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Wenn sich Film und Fernsehen näher kommen: Top of the Lake

Luca Bruno am Donnerstag den 10. Oktober 2013
Tui Mitcham (Jacqueline Joe)

Tui Mitcham (Jacqueline Joe)

Mit dem Bild der 12-jährigen Tui Mitcham, die bis zum Bauch im eiskalten Wasser des Bergsees von «Laketop», Neuseeland steht, beginnt die Miniserie «Top of the Lake». Wie sie in diese missliche Lage geraten ist und ob sie sich im See etwa umbringen wollte, verschweigt sie. Als jedoch bei der nachfolgenden Untersuchung von Ärzten festgestellt wird, dass das junge Mädchen schwanger ist, schaltet sich die Polizei, allen voran Kommissarin Robin Griffin, ein, um herauszufinden, was dem Mädchen wirklich zugestossen ist. Denn auf die Frage, wer der Vater ihres ungeborenen Kindes sei, antwortet Tui lediglich «No one». Keine zehn Minuten vergehen und man ist als Zuschauer bereits mittendrin in der hochspannenden Ermittlung rund um den Fall der Tui Mitcham.

Hinter «Top of the Lake» steht die neuseeländische Regisseurin Jane Campion (u.a. «The Piano»), welche bei der Miniserie, eine englisch-neuseeländisch-amerikanische Koproduktion, nicht nur Regie geführt hat, sondern sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeigen darf. Nach einer umjubelten Urauführung am «Sundance»-Festival und Ausstrahlungen sowohl im amerikanischen, als auch im britischen Fernsehen im März respektive Juni dieses Jahres wird «Top of the Lake» nun auch zum allerersten Mal einem Schweizer Publikum zugänglich gemacht. Diesen Samstag, dem 12. Oktober 2013 zeigt das Bildrausch Filmfest Basel die rund sechsstündige Miniserie ab 15:00 im Stadtkino Basel – und zwar in voller Länge.

Die Weiten von Neuseeland.

Die Weiten von Neuseeland bilden die Kulisse bei «Top of the Lake».

Die amerikanische Fernsehlandschaft befindet sich in einem Wandel. Waren es noch vor zwanzig Jahren fast ausschliesslich die grossen «Broadcast-Networks» ABC, NBC, Fox und CBS, welche sich für die Produktion von Fernsehserien verantwortlich zeigten, ist der Markt während den letzten zwei Dekaden förmlich explodiert. Zuerst waren es die «Premium Cable»-Anbieter HBO und Showtime, dann kleinere «Basic Cable»-Sender wie AMC oder FX und mittlerweile schneiden sich sogar Streamingdienste wie Netflix und Amazon, die eigentlich gar keine «richtigen» TV-Sender sind, ihrerseits Stücke vom scheinbar immer grösser werdenden Kuchen ab. Für uns Zuschauer sind die Vorteile immens: Nicht nur, dass uns Jahr für Jahr schlicht und einfach mehr Content zur Verfügung steht, so werden dank der Explosion des TV-Marktes heutzutage auch immer wie mehr Serien produziert, deren Aufgabe eine andere ist, als einfach nur eine möglichst breite Masse anzusprechen. Dies zum einen, weil die zahlreichen neuen Mitspieler in der TV-Welt mittlerweile gelernt haben, wie man auch trotz tiefen Einschaltquoten von Erstausstrahlungen Profit aus dem eigenen Produkt schlagen kann (Stichwörter: DVD-Verkäufe, Streaming oder eben internationale Koproduktionen), und zum anderen, weil jene neuen Player ihre Duftmarke in der Regel zuerst mittels gezielter Nischenprogrammierung bei speziellen Zielgruppen abseits des TV-Mainstreams setzen möchten, anstatt von der ersten Minute an mit den «Big Boys» mitzuspielen. Jene Nischenprogrammierung hat mittlerweile aber nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Ausstrahlungsform einer TV-Serie Einfluss genommen. Denn nicht jeder potenzielle TV-Zuseher hat genügend Freiraum, um ausreichend Zeit in das bislang gängige Businessmodell des amerikanischen Fernsehens – 22 Episoden pro Jahr und das möglichst viele Jahre lang – zu investieren und so kann es also nur von Vorteil sein, dass sich in letzter Zeit immer wie mehr kürzere Serienformate durchgesetzt haben.

Einer dieser angesprochenen neuen Player ist der «Sundance Channel». Der Name des Senders lässt vermuten, dass er ein Ableger des jährlich stattfindenden «Sundance»-Filmfestivals ist, was allerdings nur die halbe Wahrheit ist. Neben der Kooperation mit dem Festival ist der Sender nämlich ebenso Teil der AMC-Sendergruppe, die mit ihrem Flagschiff AMC in den letzten Jahren nicht zuletzt dank der fantastischen Charakterstudie «Mad Men» und dem bereits jetzt schmerzlich vermissten «Breaking Bad» (und hierbei darf auch das zu Unrecht unterbewertete «Rubicon» nicht unerwähnt bleiben) das «Golden Age of Television» wesentlich mitgeprägt hat.

Und so macht sich der Sundance Channel nun also auf, um das nächste Kapitel dieses goldenen Zeitalters zu schreiben. Für seine ersten beiden Eigen(mit-)entwicklungen hat sich der Sender zwei Projekte ausgesucht, die vom Einheitsgrau der «Broadcast-Networks» unterschiedlicher nicht sein könnten. Zum einen wäre da das von Oscarpreisträger Ray McKinnon geschriebene und nur wärmstens zu empfehlende «Rectify», dessen Tempo und Bildsprache eher an einen Terrence Malick-Film erinnert als an eine TV-Serie, und – um den Bogen wieder zurück zum Anfang zu machen – die in sich abgeschlossene Miniserie «Top of the Lake», von der es auf Wunsch von Regisseurin Jane Campion keine Fortsetzung geben soll. Fernsehen, bei dem die Story das Businessmodell diktiert und nicht etwa umgekehrt: Daran muss man sich als Zuschauer erst noch gewöhnen.

Robin Griffin (Elizabeth Moss)

Robin Griffin (Elizabeth Moss)

Im Mittelpunkt von «Top of the Lake» steht die Kriminalbeamtin Robin Griffin (Elizabeth Moss, bekannt aus ihrer Rolle der Peggy Olson aus «Mad Men»), die im idyllischen Örtchen «Laketop» auf der Südinsel von Neuseeland, in welcher das Geschehen der Miniserie hauptsächlich spielt, aufgewachsen ist, ihren Wohnsitz mittlerweile aber im entfernten Sydney hat. Eigentlich wollte sie ja nur ihre krebskranke Mutter besuchen, ziemlich schnell wird sie jedoch in den Fall der schwangeren Tui Mitcham mit hineingezogen. Und spätestens zu jenem Zeitpunkt, als Tui plötzlich spurlos vom Erdboden verschwindet und Griffin mit der erschreckend inkompetenten örtlichen Polizei, die offensichtlich keine Ahnung hat, wie sie einen solchen Fall richtig anzugehen hat, konfrontiert wird, ist für die zielgerichtet auftretende Griffin klar, dass sie in diesem Fall selber ermitteln muss. Dass sie dabei allerdings allerorts dazu gezwungen wird, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, erschwert ihre Ermittlungen erheblich. So trifft sie unter anderem auf den misogynen Matt Mitcham (ein hervorragend spielender Peter Mullan), den zwielichtigen Vater von Tui, der sich wiederum mit einer sektenähnlichen Gruppe von Frauen (angeführt von einer herrlich distanziert spielenden Holly Hunter) herumschlagen muss, die sich auf Land, welches sich in seinem Besitz befindet, niedergelassen hat und deren Pläne nicht wirklich ersichtlich sind, oder ihre alte Jugendliebe Johnno (Thomas M. Wright), Tui’s Halbbruder, mit dem sie ebenfalls die eine oder andere offene Rechnung zu begleichen hat.

Robin Griffin: Auf Schritt und Tritt von ihrer Vergangenheit verfolgt.

Robin Griffin: Auf Schritt und Tritt von ihrer Vergangenheit verfolgt.

Ein Teenager, dem Unrecht getan wird? Inkompetente örtliche Polizei? Eine Hauptfigur, die sich während den Ermittlungen den Dämonen aus der eigenen Vergangenheit stellen muss? Das klingt auf den ersten Blick jetzt nach dem gewohnten Einmaleins jener «Murder Mysteries», die in den letzten Jahren weltweit wie Pilze aus dem Boden geschossen sind (Einige davon, so wie das dänische «Forbrydelsen» oder die hervorragende ITV-Produktion «Broadchurch», sind sogar richtig gut!), «Top of the Lake» kann jedoch nicht nur mit seinen diversen Charakteren punkten, sondern hat noch ein weiteres Ass im Ärmel. So ist es nämlich vor allem die wunderschöne Szenerie Neuseelands, die «Top of the Lake» zu einer «Must see»-Krimiserie machen. Gefilmt vor Ort in und um Queenstown – also etwa dort, wo auch schon diese gewissen anderen Filme produziert wurden – fingen Jane Campion, Co-Regisseur Garth Davis und Kameramann Adam Arkapaw derart wunderschöne Bilder ein, dass sie – zumindest fernsehtechnisch – sogar eine echte Konkurrenz für die Weiten von Albuquerque und Umgebung darstellen. «Top of the Lake» sieht nicht wie «klassisches» Fernsehen aus, sondern hat den Look eines Kinofilms und gehört dementsprechend also völlig zurecht auf eine Kinoleinwand.

Bedenkt man zudem, wie sehr das sogenannte «Binge-Watching» (also sich anstatt einmal pro Woche eine Folge zu einer von einem TV-Sender fest diktierten Zeit anzuschauen, eine Serie nach eigenem Tempo durchzuschauen – zum Beispiel eine ganze Staffel an einem einzigen Wochenende) in den letzten Jahren in Mode gekommen ist – sei es, weil diese Methode komplexe Storylines oder das Labyrinth der Charaktere einfacher zugänglich macht («The Wire») oder einfach nur, um schlechte Episoden und Storylines schneller ausblenden zu können («LOST», «Homeland») – macht es also nur Sinn, dass Bildrausch «Top of the Lake» in einer einzigen Sitzung in voller Länge und am Stück zeigen wird. Zwar wurde die Serie in den USA und England über 6 respektive 7 Wochen gezeigt, die einzelnen Teile sind allerdings nicht nach einem klassischen Episodenmodell aufgebaut und eignen sich daher perfekt dazu, um ohne Unterbruch gezeigt zu werden.

«Top of the Lake»: Diesen Samstag, 12. Oktober, im Stadtkino Basel. Beginn: 15 Uhr. Einmalige Aufführung.

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