Seit letzter Woche zeigt die Fondation Beyeler noch bis 27. Januar 2013 in einer Sonderschau Edgar Degas Werke und seine immense Bedeutung für die moderne Kunst.
Heute findet von 18.30 – 20.00 Uhr in der Fondation Beyeler die SWR Kulturnacht – Degas und die Farbe der Zeit, statt. Hier könnt Ihr in Gesprächen und Lesungen zeitgenössischer Texte Person, Werk und die Epoche des Künstlers kennen lernen. Unter den Gesprächsgästen des Abends ist der Kurator der Degas Ausstellung, Martin Schwander. Musikalisch wird der Abend gestaltet von dem Jazzmusiker und Allroundbläser Mike Svoboda. Moderator des Abends ist Thomas Koch. Die Veranstaltung in der Fondation Beyeler wird aufgezeichnet und am Samstag, den 13. Oktober ausgestrahlt (SWR, ab 20.03 Uhr).
Degas Leben
Der Maler, Bildhauer, Grafiker sowie Fotograf, der eigentlich Hilaire Germain Edgar de Gas hieß, war öffentliche Anerkennung nicht wichtig. Der Sohn eines Bankiers änderte seinen Adelsnamen “de Gas” zum bürgerlichen “Degas”. Degas wuchs in einem großbürgerlichen, den Künsten aufgeschlossenen Umfeld auf. Nach dem Besuch des Collège Louis-Le-Grand begann er auf Wunsch des Vaters ein Jura-Studium, das er jedoch schon bald wieder aufgab, um die Künstlerlaufbahn einzuschlagen. Der Vater unterstützte ihn dabei unter anderem, indem er ihm ein geeignetes Atelier zur Verfügung stellte. Ab 1853 nahm Degas Unterricht bei dem Ingres-Schüler Louis Lamothe. 1855 besuchte er für kurze Zeit die École des Beaux-Arts.
1856 brach Degas zu der für bildende Künstler damals üblichen Studienreise nach Italien auf. Er besuchte zunächst die Verwandten in Neapel und verbrachte darauf rund eineinhalb Jahre in Rom, wo er eifrig zeichnete. Im Juli 1858 setzte er seine Reise fort nach Florenz; hier wohnte er wiederum bei Verwandten, der Familie Bellelli. Er fertigte von den Angehörigen zahlreiche Studien an, die als Grundlage für ein geplantes Gruppenbild dienen sollten.
Danach zog er es vor, seine künstlerische Ausbildung auf eigene Faust weiterzuführen. In den Pariser Museen zeichnete er nach antiken Reliefs sowie nach den Vorlagen alter Meister. Seine ersten Historiengemälde fanden es bei Publikum und Kritik wenig Resonanz. Dies sowie die Zweifel, die ihm zuvor schon am Wert der Historienmalerei gekommen waren, veranlassten ihn, sich fortan ganz auf Themen des zeitgenössischen Pariser Lebens zu konzentrieren. Hilfreich war ihm dabei der erfahrenere Kollege Édouard Manet, den er bereits Jahre zuvor beim gemeinsamen Kopieren im Louvre kennengelernt hatte. Darüber hinaus kam er in Kontakt mit weiteren modernen Künstlern und Schriftstellern wie Paul Cézanne, Pierre-Auguste Renoir und Émile Zola. Unter dem Einfluss seines Freundes Manet wandte er sich der Darstellung des Großstadtmilieus und seiner Tänzerinnen zu und nannte sich denn selbst “den klassischen Maler des modernen Lebens”. An Geld und Selbstbewusstsein fehlte es ihm anfangs nicht, er konnte selber eine umfangreiche Sammlung aufbauen.Von Bedeutung für seine weitere künstlerische Entwicklung wurde vor allem die Bekanntschaft mit dem Schriftsteller und Kunstkritiker Edmond Duranty. Von 1866 bis 1870 stellte er weiterhin alljährlich im Salon aus.
Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 diente Degas als Artillerist in Paris; aus dieser Zeit sind die ersten Klagen über sein Augenleiden überliefert. Die Wochen der blutigen Pariser Kommune verbrachte er bei Freunden auf dem Land. 1872/73 reiste der Maler nach New Orleans, wo seine zahlreichen Verwandten mütterlicherseits lebten.
Während des fünfmonatigen Aufenthalts entstand eine Reihe von Porträts der Angehörigen. Im nächsten Jahr starb der Vater. In der Folge wurde offenbar, dass die Pariser Bank nur durch Kredite über Wasser gehalten worden war und zudem Degas’ Bruder René hohe Geschäftsschulden aufgehäuft hatte. Die Bank wurde zwei Jahre später liquidiert, und Degas fühlte sich verpflichtet, für die Schulden des Bruders aufzukommen. Er musste dafür Teile seiner Kunstsammlung verkaufen und seinen Lebensstil einschränken. Seine finanzielle Situation verbesserte sich jedoch in späteren Jahren wieder deutlich, da seine Werke immense Preissteigerungen verzeichneten. Dies war auch auf die Förderung durch seinen Kunsthändler Paul Durand-Ruel zurückzuführen.
1874 organisierte Degas gemeinsam mit einer Gruppe fortschrittlicher Künstler die erste einer Reihe von Ausstellungen, die später als ‚Impressionisten-Ausstellungen‘ bekannt werden sollten. Sie wurden in der Absicht ins Leben gerufen, das Ausstellungs-Monopol des etablierten ‚Salon‘ zu brechen. Degas nahm mit einer Ausnahme an allen acht Ausstellungen, die bis 1886 stattfanden, teil. Dabei machte er sich um die Vorbereitung und Organisation verdient, verursachte aber andererseits mit seiner Kompromisslosigkeit und seinem mangelnden Verständnis für die Belange der übrigen Teilnehmer vielerlei Spannungen und Streitereien.
Gestellte Posen waren ihm nicht wichtig. Unbeobachtet und natürlich stellte er sie in seinen Werken vor, intime Darstellungen in ungewöhnlichen Bildausschnitten, Gemälde, die fotografischen Momentaufnahmen gleichen. Er selber sagte: “Bislang ist der Akt immer in Posen dargestellt worden, die ein Publikum voraussetzen, aber diese Frauen sind ehrbare, einfache Menschen, die sich allein für ihren körperlichen Zustand interessieren. Es ist, als ob man durch ein Schlüsselloch schaut”, sagte Degas. Nicht so schöne Körper darzustellen, schockierte damals viele Kritiker.Berühmt wird Degas durch seine Art der “Momentphotographie”. Vergleichbar wie auf einer spontanen Fotographie., kommen seine Personennicht ins Zentrum des Bildes, sondern werden in die Ecke gerückt und vom Bilderrahmen angeschnitten. Die dynamische und natürliche Körpersprache der Modelle geben seinen Bildern einen strahlenden lebendigen Ausdruck.
Nach seiner letzten Impressionistenausstellung im Jahre 1886 distanziert sich Degas aber von der Impressionisten-Gruppe. Edward Degas sieht sich nicht als reiner Impressionist, sondern als ein unabhängiger Maler mit eigenem Stil.
In den 1890er Jahren entwickelte sich Degas zu einem begeisterten Fotografen; vorzugsweise porträtierte er Menschen aus seinem Umfeld. Die Ergebnisse stellte er 1895 aus.
Als der Maler 1889 erblindete, widmete er sich mit derselben Intensität der Plastik. Er schuf 73 Wachsfiguren, die erst nach seinem Tod in Bronze gegossen wurden, darunter auch die versteigerte “kleine 14 Jahre alte Tänzerin”( In diesem Jahr wurde die diese Skulptur “La petite danseuse de quatorze ans” in London für 14,4 Millionen Euro versteigert – der bislang höchste Preis für eine Skulptur des französischen Impressionismus).
Degas blieb unverheiratet. Über Beziehungen zu Frauen ist nichts bekannt, was den Zeitgenossen zu mancherlei Gerüchten Anlass gab. In seinen späteren Jahren bewirkte seine oft schroffe und boshafte Art, verbunden mit eigener Empfindlichkeit, dass sich Bekannte von ihm abwandten.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte er, vereinsamt und fast blind, in der Obhut einer Nichte. Edgar Degas starb am 27. September 1917 an einer Gehirnblutung und hinterlässt der Nachwelt mehr als 2000 Ölgemälde und Kreidezeichnungen und ca. 150 Skulpturen.
Degas stand bei den Künstlerkollegen in hohem Ansehen. So schrieb Camille Pissarro 1883 an seinen Sohn: „Sicher ist Degas der größte Künstler unserer Zeit.“ In seiner Nachfolge standen vor allem Henri de Toulouse-Lautrec und der mit ihm befreundete Walter Sickert.
Früh fand sein Werk auch das Interesse der Sammler, darunter der Maler und Sammler Gustave Caillebotte sowie die mit Degas persönlich bekannte amerikanische Sammlerin Louisine W. Havemeyer. Mit dem Baumwollkontor kaufte das Museum in Pau 1878 als erstes Museum ein Werk von Degas an. Nach dem Tod von Louisine W. Havemeyer gelangte nach 1929 eine große Anzahl seiner Gemälde im Rahmen einer Stiftung in das New Yorker Metropolitan Museum of Art.
Die Ausstellung
Die Fondation Beyeler zeigt seit zwanzig Jahren die erste Ausstellung von Edgar Degas (1834–1917) in der Schweiz. Ihr könnt das umfassende Spätwerk seiner Arbeiten als Höhepunkt eines über sechzig Jahre währenden künstlerischen Wirkens sehen. Aufregend obsessiv und richtungsweisend sind seine Spätwerke für die europäischen Kunstgeschichte. Ob Perspektiven, Materialien der Skulpturen, Farben, die bis ins Neonartige strahlen, Degas wirft damals ein Schlaglicht auf die spätere Kunst. Er lässt die Pastellfarbenphase der Impressionisten auslaufen und schafft mit kräftigen Blau, Rot, Grün- und auch Orangetönen eine immense Erweiterung des Farbspektrums.
Die Räume sind angenehm gattungs- und themenbestimmten Schwerpunkten gewidmet. Auf Tänzerinnen und Porträts folgen Frauen bei der Toilette, dann Landschaften und Interieurs und am Ende der Ausstellung stehen Pferde und Reiter, inmitten der Räume thronen die Skulturen seines Spätwerks. Von Gastkurator Martin Schwanders leichter Konzeption der Ausstellung profitieren die Zuschauer/Innen sehr. Dies wurde auch durch die Zusammenarbeit mit Michiko Kono, Associate Curator der Fondation Beyeler, erreicht.
Und am Familientag werden inkl. einer Buchparty viele Fragen um die Kunst herum beantwortet: Ab wann ist etwas Kunst? / Was macht ein Künstler, wenn ihm sein Werk nicht gefällt?/Wieso ist die «Mona Lisa» so berühmt?/Welche Farbe wird von den Künstlerinnen und Künstlern am meisten gebraucht?/Mochte Andy Warhol gerne Tomatensuppe?/Warum sind manche Kunstwerke so unglaublich teuer?/Wieso werden viele Künstlerinnen und Künstler erst nach ihrem tod berühmt?/Gibt es ein Kunstwerk, bei dem man nicht weiss, von wem es ist?/Was wäre das Leben ohne Kunst? …und viele mehr. Was ist Kunst?, Familientag, Sonntag, 21.Oktober, 16–18Uhr, mit Buchpräsentation, Bar & Snacks und DJ in der Fondation Beyeler.
«Edgar Degas», 30. September bis 27. Januar 2013, Fondation Beyeler, Baselstrasse 77, CH-4125 Riehen, Öffnungszeiten: täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr, Weitere Infos: Fondation Beyeler (Alle Bilder von Alex Palacios)
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