Als vergangenen April Roxy Records, der einzige szene-relevante CD-Laden in der Basler Innenstadt, ankündigte, sein Tore für immer zu schliessen, platzte das Roxy an seinem letzten Tag urplötzlich aus allen Nähten. Wahrscheinlich hatten die meisten, die damals noch kurz vor Schluss eine CD ergattern wollten, das Innere des Roxy seit über 10 Jahren nicht mehr gesehen. Trotzdem beklagten sich alle darüber, dass Basel nun keinen einzigen unabhängigen CD-Laden in der Innenstadt mehr besässe, und im Nu sprossen zahlreiche Facebook-Gruppen aus dem Boden, in denen alle um das Roxy trauerten oder sogar die Verantwortlichen des Untergangs zu Rechenschaft ziehen wollten.
Knappe 18 Monate später bietet sich das gleiche Bild: Im Februar 2010 wird bekannt, dass das Volkshaus vor dem Ende steht. 5761 Personen unterstützen das Komitee «Popstadt Basel», welches für Basel u.a. eine Konzerthalle mit einem Fassungsvermögen für 1500 Besucher fordert, mit einer Unterschrift. Als knapp einen Monat später dann die kanadische Band The Hidden Cameras zu Gast ist, sind wieder einmal nur 45 Besucher anwesend. Und das ist nicht etwa ein Einzelfall: CasioKids? 40 Besucher. Hercules And Love Affair (im grossen Saal)? knapp über 100 Besucher. Und diese Liste lässt sich leider beliebig fortsetzen…
Doch als letzten Donnerstag dann der Schwede Kristian Matson alias The Tallest Man On Earth zum vorerst letzten Konzertabend im Volkshaus aufspielt, sind im Unionssaal plötzlich über 400 Leute zugegen. Und wie so oft in Basel hört man dann in den Gängen, wie schade es doch sei, dass es mit den Konzerten im Volkshaus nun schon wieder vorbei sei. Und so weiter…
Offensichtlich werden in Basel also lieber Komitees gegründet und Facebook «Like»-Buttons angeklickt, als an Konzerte gegangen. Es stellt sich also die Frage: Wieso braucht Basel eine Konzerthalle für über 1500 Personen, wenn ein Konzertpublikum dafür gar nicht existiert? Oder existiert es doch und wird in Basel schlicht und einfach das falsche Programm angeboten? Diese und andere Fragen haben wir Heinz Darr gestellt – schliesslich kennt sich wohl kaum jemand anderes mit dem Konzertbetrieb dieser Stadt so gut aus, wie der ehemalige Booker des Volkshauses und der Kaserne. Seine Antworten zu diesem Thema werden wir morgen publizieren – alle Leser sind jedoch herzlich dazu eingeladen mittels Kommentarfunktion schon jetzt ihre persönlichen Meinungen dazu abzugeben.
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Wirklich ein interessantes Phänomen. Vielleicht wäre es schlau Konzerte für Basler Zuschauer direkt aus dem Proberaum der Band live ins Facebook zu streamen und statt zu applaudieren drücken nach jedem Song 1000 Leute den like button.
Aus meiner Sicht gibt es verschieden Gründe wieso Konzerte im Volkshaus kaum besucht wurden.
Da wäre mal das Line Up was aus meiner Sicht, the tallest man on Earth möge die Ausnahme sein, nicht am Puls der Zeit war.
Ein Beispiel: Soulwax spielt in der Kaserne – Ausverkauft! Diese Band hätte auch locker das Volkshaus (für 40 Minuten) gefüllt.
Wieso finden hier keine Absprachen statt? Der Auftritt hätte nach erfolgreichem Vorverkauf noch ins Volkshaus verlegt werden können, sowas funktioniert in anderen Städten prima!
Dann wären da noch das fehlende Konzept und ein schlechtes Markting. Die Internetpräsenz war schlicht ein Witz.
Ich bin gespannt auf den Artikel und die Antworten von Heinz Darr. Ich glaube nicht das man es nur aufs Basler Publikum oder auf das liebe Geld schieben kann.
Thema Roxy. Glücklicherweise können die zahlreichen Trauergäste bald beweisen wie wichtig ihnen ein Szene-Plattenladen ist. Ich bin gespannt – 04.12.2010 –
Ich krieg jeweils schlichtweg nicht mit wenn ein konzert im Volksaus stattfindet. Plakate?
Mit einer vernünftigen Programmierung könnte man das Volkshaus regelmässig füllen. Werden jedoch Bookings getätigt die keine Sau interessieren, kommt halt auch niemand – so einfach ist das! Mit dieser Saalgrösse muss das Booking halt schon was hermachen um die Bude zu füllen.
Als einer, der die Petition Popstadt Basel mitorganisierte, fallen mir zu den angesprochenen Fragen folgende Punkte ein:
Die Leute in Basel sind – wenn Engagement gefragt ist in der Sache, durchaus präsent. Das zeigte sich bei der Popstadt Basel Petition, das zeigte sich auch kürzlich, als die Kuppel von einem Zolli-Komitee zur Disposition gestellt wurde. Die vielen Reaktionen auf bazonline zeigten: Die Ausgeh-Kultur Interessierten bekennen sich zu ihren Standorten und lassen sich nichts wegnehmen. Dass damit nicht alles Szenen-Bands, die in Basel auftreten, damit automatisch ausverkaufte Gigs haben, scheint mir kein Widerspruch zu sein zu obigem Sachverhalt. Kulturangebote gibt es im Prinzip genügend, man kann selektiv auswählen. Das ist auch beim Sport so: Der FCB hat 24’000 verkaufte Saison-Abos, aber der EHC gegenüber steht kurz vor Betriebsschluss, wenn sich nicht etwas ändert.
Was hier angesprochen wurde, ist fehlendes Marketing. Kultur zu veranstalten, hat etwas mit Geschäfte machen zu tun. Möglichst viele Leute ansprechen, Werbetrommel rühren, Tickets verkaufen, Geld einnehmen. Das hat auch etwas mit dem fehlenden vorhandenen Geld zu tun, aber häufig denkt man sich, liegts auch am Willen. Wie kann es sein, dass wie kürzlich die auch auf MTV angesagten Schotten von Biffy Clyro fast überall in Europa ausverkaufte Konzerte haben und hier in der Reithalle sinds dann nur 800 (gem. BaZ) anstatt vor ausverkaufter Kulisse? Ich habe kein einziges Plakat gesehen in der Stadt (gab es welche?); ich kriege die Infos als Kaserne-Verein Mitglied aber zugestellt.
Wie kann man Soulwax für knappe 40 Min. lang im Rossstall auftreten lassen, das Publikum frustrieren, und nicht fähig sein, marktwirtschaftlich zu denken, indem man ein ausverkauftes Konzert kurzfristig in einen grösseren Raum programmiert? (Reithalle Kaserne ging nicht, weil dort die Geburtstagsparty Kaserne vonstatten ging..Theater geht halt vor dort..). Gönnt man einer anderen Location den Erfolg nicht? Kann man nicht miteinander reden ‘ich bringe die Band ins Volkshaus, wir partizipieren dann an den Gastroeinnahmen’ ?? Sind es die Subventionen, die gewisse staatlich begünstigte Veranstalter träge macht?
Es liegt nicht nur, aber auch an der Politik, bzw. an den heutigen Mehrheitsverhältnissen: Wer sich die Mühe macht, das kürzlich publizierte Kulturleitbild vom Departement Guy Morin zu lesen, wird feststellen: Akademische Rhetorik, die versucht, die Kulturformen des Bildungsbürgertums wie Museen, Theater, Oper als alleinige kulturförderwürdige Sache darzustellen. Das Einzige, was zu lesen ist auf den gut 80 Seiten zum Popstadt Basel-Bereich sind: 10 Probelokale sollen erstellt worden. Der ganze übrige Bereich ist ausgeklammert in diesem Bereich. Das sagt einiges darüber, wie ernst man die Interessen jener wahrnimmt, die sich für Konzerte, für Popmusik in all ihren Facetten interessieren in dieser Stadt.
Wie soll sich dies ändern? Gerade der Disput um die Kuppel und das Volkshaus haben gezeigt, dass es ein grosser Teil des Publikums ist, welches sich dafür einsetzt, dass Popmusik in der Stadt (und nicht ausserhalb..) stattfinden kann. Es braucht aus meiner Sicht aber neben der Bereitschaft zur Diskussion mit Lobbys anderer Kulturformen aber auch mehr unmissverständliches Fordern, auch wenn es zu Lasten anderer geht. Das machen nämlich die Lobbys von Theater & Kons. auch so, indem sie dafür sorgen, dass der Status Quo erhalten bleibt. Offensiveres mutiges Vorgehen wäre angebracht angesichts der Tatsache, dass man viele Leute hinter sich weiss. Let’s Go!
kann mich karl nur anschliessen! als initiator der facebook gruppe und der petition sehe ich die sache auch etwas anders als luca bruno… basel braucht das volkshaus nicht für die oben aufgelisteten bands, sondern für bands wie kings of convenience, grizzly bear, whitest boy alive etc, die die halle auch füllen. casioKids können auch im hirschi auftreten. es gibt genug grosse acts, die basel auslassen und direkt nach zürich gehen. diese muss man wieder nach basel holen. dazu brauchen wir das volkshaus und leute wie heinz darr. der betrieb im 2009 war durchaus erfolgreich. im 2010 konnte man aufgrund der umstände unmöglich ein langfristig erfolgreiches programm planen. leider. aber für erfolg braucht es konstanz und ein stammpublikum.
Tatsächlich finde auch ich, als einfacher Unterzeichner, wie Lukas und Karl von der Petition: Die Namen etwas zu klein, was zur Situation der Popstadt Basel passt, und deshalb war der Atem deutlich zu kurz. Luca, für die genannten Bands bestehen in und um Basel bereits einige deutlich geeignetere Auftrittsorte: Parterre, 1. Stock – hell, bei diesen Grössenordnungen käme ja sogar noch das Carambolage in Frage. (Dies sage ich, ohne Genaueres über allfällige Spezialisierungen dieser Lokale zu wissen, die dagegen sprechen könnten.) Den verhältnismässig grossen Aufmarsch bei The Tallest Man on Earth nur der Tatsache zuzuschreiben, dass wieder einmal eine Konzertserie in Basel endet, finde ich doch deutlich zu einfach. Ich persönlich gehe sehr gerne an Konzerte – aber ausschlaggebend ist halt doch (vor allem bei den heute marktüblichen Eintrittspreisen), dass ich oder ein Bekannter die Musik kenne/t und schätze/t. Und das war dieses Jahr im Volkshaus nur beim ‘King of Spain’ der Fall.
Es ist schwierig und es bleibt schwierig für den Pop in Basel – aber weder dem Veranstalter noch dem Publikum hilft es, wenn man sich jetzt den schwarzen Peter zuschiebt. Man sollte auf beiden Seiten versuchen, von der Situation auszugehen, wie sie ist und nicht davon, wie man sich es vom Himmel herab wünscht – und diesen Impuls sehe ich in deinem Beitrag, Luca. Da bin ich voll einverstanden.
tz tz tz konzertsaal tönt nicht gerade für junge
dacht der musiksaal im casino sei für konzerte !
und hotels hat basel auch schon bald an jeder ecke 🙁
Es kann doch nicht darum gehen, dass man die angekündigte Band kennt und dann auch noch rechtzeitig das Plakat zum Konzert sieht… AHA, der oder die spielen dann und dann im Volkshaus.
Es fehlen meines Erachtens keine geeigneten Säle, oder Angebote musikalischer Art.
Was eindeutig fehlt in Basel ist ein musikinteressiertes Publikum, das sich generell freut einen Liveact sehen zu können. Auch wenn man nicht weiss, was einen erwartet. Oder eben die Band nicht kennt. Im schlimmsten Fall geht man nach einer halben Stunde wieder raus aus dem Konzert und in die nächste Beiz….
Woher diese abwartende Haltung wohl kommt ?
Und da nutzen die vielen Like Buttons so viel wie… Irgendwie sind die doch eh überflüssig.
Danke für diesen Kommentar, “Dirk”.
Ich wollte mit diesem Artikel eigentlich gar keine (erneute) Diskussion über’s Volkshaus starten, sondern viel mehr darauf hinweisen, dass man sich ja auch einfach mal die Mühe machen könnte, die kleineren Konzertbühnen der Stadt auszuchecken – anstatt auf “grosse” Acts zu warten, von denen pro Jahr sowieso nur ca. 2 in Basel vorbeischauen.
Nur weil eine Band im Hirscheneck, im Parterre, im Unionssaal des Volkshauses oder im 1.Stock spielt und seine Platten auf einem Indielabel veröffentlicht, heisst das noch lange nicht, dass sie schlechter ist als eine Band, die im Volkshaus oder in der Reithalle der Kaserne auftritt. Bestes Beispiel dafür: Grizzly Bear und The Whitest Boy Alive, deren letztjährige Konzerte im Volkshaus von so ziemlich allen Seiten gelobt wurden, haben schon vor 3, respektive 4 Jahren zum ersten Mal ein Konzert in dieser Stadt gespielt (beide auf dem Schiff). Und diese beiden Konzerte waren gleicht gut (Grizzly Bear), wenn nicht sogar besser (The Whitest Boy Alive), als ihre jeweiligen Auftritte im Grossen Saal des Volkshauses.
Der Hinweis auf die kleineren Konzertbühnen – in Basel und der Region nota bene – ist ein guter Ansatz, um die Leute wieder für Livemusik im kleinen Rahmen zu begeistern.
Im Rockfact Music Club im Walzwerk in Münchenstein zum Beispiel (www.rockfact.ch) haben in der Saison 2010 rund 80 !!! Baslerbands und solche aus der Region die kleine aber feine Bühne bespielt; und dies in hervorragender Qualität!
Willkommen also in den zahlreichen Clubs Basels und der Umgebung wo es viel zu entdecken gibt.