Demian Bichsel ist kein Freund von Schnell- und Schnappschüssen. «Ich finde Strassenfotografie schrecklich – normalerweise bin ich ohne Kamera unterwegs», erklärt der 31-jährige Basler. Auch mit dem Smartphone schiesst er kaum Fotos. Die Umgebung, sie soll ungefiltert erlebt werden. Ohne Display dazwischen. «Diese dauerknipsenden Touristen tun mir leid», findet Bichsel.
Bevor er überhaupt die Kamera zückt, lässt er sich auf einen Ort ein, setzt sich mit seinem Charakter auseinander, und lässt das Erlebte wirken. Wenn er mit etwas zeitlichem Abstand dann merkt, dass ihn dieses Sujet beschäftigt, Bichsel nennt das «emotional hängen bleiben», wird fotografiert. «Für das Pfeilerbild an der Spree bin ich dreimal nach Berlin gereist.»
«Abandoned Pillar in Water Berlin» heisst das besagte Bild, das zusammen mit zwei weiteren Werken aus Bichsels Pfeiler-Serie in Basel gezeigt wird. Dies als Zwischennutzung an bester Lage in den ehemaligen Räumen der Basler Galerie Hilt an der Freien Strasse 88. Zu sehen gibt es insgesamt drei Konzeptreihen, die eine Collage-Serie aus Beldgrad umfassen – und zwei milchige Bilder, auf denen man bei genauem Hinsehen den unscharfen St. Chrischona-Turm im Nebelmeer verschwinden sieht. Faszinierend und mysteriös zugleich. «Der Autofokus meiner Kamera hat wegen dem Nebel nicht funktioniert – das fand ich spannend», erklärt der gebürtige Riehener sein Experiment. Abgesehen vom Chrischona-Nebelbild sind Bichsels Werke das Elixir ausgedehnter Reisen von Lissabon über Berlin und Rotterdam bis nach Sarajevo, Belgrad oder Budapest.
Die dabei entstandenen Bilder sind oft urban angehaucht, stets Menschenleer, und von eher dezenter Farbgebung. Poesie statt Effekthascherei. Bild-Collagen, zusammengesetzt aus bis zu 70 Einzelfotos. Die subtilen Wimmelbilder sind das Gegenteil der extrovertierten Selfie-Schnappschüsse, mit denen wir heute auf allen Kanälen zugeballert werden. Der auf den ersten Blick unspektakuläre Ansatz passt nicht nur zur durchdachten Entstehung der Werke, er bietet auch einen willkommenen Kontrast zum vorweihnachtlichen Trubel vor der Tür. Kunden, die unter dem Konsumrausch zu kollabieren, finden hier eine ruhige Bildwelt, in die sie sich flüchten können. Dazu passt auch der Titel der temporären Show: «Time & Reality II». Falls der Konsum dann doch wieder durchdrückt: Die Werke gibts zu kaufen zu Preisen zwischen 700 und 1900 Franken. «Auf Verkäufe bin ich nicht unbedingt angewiesen», erklärt Bichsel während er sich eine Zigarette dreht. «Ich mache diese Ausstellung, weil ich Spass daran habe und ich diese Gelegenheit nutzen wollte.»
Ermöglicht wurde Bichsels zweite Solo-Ausstellung auch dank der Mithilfe von Lionel Schüpbach und Marius von Holleben, zwei junge Basler Kunstvermittler, die in Bichsel einen willkommenen Partner gefunden haben. «Hier haben wir den bestmöglichen Ort», sagt Bichsel, der sich eigentlich gar nicht als Fotograf sieht. Als was denn sonst? Nach längerer Denkpause meint er schliesslich: «Ein Bündel Licht und Liebe, das ein paar Jahre auf dieser Erde verbringt.» Licht und Liebe, denkt man sich da, das sind auch wichtige Mosaiksteine der Bilder dieses Fotografen, der keiner sein will.
Demian Bichsel, Time & Reality II, Freie Strasse 88, Basel, 13. – 20. Dezember 2014, 10 – 18 Uhr.
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irgendwie schon Pervers. Als Normalo muss man sich rechtfertigen, wenn man mal mit dem Auto die paar Km zum Arbeitsort zurücklege. Und Mann muss sich dreimal durchrechnen um zu Wissen, wohin man mit der Familie in den Urlaub fährt.
Und änder fahren jetten 1000e von km hin und her, um ein zwei Anlegepfähle zu Fotografieren….
Da versteht man zuweilen die Welt nicht mehr.
Dreimal nach Berlin reisen, für ein Foto. OK. Wenn man die Zeit und das Geld dazu hat. Kunst ist, was man daraus macht…..
Mit der Erfindung von Handys und Smartphones hat ein Demokratisierungsprozess in der Fotografie stattgefunden. Daran können auch Künstler nicht rütteln.
Ohne einen Selfie-Schnappschuss im Ausstellungsraum geht es anscheinend auch bei Herrn Bichsel nicht.
Eine tolle Ausstellung – mit sehr starken fotografischen Eindrücken.
Ich bin extra 110 km hin- und zurückgefahren dafür. Süss, wie sich Basler über etwas nerven können. Ich finde die Arbeit toll und wünsche dir weiterhin viel Erfolg, lass dich, von komischen Kommentaren und Neidern, nicht aufhalten.
Ebenfalls sind 2 Schreibfehler nicht schlimm, lieber mal einen Bericht über Talente, die was tun, als all die sonstigen unsinnigen Berichte die sonst auffindbar sind…