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BScene '12: Die Sache mit den Ambitionen

Luca Bruno am Dienstag den 27. März 2012
BScene

BScene '12. Hier: Elephant Anthony in der 8-Bar

7000 Besucher waren es dieses Jahr. Das sind zwar tausend weniger als an der letztjährigen Ausgabe, diese 7000 BScene-Besucher sollten aber immer noch genügend Ticketeinnahmen generiert haben, um dem Organisationsteam die Fertigstellung des längst geplanten Wintergartens für ihre goldene 27-Zimmer Villa in der Karibik – welche sich das Team wiederum aus den Einnahmen der vergangenen Jahren finanziert hat – zu garantieren.

Spass beiseite: Die BScene erlebt man am besten hautnah und in Farbe, daher bieten wir anstatt ausführlichen «Think pieces» nun zufällig ausgewählte Eindrücke aus unserem BScene-Besuch. In den Hauptrollen: The Hoanhieu, Elephant Anthony und We Loyal

Bevor wir allerdings in die Details gehen, hier noch ein allgemeiner Wunsch: Wäre es für die Organisatoren wohl möglich, der ersten Welle an Bands zukünftig eine etwa 20-minütige Pufferzeit zukommen zu lassen? So könnten nämlich auch diese Künstler von Beginn weg von einem vollen Saal profitieren – auch Ralph Tharayil, Frontmann der Band The Hoanhiêu, welche am Samstag den immer leicht undankbaren Eröffnungsslot im Unionssaal des Volkshauses inne hatten, musste am Ende seines Sets anmerken, dass er jetzt gerne nochmals von vorne beginnen würden. Vor vollem Saal spielt sich schliesslich besser, als dass man die Hälfte des Auftritts vor langsam hereintrudelndem Publikum über die Bühne bringen muss.

The Hoanhiêu

The Hoanhiêu

The Hoanhiêu, ein Trio welches sowohl im Studio als auch Live auf einen Schlagzeuger ganz verzichtet, ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein BScene-Auftritt ein lehrreiches Unterfangen sein kann, sofern die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Schliesslich kann eine Band nur selten so früh in ihrer Karriere auf ein so grosses (Test-) Publikum zurückgreifen.

Die Songs von The Hoanhieu lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: In der einen Ecke traditionelle (Indie-)Popsongs, in der anderen dichtgedrängte Electronica-Abenteuer, die sich irgendwo zwischen Morr Music und Tomlab wiederfinden und dabei besonders von der Multiinstrumentalität der Band – zu den Synthesizern und elektronischen Beats gesellt sich unter anderem auch ein ziemlich beeindruckendes Bass und Trompeten-Simultanspiel – profitieren. Während die Popsongs der Band an Tharyil’s oftmals zu wenig kräftigen Stimme scheitern, sind es besonders die wortlosen Auf-und-Abs letzterer Gruppe, welche die Aufmerksamkeit des Publikums erwecken. Idealerweise kulminiert das Set des Trios dann in einer gelungenen Kombination beider Gruppen: Beim letzten Song trifft Tharayils Stimme in verzerrter Form auf ein Meer aus analogen Synthesizerklängen und Keyboardflächen, welches sich aufbauscht und am Ende wieder in sich zusammenfällt – ein würdiger Abschluss ihres Auftritts. An ihrem Sound werden The Hoanhiêu noch einige Zeit feilen können, die Unebenheiten dürften aber bald spürbar weniger werden. Ein Versprechen für die Zukunft.

Ganz anders gestaltet sich die Situation dann eine Stunde später in der erstmals an der BScene teilnehmenden 8-Bar, als Elephant Anthony mit ihrem Set beginnen und schon kurz darauf klar wird, dass wir es hier mit einer Band zu tun haben, die sich am Ende der musikalischen Nahrungskette und damit unweigerlich in einer Sackgasse befindet.

Vor einigen Jahren, da war «Disco Rock» – die tanzbarere Form von Rockmusik, komplett mit «treibenden Basslinien» und «Hi-Hat im Offbeat» – dank Bands wie The Bravery oder We Are Scientists der letzte Schrei. Diese Zeit ist allerdings längst vorbei, bei Elephant Anthony scheint dies aber noch nicht angekommen zu sein. Zwar darf man ihren fehlerfreien Auftritt gerne als «energiegeladen» bezeichnen und ebenso dürfen wir auch ihr «grundsolides Handwerk» loben, zu keinem Zeitpunkt kommt hier jedoch das Gefühl auf, dass die hier musizierende Band Interesse an einer musikalischen Weiterentwicklung hätte. Weiterentwicklung ist selbstverständlich kein Obligatorium, eine kritische Auseinandersetzung mit einer Band, die in erster Linie darum musiziert, um ihren Freunden 45 Minuten lang eine «gute Zeit» zu bieten, gestaltet sich aber eher als überflüssig.

Der auch heute wieder zahlreich erschienenen Anhängerschaft der Band, die wahrscheinlich auch dann immer zur Stelle ist, wenn es darum geht, den nächsten Bandwettbewerb oder das nächste Publikumsvoting zu gewinnen und ebenso seit einigen Jahren sämtliche jemals veröffentlichten MP3s treu auf ihren iPods hortet, ist es aber selbstverständlich egal, dass hier gerade nicht Musikgeschichte geschrieben wird. Ihren Freunden dabei zuschauen zu können, wie sie in ihrer Musik aufgehen und dabei voller Freude mitsingen zu dürfen – Elephant Anthony erfüllen ihnen diesen Wunsch auch heute wieder. Trotzdem, ob es Aufgabe der BScene ist, Bands ins Lineup zu nehmen, die lediglich eine weitere Auftrittsmöglichkeit zwischen Schulhausfest und Nachmittagsslot am Greenfield Festival suchen, bevor dann die unausweichliche Auflösung eintrifft, sei hiermit dahingestellt.

Fehlende Ambitionen, die sucht man dagegen bei We Loyal, die um Mitternacht die Bühne des SUD betreten, vergebens. Bekanntlicherweise hat das Trio Ende 2011 den nächsten Schritt gewagt und ist nach Berlin umgesiedelt, um dort in aller Ruhe an neuem Material zu arbeiten. Dementsprechend durfte man gespannt sein, ob und wieviel Berlin in den Dreien bereits steckt.

Leider ist die Band einem äusserst geschwatzigen und desinteressierten Publikum ausgesetzt, um dessen Gunst und Aufmerksamkeit heute nur schwer zu buhlen ist. Vielleicht liegt es an der zu leisen und unbalancierten Soundabmischung, womöglich ist es aber auch die ungünstige Raumzuteilung, welche eine triumphalen Heimkehr an diesem Abend verhinden. Die kühlen und detailreichen Soundpuzzles von We Loyal würden sich in einem engen, dunklen Raum wie dem Rossstall der Kaserne oder dem Nordstern (so wie an der BScene ’10) auf jeden Fall besser zu Hause fühlen, als im SUD.

Trotzdem: Die beiden neusten Songs der Band, «Arch of Glass» und «Reprise (Hymns & Rituals)» fügen sich nahtlos in das Set von We Loyal ein und bilden mit dem formidablen «Distant Heart» die Höhepunkte des Sets. Andere, ruhigere Momente, wie die zurückhaltende Version von «New Gold» verpuffen im Raum und bleiben somit ohne Wirkung.

Wer die Band seit einiger Zeit beobachtet, weiss, dass sich die Drei der eigentlichen Vision ihres Sounds in rapidem Tempo annähern. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie dabei nicht über das Ziel hinausschiessen. So tight das Schlagzeugspiel von Fabian Trümpy mittlerweile ist und so sicherer sich Sänger Sandro Simon von Auftritt zu Auftritt auch fühlt, die Zielstrebigkeit der Band scheint den Spassfaktor an ihren Konzerten nach und nach zu vermindern. Spätestens dann, wenn sich We Loyal (hoffentlich bald) nachmittags auf grossen Festivalbühnen mit ebenso desinteressiertem Festivalpublikum zu noch viel unattraktiveren Zeiten konfrontiert sehen, werden neue Tricks nötig sein, um ihren Sound erfolgreich in angesprochenes Setting transportieren zu können. Aber auch ältere Hasen können schliesslich aus BScene-Auftritten profitieren. Hoffen wir also, dass auch We Loyal sich Notizen gemacht haben.

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3 Kommentare zu “BScene '12: Die Sache mit den Ambitionen”

  1. kusi sagt:

    Freue mich über einen nicht im üblichen Judihui-Gewand daherkommenden Bericht zur BScene. Pars pro toto finde ich einen guten Ansatz, um die Auftritte der Bands in die Tiefe zu analysieren.
    We Loyal Konzerte sind meiner Erfahrung nach leider immer von einem etwas gesprächigem Publikum begleitet. Nach meiner Analyse sind daran aber nicht umbedingt der Mix, sonder die fehlende Live-Ausdrucksstärke und zu weilen auch die etwas abgehobene Art der Band – auch hinter der Bühne – schuld. Es sind nunmal keine Charme-Bolzen. Qualitativ kann man bei ihnen allerdings wenig aussetzen.

  2. Tim sagt:

    We Loyal fand ich grosse (internationale) Klasse. Abgehoben nein, ambitioniert ja, Charmebolzen zu dieser Musik nein danke (da gibt’s nicht viel peinlicheres). Das Publikum (bezahlt für was?) und die Venue (zu weitläufig) waren gar nix – wie auch am Vorabend in der grossen Kasernenhalle. Das scheint ein generelles Problem dieses Festivals zu sein und kann kaum den Bands (die über die Schul-Ausflugs-Phase raus sind) angelastet werden.

  3. Volker Schröder sagt:

    Sehr schwacher Artikel.
    Leider haben gewisse Journalisten noch immer nicht bemerkt, dass nicht nur Bands ihre Berechtigung haben, die gerade dem neusten Hype nachrennen (gibt es nicht schon genug Indie-Electro-Pop-Bands, mit ihren süssen, leicht schnodderigen Frontmännern?!). Gerade We Loyal habe ich diese BScene bewusst gemieden, was nicht nur an ihrem mittelmässigen JKF-Auftritt lag, sondern v.a. am Sound. Ernsthaft: wie kann man da verlangen aufmerksam zuzuhören, wo doch jede tiefe fehlt?
    Dass “Disko Rock” nicht mehr en vogue ist, versteht sich von selbst. Aber wenn Sie, Herr Luca Bruno, in etwa drei Jahren das selbe über sphärischen Indiepop schreiben, bin ich da und lach mir ins Fäustchen.