Die Urban-Art-Plattform «Artstübli» wird nach jahrelangem Vagabunden-Dasein im Mantelbau der Markthalle sesshaft. Die Eröffnung während der Art Basel verlief vielversprechend.
Die Basler Markthalle hat einen Farbtupfer mehr: Neben dem Seiteneingang am Steinentorberg hat sich das «Artstübli» eingenistet. Pünktlich zur Art Basel wurde der Ausstellungsraum eröffnet. Auf 124 Quadratmetern gibts urbane Kunst von Graffiti bis Streetart zu sehen, präsentiert in einem lichtdurchfluteten Raum mit grossen Fenstern, hölzernem Fischgrätparkett und Ausblick auf das Heuwaage-Viadukt. Vor Kurzem befand sich hier ein angestaubtes Antiquitäten-Lager.
«Es war einiges los letzte Woche», sagt Betreiber Philipp Brogli zufrieden. Wie erhofft, haben zahlreiche Art-Besucher spontan vorbei geguckt, was natürlich wesentlich mit der «Volta 10» zusammenhängt. Die Nebenmesse ist dieses Jahr vom Dreispitz in die Markthalle zurückgekehrt. Wer von der Heuwaage her kommt, spaziert fast automatisch ins «Artstübli».
Anders als an der Art Basel kann sich hier fast jeder ein Stück Kunst leisten. Die Fine Art Prints und Siebrucke kosten zwischen 100 und 600 Franken. Wer eines der wenigen Originalbilder kaufen will, muss zwischen 2800 und 8000 Franken locker machen. «380 Franken für einen gerahmten und limitierten Druck sind für einen Art-Besucher ein Klacks», findet Brogli. Dass sich der Basler Urban-Art-Förderer bei seinem Angebot auf sogenannte Prints spezialisiert hat, hängt nicht nur mit deren Preis zusammen: Während des «Artstübli»-Aufbaus fehlte Brogli schlicht die Zeit, um sein breites Künstlernetzwerk nach Originalen zu durchkämmen.
Also nutzte der Basler die Chance, um das wachsende Internet-Angebot im Bereich der hochwertigen Prints zu sondieren. Im Netz tummeln sich zahlreiche junge Künstler und Kunstsammler in der Hoffnung auf einen guten Fang. Mit einem glücklichen Händchen finden Kenner und Könner durchaus Perlen, deren Sammlerwert sich mit der Zeit markant steigert. Mit seinem immensen Vorwissen hat Brogli beste Voraussetzungen, um sein «Artstübli» mit preiswerten Preziosen zu schmücken.
Die Streetart-Institution des Baslers gibt es seit 2004. Was als loses Zusammentreffen gleichgesinnter Kunstfreunde begann, fand bald seine Fortsetzung in einem gleichnamigen Online-Magazin. Beflügelt vom positiven Feedback und den rasant erweiterten Künstlerkontakten fand 2006 die erste «Artstübli»-Kunstmesse «Artyou» statt (damals noch unter dem Namen «Artig»). Diese mauserte sich über die Jahre zur wichtigsten Schweizer Kunstschau im Bereich Urban Art. 2013 legte Brogli die «Artyou» vorläufig auf Eis.
Wie er jetzt verrät, hatte der Entscheid auch etwas mit dem neuen Ausstellungsraum Markthalle zu tun. Nachdem die Kunstplattform jahrelang ein Vagabunden-Dasein ohne festen Sitz führte, zeichnete sich in den letzten Monaten eine längerfristige Lösung in der Markthalle ab. «Bei der Immobilienverwalterin Wincasa hat ein Umdenken stattgefunden», sagt Brogli und erklärt nicht ohne Stolz, dass die Markhallen-Verantwortlichen sich nun bewusst für seine junge, urbane Kunstplattform entschieden haben – und gegen eine rein kommerzielle Nutzung. Broglis Hartnäckigkeit hat sich nach langem Warten also doch noch ausgezahlt. Neben einer kulanten Miete kann er sich über einen längerfristigen Vertrag freuen. «Viele meinten, dass wir nur während der Art Basel in der Markthalle sind – aber wir bleiben mindestens fünf Jahre», sagt er mit einem schelmischen lachen im Gesicht. «Das ist mehr als eine Zwischennutzung.»

Offen! Philipp Brogli auf dem roten Teppich vor seinem neuen Ausstellungsraum. (Foto: Andreas Schneider)
Nun ist das «Artstübli» zum ersten Mal sesshaft geworden. Domestizierte Strassenkunst sozusagen. Wer durch die grossen Schaufenster am Steinentorberg 28 guckt, erspäht nun Bilder namhafter Urban-Art-Künstler wie dem französischen Bubble-König Tilt, dem polnischen Duo Etam Cru oder, natürlich, der Basler Graffiti-Koryphäe Smash137. Von ihm ist ein Originalbild zu sehen. Philipp Brogli unterstützt den inzwischen weltweit beachteten Künstler seit Jahren und kann sich nun wiederum auf dessen Support verlassen.
Nach der Art-Woche kann sich Brogli über mehr als ein Dutzend verkaufte Werke und viele neue Kontakte freuen. Etwa zu der in Basel lebenden, international bekannten Fotokünstlerin Vera Isler-Leiner. Wie sich herausstellte, wohnt die 83-Jährige im Hochhaus nebenan. Nach der Eröffnung hat sie das «Artstübli» mit grossem Interesse besucht. «Sie kannte urbane Kunst bereits aus dem Film des Streetart-Stars Banksy und erzählte mir von Strassenkunst, die sie in den 80er-Jahren fotografiert hat», erinnert sich Brogli. «Das war eine schöne Begegnung.»
Wer weiss, vielleicht gibt es im neuem Ausstellungs- und Projektraum (der Begriff Galerie wird gemieden, um Hemmschwellen zu umschiffen) bald Streetart aus den Anfangstagen dieser noch jungen Kunstform zu sehen. Zudem wird Brogli auch abseits seiner neuen Kunststube in der Markthalle aktiv sein. So koordiniert er etwa regelmässig Kunstprojekte im öffentlichen Raum. Jüngstes Beispiel ist das grossflächige Bild, dass die Graffiti-Künstler Zosen (ARG) und Mina (JPN) in der Art-Woche auf dem IWB-Häuschen am Hohlbeinplatz hinterlassen haben. «Und vielleicht gibt es ja demnächst auch wieder eine Artyou», sagt Brogli.
Artstübli, Steinentorberg 28, 4051 Basel. Ausstellungs-Öffnungszeiten ab Juli: Donnerstag/Freitag, 11 bis 18 Uhr; Samstag, 14 bis 18 Uhr.
www.artstuebli.ch

«Artstübli»-Projekt im Öffentlichen Raum: Das Graffiti von Zosen y Mina auf dem IWB-Häuschen am Hohlbeinplatz.
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