Nein, wirklich zum Bade ladet das dreckige Wasser des Ganges nicht. Das kümmert aber 80 bis 100 Millionen Hindus herzlich wenig. Sie tauchen am Triveni Sangam, dem Zusammentreffen von Ganges, Yamuna und dem unsichtbaren mythischen Fluss Saraswati, in die braunen Fluten, um sich von allen Sünden reinzuwaschen und sich vom Kreislauf der Wiedergeburt zu befreien. Es ist Kumbh Mela, das grösste religiöse Fest der Welt. Man sagt, dass man bis zum nächsten Kumbh Mela 12 Jahre lang ohne Kraft lebe, wenn man es verpasst. Das spirituelle Spektakel dauert ganze 55 Tage.
Regisseur Pan Nalin ist 2013 nach Allahabad im Norden des Subkontinents Indien gereist, um seinem Vater eine Flasche mit heiligem Wasser mitzubringen. Zurückgebracht hat er aber nicht nur besagtes Gefäss, sondern auch einige berührende Geschichten aus einer Welt, die der westlichen fast so fremd ist wie ein anderer Planet. Da wäre der Ausreisser Kishan Tiwari, der sich irgendwie durchschlägt und allen erzählt, er sei Waise. Wie der Zehnjährige Hanfkugeln isst, Alkohol konsumiert und erzählt, er wolle Mafioso werden und Leute umlegen, geht einem ans Herz. Überhaupt werden viele Rauschmittel konsumiert beim Kumbh Mela. Die Sadhu – radikale Hindus, die der Welt entsagt haben, um sich ganz der Spiritualität zu widmen und dem Wohl aller zu dienen – kiffen, was das Zeug hält, um besser meditieren zu können. Frei nach dem Motto «Gott schuf Gras, der Mensch Alkohol».
Das Lager der Kumbh Mela ist unfassbar gross. Über 55 km² erstrecken sich die verschiedenen Lager und Zeltquartiere. Kein Wunder, gehen so viele Leute verloren, dass das «Lost & Found Centre» heillos überfordert ist. Als der Filmemacher vorbei schaut, nach nicht einmal der Hälfte des Festes, werden bereit 135’000 Menschen vermisst – vorwiegend Kinder und Alte. Die Leute sind vom heiligen Ereignis so gefangen, dass sie schlicht vergessen auf ihre Liebsten zu achten. Einmal verloren, ist es beinahe eine «Mission Impossible», einen Angehörigen wiederzufinden. Tränenreich muss manch eine Familie mit Lücken in ihren Reihen abreisen und hoffen, dass der verirrte Verwandte den Heimweg irgendwie findet.
Neben diesen tragischen Szenen, die das Chaos in diesem Mega-Event deutlich machen, hat Pan Nalin aber auch die rührendste Geschichte auf Lager. Der Yogi Baba hat sich seit zwei Jahren einem der vielen ausgesetzen Babys angenommen und kümmert sich herzlich um den Kleinen – auf seine ganz eigene Art. Mit all diesen nur allzu menschlichen Episoden schafft es der Regisseur, den Zuschauer in den Bann zu ziehen und die Dimension und Bedeutung der «Kumbh Mela» wenigstens ansatzweise zu erfassen. Es ist eine eigene Welt, eine Bewegung, die fasziniert. Besonders in Mitteleuropa, wo organisierte Religion immer weniger Leute zu mobilisieren vermag.
«Faith Connections» läuft ab 10. Juli 2014 im kult.kino.atelier in Basel.
Weitere Filmstarts in Basel am 10. Juli: Suzanne, L’amour est un crime parfait, Rico, Oskar und die Tieferschatten.
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Und was leider auch passiert, ist, dass Menschenhändler nach Beute Ausschau halten. Kleine Mädchen fürs Bordell und kleine Buben für die Sklaverei. Obwohl viel Uniform zugegen, das kannn leider nicht verhindert werden. Und führt zuweilen zu extremen Momenten, wo einer lauf denkt und ein Bauernvater mit seinem Sohn auf dem Arm plötzlich als Smuggler bezeichnet wird! Bekommt er keine Unterstützung von anderen, dann kommt die Polizei und der absolute Horror beginnt! Ich durfte dies eines abends in einem Bus miterleben. Zum Glück liess sich der Mob in Allahabad umstimmen. Mann und Sohn am Rande des Zusammenbruchs, zitternd und weinend. Oder die Sadhu-Convention am Rande, wo schwarz gekleidete Durga-Babas die gefärbten Totenschädel von Menschen aus dem Gepäck kramten zum Gras rauchen (nicht aus dem Schädel!). Und junge Männer die im Schlamm nach verlorenen Münzen und Goldschmuck suchten. Auch passierts immer wieder, dass Pilger im falschen Bus landen und dann irgendwo einfach abgesetzt werden, festsitzen, da zu wenig Geld, keine Rückgabe des Tickets möglich….. Ja, da sieht man den Wahnsinn der Mela und es wird einem dabei bewusst wie wenig ein Mensch in solchen Massen ist. Und wenn es erst brennt oder Panik ausbricht, dann gute Nacht!