Wann kommt Dr. House? Gut die Hälfte des Buchs «Hugh Laurie – Die inoffizielle Biografie des ‹Dr. House›» habe ich durch und immer noch hält mich das Vorwort bei der Stange. Die Beschreibung, wie Hugh Laurie in schmutzigen Kleidern mit Dreitagebart in Afrika ein Castingvideo von sich aufzeichnet, das ihm die Rolle seines Lebens verschaffen sollte, ist stark. So stark, dass ich mich durch die bewegte Laufbahn des britischen Schauspielers vor seiner Amerika-Karriere kämpfe. Doch die Ausdauer lohnt sich, denn in den ersten zwei Dritteln erfahre ich sehr viel über die englische TV-Geschichte der Neuzeit, insbesondere auf dem Comedy-Sektor. Als Erklärung für jene, die Lauries Mitwirken in der englischen Kultserie «Blackadder» mit Rowan Atkinson nicht kennen: Er ist eigentlich ein Komiker.
Macht Sinn, denn ohne Humor wäre die Figur des Dr. Gregory House wohl auch nicht zu ertragen. Sein Zynismus würde zu Bösartigkeit und das eigensinnige medizinische Genie seine letzten Sympathien verspielen. Das Faszinierende an diesem TV-Arzt, das wohl auch für die überwältigenden Einschaltquoten in den USA verantwortlich ist, ist schliesslich die Ambivalenz seines Charakters. Normalerweise liebt oder hasst man eine Figur. Dr. House schafft es, beide Extreme der Gefühlsskala gleichzeitig zu bedienen. «Hughs komisches Timing gibt der Serie die nötige Kraft», sagt Produzent David Shore über seinen wichtigsten Angestellten. Und auch Laurie selbst liebt die Mischung «von Hell und Dunkel» an seiner Rolle. Und stellt Gemeinsamkeiten zwischen sich und Dr. House fest: «Wir betrachten beide die Welt kritisch.»
So ist Hugh Laurie auch im gereiften Alter von 53 Jahren und trotz herausragender Kritiken über sein Schauspiel in britischen Comedies wie «Blackadder» oder «A bit of Fry and Laurie» an der Seite seines besten Freunds Stephen Fry, in Kinofilmen wie «Peter’s Friends» (1992), «Sense and Sensibility» (1995) «101 Dalmatiner (1996) oder «Stuart Little» (1999) oder in mittlerweile 150 Folgen als Dr. House immer noch überrascht über seinen Erfolg. «Habe ich das verdient?», fragt sich Laurie immer wieder und weigert sich, die Beliebtheit der Serie auf sein Mitwirken zu reduzieren. «House, M.D.», wie der Originaltitel lautet, war 2008 immerhin die meistgesehene TV-Serie der Welt.
Er habe zu keiner Zeit seines Lebens einen Plan gehabt, meint Laurie bescheiden. Vielleicht ist der schlaksige Brite mit den markanten blauen Augen auch einfach mit zu vielen Talenten gesegnet. Vor seiner Karriere war Laurie wie sein Vater erfolgreicher Ruderer, neben der Schauspielerei spielt der dreifache Familienvater als Musiker – er spielt Gitarre und Klavier – in einer Band.
Autor Anthony Bunko stellt mit Hugh Laurie einen vielschichtigen Menschen vor, der sich vor allem durch eines auszeichnet: Bescheidenheit. Ganz anders also als Dr. House – oder doch nicht? Denn auch Gregory House spielt eigentlich nur eine Rolle, um die eigene Verletzlichkeit zu überspielen. Das Verhältnis zwischen Laurie und House ist fast ein wenig wie jenes von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Nur, dass in diesem Fall der Doktor der «Böse» ist.
Anthony Bunko: «Hugh Laurie – Die inoffizielle Biografie des ‹Dr. House›». Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2012. 264 Seiten, ca. Fr. 28.90. Ab 1. März in den Schweizer Buchhandlungen erhältlich.
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