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Leichen-Leo in Hochform

Fabian Kern am Montag den 2. März 2015

BuchcoverTalente gibt es viele. Eine gar aussergewöhnliche Gabe besitzt Polizeiobermeister Leonhard Kreuthner. Seinen Spitznamen «Leichen-Leo» hat er sich redlich verdient, denn wenn immer im bayrischen Landkreis Miesbach jemand zu Tode kommt, ist Kreuthner derjenige, der die sterblichen Überreste findet. Ein Leichenfund an sich ist schon gruselig genug, aber diesmal geht sogar der hartgesottene Kreuthner der Allerwerteste auf Grundeis, denn der Polizist, der es selbst mit dem Gesetz nicht immer ganz genau nimmt, ist selbst in den Fall verwickelt. Er hat das betrunkene Opfer mit Kollegen als Strafe für eine Wettschuld selbst in dessen Auto in einen Fluss gesetzt – am nächsten Morgen ist der Bestattungsunternehmer tot.

Doch damit nicht genug im sonst eigentlich beschaulichen Miesbach. Eine junge Frau verschwindet, ihr Auto wird später in der Wolfsschlucht gefunden – aufgespiesst von einem Maibaum. Auch das riecht wieder verdächtig nach Kreuthner, zumindest der Maibaum-Aspekt. Damit aber nicht genug, denn die beiden Fällen weisen nach Aufnahme der Ermittlungen immer mehr Berührungspunkte auf, zu viele, als dass sie nicht zusammenhängen könnten. Kripo-Kommissar Clemens Wallner ist gefordert, und dabei hat er doch schon an der Trennung von seiner Frau Vera zu knabbern und mit seinem Grossvater Manfred ohnehin genug am Hals. Der rüstige Senior hat auch im reifen Alter von 84 Jahren immer noch viele Flausen im Kopf und hält die Polizei auf Trab. Manfreds Schwäche für das weibliche Geschlecht ist im ganzen Dorf bekannt, doch im Falle der attraktiven «Hexe» Stefanie Lauberhalm scheint mehr dahinter zu stecken. Was geht da nur vor in Miesbach?

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Andreas Föhr (Jg. 1958) schreibt auch Drehbücher für TV-Krimis.

Gewisse Formate nutzen sich ab. Bei der einen oder anderen Krimiserie wäre nicht verkehrt, wenn man sie auch mal abschliessen und gut sein lassen würde. Nicht so bei Andreas Föhrs Tegernsee-Krimis, die der gelernte Jurist im Jahrestakt herausgibt. Die verschlingt man innert weniger Stunden und will danach mehr von Wallner, Kreuthner und Co. Der Autor schafft das Kunststück, den Fall und die persönliche Geschichte der Figuren so miteinander zu verstricken, dass beides gleichermassen interessiert. Die Charaktere werden mit nur wenigen Merkmalen so gut skizziert, dass man sofort mit Wallner über seine Kälteempfindlichkeit diskutieren und mit Kreuthner gern die eine oder andere «Halbe» trinken gehen würde. Und das Krimivergnügen leidet überhaupt nicht darunter. Hoffentlich bleibt Miesbach die kriminelle Energie noch lange erhalten. Zumindest in der Fiktion.

Andreas Föhr: Wolfsschlucht. Kriminalroman. Knaur Verlag. München, 2015. 394 Seiten, Fr. 19.45.

Die weiteren Miesbach-Krimis in der richtigen Reihenfolge: Der Prinzessinnenmörder (2011), Schafkopf (2012), Karwoche (2013), Totensonntag (2014).

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