Archiv für die Kategorie ‘Fabian Kern’

Fremdschämen für Fortgeschrittene

Fabian Kern am Mittwoch den 19. Februar 2014

«Stromberg – der Film» läuft ab 20.2. im Capitol und im Küchlin.

«Stromberg – der Film» läuft ab 20.2. im Capitol und im Pathé Küchlin.

Der Humor von Stromberg ist nicht jedermanns Sache. Der Mann tritt gegen unten und schleimt gegen oben und sorgt mit seinen diskriminierenden Witzen immer wieder für hochnotpeinliche Pausen. Und auch wer das lustig findet – in höheren Dosen scheint der Humor nicht mehr allzu bekömmlich zu sein. Deshalb die bange Frage vor dem Gang in die Vorstellung der Kinoversion «Stromberg – der Film»: Ist Christoph Maria Herbst in seiner Paraderolle als arschkriechender Opportunist über 100 Minuten zu ertragen oder entwickelt man bei dieser epischen Länge des Fremdschämens eine bleibende Abneigung gegen Bürojobs jeglicher Art? Ich setzte meine berufliche Zukunft aufs Spiel und wagte den Selbstversuch.

Sorgenfalten bei Stromberg. (Bilder: Praesens)

Wie gehts weiter? Sorgenfalten bei Stromberg. (Bilder: Praesens)

Eingefleischten Stromberg-Fans wird angesichts der Ereignisse der Atem stocken, denn nach dem Film wird nichts mehr so sein, wie es in der Serie gewesen ist. Das ist letztlich das Geniale an «Stromberg – der Film»: Er ist inhaltlich an die TV-Serie gekoppelt, führt sie sogar fort, funktioniert aber auch als eigenständiger Film. Aber wir wollen nicht vorgreifen. Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) sitzt als Leiter der Schadensregulierung der Capitol Versicherung bombemfest im Sattel. Zumindest nach Eigenansicht des selbstgefälligen Bürolisten. Doch dann erfährt er – ausgerechnet über den Hausmeister –, dass seine Filiale dicht gemacht werden soll. Sein Kommentar dazu: «Eine Firma ist wie die Ehefrau: Die fickt dich, wenn du nicht damit rechnest.»

Wo gehts zur Firmenfeier? Stromberg und «Ernie».

Wo gehts zur Feier? Stromberg und «Ernie».

Deshalb hilft Stromberg nur die Flucht nach vorn. Er beschliesst, mit der gesamten Abteilung an der 50-Jahr-Feier der Capitol in der Provinz teilzunehmen – obwohl er genau das noch tags zuvor seinen motivierten Mitarbeitern verboten hatte. Aber so ist halt Stromberg: Er versucht, alles zu seinem Vorteil auszunutzen. Dass er dabei in seiner Arroganz allerdings sehr kurzsichtig agiert, ignoriert er komplett, muss er aber an der Firmenfeier am eigenen Leib erfahren. Denn eigentlich will er sich mit einer Schleimattacke für einen Wechsel in die Firmenzentrale seine berufliche Zukunft in der Capitol sichern, begegnet dabei aber lauter früheren Kollegen, welche er früher lächerlich gemacht hat. Ausgerechnet Berthold «Ernie» Heisterkamp (Bjarne I. Mädel) hingegen, Strombergs Mobbing-Opfer Nummer eins, kommt beim Capitol-Boss richtig gut an. Stromberg muss sich zur Abwechslung richtig ins Zeug legen, um nicht zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Bloss – wie macht man das?

Wie behalte ich den Job? Stromberg zieht alle Register.

Wer mag mich? Stromberg zieht alle Register.

Triste Grundstimmung, haarsträubender Kleidergeschmack und minutenlanges Fremdschämen – Stromberg bleibt sich auch auf der Leinwand treu. Die Story ist gut und vermag über die volle Spielfilmlänge zu unterhalten. Nicht zuletzt durch den Ausbruch aus dem Grossraumbüro und die Wandlung zum Roadmovie. Trotzdem wurde der dokumentarische Stil beibehalten. Die Kommentare der Angestellten direkt in die Kamera sorgen für die besten Lacher und sind die Essenz von Stromberg. Deshalb kann der Selbstversuch als Erfolg verbucht werden, und ich muss mein berufliches Dasein künftig nicht völlig desillusioniert in meinem Grossraumbüro fristen. Oder mit den Worten von Stromberg: «Lass das mal den Papa machen… Papa macht das gut.»

«Stromberg – der Film» läuft ab 20. Februar 2014 in den Kinos Capitol und Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 20. Februar: Monuments Men, Dallas Buyers Club, Tarzan 3D, Traumland, Alphabet, Viva la libertà.

Schweighöfer mit Biss

Fabian Kern am Donnerstag den 6. Februar 2014

«Vaterfreuden» läuft ab 6.2. im Capitol und im Küchlin.

«Vaterfreuden» läuft ab 6.2. im Capitol und im Küchlin.

Eines steht fest: Matthias Schweighöfer hat die deutsche Liebeskomödie nicht neu erfunden. Aber der Blondschopf ist mit Abstand deren produktivster Vertreter. Kaum hat sich der 32-Jährige mit «Schlussmacher» und «Frau Ella» aus den Kinos verabschiedet, bevölkert er sie schon wieder. «Vaterfreuden» heisst sein neuster Wurf, und er bietet nicht mehr, aber auch nicht weniger, als man von einem Schweighöfer erwarten kann. Denn im Gegensatz zu seinem Kumpel Til Schweiger, der vor ihm prägend für die deutsche Schnulze war, hat Schweighöfer keine qualitativen Ausrutscher. Kein Wunder, denn schauspielerisch agiert Schweighöfer ein bis zwei Etagen höher als Schweiger. Die Steigerung von Schweiger ist Schweighöfer.

Keine Freunde: Carsten und Felix. (Bilder: Warner)

Bissige Beziehung: Carsten und Felix. (Bilder: Warner)

Für einige Anleihen bei «Keinohrhasen» und «Kokowääh» ist sich der 32-Jährige dennoch nicht zu schade. Denn wie gesagt: Er hat die deutsche Liebeskomödie nicht neu erfunden – und will es auch gar nicht. Angesichts einer für den Plot nicht ganz unwichtigen tierischen Nebenfigur hat Schweighöfer wohl auch über den grossen Teich gelinst. Das Frettchen in «Vaterfreuden» erinnert doch stark an jenes aus «Along Came Polly». Während besagter Nager von Jennifer Aniston aber ziemlich harmlos ist, muss man bei Carsten schon mal sein bestes Stück einziehen – zumindest, wenn es gerade mit Honig beträufelt wurde. Denn das ist Carstens Leibspeise. Leider passiert Felix (Schweighöfer) aber genau das, und das erst noch mit Handschellen ans Bett gefesselt. Der notorische Frauenheld wird lebenslang für diesen Fauxpas büssen müssen, denn Carstens Zähne haben ihn seine Zeugungsfähigkeit gekostet.

Fruchtbare Geschichte: Felix und Henne beim Arzt.

Fruchtbare Sache: Felix und Henne beim Arzt.

Was grundsätzlich kein Problem wäre, da Felix ein überzeugter Single ist. Aber mit dem Abschied der Kronjuwelen kommt im Gegenzug der Kinderwunsch. Gut, hat sich Felix kurz vor dem Unfall von seinem  ebenso nervigen wie unerwünschten Bruder Henne (Friedrich Mücke) zur Samenspende hat überreden lassen. Und weil dieser ein schlechtes Gewissen hat, dass ausgerechnet sein Haustier den Bruderherz die Männlichkeit gekostet hat, lässt er sich auch nicht von der Anonymität der Fruchtbarkeitsklinik abschrecken und findet heraus, dass Felix’ Samen bereits den Weg in einen Uterus gefunden hat – jenen von Maren (Isabell Pollak), Münchens beliebtester Sportmoderatorin. Nur hat die Schöne nicht auf Felix gewartet, sondern plant ein dreisame Zukunft mit ihrem Verlobten, dem Yuppie Ralph (Tom Beck) und dem ungeborenen Kind. Aber der verhinderte Vater hat sich in den Kopf gesetzt, im Leben seines wohl einzigen Kindes eine Rolle zu spielen.

Paar-Potenzial: Maren und Felix.

Paar-Potenzial: Maren und Felix.

Natürlich, einen Filmpreis wird der Streifen nicht absahnen. Dafür ist er zu oberflächlich und gibt es zu viel derben Humor und zu viele vorhersehbare Slapstick-Einlagen. Natürlich, einiges kennt man aus anderen Filmen. Das ist in diesem Genre nicht ungewöhnlich. Natürlich, wenn man selbst Kinder hat, muss man einige üble Klischees aushalten. Alles in allem aber ergibt das einen gefälligen Mix mit einem authentischen Charme. Muss man denn überhaupt um jeden Preis bahnbrechend sein? Muss man die deutsche Liebeskomödie neu erfinden? Nein. Wer sie bisher nicht geschaut hat, wird sie auch jetzt nicht schauen – ausser Mann wird von der Partnerin dazu genötigt. Und das bisherige Stammpublikum wird am neusten Schweighöfer seine Freude haben.

«Vaterfreuden» läuft ab 6. Februar 2014 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 6. Februar: Der Goalie bin ig, RoboCop, Free Birds, Mandela: Long Walk to Freedom.

Fussball trifft Kultur

Fabian Kern am Donnerstag den 30. Januar 2014

Flyer FlutlichtBasel ist eine Fussball-Stadt. Basel ist aber auch Kulturstadt. Der Gedanke, die beiden gesellschaftlich relevanten Themen miteinander zu verbinden, verwundert deshalb nicht. Verwunderlich ist viel eher, dass bisher noch niemand auf diesen Gedanken gekommen ist. Dafür brauchte es Philipp Grünenfelder, Dieter Bopp und Markus Schwark. «Flutlicht» heisst ihr Baby, das am Freitag das Licht der Welt erblickt. Es ist das erste Fussball-Film-Festival der Schweiz.

Genau zum Ende der Fussball-Winterpause findet diese Premiere statt. Allerdings nicht ganz freiwillig, denn der Wunschtermin wäre eigentlich eine Woche früher gewesen. Weil aber der FC Basel erst am Sonntag mit einem mässig attraktiven Auswärtsspiel in Lausanne startet, kommen sich der aktive und passive Fussball nicht in die Quere. Im Gegenteil, die Liveübertragung des Spiels wird ins Festivalprogramm eingebunden. «So funktioniert das ganz gut für uns», sagt Grünenfelder. Der 36-Jährige hat mit seinen Kollegen den Anlass nämlich dahin platziert, wo er hingehört: in die Bar du Nord, wo ohnehin alle FCB-Spiele live auf Grossleinwand gezeigt werden.

Das Zielpublikum besteht aber ebenso wenig nur aus Fussballfans wie aus nur Filminteressierten. «Flutlicht soll ein Begegnungs-Festival sein und ein breites Publikum anziehen», erklärt Grünenfelder. Entsprechend sind die Grenzen zwischen Festival- und Barbesuchern offen, denn Eintritt kosten lediglich die Filme und die Diskussionen. Und deswegen zeigt man bewusst nicht Premieren, sondern Filme, die bereits bekannt sind. «Les rebelles du foot» etwa, der viel beachtete Dokumentarfilm von Eric Cantona, dem früheren französischen Profifussballer, oder «Tom Meets Zizou – kein Sommermärchen» des Deutschen Aljoscha Pause. Ersterer führt als Eröffnungsfilm am Freitagabend in den Themenblock «Die Politik und das Spiel» ein, in dem die Greenpeace-Aktion während des Champions-League-Spiels des FCB gegen Schalke im November diskutiert wird. Letzterer ist der Aufhänger am Samstag, welcher dem «Scheitern und dem Tod» gewidmet ist. Den Abschluss am Sonntag macht – passenderweise – der «Glaube im Spiel».


«Football Under Cover» beschäftigt sich mit dem ersten Frauenfussball-Länderspiel im Iran und ist der Hauptfilm am Sonntag.

Die Themen werden jeweils mit Podiumsdikussionen vertieft und so dem eigentlichen Anstoss des Festivals gerecht. «Fussball ist als Thema immer relevanter für die Gesellschaft», sagt Grünenfelder, der mit Bopp und Schwark seit zwei Jahren die Idee des Festivals verfolgte. Richtig aufzugleisen begonnen haben sie aber erst vor neun Monaten. Die Zukunft von «Flutlicht» hängt vom Erfolg der Premiere ab. «Das ist ein Versuchsballon. Ideen für den Ausbau des Festivals hätten wir zur Genüge», sagt Grünenfelder. Interesse aus anderen Städten hat das Organisationskomitee bereits ausgemacht. Aber wo in der Schweiz soll dieses Projekt besser ankommen als in Basel?

Zum Festival-Programm gehts hier.

Ein bittersüsses Vergnügen

Fabian Kern am Mittwoch den 22. Januar 2014

«Philomena» läuft ab 23. Januar im kult.kino atelier.

«Philomena» läuft ab 23. Januar im kult.kino atelier.

Das wahre Leben schreibt die krassesten Geschichten. Im Positiven wie im Negativen. Eine Woche nach der Verfilmung von Jordan Belforts skandalöser Autobiografie «The Wolf of Wall Street» kommt nun eine völlig andere filmische Umsetzung eines Buches in unsere Kinos – jene von Martin Sixsmiths «The Lost Child of Philomena Lee». Es ist eine Geschichte, die jeden sofort reinzieht und absolut erschütternde Ereignisse aus einer Zeit offenbart, die noch gar nicht so lange her ist. Und sich nicht etwa in einem Drittwelt-Land abspielte, sondern in Westeuropa: Irland. In einem erzkatholischen Irland.

Im Jahr 1952 war Philomena Lee Teenager. Mit allen Hormonen und Sehnsüchten wie jedes andere Mädchen ihres Alters. Deshalb lässt sie sich von einem feschen Jungen verzaubern. Weil vorehelicher Sex absolut Tabu war und somit Verhütung kein Thema, wird das arme Mädchen schwanger. Von ihrer Familie verstossen findet Philomena in einem Kloster Unterschlupf und schenkt einem Jungen das Leben. Doch in einem katholischen Kloster werden einem befleckten Teenager keine Mutterfreuden zugestanden. Der kleine Anthony wird zur Adoption freigegeben, Philomena kann sich noch nicht einmal von ihm verabschieden. Als letzte Erinnerung bleibt ihr, wie ihr Sohn durch die Heckscheibe eines davonfahrenden Autos schaut – einfach nur herzzerreissend. Von christlicher Nächstenliebe keine Spur.

Ein ungleiches Paar: Martin und Philomena. (Bilder: Pathé)

Ein ungleiches Paar: Martin und Philomena.

50 Jahre bewahrt Philomena, mit nichts als einem kleinen Foto ihres geliebten Sohnes in den Händen, das Schweigen über Anthony und glaubt die Version des Klosters, alle Unterlagen über die Kinder seien bei einem Brand vernichtet worden. Weil der Schmerz aber nicht kleiner geworden ist, erzählt sie das Ganze ihrer Tochter, welche sie davon überzeugt, die Presse einzuschalten – zumindest einen Journalisten: Martin Sixsmith. Der langjährige TV-Mann wurde soeben von der BBC geschasst und ist nicht eben motiviert, eine aus seiner Sicht minderwertige People-Story zu schreiben. Doch der Zyniker lässt sich von der herzensguten Frau erweichen, ihr bei der Suche nach ihrem Sohn zu helfen. Das ungleiche Gespann macht sich auf eine ungewöhnliche, für beide sehr lehrreiche Reise.

Am Ort des Schmerzes: Philomena 1952...

Am Ort des Schmerzes: Philomena 1952…

... und 50 Jahre später.

… und 50 Jahre später. (Bilder: Pathé)

An so einem Schicksal kann eine Mutter schon einmal zugrunde gehen. Wie Philomena aber trotz der Jahrzehnte der Ungewissheit und des Leidens ihre Lebensfreude nicht verloren hat, ist so bewundernswert wie schwer nachvollziehbar. Als Darstellerin der Titelfigur hätte Regisseur Stephen Frears keine passendere Schauspielerin finden können als die wunderbare Judi Dench. Die Grande Dame des englischen Kinos bewegt sich als Philomena stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen Traurigkeit und Optimismus, ohne dabei ins Rührselige abzugleiten. Ihr Gegenpart Steve Coogan als Martin Sixsmith erinnert in seinem gelangweilten Zynismus an Hugh Grant in dessen besten Rollen. Die Dialoge zwischen den beiden sorgen für die gut verteilten lustigen Momente in einem melancholischen Film über ein tieftrauriges Thema. Kein Wunder, ist Frears’ gelungener Spagat in vier Kategorien für einen Oscar nominiert, darunter die wichtigen Sparten «Bester Film» und «Beste Hauptdarstellerin».

Zum Schluss seien aber noch all jene potenziellen Zuschauer gewarnt, die selbst Kinder haben: Für «Philomena» gilt unbedingte Taschentuch-Pflicht. Da bleibt kein Auge trocken. Nicht, dass hier Propaganda für Teenager-Schwangerschaften gemacht werden soll, aber wir können froh sein, dass solch düstere Zeiten vorbei sind.

«Philomena» läuft ab 23. Januar 2014 im kult.kino atelier in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 23. Januar: 12 Years A Slave, Homefront, I, Frankenstein, Amazonia, The Captain and His Pirate, Erbarmen.

Zum Teufel mit der Moral!

Fabian Kern am Mittwoch den 15. Januar 2014

Filmplakat

«The Wolf of Wall Street» läuft ab 16. Januar im Capitol, Küchlin und Rex.

Geld, Sex und Drogen – mit drei Worten kann «The Wolf of Wall Street» zusammengefasst werden. Gerecht wird man Martin Scorseses dreistündigem Film über den Aufstieg und Fall eines Shootingstars der Wall Street damit aber nicht. Der Altmeister gibt alles, was er an eindrücklichen Bildern zur Dekadenz von Neureichen zu bieten hat. Kein Wunder, musste Scorsese auf eine unabhängige Finanzierung umsteigen. Keines der grossen Hollywood-Studios wollte sich an den ausgiebigen Sex- und Drogenszenen die Finger verbrennen. Weil inmitten der orgiastischen Szenen immer wieder das spitzbübische Grinsen von Leonardo DiCaprio hervor blitzt, darf man getrost festhalten: Das Filmjahr 2014 beginnt mit einem lauten, bunten, aber auch hochklassigen Knall.

Immer raus damit: Jordan Belfort wirft mit 100-Dollar-scheinen um sich.

Immer raus damit: Jordan Belfort wirft mit 100-Dollar-Scheinen um sich. (Bilder: Universal)

Von der Theoriestunde mit Mentor Mark Hanna... (Bilder: Universal)

Von der Theoriestunde mit Mentor Mark Hanna…

... zur Praxis als Kopf von Stratton Oakmont.

… zur Praxis als Kopf von Stratton Oakmont.

Jordan Belfort (DiCaprio) will nur eines, als er mit Anfang 20 an die Wall Street geht: reich werden. Ironischerweise wird er das genau mithilfe jener Leute, die das auch wollen. Nur, die werdens nicht. Dafür Belfort umso mehr. Aber auch das reicht ihm nicht. Einer der Eckpfeiler der Aktiengeschäfts ist die Tatsache, dass keiner den Hals voll kriegt. Würde jeder seine Schäfchen ins Trockene bringen, würde der Markt stagnieren. Das ist es, was der junge Belfort von seinem Mentor Mark Hanna (mit tuntiger Föhnfrisur: Matthew McConaughey) mitnimmt. Und verinnerlicht. Ebenso wie die Haltung, dass ein Broker ohne Drogen kein guter Broker ist. Da Belfort nicht nur gut ist, sondern sogar ein Genie, weiss er sogar nach dem Börsencrash von 1987 Millionen und Abermillionen zu scheffeln. Und sie fast ebenso rasend wieder auszugeben. Mit den «Gründungspartnern» seiner wie eine Rakete an der Wall Street aufsteigenden Firma Stratton Oakmont – im Grunde einer Ansammlung von Nerds, die es ohne einen charismatischen Anführer niemals zu etwas im Leben gebracht hätten – zerbricht er sich mit andauerndem Erfolg immer mehr darüber den Kopf, mit welchen Perversitäten und Kindereien sie die Spesenausgaben noch weiter in die Höhe treiben können. Eine Sexorgie mit exzessivem Kokainkonsum im Grossraumbüro, ein 2-Millionen-Dollar-Junggesellenabschied in Las Vegas, Zwergenwerfen zwischen den Schreibtischen – die Lausbuben in Massanzügen verlieren immer mehr den Bezug zur Realität und jeglichen Anstand, sofern sie diesen jemals besessen haben. «Das ist nicht verrückt, das ist obszön», bemerkt Belforts Vater Max (Rob Reiner). Treffend, aber fast noch untertrieben.

Reicher Nerd: Donnie Azoff.

Reicher Nerd: Donnie Azoff (Jonah Hill).

Dieser Film ist eine einzige Orgie. Das Krasseste daran: Er basiert auf der wahren Lebensgeschichte von Jordan Belfort. Der Vorwurf an Scorsese, er verherrliche den exzessiven Kapitalismus, greift aber viel zu kurz. Denn es braucht diese epische Länge und die expliziten Darstellungen von Belforts Ausschweifungen, um den Prozess zu begreifen, den Belfort und sein Wolfpack um Partner Donnie Azoff (Jonah Hill) durchmachen – nämlich gar keinen. Zum Zuschauen ist es faszinierend, wie man anfangs amüsiert ist ob des Blödsinns, den erwachsene Männer mit viel zu viel Geld ausbrüten und auch umsetzen können. Mit der Zeit wird das Ganze aber ermüdend und schliesslich nur noch abstossend. Den Protagonisten hingegen geht jegliche Selbstreflexion ab. Sie merken nicht, dass sie in ihrer unersättlichen Gier nach immer noch mehr Geld und Macht für ihr Umfeld unerträglich werden. Belfort mag ein Verkaufsgenie sein, doch was das Leben angeht, hat er überhaupt nichts begriffen. So verpasst er auch sämtliche Chancen, auszusteigen, als sowohl Börsenaufsicht als auch FBI seinen alles andere als legalen Methoden auf die Schliche kommen. Das Geld und die Drogen unterdrücken nicht nur jegliche Empathie, sondern auch die Vernunft. Der freie Fall der Rakete Stratton Oakmont und ihrer Spitze Jordan Belfort ist vorprogrammiert. Hochmut kommt vor dem Fall – willkommen an der Wall Street.

Blonde Schönheit: Naomi Lapaglia.

Schönheit: Naomi Lapaglia (Margot Robbie).

Altmeister in Hochform: Martin Scorsese.

Altmeister in Hochform: Martin Scorsese.

Der Bilderreigen, den uns ein Scorsese in Bestform vor die Augen setzt, uns beinahe um die Ohren haut, ist grossartig. Die fünfte Zusammenarbeit mit DiCaprio ist wohl die mutigste – und das Risiko hat sich gelohnt. Der Golden Globe als bester Hauptdarsteller für DiCaprio ist mehr als verdient, denn der lange auf seine Titanic-Rolle reduzierte 39-Jährige ist eine Wucht. Mit unglaublicher Präsenz besetzt er die Leinwand und verkörpert Belforts Arroganz und Dekadenz in Perfektion. Neben dem strahlenden Leitwolf ist aber auch Platz für andere bemerkenswerte Leistungen. Neben dem  verblüffenden Jonah Hill, der bisher nur in Blödelrollen auffiel, ist Margot Robbie die Entdeckung des Films. Die 23-jährige Australierin bringt mit  ihrem Sex-Appeal als blondes Gift nicht nur Belforts Blut in Wallung, sondern empfiehlt sich für eine steile Hollywood-Karriere. Doch trotz der beeindruckenden One-Man-Show DiCaprios, trotz des guten Skripts, starken Casts und bestechenden Regie – Hauptdarsteller in «The Wolf of Wall Street» ist das Geld, prominenteste Abwesende die Moral. Und in diesem Sinne kommt man nach drei sehr kurzweiligen Stunden zu einer alten Weisheit: Geld allein macht nicht glücklich – ausser den Zuschauer.

«The Wolf of Wall Street» läuft ab 16. Januar 2014 in den Basler Kinos Capitol, Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 16. Januar: Nebraska, Glückspilze, Fünf Freunde 3.

Bully verleiht (sich) Flügel

Fabian Kern am Dienstag den 24. Dezember 2013

«Buddy» läuft ab 25.12. im Pathé Küchlin.

«Buddy» läuft ab 25.12. im Capitol und im Küchlin.

Weihnachtszeit, Engelszeit. Pünktlich zum Fest der Feste lässt Michael «Bully» Herbig mal wieder einen Kinofilm vom Stapel. Natürlich wieder eine Komödie, und wieder einmal vereint der bayrische Filmemacher alle Schlüsselfunktionen: Drehbuchautor, Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller. Als Titelfigur verleiht er sich in «Buddy» sogar Flügel. Der Schutzengel soll einem verantwortungslosen Lebemann auf den richtigen Weg helfen und ihn mit der Frau des Lebens verbinden. Ja, diesmal ist Bully richtig romantisch.

Vier Jahre sind seit seinem letzten Streifen «Wickie und die starken Männer» ins Land gezogen. In dieser Zeit hat Herbig sich als Schauspieler unter fremden Regisseuren versucht und nicht an seinem nächsten aufsehenerregenden Wurf gearbeitet. «Buddy» ist zwar solider romantischer Klamauk, dessen Plot aber hat man schon dutzendweise gesehen: Erfolgreicher Mann feiert sich durch sein oberflächliches Dasein und bekommt dabei gar nicht mit, dass er unglücklich ist und seiner Traumfrau schon diverse Male über den Weg gelaufen ist, sie aber nicht gesehen hat. Dafür braucht der Millionenerbe Eddie Weber (Alexander Fehling) erst einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf. Überraschend ist höchstens, dass so ein Film von Bully Herbig stammt.

Eddie wird Buddy nicht mal im Knast los (Bilder: Warner)

Unzertrennlich: Eddie wird seinen Schutzengel Buddy nicht mal im Knast los (Bilder: Warner)

Den einzige kreativen Ansatz bietet die Figur Buddy. Der Rookie-Schutzengel hat eigentlich den Auftrag von ganz oben, Eddie unauffällig auf sein Glück zu lenken. Doch weil er einmal nicht aufpasst, wird er von seinem Schutzbefohlenen gesehen, womit seine Deckung auffliegt. Eddie kann nun Buddy sehen und hören – aber nur er. Und das treibt ihn in den Wahnsinn, denn der Playboy denkt nicht daran, sich von dem komischen Kerl, den er in seinem Wandschrank überrascht hat, einen neuen Lebensstil diktieren zu lassen. Buddy aber nutzt die Tatsache, dass nur Eddie ihn sehen und vor allem hören kann und beschallt ihn nonstop mit Schlagergesang – da drückt der «echte» Bully durch. Auch Selbstmordversuche fruchten nicht, denn Buddy ist schliesslich ein Schutzengel. Eddie bleibt nichts anderes übrig, als sich der vermeintlichen Traumfrau Lisa (Mina Tander) tatsächlich zu stellen.

Eddie wirft sich bei Lisa ins Zeug.

Eddie wirft sich bei Lisa ins Zeug.

Die Beliebigkeit der Geschichte ist für den Film Fluch und Segen zugleich. Herbig verschenkt etwas die überzeugenden Schauspieler und wird Fans von «Schuh des Manitu» und «(T)Raumschiff Surprise» enttäuschen – zumal sein Weggefährte Christian Tramitz gar nicht und Rick Kavanian nur in einer Minirolle auftritt. Gleichzeitig sichert er sich aber das klassische Liebeskomödien-Publikum, das nichts anderes sehen will als eine vorhersehbare Handlung mit dem obligaten Happy End. Somit ist der Kinostart clever gewählt: Zum Jahresende kuschelt sichs im Kino einfach am besten.

«Buddy» läuft ab 25. Dezember 2013 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 25. und 26. Dezember: The Physician, Kedi ézledi, Like Father, Like Son.

Stumpfe Machete

Fabian Kern am Donnerstag den 19. Dezember 2013

«Machete Kills» läuft ab 19. Dezember im Capitol und im Küchlin.

«Machete Kills» läuft ab 19.12. im Capitol und im Küchlin.

Ausufernde Gewalt, coole Sprüche, nackte Haut und eine hanebüchene Story – das war «Machete». Zudem hatte Splatter-Spezialist Robert Rodriguez vor drei Jahren die Originalität auf seiner Seite, aus einem fiktiven Trailer in den Grindhouse-Filmen «Death Proof» und «Planet Terror» einen echten Film gemacht zu haben. Von den Attributen des billigen, aber als C-Movie durchaus gelungenen Actioners geblieben sind drei Jahre später bei der Fortsetzung «Machete Kills» nur die ausufernde Gewalt und die hanebüchene Story. Die Originalität ist ebenso auf der Strecke geblieben wie die Bereitschaft der weiblichen Stars, sich auszuziehen. So bleibt als erotisches Highlight die Art, wie Amber Heard das Wort «Machete» ausspricht. Eigentlich ist das sogar alles, was bleibt.

Optisches Highlight: Amber Heard.

Hingucker: Amber Heard. (Bilder: Impuls)

Am wenigsten ein Vorwurf zu machen ist dabei Danny Trejo. Dem 69-jährigen Narbengesicht scheint der Trash in die Wiege gelegt worden zu sein. In 275 Filmen hat der Mexikaner bisher schon mitgewirkt, nicht weniger als 32 weitere Rollen werden bis 2015 folgen. Gefühlte 98 Prozent seiner Streifen wurden direkt in die Videotheken geschickt und verrotten dort auf den billigsten Regalen. Deshalb muss sich niemand wundern, wenn Trejos zweiter Auftritt als menschliche Allzweckwaffe Machete Cortez Schrott ist. Wundern muss man sich einzig darüber, dass er im Kino läuft und gleich viel kostet wie ein Blockbuster. Denn Blockbuster-Format weist einzig der Cast von «Machete Kills» auf: Michelle Rodriguez, Amber Heard, Charlie Sheen aka «Carlos Estevez», Mel Gibson, Cuba Gooding Jr., Jessica Alba, Antonio Banderas und Lady Gaga gemeinsam auf die Leinwand zu bringen, macht Eindruck. Doch das Versprechen auf ein Kinovergnügen bleibt ein leeres.

Machete und die Bösewichte Mendez...

Machete und die Bösewichte Mendez…

... und Luther Voz.

… und Luther Voz.

Diese Stars wechseln sich nahezu beliebig mit dem grosszügigen Einsatz von Kunstblut ab, was mit zunehmender Dauer einschläfernd wirkt. Aus Mangel an neuen Ideen geht dem Machwerk jegliche Originalität ab, sogar der niveaulose Spass hält sich in engen Grenzen. Nicht einmal als gute Parodie geht die Story um einen schizophrenen mexikanischen Kartellboss (Demian Bichir), der Washington dem Erdboden gleichmachen will, dabei aber nur die Marionette eines grössenwahnsinnigen Strippenziehers ist, durch. Da helfen auch die zahlreichen Anleihen bei James Bond und Star Wars nichts, ja nicht einmal Charlie Sheen als politisch unkorrektester US-Präsident aller Zeiten. Wenn man den gleichen Witz immer wieder erzählt, wird er dadurch nicht lustiger. Dem zahlenden Publikum bleibt nur der Eindruck, nicht nur Geld, sondern auch 107 Minuten Lebenszeit verschwendet zu haben – da kann Amber Heard «Machete» hauchen, so oft sie will.

Das einzig Schockierende an «Machete Kills» ist die Tatsache, dass der zweite Film direkt zum dritten Teil überleitet: «Machete Kills Again… in Space». Wer dafür Geld ausgibt – ob als Produzent oder Kinogänger–, ist definitiv selbst Schuld.

«Machete Kills» läuft ab 19. Dezember 2013 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 19. Dezamber: Die schwarzen Brüder, Belle et Sebastian, Only Lovers Left Alive, Le passé, Dinosaurier – Im Reich der Giganten 3D.

Und hier zum Abgewöhnen schon mal der Trailer zum dritten Teil «Machete Kills Again… in Space»:

Hoffen und Bangen mit Harry Hole

Fabian Kern am Mittwoch den 4. Dezember 2013

BuchcoverHarry Hole lebt. Wer mit diesem Satz nichts anfangen kann, der sollte gar nicht erst weiterlesen. Alle anderen nämlich sind elektrisiert – falls sie Jo Nesbøs «Koma» nicht schon längst gekauft und verschlungen haben. Zu gross war die Ernüchterung am Ende von «Die Larve», des letzten Bandes der Serie, als Harry von seinem Ziehsohn Oleg niedergeschossen wurde, als dass ein echter Fan jetzt unnötig Zeit verlieren könnte. Und ein echter Fan ist, wer in allen bisherigen neun Büchern mit dem selbstzerstörerischen, aber gutherzigen Suchtmenschen mitgelitten hat.

«Koma» knüpft inhaltlich nahezu nahtlos an seinen Vorgänger an. Die dramatischen Ereignisse rund um den Drogenbaron Rudolf Asajev sind sofort wieder präsent, Harrys Gegenspieler immer noch dieselben. Mikael Bellman ist zum Polizeipräsidenten aufgestiegen, die skrupellose Kultursenatorin Isabelle Skøyen befindet sich weiterhin auf Steigflug in der Osloer Politik. Nur einer kann dem ruchlosen Duo gefährlich werden, weshalb sie ein Attentat auf den unter Bewachung stehenden Mann im Koma planen. Harrys ehemaligen Kollegen sehen sich derweil mit einer schockierenden Mordserie konfrontiert. Ein Polizistenmörder treibt sein Unwesen und bringt Ermittler an den Tatorten ihrer ungelösten Mordfälle um. Das Team um Beate Lønn wünscht sich ihren schwierigen, eigenbrötlerischen aber eben auch genialen früheren Hauptkommissar zurück – im Wissen, dass die Polizeiarbeit auf Harry ebenso fatale Auswirkungen haben kann wie der Alkohol.


Ein Video-Gruss von Jo Nesbø an seine Leser.

Ein gebranntes Kind scheut das Feuer – man traut Nesbø im zehnten Band nicht über den Weg und alles zu. Schliesslich hat er auch in der Vergangenheit vor nichts zurückgeschreckt. Schickt er Harry wieder in die Fänge des Alkohols? Lässt er ihn seine grosse Liebe Rakel endgültig aufgeben, weil Harry Angst hat, ihrer nicht wert zu sein? Wer aus Harrys engsten Umfeld lässt er noch über die Klinge springen? Ist er gar fähig dazu Harry selbst sterben zu lassen? Diese Fragen zehren am Leser, der das Buch deshalb wie getrieben gar nicht mehr beiseite legen kann. Man hofft so sehr, dass Harry endlich die Kurve kriegt und seinem Glück nicht wieder selbst im Weg steht. Doch kann er sich wirklich ändern?


Jo Nesbø spricht 2011 über seinen Krimi-Protagonisten Harry Hole.

Als Weihnachtsgeschenk taugt der Krimi nicht viel, denn Fans werden nicht bis Heiligabend warten wollen, und das Quereinsteigen ist in dieser Serie nicht zu empfehlen. Dabei sei auf Harry Holes ersten Fall, «Der Fledermausmann» verwiesen. Zwar ist jenes Buch das schwächste der ganzen Serie, ist für die ganze Geschichte aber elementar. Das Lesen lohnt sich – auch wenn es Nesbø nicht immer nur gut mit seinem Helden meint. Aber Achtung: Sucht ist nicht nur ein immer wieder kehrendes Thema in den Nesbø-Krimis, sondern sie machen selbst süchtig. Nach dem Buch ist leider schon wieder vor dem Buch. Da macht auch «Koma» keine Ausnahme.

Jo Nesbø: Koma. Kriminalroman. Ullstein Verlag. Berlin, 2013. 608 Seiten, Fr. 36.90.

Die Hunger Games werden erwachsen

Fabian Kern am Mittwoch den 20. November 2013

«Hunger Games: Cathing Fire» läuft ab 21. November im Küchlin und im Rex.

«Hunger Games: Catching Fire» läuft ab 21. November im Capitol, im Küchlin und im Rex.

Sie hat schon was, diese Jennifer Lawrence. Nebst gutem Aussehen eine unglaubliche Präsenz auf der Leinwand. Doch die Oscar-Gewinnerin dieses Jahres – für «Silver Linings Playbook» – ist nicht der einzige Grund dafür, sich den zweiten Teil der «Hunger Games»-Trilogie im Kino zu Gemüte zu führen. «Die Tribute von Panem – Catching Fire» ist im Gegensatz zum ersten Teil rasantes Spannungskino, das in allen Belangen überzeugt. Nicht nur für Halbwüchsige, sondern auch für die Grossen.

Eine Buchverfilmung zu rezensieren, ohne den Roman gelesen zu haben, kann eine heikle Angelegenheit sein. Sie kann das Ganze aber auch vereinfachen, weil man nur das Produkt Film beurteilt. Suzanne Collins’ düsteres Zukunftsszenario um den Überwachungsstaat Panem vermochte bei seinem erste Kinoauftritt nicht bedingungslos zu überzeugen. Das Tempo war gemächlich, da sehr viel Rahmeninformation vermittelt werden musste. Insofern hatte es Regisseur Francis Lawrence für den zweiten Teil einfacher als sein Vorgänger Gary Ross. Dennoch ist bemerkenswert, wie er den den Zuschauer von der ersten Minute an packt und ihn derart rasant durch die Handlung führt, dass man nach den knapp zweieinhalb Stunden enttäuscht auf die Uhr schaut, weil man es nicht glauben kann, dass der Film schon vorbei ist. Die Handlung ist es nämlich noch lange nicht.

Katniss und Peeta auf dem Weg zur Rekrutierung.

Katniss und Peeta auf dem Weg zur Rekrutierung. (Bilder: Impuls)

«Letztes Jahr war ein Kinderspiel», kündigt Woody Harrelson in der Person von Haymitch Abernathy an. Und er sollte Recht behalten. Bekamen es Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) und Peeta Mellark (Josh Hutcherson) im ersten Teil noch mit Teenagern und Kindern zu tun, so müssen sie sich in der 75. Ausgabe der Hunger Games mit lauter Siegern aus den anderen Distrikten herumschlagen – ausgewachsene Männer und Frauen, ausgebildet zu Killern. Dabei verfolgt das dekadente Capitol um Präsident Snow (Donald Sutherland) einen perfiden Plan: Katniss, die als Volksheldin verehrt wird, soll moralisch demontiert werden, damit sie nicht zur Gallionsfigur einer sich anbahnenden Revolution wird. Doch auch innerhalb der modernen Gladiatoren bestehen Allianzen, sich gegen das Regime aufzulehnen.

Neue Gesichter: Plutarch Heavensbee...

Neue Gesichter: Plutarch Heavensbee (links)…

... und Finnick Odair (rechts).

… und Finnick Odair (rechts).

In der schnörkellosen Inszenierung tummelt sich ein hochkarätiger Cast, der seinesgleichen sucht. Neben den bereits bekannten Figuren werden neue, spannende Charaktere eingeführt. So darf etwa Philip Seymour Hoffman als Plutarch Heavensbee – die Namen sind einfach köstlich – die Jubiläumsausgabe der Hungerspiele orchestrieren. Unter den Tributen glänzen Jeffrey Wright als Beetee, Sam Claflin als Finnick Odair und Jena Malone als Johanna Mason – allesamt Verbündete von Katniss und Peeta, denen man aber nicht recht über den Weg traut.

Und auch die alten Bekannten zeigen ungewohnte Seiten. So zeigt die überkandidelte Effie Trinket (Elizabeth Banks) ehrliche Gefühle, während Cinna (Lenny Kravitz) sich als einer der loyalsten Begleiter von Katniss herausstellt. Zudem bietet auch die Scheinbeziehung zwischen Katniss und Peeta, die sie im grellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit krampfhaft aufrecht erhalten müssen, ungeahnte Perspektiven: Verliebt sich die tapfere Amazone tatsächlich noch in den pazifistischen Bäckersjungen?

Sieht so ein Traumpaar aus? Katniss und Peeta.

Sieht so ein Traumpaar aus? Katniss und Peeta.

Das Kinderspiel ist tatsächlich vorbei. Wer von den Hunger Games im Herbst 2012 enttäuscht war, der wird nun mit einem richtig guten Thriller belohnt. Der Wettkampf – in einer tropischen Umgebung angelegt, die an den Planeten in «Predators» erinnert – ist schwer vorhersehbar und an Spannung kaum zu überbieten. Nicht nur die Gegner sind durchtrieben und böse. Nein, diesmal bietet auch die «Arena» im Dschungel spektakuläre, tödliche Fallen. Ein einziges Manko hat der Film: Dass man ein Jahr auf die Fortsetzung warten muss. Wer sich die Vorfreude nicht verderben will, verzichtet auf den Blick ins Buch. Von Buchverfilmungen ist man ohnehin meistens enttäuscht. Und Jennifer Lawrence trifft man zwischen den Seiten auch nicht an.

«Hunger Games – Catching Fire» läuft ab 21. November 2013 in den Basler Kinos Capitol, Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Filmstarts in Basel am 21. November: Blue Jasmine, Recycling Lily, The Family, Water and Fire – Su ve Ates.

MacGyver auf Anabolika

Fabian Kern am Mittwoch den 13. November 2013

«Escape Plan» läuft ab 14.11. in den Kinos Pathé Küchlin (Basel) und Oris (Liestal).

«Escape Plan» läuft ab 14.11. in den Kinos Pathé Küchlin (Basel) und Oris (Liestal).

Die lieben Erwartungen. Da sieht man zwei gealterte Actionstars auf dem Plakat eines Ausbruchsthrillers und denkt sich: Das wird sicher lustig – wenn auch vor allem unfreiwillig. Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger schossen und prügelten sich letztes Jahr in «Expendables 2» erstmals Seite an Seite durch die Kinosäle. Der frühere Gouverneur von Kalifornien doppelte im zweiten Frühling seiner Schauspielkarriere mit der altmodischen, aber amüsanten Actionkiste «The Last Stand» gleich nach. Also weiter in diesem Stil? Nein! Mikael Hafströms «Escape Plan» bietet keine Haudrauf-Action, sondern vielmehr solide Spannung, die über die gesamte Filmdauer anhält.

In der Falle: Ray Breslin. (Bilder: Ascot Elite)

In der Falle: Ray Breslin. (Bilder: Ascot Elite)

Ray Breslin (Stallone) ist der Spezialist schlechthin, wenn es um die Sicherheit von Gefängnissen geht. Die Haftanstalt, aus welcher der frühere Staatsanwalt (!) nicht ausbrechen kann, muss erst noch gebaut werden. Oder wurde sie das schon? Die CIA beauftragt den Experten, ein neuartiges Hochsicherheitsgefängnis für die Bösesten der Bösen auf ihre Schwächen zu testen. Weil das Honorar exorbitant hoch ist, zögert Breslins Geschäftspartner Lester Clark (Vincent D’Onofrio) keine Sekunde, seinen besten Mann ins Ungewisse zu schicken. Denn der Haken an der Geschichte: Keiner aus dem Team darf wissen, wo der Knast liegt. Eine klare Verletzung von Breslins Regeln, was ihn aber nicht daran hindert, das Risiko einzugehen.

Skrupellos: Direktor Hobbes.

Skrupellos: Direktor Hobbes.

Dabei weiss man doch, dass die Verletzung von Regeln in Filmen immer zu Problemen führt! Das merkt auch Breslin in seinem neuen ungemütlichen Zuhause. Das Hightech-Verlies ist anders als alles, was er bisher gesehen hat. Kein Wunder, hat es Direktor Hobbes (Jim Caviezel) doch aufgrund Breslins Buch über Sicherheit bauen lassen. Und nun will er ihn mithilfe seiner Wärtertruppe um den Sadisten Drake (Vinnie Jones) schmoren lassen. Aber warum? Und wo ist dieses Gefängnis überhaupt? Fragen, die Breslin nur mit Unterstützung beantworten kann: Vorhang auf für Emil Rottmayer (Schwarzenegger). Der im Knast höchst respektierte Häftling macht mit Breslin gemeinsame Sache – unter der Bedingung, dass er ihn mit auf die Flucht nimmt. Doch Hobbes bekämpft alle verdächtigen Aktivitäten mit brutalen Massnahmen.

Knastbrüder: Emil und Ray.

Knastbrüder: Emil und Ray.

Natürlich, gewisse Szenen sind etwas übertrieben. Stallone als MacGyver auf Anabolika weiss aus jeglichen Materialien irgendetwas Nützliches anzufangen und übertreibt es bisweilen mit seinen Fertigkeiten. Zudem geniesst er trotz aller Repressionen erstaunliche Freiheiten in einem Knast, wo jeder Winkel dauerüberwacht ist. Seis drum, die Mischung zwischen Spannung und Humor, zwischen Action und Dialogen stimmt. Auch deshalb, weil man das Alter von Stallone (67) und Schwarzenegger (66) berücksichtigt, und die beiden Actionikonen nicht mit übertriebener Kraftmeierei der Lächerlichkeit preisgibt. Allerdings muss man sagen, dass Schwarzeneggers Deutsch, das er im Film ziemlich lange präsentiert, fast noch schlimmer ist als sein Englisch. Dennoch ist «Escape Plan» ein guter Actionthriller. Wem das zu wenig Muskeln, Maschinen und Kanonen sind, der kann sich auf «Expendables 3» freuen, mit dem uns Stallone 2014 beglücken wird.

Die lieben Erwartungen. Manchmal ist es auch schön, wenn sie nicht erfüllt werden.

«Escape Plan» läuft ab 14. November 2013 in den Kinos Pathé Küchlin (Basel) und Oris (Liestal).

Weitere Filmstarts in Basel am 14. November: Captain Phillips, Last Vegas, Eltern, Io e te, Venus im Pelz, The Lunchbox, Watermarks – Three Letters from China.