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Halbleere Gänge vs. übervolle Räume: Der Kampf um die Publikumsgunst

karen gerig am Donnerstag den 20. Januar 2011

Bereits haben über 200’000 Leute die Wien-Ausstellung in der Fondation Beyeler besucht – täglich quetschten sich allein in den letzten Tagen und Wochen rund 2000 Besucher durch die Ausstellungsräume. Manch einer findet, das sei zuviel, um die Kunst noch geniessen zu können (vgl. hier). Weniger Probleme hat da der Besucher der Warhol-Ausstellung im Kunstmuseum – hier bleibt vor den Bildern genug Raum für Betrachtung. Genaue Zahlen sind vom Museum allerdings noch nicht in Erfahrung zu bringen.

Vollgestopfte Räume versus halbleere Gänge, wie kommts? Dürfte man nicht meinen, dass ein Name wie Andy Warhol die Menschen auch scharenweise ins Museum lockt? Wir erwarten ja keine halbe Million wie 2009 bei der «Jahrhundertausstellung» Vincent van Gogh. Doch wieso schaffte es eine Fondation Beyeler, selbst mit einem eher unbekannten Namen wie Jean-Michel Basquiat innert vier Monaten 110’000 Leute anzuziehen, während die Jahresbesucherzahl fürs Kunstmuseum (ohne Museum für Gegenwartskunst) gar nicht so weit darüber liegt? Betrachtet man die letzten zehn Jahre, so spielt das Kunstmuseum mit Namen wie Holbein, Kandinsky, Judd oder auch Gursky doch absolut in der oberen Liga mit.

Würde Andy Warhols Frühwerk in der Fondation Beyeler mehr Besucher anziehen? (Foto Margrit Müller)

Und trotzdem – wir wagen die unverschämte Behauptung: Würde Andy Warhols Frühwerk in Riehen gezeigt, läge die Besucherzahl um einiges höher. Und hätte das Kunstmuseum die Basquiat-Ausstellung gezeigt, hätten keine 110’000 Leute den Weg dorthin gefunden.

An den Eintrittspreisen kanns nicht liegen, diese sind in Riehen um vier Franken pro Person höher als am St. Alban-Graben. Ist die Fondation Beyeler also geschickter, wenn es um die Bewerbung des Museums geht? Machen wir einen Rundgang durch Basel: An den Plakatsäulen scheint das Wien-Warhol-Verhältnis ausgeglichen, und am oberen Ende der Freien Strasse wird fürs Kunstmuseum, am unteren für die Fondation Beyeler geworben. Die SBB bietet für beide Ausstellungen Packages an. Doch auf dem Bahnhofsplatz empfangen die Touristen nur mobile Plakatwände der Fondation mit dem Hinweis, wie man möglichst schnell nach Riehen gelangt. Das Kunstmuseum fehlt. Im Fernsehen wird schweizweit sowohl für die Wien- als auch für die Warhol-Ausstellung geworben, für die Wien-Ausstellung auch am Radio. In den Medien hingegen ist die Fondation Beyeler präsenter, ist öfter mal der Ausflugstipp, und sie wirbt auch stärker über die Landesgrenzen hinaus, vor allem in den angrenzenden Landesteilen – mehr als die Hälfte der Fondation-Beyeler-Besucher (52 Prozent) kommen aus dem Ausland, fast die Hälfte davon aus Deutschland. Doch auch das Kunstmuseum zieht viele ausländische Besucher an – Statistiken sind jedoch keine zu erhalten. Beide Museen werben zielgruppenorientiert.

Die Fondation Beyeler ist beliebtes Ausflugsziel - im Bild das Kaffeehaus in der Wien-Ausstellung. (Foto Pino Covino)

Allein an der Werbung kanns also nicht liegen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt wohl aber die Positionierung der beiden Museen beziehungsweise ihre nationale und internationale Ausstrahlung. Das Kunstmuseum erinnert rein äusserlich an eine Festung und bietet auch im Innern nicht die modernste Architektur. Das ist natürlich wenig schmeichelhaft formuliert, und der Erweiterungsbau könnte hier Abhilfe schaffen – allerdings frühestens im Jahr 2015. Die Schwerfälligkeit der Architektur scheint sich manchmal im Ausstellungsprogramm zu spiegeln – gerade auch in kleineren Präsentationen im Kupferstichkabinett etwa. Überspitzt könnte man sagen, dass das Kunstmuseum ein elitäreres Publikum anspricht als die Fondation Beyeler. Die lichtdurchflutete Fondation liegt zudem harmonisch eingebettet im grünen Umland und bietet sich für einen Sonntagsausflug geradezu an, gerade auch für Tagesausflügler aus dem Ausland. Kommt dazu: Die Figur Ernst Beyeler und dessen herausragende Sammlung – ein populäres Identifikationsmerkmal, das dem Kunstmuseum fehlt. Die Kunst der Klassischen Moderne – der Schwerpunkt der Fondation Beyeler sowohl in Sammlung wie Sonderausstellungen – ist zudem immer noch die weltweit populärste Kunst.

Wird der Erweiterungsbau dem Kunstmuseum neue Besuchergruppen erschliessen? (Visualisierung Christ & Gantenbein)

Gerade im Hinblick auf den Erweiterungsbau täte dem Kunstmuseum ein Imageschub gut. Ein Patentrezept, wie dieser zu bewerkstelligen wäre, lässt sich leider nicht so einfach zusammenmixen. Das Wichtigste ist und bleibt, ein attraktives Ausstellungsprogramm anzubieten. Mit der Präsentation der Sammlung im Obersteg und einer Ausstellung zu den Landschaften Max Beckmanns, die für 2011 geplant sind, ist der Kassenschlager aber immer noch nicht in Sicht. Die Fondation Beyeler trumpft dagegen mit Brancusi, Dali, Serra und Louise Bourgeois auf.

Dem einzelnen Besucher können diese Überlegungen ja eigentlich egal sein. Im Gegenteil: wer die Kunst lieber in Ruhe geniesst, ist im Kunstmuseum ja sogar besser dran.

Welches Museum besuchen Sie lieber, liebe LeserInnen? Und warum?

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2 Kommentare zu “Halbleere Gänge vs. übervolle Räume: Der Kampf um die Publikumsgunst”

  1. Kaspar Tanner sagt:

    Die Fondation Beyeler ist sicher ein ausgesprochen schöner Bau in einer schönen Lage. Das Kunstmuseum Basel wirkt innen durchaus angenehm und ruhig – wäre nicht die an faschistische Architektur erinnernde Hülle.
    Verändern sollte man diesen Bau aber nicht, da er ein Zeitzeuge ist und auch ein Werk des Arbeitsrappens (ein Basler Projekt zur Linderung der Arbeitslosigkeit in den frühen Dreissiger Jahren).

    Die Fondation Beyeler hatte mit ihrem Gründer Ernst Beyeler und nun auch mit Sam Keller zwei Leiter, die enorm gut im Kunstbetrieb vernetzt waren/sind und es so schaff(t)en, hervorragende Kunst in die Fondation zu bringen. Das ist ein einmaliger Glücksfall und da kann das Kunstmuseum Basel einfach nicht mithalten. Vermutlich können nur die wenigsten Museen in Europa mit der Fondation mithalten. Das Wichtigste in allen Geschäften sind die Beziehungen – und da hatte der Galerist Beyeler und hat der ehemalige ART-Chef Keller einfach die besseren Karten.

    Wenn ich das Programm der Fondation mit dem des Kunstmuseums vergleiche, wiederspiegelt sich wiederum die bessere Vernetzung der Fondation.

    Trotzdem: Das Kunstmuseum ist umfassender und hat viel Qualität aus den letzten 700 Jahren zu bieten, die Fondation ist eine Referenz für die Kunst der letzten 150 Jahre. Beide sind gut und auf beide Häuser kann man stolz sein. Missen möchte ich keines der beiden Häuser.

  2. Sylvia Liatowitsch sagt:

    Sie vergleichen, liebe Kunstbetrachterin, die private Fondation B. in Riehen, mit ihren Freiheiten, und das staatliche Museum für Kunst Basel-Stadt: sie vergleichen also in etwa Orangen mit Mirabellen!
    Der Auftrag, innerer und äusserer, der Fondation B. in Riehen ist mit einem baselstädtischen, staatliche Museum nicht zu vergleichen. Beide werden bleibend ganz anderes Besucherpotenzial begeistern: sie sahen dies an der Masse, die zu Van Gogh wanderte!
    Ich sehe im Uebrigen, dass die Qualität der Ausstellungsangebote in der Fondation B. der glanzvollen Architektur durchaus entspricht, wie ebenso jene des Baselstädtischen Museumsangebotes. Sie sehen, wie sie auch schauen: Zweierlei! In der Fondation B., auch nachdem die Beyelers nicht mehr Hauseltern sind, fühle ich mich in den Räumen – trotz des Personals – willkommen, von den Bildern eingeladen!