slang für Geschwätz – noch die alten «Hasenimbiz», so bestreiten sie ihren Landgang heuer als «Päirätts». Nun ist das Piraten-Sujet für Rapper in etwa so cool, wie ein geschminkter Clown an der Basler Fasnacht, das haben andere Rapcrews leider schon bewiesen. Aber den TAFS verzeiht man so etwas. Erstens kommt die Augenklappe in Form einer «einäugigen» Ray-Ban-Sonnenbrille äusserst stilvoll daher – ebenso die Social-Media-Kampagne, bei der diverse Promis per Fotoshop eine ebensolche verpasst bekommen. Und zweitens präsentiert sich die Musik der Baselbieter so leichtfüssig und humorvoll, dass Sound und Sujet halt doch zusammenpassen.

Man merkt: Die Jungs müssen niemandem mehr etwas beweisen, sondern wollen nichts als Spass haben miteinander. «Quality time», nennen sie das. Da gibt es witzige Chuck-Norris-Vergleiche und Baselbieter Mundart-Gschwäll am Laufmeter. Auf welcher Rapplatte hört man schon Wörter wie Suurribel oder Bäfzger? Bemerkenswert ist bereits der Album-Auftakt mit filigranen Glockenklängen und wummernder Dubstep-Baseline. Zu diesem herrlichen Klangteppich werden die Namen sämtlicher Baselbieter Gemeinden aufgezählt, und auch Basel bleibt nicht unerwähnt – schliesslich lebt die Rapfraktion seit Jahren in der Stadt. Ich kann es kaum fassen, dass die TAFS aus so einem Brett von einem Beat keinen wirklichen Song basteln! Das ist dekadent, irgendwie auch cool.

Ein weiterer Höhepunkt folgt mit «Alles verbi». Ein stimmungsvolles Piano-Intro suggeriert einen nachdenklichen Track – bevor ein Nintendo-artiger Basslauf einsetzt. Und ein Aman in Bestform. Netter Nonsens im Ohr, ein breites Grinsen im Gesicht. Das sind die TAFS, die ich liebe! Auf dem «Vereinssong» und «Dreih mi nid um» beweist der neu dazu gestossene DJ OK, dass er sich mit seinen Beats keineswegs hinter (DJ) Flink zu verstecken braucht. Dieser fokussiert sich seit einiger Zeit an den Konzerten auf seine Rolle als Percussionist – was sich rhythmisch auch spürbar auf seine Beats auswirkt. Positiv, versteht sich. Von Rap über Reggae bis hin zu Dubstep räubern die Piraten in allen Genres – auch eine der Stärken der Crew.

Herrlich die Gangnam-Style-Persiflage, die bei den Baselbieter Freibeutern «Landgangstyle» heisst und mit seinem pumpenden Beat und dem verrückten Refrain irgendwie an die Berliner Ragga-Formation Seeed erinnert. Könnte ein Club-Hit werden.

Als ich den Song zum ersten Mal auf SRF 3 hörte, realisierte ich erst in der Hälfte des Songs, dass da Schweizer am Werk sind. Experiment geglückt. Der Taz-Solosong «Cloudtouch» ist vergleichsweise nachdenklich, der Beat federleicht. Ebenso die Texte, in denen der Rapper dem Alltrag entflieht: «Ych zieh vo Insle zu Insle, immer mit em Gfühl es liggt no meh dinne».

Nach dem pumpenden Video-Track «Klarschiff», auf dem der übernötige Frühlingsputz erledigt wird, folgen mit «Dreih mi nid um» und «Nid mi Ding» die einzigen – ansatzweise – kritischen Songs. Selbst hier bleiben die TAFS heiter und smart. Ein Bisschen mehr Biss würde zuweilen nicht schaden, zumal sich bei all dem Frohmut einzelne Songs auf Dauer inhaltlich kaum unterscheiden. Just als ich mir überlege, wie stark ich mich über das Übermass an nettem Nonsens aufregen soll, sticht mir folgende Aman-Zeile ins Ohr: «Dr Ernscht isch nid in unserer Crew, also frog mi nid wo er blibt». Die Sache ist gegessen!

Mein liebster Album-Beat folgt im «Outro», ein typisches Flink-Brett mit positivem Vibe, der an ‪Shabaam Sahdeeqs «Soundclash»‬ erinnert. Im Refrain darf der DJ sogar noch seine Scratch-Skills beweisen. Anders als im Intro wird dieses Mal auch gerappt. Schöner Abschluss eines guten Albums. Ich kann mich zufrieden zurücklehnen: Die Helden von damals haben mich nicht hängen lassen. So wie Schweizer Rap im Allgemeinen zur Zeit, das soll hier nicht unerwähnt bleiben: Die eben erschienenen Solo-Alben von Manillio («Irgendwo») aus Solothurn und des Berners Dezmond Dez («Verlornigs Paradies») lassen die eidgenössische Rapszene im besten Licht erstrahlen. Und nun auch die TAFS. HipHop-Hooray!

Tafs – Landgang. Nation Music. VÖ: 08. März 2013. Online erhältlich via iTunes und Urbanpeople.ch.

Lippenstift, Gitarrenriffs und Arschtritte

Joel Gernet am Dienstag den 22. Januar 2013

Diese Damen können richtig zupacken: Im neuen Video des Basler Rock-Quartetts Mother Razorblade werden nicht nur Gitarren, Bass und Schlagzeug, sondern auch Autowracks hart angepackt. Mit Vorschlaghammer statt Rasierklinge werden da ausrangierte Karossen von vier Furien in ihre Einzelteile zerlegt, untermalt von heulenden E-Gitarren, treibenden Bassläufen und dem Gesang von Frontfrau Sabrina. Dreckiger Hardrock, den man am liebsten ganz laut hören möchte.

Das von Fabienne Haase realisierte Video «Gonna Go Wild» ist der Vorbote zu Mother Razorbaldes erster Veröffentlichung NCOTB, welche am 8. Februar erscheint – digital und als Vinyl-EP (!). Das Debut soll die Musikszene aufmischen: «Jung, hungrig und scharf wie eine frische Rasierklinge: Die vier holden Damen von Mother Razorblade sind gekommen, um liebevoll und innig Ärsche zu treten», wird in der Band-Bio vollmundig angekündigt. Das klingt so sympathisch wie vielversprechend, zumal es sich hier offenbar um die erste Basler «All-Girl-Band» seit langem handelt, wie wir bei den Kollegen des Rockfördervereins RFV lesen.

In Action: Mother Razorblade im Hirscheneck, wo am 8. Februar NCOTB getauft wird.

Das Quartett besteht in dieser Formation seit Frühling 2011 und ist beim Basler Label Lux Noise Records untergekommen, wo unter anderem auch namhafte Basler Bands wie die Bitch Queens, die Lombego Surfers oder Fucking Beautiful musikalisch beheimatet sind.

Realisiert haben Mother Razorblade ihr Debut unter der Studioregie von Luc Montini (One Drop Studio, Basel) und Produzent Baschi Hausmann (Fucking Beautiful) – auch dies erfahren wir von der RFV-Edelfeder Chrigel Fisch, der in seinem Beitrag fleissig über die Bedeutung des EP-Titels NCOTB rätselt. Seine Vorschläge: Never Count On Tea-drinking Boys und Nicotine Can Only Taste Black. Mir fällt da spontan folgendes ein: New Clits On The Block oder Vier Engel für Basel…wobei Zweiteres dann mit der Abkürzung nicht mehr ganz hinhaut. Naja, kann ja mit dem Vorschlaghammer zurechtgemurkst werden, oder mit der Rasierklinge.

Für den Tauftermin ihres ersten Babys haben die vier Rockladies nicht lange gefackelt: Plattentaufe ist am Releasetag, dem 8. Februar, im Hirscheneck.