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Kuhglockengebimmel neben dem Wiener Kaffeehaus

karen gerig am Mittwoch den 5. Januar 2011

Neulich in der Fondation Beyeler. «Mir gefäl… Strich», sagt die eine Frau vor einem Aquarell von Egon Schiele zu ihrer Nachbarin. «Was hast Du gesagt?» fragt diese, deutlich hörbarer. Flüstern gehört im Museum immer noch zum guten Ton. Ebenso, dass man nicht rennt und sich überhaupt ruhig verhält. Schliesslich ist ein Museum eine Art von Tempel – damit ist Andacht angebracht. Doch was, wenn es in diesem Tempel summt und brummt wie in einem zu gut frequentierten Bienenstock? Da wird, wer flüstert, kaum mehr verstanden.

In die Fondation Beyeler gelangt man momentan, wenige Tage, bevor die «Wien»-Ausstellung zu Ende geht, nur mit Ellbogengewalt. Auf dieselbe Weise ergattert man sich einen Platz vor irgendeinem Bild in den Ausstellungsräumen. Fast wünscht man sich, dass man wie etwa in den Uffizien in Florenz im Einerkolonnensystem durch die Schau gelenkt würde. Aber nur fast, weil man dann garantiert vor den uninteressantesten Werken am längsten stehenbleiben muss. Doch ist in diesem Gedränge noch Kunstgenuss möglich?

Monica Studer und Christoph van den Berg vor ihrer Installation in der Fondation Beyeler. (Foto Dominik Plüss)

Die Fondation Beyeler bietet dem überforderten Besucher einen Ausweg. Sie nennt sich Untergeschoss. Dort findet man einerseits Sitzgelegenheiten im «Wiener Kaffeehaus». Gemütlich allerdings ist es dort nicht wirklich, und der in der Luft liegende Gulaschgeruch ist auch nicht jedermanns Sache. Besser, man wendet sich der linken hinteren Ecke zu und verschwindet durch den schmalen Durchgang ins «Hotel Vue des Alpes».

Das virtuelle Hotel des Basler Künstlerpaares Monica Studer und Christoph van den Berg existiert seit zehn Jahren. Man kann dort Zimmer buchen und durch die Alpenwelt spazieren, während man zuhause vor dem Bildschirm sitzt. In der Fondation bieten zwei Bildschirme inklusive Maus einen Vorgeschmack darauf. Eine grosse Projektion zeigt das «Gleissenhorn», die Kamera schwenkt langsam dessen 360-Grad-Panorama ab. Doch nicht nur aktuelle Wetterdaten des imaginären Gebirges werden angezeigt, sondern mittels Mausklick kann das Datum verändert werden. Falls man seinen Aufenthalt im nahegelegenen Hotel wettergerecht planen will.

In der Mitte des Raumes haben Studer/van den Berg eine graue Gesteinsformation aus Holz gebaut. Darauf kann sich setzen, wer müde ist, und mit dem Blick durch die virtuelle Bergflora wandern, die an die Wand projiziert wird. Immer neu setzt der Computer die Blüemli und Gräser zusammen, nie sieht man dasselbe. Sanftes Kuhglockengebimmel hilft bei der Entspannung. Man bleibt einfach sitzen, bis man sich gewappnet hat für den Rückweg durch die überfüllten Ausstellungsräume ein Stockwerk höher.

Zimmer 201 in Studer/van den Bergs «Hotel Vue des Alpes».

Hat man es schliesslich nach draussen geschafft, kann man zuhause dann ein Zimmer im «Vue des Alpes» reservieren – momentan sind für Kurzentschlossene sofort Plätze frei. Für all jene, die nach dem Museumsbesuch dringend Erholung nötig haben.

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