Nein, geändert hat er sich nicht. Noch immer kann Max Bollag nicht die Finger von einem Fall lassen, auch wenn es ihn der mürrische Kripochef Neuenschwander zehn Mal verbietet. Vielmehr wird seine Lust am Ermitteln durch Widerstand nur noch mehr angestachelt. Je mehr Leute ihm untersagen, die Nase in eine Angelegenheit zu stecken, umso mehr verbeisst sich der Starreporter des Liestaler «Tagblatt» in einen Fall. Und in diesem neusten Fall, dem dritten seit seiner Erschaffung durch den Baselbieter Krimiautor Rolf von Siebenthal, ist der Widerstand so gross wie noch nie.
Dass der eigentlich in Freundschaft verbundene Neuenschwander nicht möchte, dass Bollag mit seiner vorwitzigen Nase in einem Mordfall herumschnüffelt, ist schon Tradition in den Liestaler Krimis. Doch mit dem Ersten Staatsanwalt Matthias Baumann und dem neuen Tagblatt-Verleger Franz Heusser erwachsen dem Journalisten mächtige Feinde, die durch selbstsüchtige Motive angetrieben werden. Baumann möchte den Erzfeind aus Jugendzeiten um jeden Preis hinter Gitter bringen, und Ständerat Heusser ist scharf auf den Bundesratssitz von Bollags Lebensgefährtin Petra Mangold, weshalb das Tagblatt plötzlich eine Hetzjagd auf seinen eigenen Reporter inszeniert. Denn Bollag ist unter Mordverdacht.
Das wäre dem ehemaligen Bundeshauskorrespondent im Grunde egal, aber nicht in diesem Fall. Denn ermordet wurde mit Tanja Schneider seine Kollegin und Freundin, der er sich als Mentor eng verbunden fühlte. Den Täter zu überführen, das ist er ihr schuldig. In seinen Ermittlungen zu Schneiders Tod – ihre Leiche wurde ihn ihrem Auto im Allschwiler Weiher gefunden – findet er Unterstützung durch die junge Tagblatt-Volontärin Rebecca Tobler. Das ist umso wichtiger, weil Mangold ausgerechnet jetzt von ihrem Regierungsamt überfordert ist und gar keine Zeit für ihren Liebhaber hat. Also stürzt sich Bollag umso wilder in die Arbeit, immer auf der Hut vor der Polizei. Eine Spur führt zur letzten Geschichte, die Schneider recherchierte: Versicherungsbetrug durch absichtlich herbeigeführte Autounfälle. Doch liegt darin wirklich der Grund für ihre Ermordung?
Von Siebenthal bleibt seinem Stil treu. Von Kapitel zu Kapitel springt er von einer Figur zur anderen und erzählt aus deren Perspektive. Das hält den Leser bei der Stange, das Buch liest sich in Windeseile. Ebenso wird der Schatz an Baselbieter Schauplätzen immer reicher. Diesmal kommt vor allem das Unterbaselbiet zum Zug, was Spass macht, wenn man sich in der Region auskennt. Dennoch hätten zwanzig, dreissig Seiten mehr nicht geschadet. Der Streit zwischen dem starrköpfigen Bollag und Petra Mangold ist sehr schnell und ohne grosse Diskussionen beigelegt, und auch einige andere Handlungsstränge sind nicht abgeschlossen. Schade ist auch, dass Bollags ehemaliger Intimfeind Rieder, der inzwischen zum Chefredaktor des Tagblatts aufgestiegen ist, keine aktive Rolle mehr spielt. Dafür hat von Siebenthal den einen oder anderen erfrischenden Twist eingebaut.
Vielleicht sind die kleinen Abstriche dem strengen Jahresrhythmus geschuldet, den sich der Autor auferlegt hat – welcher wiederum beim Leser höchst willkommen ist. Denn nichtsdestotrotz ist «Schlagzeile» dringend zu empfehlen und für die Stammleserschaft ohnehin Pflichtlektüre.
Rolf von Siebenthal: Schlagzeile. Kriminalroman. Gmeiner Verlag. Messkirch, 2015. 280 Seiten, ab Fr. 13.20.
Die weiteren Bollag-Krimis: Schachzug (2013), Höllenfeuer (2014).
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