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Magier in der Manege

Fabian Kern am Montag den 18. Juni 2012

Der NachtzirkusEs gibt Bücher, durch die hetzt man. Entweder, weil sie so spannend sind, oder weil man schon viel zu lange mit einer Story verbracht hat, und die Geschichte endlich abschliessen will. Und dann gibt es aber auch noch die seltene Spezies von Büchern, bei denen sich das Lesen so gut anfühlt, dass man gar nicht möchte, dass die Geschichte zu Ende geht. Quasi nach dem Motto «Der Weg ist das Ziel». «Der Nachtzirkus» gehört in diese exklusive Kategorie. Die in den USA gefeierte Jungautorin Erin Morgenstern entführt den Leser in eine Welt, die mit keinem realen Zirkus vergleichbar ist.

Der «Cirque des Rêves», der 1886 ohne Ankündigung wie von Zauberhand erscheint und nur nachts die Tore öffnet, zieht Jung und Alt in seinen Bann. Ob in Europa oder an der amerikanischen Ostküste – die Leute sind fasziniert vom bunten Reigen an Artisten, Hellsehern, Zauberern und wundersamen Attraktionen. Jedes Zelt birgt ein Geheimnis, das die Menschen frei erkunden dürfen. Was sie aber nicht wissen: Die Effekte sind keine ausgeklügelten Tricks, sondern echt. Und was selbst die meisten Angehörigen des Nachtzirkus nicht wissen: Die schwarz-weiss gestreiften Zelte dienen als Schauplatz für ein Duell der Magier. Die übersinnlichen Talente Celia und Marco wurden von Kindesbeinen an dafür ausgebildet, gegeneinander in einem Zweikampf auf Leben und Tod anzutreten. Nur um das Ego ihrer Mentoren zu befriedigen. Im Falle von Celia ist es sogar ihr eigener Vater, der sie in den Kampf schickt. Doch noch bevor die beiden jungen Zauberer erkennen, dass sie Gegner sind, verlieben sie sich ineinander.

Erin Morgenstern

Erin Morgenstern hat mit ihrem Debütroman den Leser-Geschmack getroffen. (Foto: Kelly Davidson)

Die Fantasie der Autorin ist beachtlich. Sie schafft mit dem Nachtzirkus eine Traumwelt, in der man sich verlieren und den Alltag für ein paar Stunden vergessen kann – als Besucher desselben genauso wie als Leser des Buchs. Man riecht beinahe die verlockenden Düfte der süssen Jahrmarkt-Köstlichkeiten. Wohl deshalb ist Erin Morgensterns Debütroman so erfolgreich, dass bereits die Verfilmung geplant ist. 2013 soll der Film in die Kinos kommen. Regisseur und Cast sind zwar noch offen, aber als Produzent steht mit David Heyman («Harry Potter») ein Mann mit grosser Fantasy-Erfahrung zur Verfügung. Drehbuchautorin Moira Buffini («Jane Eyre») wird den Stoff für die Leinwand adaptieren und hoffentlich das Duell der Zauberer noch etwas zuspitzen, denn dessen Dramatik kommt im Roman nicht ganz zum Tragen.

Aber auch wenn der Spannungsbogen nicht ganz bis zum Ende aufrechterhalten wird, ist der «Nachtzirkus» ein Buch zum Liebhaben und Träumen. Und wenn es wirklich einen solchen «Cirque des Rêves» gäbe, er wäre noch heute eine Attraktion.

Erin Morgenstern: «Der Nachtzirkus». Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit. Ullstein, Berlin 2012. 464 S., ca. Fr. 34.-.

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