
Da machste grosse Augen: Die Fixkosten für Konzerte sind oft höher als man meint. (Im Bild: Die Basler 4th Time Around in der Kaserne an der BScene 2011, fotografiert von Dominik Plüss)
Unser gestriger Artikel zum Thema «Gratiskultur» in Basel hat einige interessante Kommentare hervorgebracht. In Basel herrscht ein anständiges Angebot an Gratiskonzerten, doch sobald der Besucher für einmal nicht gratis in den Club hereinspazieren darf, winkt er immer öfters ab. «35 Franken Eintritt?! Zu teuer!», «Da will sich die Location offensichtlich eine goldene Nase verdienen…» hört man dann von denjenigen, die nach kurzem Blick auf den Ticketpreis schnell wieder das Weite suchen.
Aber wie entstehen solch «hohe» Ticketpreise überhaupt? Wird ein Club mit Konzerten wirklich reich? Wir zücken den Taschenrechner.
Selbstverständlich fallen nicht an jedem Konzert die gleichen Kosten an, wir operieren in diesem Artikel jedoch mit Zahlen, die uns zwei Basler Clubs freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Wir gehen im folgenden Konzertbudget von einer Band aus, die in ihrem Heimatland und in den Vereinigten Staaten Hallen füllt, hierzulande aber vorerst nur dem «musikinteressierten Insider-Publikum» bekannt ist. Wir dürfen mit etwa 280 bis 350 Besuchern rechnen, wovon die Hälfte aus dem nahe umliegenden Ausland oder aus Zürich anreisen wird.
1. Gage für die Band: 3500.- €.
Dies ist die Summe, die ohne Umwege in die Tasche der Band fliesst. Selbstverständlich herrschen überall unterschiedliche Vorstellungen bezüglich Gagen, seit allerdings Plattenverkäufe vor ein paar Jahren merklich eingebrochen sind, werden diese Gagen von Jahr zu Jahr höher. 3500€ Gage für eine Band, die in anderen Kontinenten grössere Hallen bespielt, ist trotz ihrer relativen Unbekanntheit in Basel aber immer noch eine gnädige Summe.
2. Gage für die Konzertagentur: 500.- €.
Natürlich klopfen Bands nicht persönlich an die Tore des Clubs und fragen dann, ob sie am Abend spontan ein Konzert spielen dürfen. Konzerttermine werden Monate im Voraus von einer Schweizer Bookingagentur ausgeschrieben, worauf die Verhandlungen zwischen Location und Agentur beginnen. Kommt ein Termin zustande, werden Verträge unterschrieben und schliesslich erhält auch die Agentur ein – verhältnismässig kleines – Stück des Kuchens.
3. Übernachtungskosten für die Band inkl. Crew: 1200.- CHF.
Während die kleine, dreiköpfige Lo-Fi-Band eine Stunde nach Konzertende in ihren abgeklapperten Van steigt, da sie zwölf Stunden Fahrt nach Hamburg vor sich hat, hat eine grössere Band auch Ansprüche an einen komfortablen Schlafplatz im üppigen Vier-Sterne-Hotel.
Ausserdem gilt: Umso grösser die Band, umso mehr Crewmitglieder sind auf Tour dabei. Auf dem Bandfoto und dem Plattencover scheint die Band nur aus drei Mitgliedern zu bestehen, sobald sie aber in Basel aufkreuzen haben sie noch Liveschlagzeuger, Keyboarder, persönlicher Soundengineer, persönlicher Lichttechniker, Fahrer, Tourmanager u.a. im Gepäck dabei. Selbstverständlich werden diese Begleitpersonen im Voraus angemeldet, schlussendlich muss dann aber trotzdem ein Hotel für zwölf Personen gebucht werden – Kosten, welche ebenfalls der Club übernehmen muss.
4. Zusätzliches technisches Equipment: 1500.- CHF.
Und plötzlich stellt man fest, dass das schon ziemlich teure Mischpult eben doch zu wenig Kanäle für die geschätzten siebzehn Keyboards der Band hat, womit ein neues Mischpult für den Abend dazugemietet werden muss.
Und auch bei kleineren Bands, die mit ihrem Van quer durch Europa tingeln und dreissig Shows in dreissig Tagen spielen, fallen gerne zusätzliche technische Kosten an. Im Kofferraum ihres Vans hat es oftmals keinen Platz für die Backline, womit diese schlussendlich ebenfalls von der Location zur Verfügung gestellt werden muss.
5. Essen: 500.- CHF.
Die selbstgestrichenen Butterbrote waren eine nette Geste, aber die Band, die heute Abend zu Gast ist, hat den Anspruch auf ein richtiges Menü in einem richtigen Restaurant. Kurz nachdem der Soundcheck am Nachmittag beendet ist, speist die Band samt Crew auf Kosten des Veranstalters in einem anständigen Restaurant.
6. Backstage: 160.- CHF.
Nicht jede Band möchte Backstage ausschliesslich grüne M&Ms vorfinden, trotzdem reisen auch die kleinsten Bands mit einem Rider, der zumindest (alkoholische) Getränke und Sandwiches im Backstagebereich fordert.
7. Techniker und Support für den Abend: 500.- CHF.
Die Band mag vielleicht mit persönlichem Licht- und Soundengineer herumreisen, dieser möchte aber nur hinter ein fertig angerichtetes Mischpult stehen und sich nicht damit beschäftigen, am frühen Nachmittag Scheinwerfer hochzuhängen oder Boxen zu verkabeln. Der Club muss also einen zusätzlicher Techniker engagieren, der auch für den ganzen Abend zur Verfügung stehen muss, falls es technische Probleme geben sollte.
8. Gage für die Supportband: 500.- CHF.
Auch wenn es für eine lokale Band eine prestigeträchtige Angelegenheit ist, vor einem internationalen Act auftreten zu dürfen, gilt es in der Schweiz generell als nicht angebracht, der Supportband nichts zu bezahlen. Die Gage wird sich zwar eher im unteren Rahmen befinden, muss aber dennoch ins Budget einberechnet werden.
Wir sind vorerst am Ende unserer Liste und bei ungefähr 8300 Schweizer Franken angelangt. Allerdings haben wir erst diejenigen Kosten berücksichtigt, die speziell und nur für diesen Abend anfallen. Das Bar- und Kassenpersonal muss ebenfalls noch bezahlt werden, Securitypersonal muss meist von einer externen Firma gemietet werden und bildet somit einen grösseren Posten im Budget, im Vorfeld werden Flyer und Plakate gedruckt, der Club muss monatlich Miete bezahlen und irgendwie muss auch immer damit gerechnet werden, dass für einmal nur 200 statt 250 Leute auftauchen – vielleicht sogar, weil die fehlenden 50 Besucher lieber an einen gleichzeitig stattfindenden Gratisevent gehen. Und wurde vor dem Konzert nicht ein «Break-even-deal» ausgehandelt, bei welchem die Band das finanzielle Risiko mit trägt, muss am Ende des Abends das allfällige Loch in der Kasse vom Veranstalter gestopft werden. Das Risiko bei einer Veranstaltung eines Konzerts trägt oftmals der Veranstalter alleine, nicht die Band.
Clubnächte, für die ein einziger internationaler DJ in Basel einfliegt und 2 Plattenspieler auf der Bühne will, rentieren, mit Konzerten wird man in Basel aber definitiv nicht reich. Und die Rechnung der Gratiskonzerte, die fehlenden Einnahmen des Eintritts durch höhere Preise an der Bar wieder einzunehmen, geht ohne zusätzliche Sponsoren ebenfalls nicht auf. «Hohe» Konzertpreise sind unumgänglich und wer denkt, dass er an für ihn kostenlosen Events den Eintritt durch «Ein, Zwei Bierchen mehr» wieder ausgleichen kann, irrt sich.
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Guter Artikel. Genau da liegt das Problem der Gratis Veranstaltungen. Die Leute vergessen was ein Konzert wirklich kostet. “Ein zwei Bierchen an der Bar” oder bei Itunes das Album runterladen nützt dem Veranstalter nichts wenn im Bewusstsein der Konsumenten ein Konzert-Eintritt von 35.- völlig überrissen ist.
Da fällt mir ein, will die Suisa dann nicht auch noch ein wenig Kohle sehen? Hab da sowas wie 10% der Kasseneinnahmen im Kopf…kann mich aber auch irren.
Schöne Zusammenstellung über die Hinter- oder Abgründe des Konzertbetriebs.
Du sagst aber, dass «seit allerdings Plattenverkäufe vor ein paar Jahren merklich eingebrochen sind, werden diese Gagen von Jahr zu Jahr höher». Ist es aber nicht eigentlich genau umgekehrt? Da mittlerweile jede Band so viel wie möglich spielen will und deshalb ein Überangebot an Bands besteht, können die Clubs die Gagen drücken?
Ausserdem denke ich, und das höre ich auch von vielen Bekannten die in Newcomerbands spielen, dass 500 Stutz als Gage für Supports mittlerweile verdammt optimistisch gerechnet ist. Das kommt natürlich auch sehr auf die Band an, die engagiert wird. Wenn man sie schon ein wenig kennt und sie dementsprechend auch Leute bringen, gibts natürlich auch für Supports ein bisschen mehr Gage…
500.- für eine Supportband ist sehr optimistisch und wird wohl nur von subventionierten Häusern bezahlt. Die 10% auf den Türeinnahmen für die Suisa fehlt. Ansonsten eine gute Zusammenstellung.
Die Idee, Konzerte sollen gratis sein, ist genau so irr wie die Idee, man habe als Band auch Anspruch auf eine (Fix-)Gage, wenn keiner das Konzert besucht.
Ich verstehe nicht, warum eine Band keine Gage ausbezahlt bekommen sollte, nur weil ein Konzert nicht (gut) besucht wurde. Es ist ja im Interesse des Veranstalters, Leute anzuziehen und nebst dem booking attraktiver Bands eben auch entsprechend Werbung zu machen (wie sie oben in die Kosten eingerechnet wurde). Wenn eine Band dann am Abend wie vereinbart ihr Set spielt und alles so macht, wie wenn 500 Leute zuschauen würden, an diesem Abend aber nur 50 zugegen sind, kann man doch nicht bei ihr den Fehler dafür suchen und ihr deswegen die Gage kürzen. Oder müssen Bands am Nachmittag auf der Strasse Flyer verteilen und Publikum zum Veranstaltungsort zerren?
mal ganz abgesehen davon, dass jede Band auch lieber vor einer vollen Halle als leerem Haus spielt und von ihrer Seite her sicherlich auch etwas unternimmt, um Fans auf das Konzert aufmerksam zu machen (Ankündigung auf Webseite, etc).
Vielen Dank für die differenzierte und umfangreiche Zusammenstellung. Damit kommen wir der Kostenwahrheit doch allmählich näher. D.h. wir gehen bei dieser Inventarisierung davon aus, dass der Veranstaltungsort gratis ist, was er ja auch nicht ist, also sagen wir: subventioniert und damit die weiteren Kosten, wie Werbung & PR, Honorae für Organisation und Technik, Putzdienste, etc. über eine andere Kasse abgerechnet werden. Jetzt können die vereinigten Schlauberger der Piratenpartei wieder auftreten und uns erklären, wie das mit «gratis» funktionieren soll. Respektive, wie sich die Sache seriöserweise rechnet. Also mit dem reinen Bierverkauf ist das nicht zu machen und die Musik runterladen geht auch nicht, weil dieses Geld für den Veranstalter nicht zu buche schlägt.
Ich sehe schon, wenn man von den realen Gegebenheiten ausgeht und ein Artikel seriös über dieses Musikbusiness berichtet ist es aus mit der Romantik und der Fantasie. Wie gesagt gratis gibt es nicht. Es sind höchsten andere welche die Zeche bezahlen und die Almosen, welche beim Krattiker-Floss im Netz landen, sind Peanuts im Verhältnis zu den realen Kosten.
Auch der Vorschlag, dass es «billigere» Konzerte gibt/geben soll, zielt ja lediglich darauf, dass die Gagen und damit der Lohn der Musikerinnen und Musiker gedrückt wird. Sie sollen mit Lohndumping die Zeche bezahlen, was sehr unfair ist. Dies auch wenn man bedenkt, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer, also die Konsumenten der Musik, durchaus nicht alles Habenichtse sind, sondern als Lehrer, Sozialarbeiter, Kaufmännische Angestellte, etc, unterwegs sind. Oder als Schüler und Studenten durchaus über ein respektables Sackgeld verfügen, welches sie durch Gratis-Konzerte «strecken» möchten, um das Geld anschliessend in der nächsten Bar in einen Caipirinha ä CHF 15.- zu investieren, oder Rückstellungen für den neuesten iPod, oder was weiss ich zu machen. Klar, es ist alles eine Frage der Priorität. Aber Live-Musik von hoher Qualität reinziehen zu wollen, ohne dafür Geld in die Hand zu nehmen ist definitiv unsozial, weil man die entstehenden Kosten stillschweigend anderen anlastet. Zuhause bleiben wäre da aber eher eine pubertäre Trotzreaktion und uncool! Musik im öffentlichen Raum ist super, aber die inflationären Gratisangebote machen den Markt kaputt und wirken sich langfristig negativ auf die Ganzjahres-Konzertveranstalter aus.
Auf den Punkt gebracht.
Wie sieht es denn beim Kulturfloss aus, ist das nicht auch gratis? Für was sind denn die Sponsoren, bereichern sich damit die Veranstalter und wer bezahlt sonst? Ansonsten geben sich die Bands auch supercool und verlangen alles gratis von den andern. Warum nicht mal umgekehrt. Ich werde NIE auch nur einen Frankern ausgeben für ein Konzert.
lala artikel, ist sowieso total auf mainstream oder “Alternative” mainstream zugeschnitten. Es gibt auch unglaublich viele Bands die viel weniger kosten und genau so gute Qualität haben. Schaut doch mal auf St. Gallen was der Palace veranstaltet, Zürich, Exil, Rote Fabrik, Usine usw…..Das ist hohe Qualität aber auf einem viel tieferen Preisniveau.
In Basel sollte wenigstens die Stadt gewisse Orte unterstützen und dort müsste ein abwechslunsreiches Programm für verschiedene Musikrichtungen laufen. Und eben auch Bands die bisschen mehr kosten..Basel macht da halt immer zweiter weil das booking inzwischen auch wie eine Auktion auf ebay läuft.
In Basel gibt es im Moment gerade mal noch etwa 2-3 Clubs die in diesem günstigeren Segment buchen und genau solche sachen kennt in diesem Kaff niemand…Dadurch wird alles noch problematischer.
Ich finde es auch unglaublich das man immer davon ausgeht das alles Gratis sein sollte oder mit Sponsoren gedeckt sein sollte.
Dann ist die Kultur irgendwann von Feldschlösschen und Cardinal, RedBull usw. bestimmt.
Sicher ein Garant für gute Konzerte. Die Kommentare zeigen mal wieder wie man hier hinter dem Mond lebt.
Tieferes Preisniveau? Im Bezug auf was? Die Konzerte kosten dort genau gleich viel – sowohl für Veranstalter, als auch für den Besucher. Die Rote Fabrik erhält ausserdem 2,4 Millionen Subventionen pro Jahr, das Palace immerhin 200’000.- – da sind die Grundsätze im Vergleich mit Locations in Basel also ziemlich unterschiedlich.
Klar, ich hätte liebend gerne einen Club mit dem Programm wie demjenigen vom Palace in Basel (Ich erwähne das wohl mindestens einmal pro Monat), dass wir einen solchen nicht haben, liegt aber eher weniger an den Veranstaltern, sondern mehr an den (nicht erscheinenden) Besuchern. Alle, die in den letzten 5 Jahren versucht haben, ein gutes Konzertprogramm auf die Beine zu stellen wurden vom Konzertpublikum der Stadt grauenhaft im Stich gelassen (Remember Konzerte auf dem Schiff zwischen 2004 und 2006? Diese Acts spielen jetzt alle im Palace.) und haben dementsprechend die Lust verloren.
Ich argumentiere ja immer damit, dass ein Haus genügend Geduld haben muss und mit konsequent gutem Programm irgendwann ein Stammpublikum anziehen wird (Dem Palace wurden in den ersten Jahren auch nicht wirklich die Türen eingerannt – Ich erinnere mich da an Konzerte wie Caribou vor 50 Personen, Jens Lekman vor 100 etc.), aber ich bin mir nicht wirklich sicher, ob dieses Konzept in Basel funktioniert. Vergangene Beispiele haben anderes bewiesen.
Das Palace hat halt eine wirklich gute Programmleitungen und viel Publikum die den Ort unterstützen.
Das Problem von den guten konzerten in basel wo niemand hingegangen ist sehe ich darin das halt zu wenige an ein konzert gehen weil sie die Musik interessiert. Ich würde sagen 90% gehen wohinn weil sie Leute treffen die sie kenne usw. In Basel funktioniert sowas halt besser bei einer Bandura Night oder im Nordstern etc….oder wenns kein Eintritt kostet.
Naja…hoffen wir das in Basel irgendwann auch wirklich Qualitativ gute und Vielseitige Musik gefördert wird und ein Publikum dafür existiert.
Zürich etc. ist schon nur wegen den Förderunsmodulen von Popkredit usw. besser bedient. Hier läuft anscheinend alles über Kulturpauschale etc. .dh. es gibt keine Förderung für Populär Musik ausser in der Kaserne…
Beim Hinterhof scheint es mir schon abundzu gute Konzerte zu geben aber es ist ein riesen durcheinander von der Programmation und mehr oder weniger ein neues NT…
Es gibt aber kein Plan und auch kein Profil in der Programmation. Das kann auch ok sein aber irgendwie auch schade.
Das Hirscheneck hat zum beispielt abundzu super bands die kosten weniger. Oder auch andere “unbekannte Acts” kosten extrem wenig wenn sie an einem Dienstag oder so gebucht werden…
Aber eben dann kommt meistens niemand…scheint mir ein Kleinstadt Problem.
Super Artikel.
Die ein, zwei Bierchen im Artikel sind wohl ein Seitenhieb auf meinen gestrigen Kommentar. Ich habe aber nie davon geredet, dass alles Gratis sein soll. Ich finde schlicht dass gratis nicht gleichzeitig ein Qualitätsverlust bedeutet. Ich zahle auch gerne Geld für ein Konzert und habe bereits hunderte wenn nicht tausende von Franken darin “investiert” (es läppert sich schnell zusammen).
Dass unter Gratisevents die Qualität leiden würde, hat auch niemand behauptet. Es geht bei der Diskussion darum, ob Gratisevents dem Konsument ein falsches Bild der finanziellen Wertschätzung von Konzerten vermitteln und ob damit Events ohne Sponsoren und Subventionen das Nachsehen haben, weil der Konsument den “echten” Preis nicht mehr bezahlen will.
Guter Artikel, danke. Anzumerken ist, dass die Gage von 3500 Euro für Bands eher tief ist, 500 für den Support, eigentlich eine Sauerei.
3500 bekommen Newcomer Bands, die gerade dabei sind sich zu etablieren und unter der Woche mal in Basel spielen, am Wochenende würden sie mehr bekommen. Das galt zum Beispiel mal für Caribou, Animal Collective, etc. in den Anfangszeiten, die waren am Wochenende aber alle immer schon deutlich teurer. Nicht zu vergesssen ist dabei, dass solche Bands auch nur in kleinen Locations günstig spielen, wenn sie gerade nicht in einer grösseren Stadt spielen können. Eine Kaserne bezahlt ausserdem mehr als ein Schiff oder Hinterhof, weil diese eine geringere Kapazität haben. In Zürich oder Münschen sind sie teurer als in Fribourg oder St. Gallen. Festivals bezahlen dann nochmal mehr, weil die Acts dort nicht so zur Geltung kommen etc. Um an solche Bands ranzukommen, muss man extrem Glück haben oder eben einen flexiblen Terminkalender d.h. man nimmt sie dann auf dem Weg von Mailand nach München am Donnerstag Abend.
Normale Acts, die in Basel sowiso niemand kennt, liegen deutlich darüber. Das anstehende The Do Konzert in der Kaserne wird wohl mit einer Gage irgendwo zwischen 10000-20000 liegen, nur, wer in Basel kennt schon The Do? Obwohl die international mittlerweile sehr erfolgreich sind: Perlen vor die Säue. International Acts wie LCD Soundsystem, MGMT, etc. die auch in Basel ein wenig bekannt sind, liegen dann gleich bei 20000 Euro aufwärts. In Basel bekannte Band wie Radiohead etc. gehen dann ab 75000 Euro, wobei Radiohead natürlich deutlich darüber liegen; darum werden beispielsweise Radiohead auch NIE in Basel spielen.
Es ist übrigens ein Trugschluss, dass Gratisevents “gratis” sind, denn der Besucher muss sich in den meisten Fällen Werbung ansehen ohne dies zu wollen. Ein Sponsor erwartet eine marktadäquate Gegenleistung, das wird genau gerechnet. Nur, nicht alle Events können Werbung machen, beispielsweise wegen der “visibility” der Marke. Was gäbe das für ein Aufschrei, wenn im Hinterhof, auf dem Schiff oder in der Kaserne plötzlich riesen Banner hängen würden..
Subventionen sind etwas anderes, die bekommt man nur, wenn man als kulturell unterstützungswert angesehen wird, das entscheidet der Staat oder ein Stiftungsgremium. Dafür muss man sich extrem anstrengen, Gesuche schreiben, Hände schütteln, Meetings, Telefonate, zittern bis am Schluss etc. Da müssen also Leute dahinter stehen, die eine gewisse Reputation haben.
Wenn man sich das Line Up der hiesigen Gratisevents ansieht, dann sind das zum grössten Teil eher unbekannte Bands. Die bekannteste Band auf dem Floss sind die “Lovebugs”, Basler also, die wohl ausnahmsweise zum Freundschaftspreis spielen. Des weiteren viele Schweizer Acts wie Sina oder Steffe la Cheffe, Mundart, deshalb nicht auf internationalen Preisniveau. Viva con Aqua ist da schon deutlich drüber mit “Wir sind Helden”, die sind im deutschsprachigen Raum extrem bekannt, aber auch dort werden sie verhältnismässig günstig spielen, weil Viva con Aqua einem guten Zweck dient und super vernetzt ist. An der Bscene waren es wohl Navel, ebenfalls Basler, im Ausland werden sie mindestens das dreifache bekommen, ausserdem fällt dann Übernachtung, Backline etc. weg. Am Imagine waren es glaub Ebony Bones, die sind immer noch nicht besonders bekannt. Stadtmusikfestival hat ein super Line Up, die Acts kennt leider niemand, Headliner ist wohl Africa Hitech. Da sie im Grunde eine Radioshow sind und die Bands dadurch auf Promotion hoffen, kommen sie sehr günstig. Ausserdem dauert der Event einen ganzen Monat, da kann man gut mal einen Akt, der gerade auf Tour ist, dazwischen platzieren. Nicht zu vergessen die Getränkepreise auf St. Moritz aprés ski Niveau, anders lässt sich das aber nicht machen, darum: Viel trinken!
Es ist übrigens ein Trugschluss dass DJs oder Laptop Acts so viel weniger Geld kosten. Man kann etwas bei Backline, Essen, Flug und beim Hotel sparen, das macht aber gemäss oberen Rechnung auch nicht den Löwenanteil aus. DJ Preise sind zudem um einiges unverschämter als Band Preise. Bands können nicht einfach mal so spielen: wenn sie auf Tour sind, dann müssen sie spielen, damit sie ihre Fixkosten decken können, sie nehmen also auch Gigs an, bei denen sie unter ihrer normalen Gage spielen. DJs können dagegen warten, bis ein Angebot eintrifft, zu dem sie spielen wollen. Da sie aber meist nur eine Person sind, ist die Gage natürlich schon viel geringer, man bezahlt aber auch dementsprechend weniger Eintritt an der Tür. In Basel üblicherwiese 15-25 CHF und nicht 35-65 CHF. Ein sehr bekannter CH DJ bekommt mittlerweile 1000 (Nein, Antoine mein ich nicht, der bekommt 10000), ein internationaler Superstar 20000, das Ende der Skala bildet dann David Guetta mit 100000 oder Paul Kalkbrenner mit 50000-200’000, je nach grösse des Events..
Ich erinnere noch an die schönen Joggeli Zeiten mit Pink Floyd, Michael Jackson, U2, Metallica..das wird es in nächster Zeit wohl nicht mehr so schnell geben..Was war eigentlich die letze international bekannte Band in Basel?
@ Bob
Grundsätzlich eine sehr treffende Analyse der Schweizer Szene, denke ich.
Aber die Verhältnisse sehen doch einiges arger aus, sobald man als CH-Band die Grenze überschreitet. Also dein Beispiel mit Navel, die im Ausland mindestens das Dreifach bekommen sollen – kannst du vergessen! Wenn, dann eher umgekehrt. Denn im Ausland kennt die kein Schwein, überspitzt gesagt. Jede Schweizer Band die Mal im Ausland gespielt hat, kann dir davon erzählen, wie gut sie hier vergleichsweise behandelt werden: Eine bessere Gage, bessere Verpflegung und eine bessere Infrastruktur sind eher die Regel als die Ausnahme.
@Luca
Sag mal, bist du dir sicher, dass das nicht ein Verschreiber war, dass Bands jetzt höhere Gagen bekommen sollen als noch vor ein paar Jahren, als sie noch CDs verkauften? Falls ja, müsstest du mir das erklären, das macht für mich keinen Sinn!
Was macht für dich dabei keinen Sinn? Irgendwoher muss die Kohle ja kommen, wenn sie nicht mehr aus CD-Verkäufen generiert werden kann. Und das gilt sowohl für kleine, als auch für grössere Acts.
Selbstverständlich gibt es immer wieder Fälle, in denen kleinere Acts unbekannter Art von der Bookingagentur praktisch ohne Gage und “nur” für “Kost & Logie” angeboten werden, aber auch nur, wenn wirklich kein anderer Termin gefunden werden konnte und sich die Bands keinen freien Tag leisten wollen – Aber wieso sollte dann ein Club schon zuschlagen? Schlussendlich würde das auch ohne Künstlergage sehr wahrscheinlich zum Verlustgeschäft (kaum Zeit für Werbung/Promo, Band sowieso zu unbekannt). Gerade deshalb können sich Kleinclubs wie beispielsweise das Hirscheneck heutzutage auch kaum mehr Konzerte leisten.
Besonders aber bei gerade angesagten Acts, für die nur ein Schweizer Termin zur Verfügung steht, sind die Gagen in den letzten Jahren markant angestiegen (Wie von Bob angetönt ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass eine aktuell bekannte Indie-Band mit auch nur einem einzigen Hitalbum eine fünstellige Gage kassiert). Wobei das allerdings nicht nur daran liegt, dass Künstler von sich aus mehr wollen, sondern auch daran, dass sich die Schweizer Clubs gegenseitig überbieten.
(Die schlimmsten Missetäter bzgl. überrissener Gagenvorstellungen sind jedoch vor allem ältere Bands, die schon in den 90ern getourt haben und in der Vor-Internet-Zeit gross geworden sind.)
Naja meine Rechnung ist da eigentlich ganz einfach, du sprichst es in deinem ersten Satz an: Irgendwoher muss die Kohle ja kommen, wenn sie nicht mehr aus CD-Verkäufen generiert werden kann.
Das bedeutet: Die Anzahl der Shows die Bands spielen wollen/müssen, um ihr Geld zu verdienen, ist gestiegen. Die Clublandschaft hat sich aber nicht vergrössert (wohl eher im Gegenteil, aber das ist reine Spekulation meinerseits). Die Nachfrage nach Auftrittsmöglichkeiten ist also gestiegen, das Angebot bleibt aber gleich. Daraus folgt, dass sich die Booker der Clubs rauspicken können, wen sie wollen, resp. wer für ein bisschen weniger spielt als die andere Band – und das drückt die Gagen generell nach unten. Es ist also schlussendlich für Clubs einfacher geworden, gewisse Bands zu buchen, als noch vor einigen Jahren.
Ich spreche da natürlich nicht von Einzelfällen, natürlich gibt es Acts, die dicke Gagen erhalten, ohne Zweifel. Aber mir geht es um eine allgemeine Tendenz.
Ich will natürlich auch nicht komplett ausschliessen, dass ich mich täusche. Aber generell höhere Gagen für Bands machen für mich einfach keinen Sinn. Haben wir denn hier keine Booker, die uns diesbezüglich ihre Erfahrungen mitteilen könnten?
Ich habe bzgl. Booking lediglich Einblick in den Pop-/Rock-/Indie-Bereich und dort ist das definitiv nicht so, wie du beschreibst.
Ok, ich würde mich gerne eines besseren belehren lassen. Aber kannst du denn ein Beispiel geben?
Ich würde meinen, dass ihr beide recht habt. Die hohen Gagen sind weiter angestiegen, die tiefen gesunken. Die sinkenden CD-Verkäufe haben die Verhältnisse im Live-Geschäft verändert, das ist richtig. Konkret bedeutet es wohl, dass jene, die am längeren Hebel sind, die Preise in die von ihnen gewünschte Richtung drücken. Bei angesagten Acts sind das die Acts (bzw. ihre Bookingagenturen), die somit immer mehr verlangen können. Bei weniger bekannten Acts sind es die Konzertveranstalter, die die grosse Nachfrage nach Auftrittsmöglichkeiten zu ihren Gunsten nützen können.
sehr schön!
doch das empfindlichste daran finde ich ist, dass es für eine band bzw live musiker ein vielfaches an musikalischem verständnis benötigt um überhaupt erfolgreich auftreten zu können als bei einem dj.
man kann sich jetzt streiten ob der band zuwenig oder dem dj zuviel aufmerksamkeit gewidmet und geld gespendet wird.
dazu noch ein nachtrag:
ein sehr bekannter schweizer DJ bekommt zuweilen in seiner heimatstadt nicht mehr als 600.-. und hat mehrere singles auf internationalen labels nicht nur veröffentlicht sonder auch erfolgreich. und ist schon seit anfang der 90er jahre dabei.
dabei zieht der in berlin wohnende kosmopolit (welcher dann auf der privaten afterhour dem gastgeber aufs bett pinkelt) eine gage von >3000€ +flughotel&drux für ein gelangweiltes traktor-set ab. und der local welcher sich den entweder durch ein flinke zunge oder durch harte arbeit an die support sets gekämpft hat kriegt nach langem ringen seine 300-400chf MAX.
Der Artikel bringt es ziemlich genau auf den Punkt, von einem zu hohen Preisniveau kann nicht die Rede sein – im Gegenteil, die Ausgaben für SUISA, Quellensteuer, Sicherheit, Promotion, Reinigung und die Lokal-Grundkosten kommen sogar noch dazu!
Sorry guys, abet in basel its die Szene sowieso total kaputt. Für Newcomer der wahre Horror.
Egal wie gut du bist, egal wie viel Aufwand, Produktionskosten, etc. du hast. Da gibt es etliche Veranstalter, die lassen dich gratis spielen, lassen dich den Techniker stellen, Equipment bringen, Essen gibt es nicht. Und 200 Leute sollst du dann auch noch bringen und deren Tickets vorbezahlen. Pah !
Echt brutal. Aber kein Wunder dass aus diesem Sumpf kein international Gefeierter Star entstehen kann. Die Hürden sind hierzulande einfach zu krass hoch. Ich möchte keine Namen nennen. Aber sorry guys, ihr werdet es nicht schaffen, ausser ihr habt den Mut weg zu gehen.
Das Schlimmste: Band-Contests: Hier geht es nur um die Kohle des Veranstalters. Viele Bands, viele Fans, keine Gagen, Equipment und Technik relativ simpel, keine Werbung nötig. Klingeling !
Ich hoffe es wird wieder etwas idealistischer und echte Chancen werden vergeben. Weil: Das gelangweilte Basler Publikum spürt schon, wenn da etwas originell und mit Herzblut aufgezogen wird…
Der Konsument hat keine Ahnung, wie viel Arbeit und Schweiss hinter dem Produkt “Band” steckt….
was der musiklandschaft einer region am meisten schadet, sind veranstalter und lokale welche sich nicht überregional vernetzen. und basel ist mehrfacher schweizermeister im am rheinknie sitzen..
viva la revolution! viva la promenade! viva! viva!
gratiskultur hin oder her, an der fetedelamusique teilnehmen würd jedoch nicht nicht schaden.
Die Problematik hat mehrere Ebenen. Aus Sicht der Veranstalter, aus derjenigen der Bands, aus Sicht des Publikums. Was kann Kulturförderung daran verbessern? Ich bin überzeugt, die Leute vom Kulturdep. BS sich der Problematik nicht mal bewusst sind, weil sie hoch abgehoben im Elfenbeinturm schmoren und kopfschwangere Konzepte für eine Kulturstadt Basel konstruieren. Elementar wäre die Frage: Wie schafft man es, Gelder für eine gute Popstadtkultur in Basel zu kriegen, die dann
nicht einzig in Institutionen abfließt wo keiner mehr sieht was damit konkret passiert wäre. Die Antworten dazu sind nicht einfach, aber nötig, um aus der Sackgasse für eine gute Popstadt Basel heraus zu finden.