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Revolution in der ratternden Arche

Fabian Kern am Donnerstag den 1. Mai 2014

«Snowpiercer» läuft ab 30. April im Küchlin und im Rex.

«Snowpiercer» läuft ab 30. April im Küchlin und im Rex.

Globale Erwärmung? Von wegen! Weil ein Gegenschlag der Menschheit gegen die Klimaveränderung nach hinten losgeht, herrscht auf der Erde Eiszeit. Der Globus ist in einen dicken weissen Mantel gehüllt, der ein Leben im Freien unmöglich macht. Deshalb zwängen sich alle Überlebenden der Welt in einen einzigen gigantischen, 650 Meter langen Zug, der als Perpetuum Mobile um die Welt fährt. Da könnte man meinen, alle sitzen nicht nur in einem Zug, sondern auch in einem Boot. Weit gefehlt – Free Seating ist nicht in diesem «Snowpiercer». Die sozialen Schichten sind klar verteilt: von vorne nach hinten Erste Klasse, Economy und Dritte Klasse. So weit, so krude die Idee des «Transpierceneige», einer französichen Gothic Novel, deren Verfilmung nun in unseren Kinos läuft. Das Ganze klingt ein bisschen nach B- oder gar C-Movie. Doch nochmals weit gefehlt, denn dieser europäische Thriller von einem koreanischen Regisseur bietet sowohl eine gehobene Science Fiction als auch grimmige Action und eine Sozialkritik, die sich gewaschen hat.

Hallo Klassenkampf! Curtis sieht sich einer Übermacht gegenüber.

Hallo Klassenkampf! Curtis sieht sich einer Übermacht gegenüber.

«Kennt euren Platz!» Mason setzt auf Erniedrigung. (Bilder: Ascot-Elite)

«Kennt euren Platz!» Mason setzt auf Erniedrigung. (Bilder: Ascot-Elite)

Während die High Society seit 17 Jahren im Luxus schwelgt, herrschen im hintersten Teil des Zugs nämlich Ghetto-Verhältnisse. «Kennt euren Platz, behaltet euren Platz», wird den vermeintlich Minderwertigen von der arroganten Mason (köstlich: Tilda Swinton), der Botschafterin der Oberschicht, eingebläut. Diese Ausgangslage verrät das Unvermeidliche: Der Pöbel plant den Aufstand. Waggon um Waggon kämpfen sich die Revoluzzer unter dem Kommando von Curtis (Chris Evans) in Richtung der «Heiligen Maschine», die vom Erbauer Wilford (Ed Harris) unterhalten wird. Dabei begegnen die Aufrührer, die den Türschloss-Entwickler Namsoong Mingoo (Song Kang-Ho) aus dem Gefängnis-Waggon befreit haben, allerlei Skurrilem und der puren Dekadenz. Doch die gehobene Gesellschaft lässt die Unterklasse nicht kampflos durch den «Snowpiercer» marschieren.

Im falschen Film: Die Revoluzzer mit Mason im Schul-Waggon.

Im falschen Film: Die Revoluzzer sind mit Mason im Schul-Waggon gelandet.

Curtis' Mentor: Gilliam, der Vater des Aufstands.

Curtis’ Mentor: Gilliam, der Vater des Aufstands und frühere Partner von Wilford.

Der Klassenkampf ist kein neues Thema. Dennoch ist der Film von Bong Joon-Ho absolut sehenswert, denn er bietet nicht nur einen hochklassigen Cast mit Charakterdarstellern erster Güte wie Tilda Swinton, John Hurt oder Ed Harris, sondern auch einen Plot abseits des Mainstream. Das ist kein Aufsteiger-Epos mit einem charismatischen Helden, der die Arbeiterklasse befreit. «Captain America» Chris Evans trägt als Curtis schwer an seiner dunklen Vergangenheit in der Dritten Klasse und will kein Anführer sein. Entsprechend ist die Grundatmosphäre düster, die Gewaltszenen blutig und dreckig, wie eine Revolution eben ist. Als krasser Gegensatz wirken die quietschbunten Bilder aus der High Society, die mit viel Zynismus überzeichnet werden. Es macht Spass, die verschiedenen Waggons des «Schneekreuzers» zu entdecken, die durch die Eiszeit rattern. Trotzdem macht einem die pessimistische Stimmung und der skrupellose Egoismus nicht viel Hoffnung auf ein Happy End. Hat eine solch kranke Gesellschaft überhaupt das Überleben verdient? Der perfekte Film zum Tag der Arbeit.

«Snowpiercer» läuft ab 30. April in den Basler Kinos Pathé Küchlin und Rex.

Weitere Kinostarts in Basel am 30. April und 1. Mai: One Chance, Muppets Moste Wanted, La belle et la bête, The Other Woman.

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Ein Kommentar zu “Revolution in der ratternden Arche”

  1. rascha kocher sagt:

    Die Ungleichheit im Zug? Stehplätze, Sessel und 1.Kl.-Fauteuils! Zudem randalierende Nowbodies haben wir in Europa auch.
    Interessante These zwar, den Plot auf die Schienen zu verlegen. Grundsätzlich aber ist die Realität nicht in den Film zu bannen. Maximal als träumerisches Sequel. Weil, draussen sind wir länger schon so weit, dass diese “Fiktion” zur Farce verkommt. Seit Menschengedenken spielt die Sein-/Habenschere die Menschheit gegeneinander aus. Doch einen entsprechend aufklärerischen Film diesbezüglich zu drehen, riefe höchstens ein Gähnen hervor. Wer interessiert sich schon für Friedfertigkeit, wenns ums Raffen geht…
    Früher stand Not im Vordergrund. Und heuer? Bald wohl wieder!