Archiv für die Kategorie ‘Joël Gernet’

«Do you understand english? English sucks, english sucks…»

Luca Bruno am Montag den 13. Dezember 2010

Vorgestern haben wir euch von den beiden Mixtapes des New Yorker Rapkollektivs Das Racist vorgeschwärmt. Gestern Abend haben wir im 1.STOCK nun gleich selbst überprüft, ob das Brooklyner Trio seine Versprechen auch Live einhalten kann.

Zuerst allerdings die Aufwärmübungen, die an diesem Sonntagabend von der jungen New Yorkerin Tecla übernommen werden. Mit ihren synthesizer-lastigen Popsongs bringt sie während 15 Minuten zumindest die ersten Reihen mehrmals zum Hüpfen. Ein Versprechen für die Zukunft.

Im Verlaufe des Abends bezeichnen Das Racist den mittlerweile gut gefüllten 1. Stock geschätzte 20 Mal als «super dope». Auf ihrem Track «hahahaha jk?» rappen Das Racist jedoch «We’re not joking, just joking, we are joking» und in der Tat konnte man sich das ganze Konzert über nicht ganz sicher sein, ob die drei New Yorker wirklich Gefallen am Basler Publikum gefunden haben oder ob wir gerade veräppelt werden. «Do you understand english?», wollten die Drei etwa von der johlenden Menge wissen. «English sucks, english sucks, english sucks…» gab es als Antwort.

Die Herren sind Meister im Vor-den-Kopf-Stossen, unterwegs auf dem schmalen – und unterhaltsamen – Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Wen wundert es da noch, dass wenn Das Racist plötzlich zum Publikum meint «shut up». Zuerst mit ernstem Gesicht, dann mit breitem Kiffergrinsen. Eines steht fest: Die Drei haben jede Menge Spass auf der Bühne – zumindest unter sich. Das Airhorn wird rege betätigt und auch auf das in der Ecke stehende Drumkit wird immer mal wieder eingehauen.

Das Racist fordern «mehr Pizza» auf den Monitoren, ihren Hit «Combination Pizza Hut and Taco Bell» verweigern sie uns jedoch. Hits wie «Who’s That? Brooown!» oder «You Oughta Know» machen die Absenz ihres Breakout-Hits jedoch vergessen.

Zum Abschluss erklingt dann «Simply the Best» von Tina Turner aus den Boxen – um diesem Motto auch wirklich gerecht zu werden, hätte uns Das Racist allerdings gerne mehr als 30 Minuten unterhalten dürfen.

Amici del Rap – Vom Sofa in den Club

Joel Gernet am Freitag den 3. Dezember 2010

Ein Sofaheld sitzt vor dem Fernseher und kann alles besser. Den verschossenen Penalty hätte er höchstpersönlich eiskalt versenkt; die Quizfrage hätte er ohne Zusatzjoker beantwortet und die jämmerliche Darbietung dieses billigen Casting-Sternchens hätte er sowieso mit links überboten. Amici del Rap (ADL) sind Sofahelden. Deshalb heisst auch das neuste Album der Rapband aus Liestal so. «Im Rap geht es ja meistens darum, der grösste Held zu sein – und wir sind halt Sofahelden», erklärt Rapper Mirco Melone. «Der Albumtitel ist Selbst- und Gesellschaftskritik zugleich», ergänzt Dicher, der zweite Rapper der Crew.

In einer Zeit, in der es überall darum geht, der Beste und Grösste zu sein, geben Amici del Rap also Gegensteuer. Auf «Sofahelde» – draussen seit dem 5. November – wird kein aufgesetztes Winnerlächeln präsentiert, viel eher wird entwaffnend gegrinst. Neben nachdenklichen und kritischen Passagen (etwa auf «Schtill» oder «Kei Bock») ist es vor allem diese unverkrampfte Ehrlichkeit, welche die Crew aus Lietsch-City auszeichnet. Etwa bei der «Chalberei» mit den Kollegen und Wegbereitern der TAFS. Das Gastspiel passt perfekt, sind doch Amici del Rap drauf und dran, sich als zweite Liestaler Rapband hinter der TAF-Squad einen hervorragenden, überregionalen Ruf zu erarbeiten.

Beeindruckend auch der Kontrast auf dem Song «California», dessen Strophen nachdenklich-depressiv daherkommen, gefolgt von fast schon kitschigem kalifornischen Sonnenschein im Refrain. Solche Gegensätz finden sich selten in einem einzigen Song – zumindest im Schweizer Rap.

Im Gegensatz zum Debut-Album «Euses Ding» (2006) sind ADL nun mit kompletter Band im Rücken unterwegs – ein Gewinn, nicht nur bei den Live-Konzerten. Im November haben Amici del Rap noch als Vorgruppe der TAFS die Kuppel aufgeheizt. Nun sind die Freunde des Rap selber am Zug – am Samstag, 4. Dezember, wird im Modus Liestal das neue Album getauft. Selbstverständlich wird dann auch das rosarote Sofa aus dem Sofahelden-Videoclip auf der Bühne zugegen sein.

  • CD: Amici del Rap, Sofahelde, VÖ 05.11.2010
  • Plattentaufe: Modus, Liestal, mit Black Tiger, Blazup Tunes, Vinyl Bros, uvm… Doors, 21:00 Uhr, Abendkasse: CHF.20.-
  • Wir verlosen 2 Sofahelde-CDs: Wer gewinnen will, schreibt uns ein Mail, in dem beantwortet wird, ob der ADL-Rapper a) Mirco Mamba b) Mirco Melone oder c) Mirco Microphon heisst. Viel Glück.

Basler Graffiti-Wahrzeichen als Weltkulturerbe?

Joel Gernet am Freitag den 26. November 2010

Quelle: foto-werkstatt.ch

Mehr urbane Schweizer Traditionen, darunter Graffiti als Teil der Hip-Hop-Kultur, wünscht sich David Vitali vom Bundesamt für Kultur auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes, wie er diese Woche gegenüber 20minuten Online sagte. Auf den ersten Blick eine gute Idee, gehört doch Graffiti tatsächlich zu den prägenden Elementen im Stadtbild. Die Basler Bahnhofseinfahrt etwa mit ihrer kilometerlangen Graffiti-Galerie ist weit über die Landesgrenze hinaus bekannt. Und nicht wenige sehen in ihr sogar eine Art inoffizielles Wahrzeichen.

Man stelle sich vor: Diese bunte Bahnhofsgalerie gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO – zusammen mit den Pyramiden von Gizeh, dem Yellowstone-Nationalpark, dem Taj Mahal und 908 anderen Objekten in 151 Ländern. Das wärs doch, oder? Basel Tourismus könnte die Kunststadt am Rheinknie noch besser vermarkten und die ansässige Graffiti-Szene (nicht zu verwechseln mit den zahlreichen Schmierfinken) bekommt endlich einmal die Anerkennung, die ihr zusteht.

Doch so schmeichelhaft die Idee auch ist – der Vorschlag ist Bullshit. Erstens: Graffiti ist ein weltweites Phänomen, entstanden Anfang der 70er Jahre in New York. Warum also sollen nun ausgerechnet die Graffiti aus der sauberen Schweiz zum Teil des Weltkulturerbes werden? Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Pioniere. Wenn schon, müsste die Subway in New York – von wo aus die farbigen Buchstaben die Welt erobert haben – «geschützt» werden. Oder die unzähligen Graffiti-Mauern der Bronx. Das geht nicht, weil die meisten Bilder dieser Zeit schon weggeputzt wurden? Aha! Da sind wir bei Punkt zwei: Graffiti ist eine flüchtige Kunst. Sie kommt und geht. Altes wird von Neuem übermalt. Das war schon immer Teil dieser Kultur.

Als ich nach dem Tod des weltbekannten Basler Sprayers Dare der Frage nachging, ob seine Bilder im öffentlichen Raum nun eines speziellen Schutzes bedürfen, wurde mir gesagt, dass Dare zeitlebens gegen eine solche Archivierung von Graffiti war. Und ich bin es auch. Das hat nichts mit Geringschätzung dieser Kultur zu tun. Eher mit Respekt und dem Bewusstsein der steten Erneuerung. Graffiti ist eine lebendige Kultur, die auf den Strassen dieser Welt statt findet. Legal und illegal. Im Moment, indem sie unter Schutz gestellt oder ins Museum gesteckt wird, läuft sie Gefahr, dass sie stirbt. Dann müsste man sie tatsächlich ausgraben und archivieren.

Vom Keller ins Rampenlicht

Joel Gernet am Mittwoch den 24. November 2010

Dass sich Basel in Sachen Pop, Rock und Rap nicht verstecken muss, ist – zumindest am Rheinknie – kein Geheimis. Dass in Basel aber viele, sehr viele Bands ihr Potenzial nicht ausschöpfen – erst recht auf nationaler Ebene – auch nicht. Woran liegt es, dass Herr und Frau Schweizer neben den Lovebugs und Black Tiger, allenfalls noch The Bianca Story oder The Glue, kaum aktuelle Musiker aus Basel kennen? Liegt es an der viel zitierten Basler Bescheidenheit? Sind unsere Bands zu wenig selbstbewusst? Oder nur zu versifft? Wird Basler Sound vom den nationalen Mainstream-Medien totgeschwiegen? Oder sind die Musiker schlicht und einfach zu schlecht?

Da viele ansässige Bands definitiv die Qualität und das Potenzial haben, national was zu reissen, wage ich zu behaupten, dass viele Basler Künstler zu bescheiden sind. Oder zu versifft. Oder beides. Was kann dagegen getan werden? Ganz einfach: Den Finger aus dem Allerwertesten nehmen und sich jetzt für das siebte Jugendkulturfestival (JKF) anmelden, das am 2. und 3. September die Innenstadt wieder Kopf stehen lassen wird. Folgenden fünf Punkte erklären, warum:

  1. Ein konkretes Ziel vor Augen haben: Wer sich stets nur im Bandkeller verschanzt und «für die Mülltonne» oder fürs Internet (was teilweise aufs Gleiche hinausläuft) musiziert, macht niemals die Fortschritte einer Band mit kontinuierlich wachsender Live-Erfahrung. Der Schritt auf die Bühnenbretter – mit echten Zuschauern und so…, nicht mit Clicks – stellt für die meisten Bands eine magische Grenze dar. Eine Grenze, über die sich viele aus falscher Bescheidenheit – oder eben Versifftheit – zu spät wagen. Klar, noch viel mehr Künstler präsentieren sich zu früh, aber das ist ein anderes Thema. Wer sich für einen Basler Grossevent wie das Jugendkulturfestival (oder auch die BScene) anmeldet, setzt sich ein ambitioniertes Ziel und kann dabei nur gewinnen.
  2. Das «Business» kennenlernen: Wer sich die Mühe nimmt, einen Anmeldeprozess wie beim JKF zu durchlaufen, merkt was es braucht, um über den Bandraum hinaus wahrgenommen zu werden: Eine professionell – am besten auch originell – geschriebene Bandbiographie; vernünftige Bandfotos; einen Plan, wer oder was auf die Bühne gehört und – vor allem – Sound der ready ist, vom Publikum gefeiert zu werden. Künstler, die sich angewöhnen, solche administrative Hürden zu überwinden und die sich so mit sich selber auseinandersetzen, haben es später auch leichter bei einer allfälligen Anmeldung zum «RegioSoundCredit», bei dem dreimal im Jahr Geld für vielversprechende Bands aus der Region ausgeschüttet wird. Als Kellerband mit Ambitionen gilt es solche Angebote sowie Wettbewerbe jeder Art zu nützen.
  3. Live-Erfahrung sammeln: Ein Bandprobe kann niemals ein Livekonzert ersetzen. Eine Combo kann noch so eingespielt sein – wenn sie nicht weiss, wie man mit dem Publikum kommuniziert und wie dieses auf die verschiedenen Lieder reagiert, ist diese Routine wenig wert. Ein überzeugendes Auftreten ist – wie fast überall – die halbe Miete. Mit Live-Routine können einem auch die gröbsten Patzer, sofern man diese originell auffängt, Publikums-Sympathien einbringen.
  4. Sich dem Publikum und den Fachleuten präsentieren: Nur wer sich zeigt, kommt ins Gespräch. Nur wer im Gespräch ist, wird auch weiter beachtet. Am Jugendkulturfestival ist halb Basel auf der Strasse (zumindest die musikaffine Peergroup). Zudem werden auch namhafte Komponenten aus der Musikszene unterwegs sein, denen man sich zeigen kann.
  5. Der Durchbruch ist möglich: Wenn eine unbekannte Kellerband an einem Grossevent wie dem Jugendkulturfestival überzeugt, hat sie gute Chancen auf Folgeauftritte. Oder, dass sie beim nächsten JKF nicht am Freitagnachmittag auf einer Nebenbühne, sondern am Samstagabend auf einer Hauptbühne spielen wird. Wer seinen Auftritt zudem via Videobilder (gibt es eine schönere Video-Kulisse als die voll besetzte Basler Innenstadt?) optimal weiter verwertet, kann noch mehr Leute erreichen und beeindrucken. Es soll ja Basler Bands geben, die auch dank einem JKF-Videoclip den nationalen Durchbruch geschafft haben. Also ran an den Speck!
  6. Spass haben: Das Wichtigste zuletzt. Es gibt für eine Band aus der Nordwestschweiz kaum etwas schöneres, als an einem Spätsommerabend in der zum bersten gefüllten Innenstadt zu spielen. Punkt.

Also… seit dieser Woche können sich (nicht nur) Musiker aus der Region für das siebte Jugendkulturfestival anmelden (hier das Formular). Und ich hoffe, dass sich die ein oder andere Kellerband am Riemen reisst und am ersten Septemberwochenende auf einer der JKF-Bühnen steht. Auf dass Basel bald wieder mehr zu bieten hat als eine Handvoll nationale bekannter Musiker. In Anbetracht des lokalen Potenzials kann es doch nicht sein, dass unter den über 300 Bewerbern für das SF-Finale zum Eurovision Song Contest (ESC) nicht einmal ein halbes Dutzend regionale Artists waren (oder sind sie sich zu schade dafür?)! Immerhin: Mit zwei von zwölf Finalisten – The Glue und Anna Rossinelli – ist Basel nun dafür quasi überproportional vertreten in der Finalshow um die Schweizer ESC-Vertretung. Und was ist schon der Konkurs-Concours gegen das Basler Jugendkulturfestival…