Der Basler Filmemacher Kevin Rodriguez hat die amerikanische DJ-Ikone Steve Aoki quer durch Europa begleitet. Im Schlaglicht-Interview lässt der 23-Jährige die denkwürdige Zeit mit Aoki Revue passieren.
Steve Aoki “On The Road # 29” from Kevin // Rodriguez on Vimeo.
Atemberaubende Landschaften, eindrückliche Architektur, hysterische Fans, rauschende Parties – und mittendrinn Steve Aoki. Es ist so kurzweilig wie kontrastreich, das neuste Tour-Video (oben) des DJs, Produzenten und Labelgründers, der schon mit Stars wie Kid Cudi, LMFAO, Lil Jon, Armand Van Helden und Tiesto zusammengearbeitet hat und u.a. für Song-Remixes von Eminem, The Killers oder Lenny Kravitz verantwortlich ist. Mit den langen glatten Haaren und seinem sanften Lächeln wirkt der Amerikaner mit japanischen Wurzeln auch im neusten Video fast schon scheu.
Zumindest bis zu dem Moment, an dem er auf die Bühne stürmt. Dann verwandelt sich der House- und Elektro-Produzent zur Bühnen-Bestie: Champagner-Duschen, Torten-Massaker, Stage-Dives, Konfetti-Wolken und Schlauchboot-Ausflüge über den Köpfen der Fans. Achja, und Platten-Auflegen tut Steve Aoki auch noch. Fast hätte man das vergessen bei all den spektakulären Sequenzen.
Gefilmt und in zweiwöchiger Feinarbeit zusammengeschnitten wurde das Live-Video von Kevin Rodriguez. Der 23-jährige Basler Filmmacher, der unlängst den Skateboardfilm Key Light veröffentlichte (wir berichteten), hat die DJ-Ikone aus Miami kürzlich bei seiner Europatournee zehn Konzerte lang mit der Kamera begleitet und dabei einiges erlebt. Ab heute ist das Video nun im Umlauf. Grund genug, mit Rodriguez auf die Aoki-Tour zurückzublicken.
Kevin Rodriguez, wie kommt es, dass du mit Steve Aoki unterwegs warst?
Ich habe Steve vor zwei Jahren bei einem Interview kennen gelernt und mich gut mit ihm und seinem Management verstanden. Diese sind dann auf Arbeiten aufmerksam geworden, die ich mit meinem Partner Andre Guadagno für unsere Videoproduktionsfirma Particlefilms gemacht habe. So hat die Zusammenarbeit mit Steve Aoki und seinem Label Dim Mak Records angefangen. Mittlerweile sind dabei einige Projekte entstanden – zum Beispiel Aokis Live-Video zum Song «Misfits» oder das Video für die von ihm unter Vertrag genommene junge Indieband New Ivory, welches ich mit Guadagno gedreht habe und das auch in den USA auf MTV einen Erfolg feiern durfte. Dazu kommt nun das neue Tournee-Video von Aoki sowie ganz viele weitere Projekte.
Was war die grösste Herausforderung auf der Europa-Tour mit Aoki?
Dass wir den ganzen Tag unterwegs waren zwischen Bus, Hotel und Bühne. Dabei filmte ich fortlaufend und sorgte dafür, dass alles noch am gleichen Abend in den sozialen Netzwerken steht. Und dann ab an den Flughafen und in die nächste Stadt. Wenig Schlaf halt. Aber Steve ist ein ausgezeichneter Teamarbeiter, jeder hat auf der Tour seinen Job und schlussendlich packen alle bei allem mit an, wenn es stressig wird.
Wenn man die Tour-Videos guckt, scheint Aoki eine Dauerparty zu feiern. Wie ist das Tourleben mit ihm wirklich?
Bei Stefan Raab im Fernsehen ist ja auch immer alles lustig obwohl sein Privatleben weniger spannend sein dürfte. Weil Steve Aoki aber so gut wie immer auf Reisen ist, vermischen sich Tour und Privatleben natürlich. Da erlebt man halt vieles, das beim Betrachter die Assoziation einer Dauerparty auslösen mag. Oft ist das Tourleben aber weniger lustig, weil der Zeitraum zwischen den Shows knapp ist. Da muss man Sightseeing auf Hochtouren machen – oft ist man dann im falschen Moment müde. Das interessiert jedoch keinen Fan. Die mindestens 10’000 Leute an den Festivals wollen immer ihren Star in 150-prozentiger Form sehen…das ist schon krass. Mein Trick war, gesund zu essen und viel warmen Tee anstatt Alkohol zu trinken. So kann man definitiv mehr aus seinem Körper rausholen…auch bei wenig Schlaf.
Aoki soll durchschnittlich 250 Shows pro Jahr spielen – wie schaltete er ab? Und wie entsteht so neue Musik?
Auf der Tour versuchen wir möglichst nicht abzustürzen, auch wenn das vielleicht viele vermuten würden. Das geht bei Aokis 250 Auftritten pro Jahr einfach nicht. Und die Musik entsteht überall – etwa im Hotel oder im Flugzeug. Meistens aber an tourfreien Tagen in den DimMak Studios in Hollywood. Und die Festival-Shows sind für Aoki super, um mit verschiedenen Künstler über Feature-Projekte zu reden.
Auf eurer Tour seid ihr unter anderem Public-Ennemy-Rapper Flavour Flav begegnet. Wie war das?
Flavour Flav kennen zu lernen und in Brüssel einen Tag mit seiner Crew zu chillen war in diesem Moment wie selbstverständlich. Ich fand es spannend, dass Flavour Flav eigentlich Entertainer ist – egal ob die Kamera an oder aus ist. Das war unglaublich..eigentlich so wie ich ihn mir vorgestellt habe. Erst einen Tag später habe ich gemerkt, dass mit dem Public-Enemy-Treffen ein Kindheitstraum in Erfüllung ging. Wirkliche Gespräche ausser «hallo» und «tschüss» ergaben sich ausserdem mit den US-Rappern Mac Miller und Cypress Hill.
Torten, Konfetti und Champagner – das Publikum muss an den Aoki-Shows ziemlich viel einstecken – gabs du auch mal Retourkutschen?
Definitiv nicht! Die Leute wollen das. Schaut mal die Tourvideos…die sind richtig geil darauf, sich einen Kuchen in die Fresse werfen zu lassen.
Im Internet sorgen Steve Aokis Backstage-Wünsche für Diskussionen (z.B. hier). In seinem Vertrag verlangt er neben Schlauchboot, Konfettimaschinen, Kuchen und einem Regie-Stuhl u.a. auch frische Unterwäsche. Wie siehst du die Sache?
Liebe Leute überlegt doch ein wenig…wie will ein Steve Aoki Wäsche machen, wenn er das ganze Jahr auf Tour ist? Was ist schlimm daran? Unterhosen und Socken sind nicht nur für ihn, sondern für die ganze Crew. Ich verstehe überhaupt nicht, was das für ein Problem sein soll. Die Hälfte der Utensilien ist für die Show, der Rest gehört standardmässig zur Backstage-Ausstattung. Googelt mal Jay Z’s Rider… Andere DJ’s – darunter auch liebe Schweizer DJ’s – haben Kokain auf dem Stage Rider von dem her…fuck it. Steve selber trinkt zudem gar keinen Alkohol. Am besten lest ihr Steves Blog-Antwort auf diese Diskussion – dann kann sich jeder selber eine Meinung dazu bilden, wenn er die Zeit mit solchen Angelegenheiten verschwenden möchte.
Was lief neben den Shows – ausser dem Reisen?
Wenn Zeit bleibt, besichtigten wir die Städte mit ihrer Kultur, Museen und Märkten. Wir wollten einfach mit den Leuten sein anstatt uns im Hotel abzuschirmen.
Wie war der Schweiz-Abstecher ans «Touch The Air»-Festival bei Wohlen?
Zürich war lustig tagsüber – ich habe Aoki einige meiner liebsten Orte gezeigt. Das Festival selber war zwar vom Lineup her vielversprechend – und ich konnte in Ruhe mit Cypress Hill reden und bekam von Calvin Harris Stories über den Riesen-Hype zu hören, den er momentan erlebt – jedoch waren Zelt und Bühne technisch und visuell sehr mager ausgestattet. Die Leute waren jedoch super – Wohlen hat gerockt!
Was hat es mit dem Aoki-Jump auf sich?
Der Aoki-Jump ist eine Fotoserie von ihm, welche er überall auf der Welt macht – ähnlich wie planking.
Gab es brenzlige Situationen auf Tour?
Eher stressig. Einmal sind wir Zeugen einer wirklich lotteriehaften Aktion geworden. Es war am Southside Festival in Deutschland als während Aokis DJ-Set einige komische Sachen auf die Bühne geworfen wurden – darunter BH’s, Schuhe und Shirts. Ein Fan hat es tatsächlich geschafft, aus etwa 30 Metern Entfernung einen Gegenstand auf das DJ-Pult zu werfen und zwischen dem Kabelsalat und dem Mixer den etwa 2 Zentimeter grossen ON/OFF-Knopf zu treffen… Da musste selbst Aoki schmunzeln und den mysteriösen Werfer trotz dem Set-Abbruch einmal laut durch das Mikrophon feiern. Die Fans sind schon ziemlich kreativ was die Kleidung (oder eben auch keine Kleidung) anbelangt um aufzufallen.
Gabs Unterschiede zwischen den Ländern?
Die Fanbase war mehrheitlich gleich – ausser in Nizza. Da war es witzig, einen «Champaign Club» ausser Rand und Band zu sehen und feststellen zu dürfen, dass Kleider Leute machen. Im Inneren sind sie dann die gleichen Fans wie die Kids an den Festivals. Ich musste schmunzeln als ich sah, wie harte «Money Boys» um ihren Star wimmeln..
Das verrücktestes Erlebnis?
Das war, als wir an einem freien Tour-Tag spontan mit dem Privatjet von Ibiza nach Palma de Mallorca flogen. Dort musste Aoki in einem Club als Ersatz für den Star-DJ Sebastian Ingrosso (Swedish House Mafia) spielen. Vier Tage später spielte Aoki dann nochmals offiziell dort – double Hype.
Und wo wars am besten?
Ich muss sagen, es war überall schön – egal bei welchem Wetter. Mein Favorit war dann doch Palma. Dort hatten wir zwei volle Tage, an denen wir tauchen gingen. In Nizza hingegen waren die Frauen aufregender als die Stadt.
Welches Tour-Bild wird dir in besonderer Erinnerung bleiben?
Es sind die persönlichen Momente, die für immer in Erinnerung bleiben werden. Wir hatten in neun Städten Auftritte und waren dazwischen in vielen anderen zu Besuch. Überall erlebte ich den gleichen Hype der Fans. So etwas einmal hautnah miterleben zu dürfen, das ist schon ein Erlebnis – und schwierig zu erklären. Das Tour-Video sagt wohl mehr als tausend Worte.
Video braucht passwort?
Klingt vielversprechend… jetzt müsste man nur noch den Code fürs auf «Private» gestellte Video haben.
Das Video war schon veröffentlicht (sonst hätte ich den Artikel ja nicht pupliziert;) – dummerweise musste der Filmemacher danach wegen Aokis Label wieder zurückkrebsen. Die Diven! Ihr könnt Euch bei den Verantwortlichen bedanken;)
Live kann man Steve Aoki am 14.9. in Zürich sehen im Kaufleuten. Vorverkauf läuft!