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Die neue Musik-Bibel für Basler Bands

Joel Gernet am Freitag den 20. Mai 2011

Der Basler Rockförderverein (RFV) hat ein Monster erschaffen. Es umfasst satte 180 Seiten, auf denen Musikschaffenden so ziemlich alles vermittelt wird, was im «Haifischbecken Musikbusiness» neben dem Soundmachen dazugehört. Das ist wichtig, denn so sehr Künstler die Musik lieben, so sehr hassen die meisten das geschäftliche Drumherum (das hat auch der Basler Rocker Baschi Hausmann unlängst an dieser Stelle klar gemacht). «Rockproof 2.011 – Alles für deine Band» heisst der Gratis-Musikerguide, der seit gestern digital erhältlich ist (hier als PDF, oben als E-Book) und der von den Machern als «GPS fürs Musikbusiness» beschrieben wird.

Die Bezeichnung trifft mitten ins Schwarze, wie sich beim Durchblättern bzw. Durchklicken der elf Rockproof-Kapitel zeigt: Vom Stichwortverzeichnis über Studiotipps und Urheberrechtsfragen bin hin zu Interviews mit Profis aus der Branche ist alles dabei. Man erfährt, was ein Band-Manager macht (und was nicht), wie man zu Fördergeldern und Konzerten kommt, dass Konzert-Bookings mindestens drei Monate im Voraus gefixxt werden und dass Newcomer normalerweise eine Gage von 200 bis 400 Franken erhalten.

Schon auf den ersten Seiten wird den Künstlern geraten: «Don’t be a Copy» (als Musiker sollte man das ja instinktiv wissen); Originalität und Kreativität sind gefragt – und zwar in Punkto Musik und Selbstvermarktung. Aber zuviel der Einzigartigkeit darf es dann auch wieder nicht sein, wie am Beispiel schlechter Bandfotos gezeigt wird. Etwa das Bild der fünfköpfigen Rockgruppe, deren Mitglieder aufgereiht wie die Hühner auf einer Bank sitzen – ihre entblössten bleichen Hintern der Kamera zugewandt. Ein Bandfoto kann entscheidend zu einer gelungenen CD-Promotion beitragen, wie 20-Minuten-Musikjournalist Niklaus Riegg in einem der Rockproof-Interviews erklärt: «Gutes Bildmaterial kann dazu führen, dass aus einem geplanten kleinen Bericht ein grösserer wird.» Das sagt der Mann am Drücker der meistgelesenen Schweizer Gratis-Zeitung – wer hier gross abgebildet wird, erreicht wohl mehr Leute als mit den meisten anderen Promo-Tools zusammen.

So nicht: Beispiel für ein schlechtes Bandfoto.

«Wer keine oder schlechte Fotos hat, wird nie gross rauskommen», lässt sich auch BaZ-Kulturredaktor Marc Krebs im Rockproof zitieren. Hoch- und breitformatige Bilder brauche es, jederzeit in bester Qualität auf der Band-Homepage für die Medien verfügbar (merkt euch das, liebe Bands;). Ebenso matchentscheidend wie das Bandfoto ist der Pressetext – wer mit abgelutschten Superlativen und Floskeln daherkommt, landet schneller im Abfallkorb als ein schlechter Stagediver im Bühnengraben.

Ein Standardwerk für junge Musiker soll Rockproof werden – nicht nur in der Nordwestschweiz, erklärt Chrigel Fisch vom RFV. Zusammen mit dem Grafiker Andreas Hidber hat Fisch den Löwenanteil der Arbeit für den neuen Musikguide gestemmt. «Ich bin völlig geschafft, zum Glück ist das Teil jetzt fertig», sagt Fisch. Anderthalb Jahre Arbeit stecken in der zweiten Auflage des Rockproof. «Es ist keine Neuauflage, sondern ein komplett neues Werk.» Einzig der Titel sei vom Vorgänger aus dem Jahr 2002 übernommen worden. Fisch und witzelt: «Rockproof ist das Vietnam des RFV – man kommt leicht rein, aber schwer wieder raus». Man habe das Projekt unterschätzt – vor allem die technische Seite. Von aussen betrachtet, könnte man auch sagen, man hat beim RFV die Messlatte so hoch wie möglich angesetzt – und ist den eigenen Ansprüchen schlussendlich gerecht geworden. Das Teil ist umfassend, lehrreich und unterhaltsam zugleich. Und gepfeffert mit einer tüchtigen Prise Humor.

Dass Rockproof ausschliesslich digital erscheint, ist konsequent, hat man doch einen immensen Aufwand betrieben, um die Inhalte zu verlinken. Untereinander, aber auch auf externe Seiten. Kein Band, kein Video-Still, keine Homepage ohne einen weiterführenden Link. Wie krass das ist, merkt man erst beim Durchforsten des E-Books: Ein Click auf ein Bandfoto und schwupps gelangt man zu einem YouTube-Video der Band. Da wurden die vorliegenden Mittel bis aufs Letzte ausgereizt. Der Guide kann sowohl als PDF (für Altmodische) wie auch als Online-Buch gelesen werden; die Inhalte sind massgeschneidert für den Gebrauch auf Laptop, Smartphone oder iPad. Entsprechende Apps sind in Arbeit.

Stark sind auch das ästhetische Layout mit simpel gestalteten Seiten, farbigen Grafiken, grosszügigen Fotos und den vielen unterhaltsamen, hervorgehobenen Zitaten. Sogar Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister oder Punk-Legende Patti Smith kommen so zu Wort.

Gerade die Interviews mit Musikjournalisten (z.B. Albert kuhn), Labelvertretern, Studiobetreibern (z.B. Bligg-Produzent Fred Hermann), Bandmanagern und Musikern machen Rockproof für alle Musikbegeisterten zur Pflichtlektüre – nicht nur für Newcomer. Hier wird alles beschrieben, was man wissen muss, um als ambitionierter Künstler fürs Musikbusiness gewappnet zu sein. Aber die Musik muss man dann schon noch selber machen, dafür gibts keine Anleitung.

Mit «Rockproof 2.011 – Alles für deine Band» hat der RFV einen grossen Wurf gelandet. Chapeau. Und jetzt click ich mich hier nochmals durch die 180 Seiten Musikwissen und guck, ob ich auch noch etwas zu meckern finde…

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5 Kommentare zu “Die neue Musik-Bibel für Basler Bands”

  1. Ueli-Paul-Roland sagt:

    Red Hot Chili Peppers hatten mit einem ähnlich schlechten Foto durchschlagenden Erfolg…

  2. Paul Milton sagt:

    “Don’t be a copy” und das in so einem trendywhore-Layout! Tsts…

  3. Mic Rasmussen Meyer sagt:

    Toller Satz “Nur böse Menschen haben keine neuen Lieder”. Abgekupfert von “Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen kennen keine Lieder”. Das war ein Wahlspruch der Nazis für ihre Hetzgesänge.

    Die Autoren können sich nicht mit Ironie-Hinweisen oder einer “Gnade der späten Geburt” entschuldigen. Die Böhsen Onkelz haben das Thema zu deren Lebzeit aufgewärmt.

    Grauenvolle Ignoranz gegenüber der jüngeren Geschichte!

    Pfui Spinne!

    • Chrigel Fisch sagt:

      @ Mic Rasmussen: Nein, abgekupert bei Robert Lembke: “Böse Menschen haben keine Lieder, aber häufig eine Stereo-Anlage.”

      Lembke hatten einen jüdischen Vater und weigerte sich in der NS-Zeit, die Loyalitätserklärung der Nazis zu unterschreiben und erhielt als Journalist darauf hin ein Arbeitsverbot. Nachzulesen bei Wiki und anderswo.

      In Rockproof, das durchaus auch mal ironisch ist, geht es aber um andere Dinge. Schönes Wochenende!

  4. Massimo sagt:

    Nun gibt es eine 180 Seitige Basler Rockbibel, cool, ich nenne es selbstbeweiräucherung des Rockfördevereins. Naja, das Geld wurde schon dümmer ausgegeben, nun konnten sich die Macher am Geld laben und für die Musiker ist nun dummerweise kein Rappen mehr übrig.