Liese Spahn glaubt, ihre einjährige Stasi-Haft in einem Frauengefängnis mit allen Erniedrigungen und Misshandlungen überwunden zu haben. Als sie aber als 67-Jährige im Jahr 2009 nach Jahrzehnten sechs Jugendfreundinnen auf der Insel Rügen wieder trifft, wo sie vor 45 Jahren ein Ferienlager der Freien Deutschen Jugend verbrachten, kommen die schlimmen Erinnerungen ans Gefängnis wieder hoch. Und auch innerhalb der Gruppe gibt es offene Rechnungen.
Anfangs besteht ein Graben zwischen den drei in der DDR gebliebenen und den vier in den Westen geflüchteten Frauen. Nach und nach wird dieser aber verwischt und abgelöst von versteckter und offener Feindschaft aufgrund von vor langer Zeit begangenen aber nie vergessenen persönlichen Gemeinheiten. Es wird gelogen und geschwiegen, bis die Verräterin isoliert ist. Bis zur Eskalation.
Die in Basel wohnhafte Schauspielerin und Schriftstellerin Reinhild Solf weckt mit ihrem zweiten Roman Betroffenheit. Mit einer klaren, direkten, schnörkellosen Sprache packt sie den Leser und führt ihn auf das unvermeidliche fatale Ende zu. Ein Stück deutsch-deutscher Geschichte mit spannendem Plot und emotionaler Dichte.
Reinhild Solf: «Schattenfrauen». LangenMüller Verlag, München 2012. 187 S., Fr. 23.50.
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