Seit Jahren geben sich im Nordstern Wochenende für Wochenende die Grössen der elektronischen Clubmusik die Klinke in die Hand. Zum eindeutig populärsten Club der Stadt wurde der Nordstern aber erst durch die im letzten September eingeführte Clubnacht «Tetris». War der Club am Voltaplatz in den Jahren zuvor vor allem Fans von Minimal Techno oder Drum’n’Bass bekannt, konnte man mit der neuen Reihe am Donnerstagabend auch die Hörer elektronischer Housemusik endgültig für sich gewinnen. Seit Acts wie Justice, Digitalism oder Simian Mobile Disco 2006 ein rockaffines Publikum für elektronische Clubmusik begeistern konnten, geniesst diese Stilrichtung grösste Beliebtheit. Mit James Ford und Jas Shaw alias Simian Mobile Disco waren diesen Freitag (19. Juni 2011) nun zwei der wichtigsten Vertreter dieses Stils mit einem DJ-Set im Nordstern zu Gast.
Doch wie kam es eigentlich dazu, dass das Rockpublikum anfing, sich für elektronische Musik zu interessieren? Ein kurzer Blick zurück: Bevor Ford und Shaw zur «Mobile Disco» wurden, waren sie Anfang der 00er-Jahre Mitglieder der Band Simian und konnten unter diesem Namen mit Songs wie «La Breeze» bereits kleinere Hits verbuchen. 2003 gewannen dann zwei bis dahin unbekannte Franzosen namens Gaspard Augé und Xavier de Rosnay, mittlerweile allgemein bekannt als Justice, mit einem Remix von «Never Be Alone», ein Track des zweiten Simian-Albums, einen Remix-Contest. «We Are Your Friends» wurde zum internationalen Clubhit und Augé und de Rosnay waren die neuen Stars der elektronischen Musik – und das nicht nur aufgrund guter Tracks, sondern auch weil sich die beiden dank Lederjacke, Sonnenbrille und Rockstarattitüde auch dem Rockpublikum vermarkten konnten.
Als «We Are Your Friends» seine Runden durch die europäischen Clubs (und Indie-Diskos) drehte, waren Simian allerdings bereits Geschichte. Shaw und Ford hatten zu diesem Zeitpunkt ihr Nebenprojekt Simian Mobile Disco zum Hauptact umfunktioniert und zeigten sich als umtriebige Remixer und erfolgreiche Produzenten. Mit der Aufmerksamkeit von «We Are Your Friends» im Rücken erzielte man mit «Hustler» und «Tits & Acid» eigene Clubhits und als im Sommer 2007 innerhalb einer Woche sowohl ihr Debütalbum «Attack Decay Sustain Release», als auch «†» von Justice erschien, war man auf dem Höhepunkt der Popularität angelangt. «Attack Decay Sustain Release» war allerdings mehr als nur ein reines Electro House-Album: Das verspielte Werk aus Techno, House und Electropop funktionierte als Yin zum wuchtigen und eintönigen Yang ihrer französischen Kollegen.
Auf ihrem nächsten Album, dem 2009 veröffentlichten «Temporary Pleasure», schienen Shaw und Ford die Ideen aber bereits ausgegangen zu sein. Auch eine illustre Liste von Gastsängern (Beth Ditto, Gruff Rhys oder Chris Keating) vermochte den grösstenteils faden Tracks kein zusätzliches Leben einzuhauchen und der Versuch, in naher Zukunft die Chemical Brothers als Quoten-Danceact an Rockfestivals abzulösen, schien gescheitert. Daher begaben sich die beiden im Folgejahr auf einen musikalischen Selbstfindungstrip und widmeten sich fortan den vocallosen Techno-Tracks, welche auch schon für die wenigen guten Momente ihres zweiten Albums verantwortlich waren.
Dass sich Simian Mobile Disco in ihrem rund zweistündigen DJ-Set also ausschliesslich auf ihren Techno-Output konzentrieren, überrascht nicht. Mit einem Set, welches ähnlich viel Abwechslung wie «Attack Decay Sustain Release» bietet, war mit Blick auf ihre aktuellen Veröffentlichungen nicht zu rechnen, was aber trotzdem keine Entschuldigung dafür sein darf, dass Shaw und Ford kaum Fingerspitzengefühl bezüglich Setaufbau zeigen. Kurz nachdem die beiden um Punkt 2 Uhr das DJ-Pult betreten, wird das Gaspedal auch schon heruntergedrückt und das Publikum eine Stunde lang in bester Fitnessstudio-Manier mit Bleifuss bearbeitet. Das wirkt ermüdend und wird schnell langweilig, die Stimmung im gut besuchten Nordstern bleibt jedoch gut.
Erst in der zweiten Stunde lockern Ford und Shaw ihr Set auf. Nun werden Tracks wie Kölschs «Loreley» (Kompakt, 2010) gespielt, die zwar immer noch als Techno in Reinform durchgehen, aber dennoch mehr mit der eklektischen Seite von Simian Mobile Disco zu Tun haben, als der Workout-Techno der ersten Hälfte.
Mit «10,000 Horses Can’t Be Wrong», dem wohl besten Track von «Temporary Pleasure», beschliessen Simian Mobile Disco ihr DJ-Set. Treten James Ford und Jas Shaw mit einem Liveset auf, dann gehören sie zu den interessantesten Performern elektronischer Livemusik – ihre Inkarnation als DJ-Duo kann da leider (noch?) nicht mithalten.
Der Nordstern feiert nächsten Samstag (25. Juni) Saisonabschluss. Vollständiges Programm dieses Abends findet sich auf der Homepage.
« Zur Übersicht
der nordstern, der club der seit jahren jedes wochenende internationale dj grössen nach basel bringt?
das yang der eintönigen französichen produzenten?
bis vor einem jahr war das nordstern ein normaler kleinstadtclub in welchen meist regionale, oft nationale udn zwischendurch internationale djs, live-acts und band spielten.
erste seit beginn der letzten clubsaison spielen allerdings jedes wochenende überbezahlte dj “grössen” im provinzclub.
die französische (vorallem paris) house, techno & disco szene hat sich jahren eine ruf als sehr experimentierfreudig erarbeitet. zwei wichtige plattformen für house & techno welcher auf eine frische und abwechlungsreiche art und weise produziert und vorgetragen wird, wären KARAT RECORDS und CIRCUS COMPANY. konstanst seit ende der neunziger jahre schaffen die leute hinter diesen labels immerwieder neue und vorallem langlebige trends.
simian mobile disco, justice, ed banger darf man als mainstreamorientierte geldmaschiene betrachten, welche sich nach aussen hin den touch der andersartigkeit gibt – sich jedoch nur aus dem sehr breit gefächerten stil fundus der pariser houseszene bedient und diesen auf eine sehr einfache art aufpumpt – so dass der jungfräuliche zuhörer oder tänzer davon begeistert ist.