Archiv für die Kategorie ‘Fabian Kern’

Schwarzeneggers zweiter Frühling

Fabian Kern am Mittwoch den 30. Januar 2013

Filmplakat

«The Last Stand» läuft ab 31.1. im Capitol und im Pathé Küchlin

Zum Glück ist «The Last Stand» nicht als ernsthafter Actionthriller gedacht. Dann würde er nämlich komplett durchfallen. Man würde sich ärgern über die vielen Klischees, die bedient werden, über die zweifelhafte Glaubwürdigkeit zahlreicher Szenen – und über Arnold Schwarzeneggers schauspielerische Leistung. Die «steyrische Eiche» zählte zwar noch nie zu Hollywoods Charakterdarstellern. Und mit seiner Rolle als hölzerner Dorfsheriff Ray Owens tut er nichts, um daran etwas zu ändern. Mimik? Unfreiwillig komisch. Akzent? Unfassbar komisch, auch heute noch. Aber wenn man das im Action-Genre einem verzeiht, dann der Bodybuilder-Ikone Arnold Schwarzenegger. Man wäre gar enttäuscht, würde er plötzlich ein einigermassen passables Englisch an den Tag legen.

Corvette ZR1

Flott unterwegs: Gabriel Cortez (Eduardo Noriega) in der Corvette ZR1. (Bilder: Rialto)

Die erste Nebenrolle spielt ein Auto: Eine Corvette ZR1. Mit unfassbaren 1000 PS unter der Haube und dem mächtigen Drogenbaron Gabriel Cortez (Eduardo Noriega) am Steuer rast der Rennbolide von Las Vegas, wo Cortez dem FBI um Agent John Bannister (Forest Whitaker) auf spektakuläre Weise entkommen ist, unaufhaltsam auf die mexikanische Grenze zu. Die generalstabsmässig organisierte Privatarmee des Drogenkartells räumt gnadenlos und grosskalibrig jede Strassensperre aus dem Weg, während Cortez Profirennfahrer-Qualitäten an den Tag legt. Und eine Sprengung der Corvette kommt deshalb nicht infrage, weil der ruchlose Mexikaner eine FBI-Agentin als Geisel genommen hat.

Ray Owens und Lewis Dinkum

«Ich bin der Sheriff.» Ray Owens (Schwarzenegger) und Lewis Dinkum (Knoxville).

Doch Cortez hat – wie könnte es anders sein – die Rechnung ohne den Sheriff von Sommerton Junction gemacht. Jenes Grenzkaff ist die letzte Hürde, die ihn von seiner Heimat trennt. Pech, dass sich ausgerechnet da ein früherer S.W.A.T-Cop aus Los Angeles niedergelassen hat, um seine Ruhe zu haben. Diese wird von der brutalen Vorhut von Cortez’ Streitmacht unter der Führung des Söldners Burrell (Peter Stormare) aber jäh gestört. Mit einer Handvoll Provinz-Grünschnäbel, unterstützt von einem Ex-Soldaten (Rodrigo Santoro) und einem irren Waffenfreak (Johnny Knoxville), stellt sich der gealterte, aber immer noch unbestechliche Owens der Übermacht entgegen.

Ray Owens, Sarah Torrance und Frank Martinez

Schweres Geschütz: Ray, Sarah (Jaimie Alexander) und Frank (Rodrigo Santoro).

Ernst zu nehmen ist die testosterongeladene Actionkiste wie gesagt nicht. Der Südkoreaner Kim Jee-Woon hat «The Last Stand» entsprechend mit einem Augenzwinkern und nur zu einem Zweck inszeniert: um Schwarzenegger das Comeback auf der Leinwand zu ermöglichen. Zwar hatte «Arnie» schon in den letzten Jahren kleinere Auftritte, wie etwa in beiden Teilen von «The Expendables». Doch mit seiner ersten Hauptrolle seit zehn Jahren lanciert der frühere Gouverneur von Kalifornien seinen zweiten Kinofrühling. «The Last Stand» ist nur der Beginn. Demnächst wird Schwarzenegger in «The Tomb» an der Seite seines Kumpels Sylvester Stallone zu sehen sein und hat viele weitere Highlights in der Pipeline, darunter auch «Terminator 5». Vorerst darf man sich aber daran ergötzen, wie der mittlerweile 65-jährige Terminator mit einem guten Schuss Selbstironie einem Drogenbaron in die Suppe spuckt – auch wenn er dabei selbst tüchtig einstecken muss. Ein Kultfilm wird «The Last Stand» zwar nicht werden. Aber wo Schwarzenegger draufsteht, ist immer noch Schwarzenegger drin.

«The Last Stand» läuft ab 31. Januar 2013 in den Basler Kinos Capitol und Pathé Küchlin.

Weitere Filmstarts in Basel am 31. Januar: Zero Dark Thirty, Hyde Park on Hudson, Jagten, Das bessere Leben ist anderswo, Vergiss mein nicht, Après mai, Jesus liebt mich, Fünf Freunde 2.

Die glorreichen Sechs

Fabian Kern am Mittwoch den 23. Januar 2013

Filmplakat

«Gangster Squad» läuft ab 24.1. im Pathé Küchlin.

Mafia-Filme sind in den letzten Jahren etwas aus der Mode gekommen. Es fehlten die frischen Storys und nicht zuletzt auch die glaubwürdigen Darsteller. Die de Niros und Pacinos sind in die Jahre gekommen. Schön deshalb, dass sich nun ein anderer Grosser des US-Kinos als Mob-Chef die Ehre gibt. Sean Penns Figur Mickey Cohen ist allerdings kein Pate, der trotz aller Grausamkeit einen gewissen Stil besitzt, sondern ein roher, machtbesessener Emporkömmling, welcher den alten Chicagoer Mafiosi ein Schnäppchen schlagen will. Cohens Plan ist es, zuerst Los Angeles und dann die gesamte Westküste unter seine Kontrolle zu bringen. Und der ehemalige Boxer von der Ostküste, der auch in Realität die Stadt der Engel terrorisierte und zu dessen Ehre Penns Nase verbreitert wurde, tut dies mit Nachdruck. Drogen, Prostitution, Wetten – alles läuft über Cohen. Seine dreckigen Geschäfte lässt er von bestochenen Polizisten und Politikern beschützen.

Gangster Squad

Sechs Männer gegen das organisierte Verbrechen:Die Gangster Squad (Bilder: Warner Bros.)

Cohen und O'Mara

Erbitterte Feinde: Cohen und O'Mara.

Doch es gibt auch im korrupten L.A. der 40er-Jahre die «Unbestechlichen». Und der Eliot Ness der Westküste ist John O’Mara (Josh Brolin). Der aufrichtige Sergeant wird von Polizeichef Bill Parker (Nick Nolte) zur Rekrutierung einer Sondereinheit beauftragt, die ganz inoffiziell Cohens Geschäfte sabotieren und seine Herrschaft beenden soll – die Gangster Squad. O’Maras sechsköpfige «Guerilla-Einheit» reizt ihre Vogelfreiheit voll aus und bedient sich unzimperlicher Massnahmen – so sehr, dass die Grenze zwischen Gangstern und Cops zeitweise verschwimmt. Doch Cohen gibt sein Empirium nicht kampflos her und schlägt mit voller Härte zurück. Ein blutiger Krieg entbrennt.

Grace Faraday

Verführerisch: Grace Faraday (Emma Stone).

Filme mit dem Label «Inspired by a true story» haftet oft eine gewisse Bedeutungsschwere an. «Gangster Squad» hingegen umschifft diese Hürde mit spielerischer Leichtigkeit. Der Film ist wie aus einem Guss: In keinem einzigen Moment kommt Langeweile auf, die bleihaltige Story steuert stilsicher auf ein würdiges Finale zu. Das ist grosses Spannungskino. Und der Cast ist schlicht grandios. Als Gegenspieler von Penn, der Cohen an der Grenze zur Karikatur darstellt, brillieren neben Brolin der gewohnt leichtfüssige Ryan Gosling («Drive»), Giovanni Ribisi («The Rum Diary»), Anthony Mackie («Man on a Ledge»), Michael Peña («End of Watch») und Robert Patrick («Safe House»). Shooting Star Emma Stone («Crazy, Stupid, Love») spielt als verruchte Schönheit derweil ein gefährliches Spiel mit Cohen. Besser kann ein Gangsterfilm in der heutigen Zeit nicht besetzt werden. Und mehr kann man sich von einem Gangsterfilm nicht wünschen.

«Gangster Squad» läuft ab 24. Januar 2013 im Kino Pathé Küchlin in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 24. Januar: Flight, Chasing Mavericks, Lincoln, Blancanieves, Quartet, Shanghai Shimen Lu.

Mutige Vordenkerin

Fabian Kern am Mittwoch den 16. Januar 2013

Filmplakat

«Hannah Arendt» läuft ab 17.1. im kult.kino camera.

Zu seiner Meinung zu stehen, auch wenn sie unpopulär ist, ist löblich. Charakterfest und selbstbewusst nennt man solche Leute. Dennoch gibt es Fälle, in denen man von der halben westlichen Welt angefeindet wird. Zum Beispiel, wenn man die Taten eines geständigen Nazi-Offiziers, der Millionen von Juden per Zug in die Gaskammern geschickt hat, differenziert beurteilt. Wenn man dies zudem als deutsche Jüdin tut, die selbst nur mit Glück dem Gas-Tod entkam, und das auch noch im berühmten Magazin «The New Yorker», dann bekommt man den heiligen Zorn der Juden in aller Welt zu spüren. So erging es Hannah Arendt (Barbara Sukowa) zu Beginn der 60er-Jahre.

Hannah Arendt im Bus

Nachdenklich: Hannah Arendt im Bus in Jerusalem. (Bilder: Filmcoopi)

Die Philosophin flüchtete 1941 aus dem berüchtigten Lager Gurs in Frankreich und emigrierte in die USA. 20 Jahre später reiste sie im Auftrag des «New Yorker» nach Jerusalem, um über den Aufsehen erregenden Eichmann-Prozess zu berichten. Der israelische Geheimdienst hatte den ehemaligen Sturmbannführer Adolf Eichmann in Buenos Aires gefasst und ihn nach Israel verfrachtet, wo ihm der Prozess für die Ermordung Millionen von Juden gemacht wurde. An dieser Gerichtsverhandlung hat der Film «Hannah Arendt» seine intensivsten Passagen. Regisseurin Margarethe von Trotta inszeniert den Prozess um die originalen Schwarzweiss-Aufnahmen. So wird «Nazi-Monster» Eichmann, der zum Tode durch den Strang verurteilt wurde, für kurze Zeit lebendig. Und so kann man nachvollziehen, was Hannah Arendt zu ihrer Theorie «Die Banalität des Bösen» angeregt hat.

Hannah Arendt und Heinrich Blücher

Rückhalt findet Hannah Arendt bei ihrem Mann Heinrich Blücher.

Denn Eichmann wirkt wie der Inbegriff des langweiligen Bürokraten. Er organisierte die Juden-Transporte, wollte aber nicht wahrhaben, dass er dadurch mitverantwortlich für den Tod dieser Menschen war. Er habe nur Befehle ausgeführt. Arendt sagte über Eichmann: «Er war kein Antisemit. Er war nur unfähig zu denken.» Die Welt aber war in den 60-ern noch nicht bereit für solch differenzierten Umgang mit den Nazi-Gräueln. Zu frisch war die Erinnerung an das Hitler-Regime. Zu viele Leute waren direkt oder indirekt betroffen. Arendt weigerte sich, ihre Formulierungen abzuschwächen. Und zahlte dafür den Preis der Ächtung durch die breite Öffentlichkeit und viele ihrer engen Freunde. Bedingungslose Rückendeckung erhielt sie nur von ihrem Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg), ihrer Freundin Mary McCarthy (Janet McAteer) und ihrer persönlichen Assistentin Lotte Köhler (Julia Jentsch).

«Hannah Arendt» ist das eindringliche Porträt einer mutigen Vordenkerin, die ihre Meinung bedingungslos verteidigte und dafür einen hohen Preis bezahlte. Ihre Ansichten regen dazu an, das Modell des Nazi-Regimes nicht nur traditionell Schwarz-Weiss zu sehen, sondern auch Graustufen einzubauen. Hannah Arendt, brillant dargestellt von Barbara Sukowa, unterschätzte die Auswirkungen ihrer Analyse. Doch vermutlich hätte sie auch nichts anders gemacht, wenn sie diese vorausgesehen hätte. Echte Denker verleugnen sich nicht.

«Hannah Arendt» läuft ab 17. Januar im kult.kino camera.

Weitere Filmstarts in Basel am 17. Januar: Broken, Django Unchained, Renoir.

Abzüge in der B-Note

Fabian Kern am Montag den 14. Januar 2013

BuchcoverTalent ist ein ungleich verteiltes Gut. Die einen haben gar keines, andere wiederum haben gleich mehrere. Kreative Köpfe wie Manuel Süess. Der 31-Jährige Luzerner, der seit einigen Jahren in Rheinfelden lebt und arbeitet, ist in erster Linie Kunstmaler. Zudem verfügt er auch über eine flotte Sohle und tanzt lateinamerikanisch. Und seit neustem schreibt er auch noch Bücher. Sein Erstlingsroman «Der Buchhalter» ist seit November 2012 auf dem Markt. Geschrieben hat Süess die Geschichte aber bereits vor sechs Jahren. Während seiner Ausbildung an der Hotelfachschule pendelte er zwischen Luzern und Basel. Die tote Zeit im Zug nutzte er für die Skizzen an seinem Buch. Der Protagonist ist ebenfalls der Ausbildung geschuldet, denn die Idee für den Buchhalter entstand in einer langweiligen Lektion Rechnungswesen.

Mit seiner einfachen, aber angenehm schnörkellosen Story auf dem schwierigen, weil in den letzten Jahren fleissig abgegrasten, Terrain von Dan Brown vermag Süess zu packen. Der Enddreissiger Hans Rudolf – schon sein Name ist Klischee – pflegt sein biederes Buchhalter- und Mamisöhnchen-Image mit Hingabe. Denn dieses dient nur als Deckmantel für seine eigentliche Arbeit: Aufträge für eine geheimnisvolle Bruderschaft zu erfüllen und damit seinen Traum der Beförderung endlich wahr werden zu lassen. Kurz vor dem Durchbruch findet aber seine nichtsahnende Mutter sein Tagebuch und beginnt zu begreifen, dass ihr Sohn und ihr verstorbener Mann ihr über Jahre etwas vorgemacht haben. Zudem jagen dunkle Gestalten hinter dem gleichen Geheimnis her, und auch die Rolle von Hans Rudolfs Freundin Tina ist nicht immer ganz klar.

Manuel Süess

Kunstmaler, Tänzer und Buchautor aus dem Fricktal: Manuel Süess.

Leider muss man bei aller Sympathie für den Autor festhalten, dass das Lesevergnügen durch einige Rechtschreibe- und sehr viele Kommafehler erheblich beeinträchtigt wird. Dass Süess seinen Roman aus Kostengründen in Eigenregie herausgegeben hat, ehrt ihn zwar, doch hiermit zahlt er seinen Preis dafür. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Süess will den «Buchhalter» noch einmal überarbeiten und bei seinen nächsten Büchern mehr Sorgfalt walten lassen. Denn eine Fortsetzung, das merkt man am Ende des «Buchhalters», wird folgen. «Ich habe geplant, die Geschichte auf drei bis fünf Bücher auszudehnen. Wann das nächste folgt, hängt auch vom Erfolg des Buchhalters ab», sagt der umtriebige Künstler. Skizzen für Teil zwei und drei hat er bereits in der Schublade. Wir sind gespannt.

Manuel Süess: «Der Buchhalter. Schluss mit der Geheimniskrämerei!». Art by Manuel Süess, 2012. 232 S., Fr. 15.90.–. Erhältlich auf Manuel Süess’ Homepage und bei amazon.de.

Welcome to L.A.

Fabian Kern am Mittwoch den 2. Januar 2013
Filmplakat

«End of Watch» läuft ab 3.1. im Küchlin und im Studio Central.

Dass das Leben als Cop in Los Angeles kein Zuckerschlecken ist, wissen wir spätestens seit «Training Day» und «Street Kings». Beide stammen aus der Feder von David Ayer. Nun zeichnet der Amerikaner in «End of Watch» ein weiteres schonungsloses Bild von der täglichen Arbeit der Fusssoldaten des LAPD. Dass er gleich auch noch die Regie dabei übernommen hat, ist gut. Sehr gut, sogar. Denn wenn man den Officers Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) bei ihren Patrouillenfahrten beobachtet, dann vergisst man das Bild vom strahlenden US-Cop, das Taylor im Werbeclip-artigen Beginn propagiert, schnell wieder. Das ist Drecksarbeit, die einen jede Minute das Leben kosten kann. Da ist der Zusammenhalt unter den Polizisten das Wichtigste.

Taylor und Zavala

Dynamisches Duo: Taylor und Zavala. (Rialto)

«Fühlst du dich als Held?», fragt denn Taylor seinen Partner auch – und das nach dem verdienten Erhalt der Tapferkeitsmedaille. Dieser schüttelt den Kopf. Platz für Helden ist keiner in der Stadt der Engel. Erst recht nicht in «South Central», dem verruchtesten Stadtteil von L.A. Dennoch ist bereits heldenhaft, wer sich tagtäglich dem Sumpf aus Drogen und Gewalt stellt, den die Gangs fleissig pflegen. Das kann einem durchaus in den Kopf steigen, könnte man denken. Das lässt uns auch Ayer denken, der die beiden Protagonisten zunächst als grossmäulige, gewaltverherrlichende Bullen vorstellt. Diese Fassade erweist sich je länger je mehr als Selbstschutz vor den Grausamkeiten, denen Tayler und Zavala ausgesetzt sind. Und sie beginnt zu bröckeln, indem sie immer mehr zeigen, dass sie trotz vielen lockeren Sprüchen ihr Herz auf dem rechten Fleck haben. Sie retten Kinder auf der Strasse und freuen sich auf ihre eigenen. Auch die Cops, die sich mit Bandenkriegen beschäftigen müssen, sind ganz normale Menschen.

Taylor und Janet

Brian mit seiner Frau Janet (Anna Kendrick).

Und genau an diesem Punkt wird es persönlich, denn das Duo, das einem ans Herz gewachsen ist, gerät auf die Abschussliste eines mächtigen mexikanischen Drogenkartells. Schweisstreibend steuert die Geschichte auf ein ungewisses Ende zu. Durch die verwackelten Aufnahmen der Handkamera wirkt das Ganze noch realistischer und lässt den Zuschauer an einem versöhnlichen Ende zweifeln. Die Storyline ist geschickt aufgebaut, und die Darsteller überzeugen durchs Band. Aber ein Werbesport für die zweitgrösste Stadt der USA ist es einmal mehr nicht. Das unvermeidliche Rassenthema ist auch in «End of Watch» omnipräsent. Welcome to L.A. – die besinnlichen Festtage sind vorbei.

«End of Watch» läuft ab 3. Januar 2013 in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Studio Central.

Weitere Filmstarts in Basel am 3. Januar: Die Wand, Les saveurs du Palais, Silver Linings Playbook, The Sessions, The Woman in the Septic Tank.

Tiger an Bord

Fabian Kern am Montag den 24. Dezember 2012

Filmplakat

«Life of Pi» läuft ab 26.12. im Pathé Plaza und im Rex.

Die Tage zwischen den Jahren haben etwas Spezielles. Irgendwie werden sie gar nicht richtig wahrgenommen. Zu benommen ist man noch vom Fondue Chinoise neben dem Christbaum und von der Vorfreude auf die Silvesterparty. Deshalb gibt es zwischen Weihnachten und Neujahr nichts Gemütlicheres, als sich in den flauschigen Kinosessel einzukuscheln und sich von fantastischen Aufnahmen in eine fesselnde Geschichte hineinziehen zu lassen. Insofern ist der Kinostart von «Life of Pi» ideal gewählt. Und sogar die umstrittene 3D-Brille hat im neusten Werk von Oscar-Preisträger Ang Lee («Brokeback Mountain», «Hidden Dragon, Crouching Tiger») ihre Daseinsberechtigung. Der chinesische Meisterregisseur erzählt die unglaubliche Lebensgeschichte des Inders mit dem kuriosen Namen Piscine Molitor Patel, kurz Pi genannt, in einem rauschenden Bilderbogen, der das Auge verwöhnt und die Seele rührt.

Pi und der Schriftsteller

Pi erzählt dem kanadischen Schriftsteller das Abenteuer seines Lebens. (Bilder: Warner Bros.)

Dem kanadischen Schriftsteller, dem Pi sein grösstes Abenteuer erzählt, wurde versprochen, diese sei der Beweis für Gottes Existenz. Diese faszinierte den Sohn eines Zoodirektors schon seit seiner Kindheit in der indischen Stadt Pondicherry in den 70er-Jahren. Während seine Eltern und sein Bruder Anhänger der Rationalität waren, beschäftigte sich Pi mit allen Arten des Glaubens. Dass er als Einziger seiner Familie den tragischen Untergang jenes japanischen Frachters überlebt, hat er allerdings weniger seiner Religion als vielmehr seiner Leichtsinnigkeit, bei schwerem Seegang an Deck zu gehen, zu verdanken. Ein unglaublicher Sturm versenkt das gewaltige Schiff, als sei es eine Nussschale. Und von diesem Punkt an trumpft Ang Lees Special-Effects-Team ganz gross auf.

Pis Eltern und der Schiffskoch

Kurz vor dem Untergang streiten Pis Eltern mit dem rüpelhaften Schiffskoch (Gérard Depardieu).

Das sinkende Schiff in den turmhohen Wellen des wütenden Pazifiks ist ebenso faszinierend für den 3D-Zuschauer wie tragisch für den Protagonisten. Pi verliert bei diesem Unglück seine Familie und findet sich auf dem einzigen Rettungsboot wieder – nur mit tierischen Leidensgenossen. Da die indische Familie mitsamt den Zoobewohnern auf dem Weg nach Kanada war, schafften es einige Tiere ebenfalls auf das Rettungsboot: Ein Zebra, eine Hyäne, ein Orang Utan und ein Tiger. Den Kampf gegen Hunger und Durst in den ersten Tagen überleben nur Pi und der Tiger, den er schon seit Jahren unter dem Namen Richard Parker kennt. Mit der Raubkatze hatte er sich als kleiner Junge anfreunden wollen, wurde von seinem Vater mittels einer eindrücklichen Lektion eines Besseren belehrt. «Der Tiger wird nie dein Freund sein», lauteten die Worte, an die sich Pi nun auf hoher See erinnert.

Pi

Pi stellt sich dem Duell mit Tiger Richard Parker.

Während der folgenden Tage, Wochen und Monate ist es aber gerade der Tiger, der Pi am Leben hält. Nicht, weil sich die beiden ungleichen Schiffbrüchigen doch noch verbrüdern, was absolut hirnrissig wäre, sondern weil Pi jeden Tag von neuem einen Weg finden muss, mit dem fleischfressenden Raubtier auszukommen. Der Teenager wächst an der Herausforderung, bastelt sich ein Beiboot, lernt zu fischen und Regenwasser zu sammeln. Gleichzeitig kämpft versucht er unablässig, Richard Parker zu zähmen. Die Duelle, die der junge Inder mit dem bengalischen Tiger ausficht, sind ebenso packend wie die Überraschungen, welche die hohe See zu bieten hat.

Ang Lee

Ang Lee hat den unverfilmbaren Roman verfilmt.

Der Roman «Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger» des Kanadiers Yann Martel galt jahrelang als unverfilmbar. Lee hat das Werk nun in unvergesslicher Manier auf die Leinwand gebracht. Dank der stupenden Tricktechnik wirken Tiger wie auch die Naturgewalten sehr real. Die Geschichte, so unglaublich sie auch klingen mag und so kitschig die Bilder zum Teil sein mögen, packt einen bis zum Schluss. Ohne missionarisch zu wirken, ist «Life of Pi» ein Film über den Glauben – an eine höhere Macht und an sich selbst. Was könnte über die Festtage besser passen?

«Life of Pi» läuft ab 26. Dezember in den Basler Kinos Pathé Plaza und Rex.

Filmstarts in Basel am 27. Dezember: DFL, Great Expectations, Jack Reacher, Love Is All You Need, Maniac und Searching for Sugar Man.

Im Whisky liegt die Kraft

Fabian Kern am Mittwoch den 28. November 2012

Filmplakat

«The Angels' Share» läuft ab 29. November im Kultkino Atelier in Basel.

«Das schmeckt wie Scheisse. Kann ich etwas Cola dazu haben?» Wer dies beim Trinken eines teuren Single Malts sagt, ist bei Whisky-Liebhabern unten durch. Der Klein-Kriminelle Robbie (Paul Brannigan) hat aber zunächst auch andere Sorgen, als sich für das schottische Nationalgetränk zu interessieren: Seine Freundin Leonie (Siobhan Reilly) erwartet ihr erstes gemeinsames Kind, weshalb er sein von Gewaltexzessen geprägtes Leben grundsätzlich ändern will. Doch guter Wille allein reicht nicht, wenn man im von Arbeitslosigkeit gebeutelten Glasgow als Vorbestrafter auf Bewährung einen Job sucht und einem die Mitglieder des rivalisierenden Familienclans an jeder Strassenecke auflauern. Jedes Vergehen würde einen längeren Gefängnisaufenthalt nach sich ziehen.

Robbie und Harry

Feines Näschen: Robbie (hinten Harry).

Deshalb kann Robbie von Glück sagen, dass sich der engagierte Sozialarbeiter Harry (John Henshaw) seiner annimmt. Und ihm besagten Whisky vorsetzt. Der fehlbare Jungvater beginnt sich mit dem edlen Destillat auseinanderzusetzen, und bald stellt sich heraus, über welch feine Nase Robbie verfügt. An einem Whisky-Seminar in Edinburgh, an welches er Harry begleitet, hört der junge Schotte vom legendären Single Malt «Malt Mill». Das letzte Fass des teuersten Whiskys der Welt soll in den Highlands versteigert werden, was Robbie auf eine kühne Idee bringt. Zusammen mit drei Leidensgenossen aus seiner Bewährungsgruppe will er ein paar Flaschen dieses edlen Tropfens abzapfen und mit dem Erlös die Tristesse des Glasgower Arbeiterviertels hinter sich lassen. Eine riskante Reise beginnt…

Polizeikontrolle

Luftige Kontrolle: Die Polizei schaut genau hin.

Wenn Ken Loach draufsteht, ist auch Ken Loach drin. «The Angels’ Share»* wird als Komödie angepriesen – was sie auch ist –, weist aber sehr ernste Untertöne auf. Der Brite Loach («Looking for Eric», «Sweet Sixteen», «My Name is Joe») ist nicht umsonst bekannt für seine Sozialkritik. Schonungslos zeigt er die Schwierigkeit auf, in Glasgow wieder von der schiefen Bahn weg zu kommen, ist man einmal drauf geraten. Robbies Verzweiflung berührt, weshalb man auf seiner Whisky-Mission richtig mitfiebert. Man wünscht sich einfach, dass er seine kleine Familie weg von der Gewalt bringt. Bis am Ende ist man nicht sicher, ob es klappt – nicht zuletzt wegen der drei skurrilen, aber liebenswerten Figuren, mit denen Robbie sein Schicksal verknüpft. «The Angels’ Share» ist wie ein guter Single Malt: erst mit dem Abgang weiss man, wie sehr man ihn mag.

*Mit dem «Anteil der Engel» sind jene zwei Prozent Alkoholgehalt gemeint, die jedes Jahr wie durch Zauberhand aus den Whiskyfässern verdunsten.

Wer sich schon einmal auf «The Angels’ Share» einstimmen möchte, der kann das mit dem passendsten Lied aus dem Soundtrack tun:

Grösser als ein Leben

Fabian Kern am Dienstag den 27. November 2012

Filmplakat

«Cloud Atlas» läuft ab 29. November in den Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Manche Geschichten sind zu gross, um sie zu beschreiben. Wie «Cloud Atlas». Ein Versuch sei trotzdem gewagt. Die Erwartungen an den mit 80 Millionen teuersten unabhängig finanzieren Film aller Zeiten waren riesig. Und sie wurden erfüllt, ja sogar übertroffen. Die Wachowski-Geschwister haben es nach der Matrix-Trilogie einmal mehr geschafft, einen als unverfilmbar geltenden Stoff auf die Leinwand zu bringen – zusammen mit dem deutschen Regisseur Tom Tykwer. Und das Wunder ist nicht, dass sie das in einer Art und Weise getan haben, die einen über drei Stunden nicht loslässt und David Mitchell, den Autor der Romanvorlage, zu einer Aussage verleitete, die einem Ritterschlag gleichkommt: «Das könnte einer jener Filme sein, die besser sind als das Buch.»

Sonmi-451

2144: Der Klon Sonmi-451 kämpft in Seoul um die Freiheit. (Bilder: ASCOTE-ELITE)

Nein, das eigentliche Wunder ist es, dass im gigantischen Werk die einzelnen Geschichten nicht verloren gehen und die bodenständigen Werte sich als Leitfaden durchziehen. Es geht um Mut und Zivilcourage, um Freiheit, Vertrauen und das Hoffen auf bessere Zeiten. Und darum, dass der Einzelne den Unterschied ausmachen kann. Bezeichnend dafür der Vergleich in der Episode aus dem Jahr 1846. Auf den Vorwurf seines skrupellosen Schwiegervaters (Hugo Weaving), sein humanitärer Einsatz sei nur ein Tropfen im Ozean, antwortet Adam Ewing (Jim Sturgess): «Der Ozean ist nichts anderes als die Summer einzelner Tropfen.» Philosophie pur.

Hugh Grant und Jim Broadbent

2012: Hugh Grant (links) mit Jim Broadbent.

Jim Sturgess und Tom Hanks

1846: Tom Hanks (rechts) mit Jim Sturgess.

«Cloud Atlas» ist aber auch ein Paradies für Maskenbildner: Hugo Weaving als Krankenpflegerin, Jim Sturgess als Koreaner, Tom Hanks als vernarbter Londoner Gangster der übelsten Sorte, Halle Berry als Jüdin oder Hugh Grant als blutrünstiger Kannibale – die Schminkkünstler geben alles. Wichtiger als die Masken selbst sind aber die verschiedenen Charakteren, in welche die Schauspieler schlüpfen. Mehrere Rollen haben alle. Hanks, Berry, Weaving, Grant und die Koreanerin Doona Bae bringen es auf sechs Figuren, Sturgess sogar auf sieben. Und das ist der geniale Kunstgriff, mit dem das Regie-Trio Mitchells Buch filmisch umgesetzt hat: Ob 1846, 1936, 1973, 2012, 2144 oder 2346 – alles ist miteinander verbunden. Die Seelen werden in neue Körper hineingeboren und laufen einander im Lauf der Jahrhunderte immer wieder über den Weg. Reinkarnation und Karma sind ein Leitthema, das die Episoden miteinander verknüpft. Die Figuren erleben laufend Déjà-Vus aus ihren früheren Leben.

Hugo Weaving

2346: Hugo Weaving als böser Einflüsterer.

Bezeichnend dafür stehen drei Figuren. Durchwegs böse ist Hugo Weaving, der in der letzten Episode gar als Teufel auftritt. Dann wäre da Tom Hanks, der den fehlbaren Durchschnittsmenschen darstellt. Mal ist er böse, mal ist er gut, mal steht er für seine Werte ein, mal fehlt ihm der Mut dazu. Und schliesslich sind die von Jim Sturgess dargestellten Figuren am idealistischsten: Als amerikanischer Anwalt kämpft er im 19. Jahrhundert gegen die Sklaverei, im futuristischen Seoul des 22. Jahrhunderts führt er eine Rebellion gegen das totalitäre Regime an und bringt den Klon Sonmi-451 (Doona Bae) dazu, wie ein menschliches Individuum zu fühlen und zu denken. Jeder kann den Unterschied ausmachen.

Halle Berry und David Gyasi

1973: Krimi mit Halle Berry und Keith David.

Ben Whishaw

1936: Romanze mit Ben Whishaw.

Reinkarnation, Klone, Kannibalen, Teufel – kann das überhaupt ein breites Publikum ansprechen? Ja! «Cloud Atlas» hat für jede der sechs Geschichten ein eigenes Genre gewählt: Vom Drama über die Romanze, den Krimi, Thriller und Abenteuerfilm bis zu Science Fiction wird die ganze Bandbreite abgedeckt. Und auch der Humor kommt glücklicherweise nicht zu kurz, sonst würde einen die Wucht des Films erschlagen. Dass die schnellen Wechsel zwischen den einzelnen Handlungssträngen nicht als störend empfunden werden, ist faszinierend und spricht für die Stimmigkeit des Werks. Ex-FCB-Mäzenin Gigi Oeri hat ihr zweites Produktionsengagement (nach Tykwers «Das Parfum») wahrlich gut gewählt. Egal, wieviel sie investiert hat, auf diese mutige Produktion kann sie stolz sein. Denn in diesem Epos stehen nicht Special Effects oder die vorzüglichen Masken im Vordergund, sondern die Geschichte selbst. «Es ist eigentlich ein altmodischer Film», sagt Lana Wachowski.

Manche Geschichten sind zu gross, um sie zu beschreiben. Man muss sie einfach selbst sehen, erleben, bestaunen – am besten auf der grossen Leinwand. Wie «Cloud Atlas».

Leiche im Keller

Fabian Kern am Mittwoch den 21. November 2012

I, Anna

«I, Anna» läuft ab 22. November im Kultkino Club.

Manchmal kann eine flüchtige Begegnung reichen, um Gefühle auszulösen. Chefinspektor Bernie Reid (Gabriel Byrne) erlebt einen solchen Moment, als er einen Wolkenkratzer in einem grauen Londoner Vorort betritt. Noch ahnt er nicht, dass Anna Welles (Charlotte Rampling) mehr mit dem erschlagenen Toten, der auf ihn wartet, zu tun hat, als ihm lieb ist. Vielmehr lässt er jede Professionalität vermissen, als er den Kontakt zu der geschiedenen Frau sucht und die Ermittlungen nicht nur vernachlässigt, sondern gar sabotiert. Deren Gewissen ist jedoch rein. Sie hat nämlich jegliche Erinnerung an den Abend verdrängt, an dem sie das Opfer beim Speed-Dating kennengelernt hat. Anna hat andere Sorgen: Sie muss sich um ihre alleinerziehende Tochter Emmy (Hayley Atwell) und ihre Enkelin kümmern. Doch genau ihre familiäre Situation gibt immer mehr Rätsel auf, je näher ihr der Polizist kommt. Hat Anna vielleicht noch mehr verdrängt als nur jenen fatalen Abend im Hochhaus?

Anna Welles

Was versteckt die labile Anna vor sich selbst? (Bilder: Filmcoopi)

Irgendwie lässt einen das Gefühl nie los, dass die Geschichte in kein gutes Ende nehmen kann. Irgendwie hofft man aber trotzdem darauf, denn die beiden Hauptfiguren sind so einsam und traurig, dass sie einem nur leid tun. Barnaby Southcombe verknüpft in seinem Erstlingswerk drei Genres miteinander. «I, Anna» ist sowohl Drama als auch Thriller und ein wenig Film Noir. Subtil verrät der Regisseur in seiner Verfilmung der amerikanischen Romanvorlage von Elsa Lewin Stückchen für Stückchen das dunkle Geheimnis, welches Anna tief in ihre Psyche verbannt hat.

Bernie und Anna

Findet Bernie die Wahrheit über Anna heraus?

Für die Hauptrolle hat sich der Brite niemand anderen als seine eigene Mutter ausgesucht. Rampling untermauert als Anna ihren Ruf als brillante Charakterdarstellerin. Auch Gabriel Byrne glänzt einmal mehr in einer Rolle als vom Leben gezeichneter Polizist, der die Suche nach dem Glück schon fast aufgegeben hat. Der Ire passt genau zur trostlosen Grundstimmung, die Southcombe dem Film unterlegt – ebenso wie der prägnante Soundtrack. Mit dem Gefühl der Hoffnungsloigkeit wird sich der eine oder andere Zuschauer allerdings schwer tun. Genauso wie mit dem Genre-Mix. «I, Anna» ist handwerklich einwandfrei, kommt aber schwermütig daher wie ein typischer November-Tag.

«I, Anna» läuft ab 22. November im Kultkino Club.

Der grimmige Arm des Gesetzes

Fabian Kern am Mittwoch den 14. November 2012

Dredd 3D

«Dredd 3D» läuft ab 15. November im Pathé Küchlin.

Um ein B-Movie neu zu verfilmen, braucht man schon einen guten Grund. Oder einen soliden Plan. Die Macher von «Dredd 3D» hatten wohl weder noch. Dabei gäbe das unfreiwillig komische Original «Judge Dredd» aus dem Jahr 1995 mit Sylvester Stallone in der Titelrolle genügend her, um entweder einen richtigen Blockbuster daraus zu machen oder zumindest eine humorvolle Parodie. Doch Drehbuchautor Alex Garland («The Beach», «28 Days Later») hatte den Ehrgeiz, den Film näher an die düstere Comic-Vorlage heranzuführen, wie das die Dark-Knight-Trilogie vorbildlich umsetzte. Leider hat er zusammen mit Regisseur Pete Travis («8 Blickwinkel») aber nur eine humorlose Gewaltorgie inszeniert.

Dredd in Action

Ballerei in 3D: Dredd flüchtet vor einer Explosion. (Bilder: Rialto)

In der Zukunft ist alles mega. Mega-Gebäude stehen in grauen Mega-Cities. Und auch «Dredd 3D» ist mega. Nämlich mega brutal. «Mega City One» ist die Hauptstadt der Zukunft. Der gigantische Moloch erstreckt sich von Boston bis Washington D.C. und wird von nicht weniger als 800 Millionen Menschen bewohnt. Wobei «wohnen» ein viel zu positiver Ausdruck für das trostlose Dasein an der amerikanischen Ostküste ist. Drogen, Prostitution und Gewalt dominieren das Leben in den Häuserschluchten. Zur Verbrechensbekämpfung stehen sogenannte «Judges» im Einsatz: Cop, Richter und Vollstrecker in Personalunion. Allerdings sind sie nur ein Tropfen auf den heissen Stein, denn von den zwölf schweren Verbrechen, die pro Minute (!) gemeldet werden, können nur sechs Prozent behandelt werden.

Anderson und Dredd

Bitte lächeln! Anderson und Judge Dredd.

Der beste dieser Judges ist Dredd (Karl Urban), eine Legende im Justizpalast der «Mega City One». Er bekommt mit Anderson (Olivia Thirlby) eine Rekrutin an die Seite gestellt, die er bewerten soll. Ihr erster gemeinsamer Einsatz führt das ungleiche Duo ausgerechnet in das übelste Mega-Wohnhaus der Metropole. «Peach Trees» beherbergt 75’000 Leute und steht unter der eisernen Herrschaft der grausamen Drogen-Baronin Ma-Ma (Lena Heady), die den Markt der neuen Droge «Slo-Mo» kontrolliert. Dredd und Anderson werden prompt eingeschlossen und von den Gesetzlosen gejagt. Was dann folgt, ist eine uninspirierte Aneinanderreihung von Gewaltszenen, in denen die 3D-Technologie nur dazu dient, das Gemetzel möglichst drastisch darzustellen. Der Bodycount von Verbrechern und Unschuldigen steigt dabei in schwindelerregende Höhen. Der einzig interessante Aspekt der Geschichte, nämlich die Aufrechterhaltung von moralischen Werten in einer Anarchie, geht im Kugelhagel komplett unter.

Ma-Ma

Grausam: Drogenbaronin Ma-Ma.

War Sylvester Stallones grimmige Interpretation des Richters und Henkers in Personalunion vor 17 Jahren noch belustigend, so wirken Karl Urbans ständig nach unten verkrampfte Mundwinkel nur lächerlich und ermüdend. Überhaupt gibt die Karriereplanung des Neuseeländers Rätsel auf. Mit seinen Rollen in «Herr der Ringe», «Die Bourne-Verschwörung», «Star Trek» und «R.E.D.» schien Urban auf dem Weg nach oben zu sein, doch seine Rollenwahl in den letzen zwei Jahren waren mehr als unglücklich. Um aber seinem jüngsten Projekt doch noch etwas Positives abzugewinnen: Lena Heady («The Cave», «300») beweist als Ma-Ma Mut zur Hässlichkeit und schafft eine würdige Bösewichtin. Leider vermag das den Film aber auch nicht herauszureissen.

Zur Erinnerung und für Nostalgiker hier der Trailer von «Judge Dredd» (1995):