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Basler Rap für den Sommer

Joel Gernet am Freitag den 6. Juli 2012

Kann sich jemand erinnern, wann zum letzten Mal ein Solo-Album einer Basler Rapperin erschienen ist? Abgesehen von Sista Lins eben erschienenen Debut «Linguistic» natürlich. Höchste Zeit also, dass eine Dame am Rheinknie wieder einmal auf den Putz haut. Und Sista Lin kann das – erstens, weil sie zweifelsohne die nötigen Rapskills mitbringt und zweitens, weil sie Wut im Bauch hat und auf ihrem Album auch abgerechnet wird. Auf dem berührenden Song «Kriegsbeil» tut sie dies zum Beispiel mit ihrem Vater und auf Tracks wie «Queen» oder «Kollision» macht Sista Lin mit der schlecht rappenden Konkurrenz kurzen Prozess. Da gibts Zeilen zu hören, wie sie sonst von fast ausschliesslich von Typen gespuckt werden. Hier hätte Lin mit ihrer Stimme aber ruhig noch mehr Wut transportieren können.

Thematisch dominieren Battle- und Represent-Tracks das Debutalbum der 28-jährigen Baslerin. Rap über den Rapkosmos sozusagen. Da bieten Songs wie «Himmel und Höll» eine willkommene Abwechslung: Sista Lin lässt für einmal nicht die Muskeln spielen sondern sie lässt lyrisch die Hosen runter und thematisiert Druck und Selbstzweifel, die sie beim Schreiben verspürt. Einer der Höhepunkte des Albums. Heiter zu und her geht es hingegen auf dem Party-Track «Händ in d’Luft» und der Rap-Hommage «One Love», auf dem das von Non Phixions Rapklassiker «Rock Stars» bekannte Bar-Kays-Sample wieder wunderbar in Szene gesetzt wird. Beide Tracks überzeugen vor allem mit funky Beats, themenmässig sind sie, sagen wir mal, eher ausgeleiert. Die Soundunterlage zu «Linguistic» kommt durchs Band in der Tradition des 90er-Raps daher: Boom-Bap-Beats gespickt mit Funk-, Soul- und Klassik-Samples. Es ist der hörbare Einfluss von Produzent (sowie DJ und Rapper) Tron, der mit P-27 den Schweizer Rap vor rund zwanzig Jahren miterfunden hat (und dessen Partnerin Pearlbeatz ebenfalls einen Beat zu Sista Lins Debut beigesteuert hat). Von Tron und dem sagenhaften Makale-DJ Steel stammen zudem auch die messerscharfen Scratches, die in dieser Art auf Alben leider immer seltener werden. Mit ihrem ersten Solo-Streich hat Sista Lin ein solides Debut vorgelegt, auf auf das sie nun aufbauen kann, das bei 17 Skip-Punkten aber auch seine Längen aufweist. Mit mehr Themenvielfalt und einem grösseren Flowspektrum kann die 28-Jährige künftig noch mehr aus sich herausholen.

Ebenfalls frisch im Umlauf ist die CD «Fluchtinstinkt» von KIS. Auf seinem Debutalbum knüpft der Baselbieter dort an, wo er auf seiner Gratis-EP (download hier) Anfang Jahr aufgehört hat: Persönliche und fiktive Anekdoten aus dem Alltag eines jungen Menschen, dem es meist gut geht, aber der dennoch mit sich und der Welt hadert. Zukunftssorgen, Liebe, Überfluss und Selbstzweifel – oft in Verbindung mit einer Kopf-hoch-Attitüde. So nachdenklich wie die Texte, in denen sich mancheiner wiederfinden wird, sind auch die dazugehörigen Beats, welche KIS allesamt selber produziert hat – Respekt! Dem Hörerlebnis zuträglich ist, dass KIS seine Texte stets locker rüberbringt (das klingt einfacher, als es ist), manchmal sogar so relaxt, dass er – wie etwa im Refrain von «Alles OK» – die Wörter verzögert. Das erinnert in angenehmer Weise an den Basler Rapper Kid Bakabu, der diese nonchalante Art perfektioniert hat.

Textmässig gibts an diesen Album eigentlich gar nixx auszusetzen, wenn KIS – 22 Jahre jung, glaub ich – so weitermacht und noch mehr an den Hooks feilt. Ähnliches gilt für die Beats, welche mehrheitlich solid daherkommen aber im Vergleich zu den Raps noch mehr Punch vertragen könnten – auch in Punkto Mix. Wenn man berücksichtigt, dass KIS auf seinem Solo-Debut (fast) alles selber gemacht hat, ist das 20 Songs umfassende «Fluchtinstinkt» ein überzeugendes und bemerkenswertes Album geworden. Ob als Flüchtender oder Jäger – der Baselbieter wird seinen Weg gehen.

Neben den Alben von Sista Lin und KIS gibts auch neues aus dem Kosmos der Basler Gratis-Rapreleases. «2017 Tims N Dirt» heisst das Mixtape, das der junge Basler Einzelgänger vor Kurzem in Netz gestellt hat (download hier). Unterstützt wird der 22-Jährige dabei von niemand geringerem als Kaotic Concrete, der sich mit der Basler Rapcrew Underclassmen (UCM) auf Englisch einen Namen gemacht hat. Der in Boston aufgewachsene Rapper gehört auf seinem Gebiet zu den Besten der Schweiz und ist auf «2017 Tims N Dirt» mit seiner Erfahrung und seinen überdeutlich gespuckten Rhymes der perfekte Gegenpart zu Einzelgänger, der phasenweise etwas übermotiviert wirkt. Unter seinen Silbenmassakern leidet bisweilen die Verständlichkeit. Thematisch und auch beatmässig kommt das Mixtape meist düster daher. Hardcorerap aus dem Underground von zwei hungrigen Rappern, die es allen Beweisen wollen. Die 13 Gratis-Songs sind ein Vorgeschmack für das Kollabo-Album «Antarctica», welches Einzelgänger und Kaotic Concrete diesen Winter releasen wollen.

Alle hier vorgestellten Veröffentlichungen stehen gleichzeitig für drei Labels aus der Region, die regelmässig Releases raushauen. Während Sista Lin Rappartment representet, auf dem demnächst auch das neue Pyro-Album erscheinen soll, hat KIS das Baselbieter Label 90bars und das Beat-Em-Up-Studio im Rücken. Einzelgänger und Kaotic veröffentlichen ihre Musik über Poetica Fraterna Records, einem von Einzelgänger gegründeten schweizerisch-portugiesischen Label. Das hier werden also kaum die letzten Rapbesprechungen gewesen sein an dieser Stelle. Freuen wir uns auf den Herbst!

KIS – Eigene Wäg (2012, nicht auf dem Album

Einzelgänger & Kaotic Concrete – 2017 Tims N Dirt (Snippet)

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2 Kommentare zu “Basler Rap für den Sommer”

  1. Lieber Tschoel

    Aso Du tust ja wüssen, dass ich Dich sehr schetzen tue und Du tust vielleicht nicht wissen, dass ich stolz sein darf, dass das Fröilein wo eine CeDe ausengegeben haben tut mit mir sozusegen befröindet sein tut. Ich tu aber wüssen, wass Du mit der jungen Frau auch schon etwas gemacht haben tust, nehmlich ‘Basilea’ wo mir impfall immer noch schampar gefallen tut.
    Drum tu ich extrem staunen wo Du schreiben tust:
    Abgesehen von Lista Lins eben erschienenen Debut «Linguistic» natürlich
    Irgendwie tu ich da glaubs öpis nicht begreifen, weil ich tu das Fröilein als Sista Lin kennen und Lista tut mich ehner an einen Wöschständer oder einen Ziebelehacker erinneren als an DIE Sista Lin wo Duscheints beschreiben tust.
    Es tete mich fröien, wenn Du mir erkleren können tetest, werum die Sista undereinisch zur Lista werden tut…

    Liebe Grüsse
    Deine
    Zirkonia Impressa von Jura