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«Eigentlich mag ich den Amélie-Film gar nicht so»

Luca Bruno am Montag den 12. November 2012

Yann Tiersen, der Amélie-Pianist.

Sie können einem Leid tun. Diese wenigen bestimmten Künstler, die sich Jahr für Jahr auf Tour abrackern und zahlreiche gute Soloalben veröffentlichen, bis dann eines Tages einer ihrer Songs eine Werbung beziehungsweise Kinotrailer untermalen darf oder auf einem Soundtrack Unterschlupf findet und sie fortan dann auf diesen einen Song reduziert werden.

So kann also auch der mittlerweile 42-jährige Yann Tiersen auf seinen Alben noch so viele Parallelen zu Künstlern und Bands wie Andrew Bird, Sigur Rós oder den späten Talk Talk ziehen, er wird für den Rest seiner musikalischen Karriere wohl immer mit DIESEM EINEN KLAVIERSTÜCK assoziert werden. Dieses Stück, «Comptine d’ un autre été: L’après-midi», war 2001 Teil des Soundtracks zum Film «Amélie» und dürfte Yann Tiersen wohl noch lange verfolgen… und das obwohl es überhaupt nicht stellvertretend für den Rest seines musikalischen Schaffens ist.

Im Rahmen des Zürich Openairs 2012 haben wir Tiersen vor ein paar Wochen interviewt.

Vor knapp 11 Jahren entschied sich Jean-Pierre Jeunet, den Soundtrack für seinen Film «Le Fabuleux Destin d’Amélie Poulain» hauptsächlich aus Songs ihrer ersten beiden Studioalben zusammenzustellen. War Jeunets Entscheidung für sie rückblickend betrachtet eher Fluch oder Segen?
Yann Tiersen: (überlegt lange) Ach, ich weiss nicht… ich würde sagen, weder noch. Es ist einfach etwas, das passiert ist – und sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich gebracht hat. Als der Film und der Soundtrack veröffentlicht wurde, war ich selbstverständlich froh darüber, dass Musik von mir, die sechs Jahre vor dem Film geschrieben wurde und die sich bei ihrer Erstveröffentlichung nicht besonders erfolgreich verkauft hatte, nun plötzlich reichlich Erfolg geniessen darf. Sowas gibt dir Selbstvertrauen.

Auf der anderen Seite… eigentlich mag ich den Film gar nicht so. Ich denke «Le Fabuleux Destin d’Amélie Poulain» ist objektiv gesehen ein guter Film, allerdings stellt er Paris, eine Stadt die ich überhaupt nicht mag, ziemlich klischeehaft dar und für mich persönlich ist es ziemlich verwirrend, wenn man mich nun ständig mit dieser Traum- und Klischeewelt assoziert, obwohl ich – wie schon gesagt – Paris nicht mag und privat auch überhaupt nichts mit dieser Stadt zu tun habe und haben möchte.

Dieser Kontrast zwischen Positivem und Negativem ist ja auch gerne Teil ihres musikalischen Outputs. Auf ihrem letzten Album «Skyline» beispielsweise, war die Musik ziemlich fröhlich, während der lyrische Inhalt eher von melancholischer Natur war. Woher kommt das?
Das ist einfach Teil des Lebens, oder nicht? Jeder hat ja sowohl eine fröhliche, als auch eine dunkle Seite in sich. Bei «Dust Lane» [Anm.: Erschienen im Oktober 2010], dem Vorgänger zu «Skyline», war es ja gerade umgekehrt: Dort waren die Lyrics ziemlich frohsinnig und die Musik dafür eher düster. Wahrscheinlich auch, weil es mich damals ziemlich viel Zeit gekostet hat, die Songs für dieses Album zu schreiben und ich musikalisch gesehen mit sehr viel Distortion-Effekten herumexperimentiert habe.

Aber ganz generell denke ich, dass diese Tatsache auf alle meine Studioalben zutrifft. Ich denke, es lohnt sich immer, die Dinge von zwei verschiedenen Seiten zu betrachten. Und dieser Prozess geschieht zumindest bei mir auch nicht wirklich absichtlich, er passiert einfach so. Wahrscheinlich auch, weil ich es ein bisschen langweilig finde, nur über fröhliche Dinge und Glückseligkeit zu erzählen. Wer bei guter Laune ist, sollte sich am besten seinen dunklen Seiten widmen, da er nur in diesen Momenten über ein wenig Distanz zu ihnen verfügt.

Welche Gemütszustände dürfen wir also auf ihrem nächsten Album erwarten?
Wir haben noch gar nicht mit der Arbeit angefangen. Zwischen der Veröffentlichung meiner beiden letzten Alben, «Skyline» und «Dust Lane», lagen nur gerade 12 Monate, womit ich und meine Band also seit drei Jahren ununterbrochen auf Tour sind. Im Oktober werden wir unsere aktuelle Tour mit zwei Konzerten in China und Russland abschliessen und uns erst dann wieder an die Arbeit machen. Ich habe ein paar Ideen, die sind momentan aber noch ziemlich verschwommen. Der Zeitplan sieht vor, dass das nächste Album im Februar 2014 erscheinen soll.

Fühlt es sich nach so langer Zeit auf Tour schwierig an, wieder ins Studio zurückzukehren?
Nun, ich freue mich ziemlich auf den Aufnahmeprozess. Selbstverständlich toure ich auch ziemlich gerne – für mich fühlt es sich an wie Ferien – aber da wir nun so lange auf Tour waren, ist es sicherlich keine schlechte Idee, auch mal wieder einem gemässigteren Lebensstil nachzugehen.

Auch auf ihrem aktuellen Studioalbum gibt es mit der Band Efterklang wieder einen Gastauftritt von auswärtigen Künstlern. Wie kommen diese Kollaborationen zu Stande und gibt es schon Ideen bezüglich anderen Musikern, mit denen sie auf ihrem nächsten Album gerne zusammenarbeiten möchten?
Ausser dem Schlagzeug und den Vocals des Songs «The Trial» habe ich «Skyline» praktisch vollständig im Alleingang aufgenommen. Während dem Abmischen des Albums habe ich dann mit meinem Laptop herumgespielt, wobei verschiedene Samples einiger älterer Songs von mir einen komplett neuen, instrumentalen Track ergeben haben. Der erste Song also, den ich komplett mit Ableton Live erstellt habe – normalerweise bin ich ja mehr der analoge Typ.

So hatte ich also diesen neuen Track, «Vanishing Point» und dachte mir spontan, dass Efterklang dazu eigentlich ziemlich gut passen würden. Wir hatten vorher nie persönlichen Kontakt, sondern uns nur ab und zu über E-Mail ausgetauscht. Als ich ihnen dann die Lyrics zum Track zugesendet habe, haben sie glücklicherweise sofort zugesagt, womit wir die Vocals für diesen Track schlussendlich aufnehmen konnten. Wichtig ist für mich bei Kollaborationen also, dass eine Verbindung besteht und wir bereits vorher einmal in Kontakt standen. So etwas kann natürlich gerne auch auf dem nächsten Album wieder passieren.

Am Zürich Openair 2012 hatten nebst Yann Tiersen auch zahlreiche andere Künstler ihren Auftritt. In der Galerie gibt es die besten Bilder unseres Fotografs Dirk Wetzel:

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