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Die totale Erniedrigung

Fabian Kern am Mittwoch den 31. Juli 2013

Filmplakat

«Vénus noire» läuft ab 1. August im kult.kino Camera.

Sarah «Saartje» Baartman (Yahima Torrès) möchte das, was viele Frauen möchten: heiraten, Kinder kriegen, ein ruhiges Familienleben in ihrer Heimat führen – ein ganz normales Leben halt. Leider schreiben wir das frühe 19. Jahrhundert, und Südafrika heisst noch Kapland. Deshalb sieht sie leider Chance dafür in Hendrick Caezar (André Jacobs). In dessen Familie hat die Afrikanerin in Kapland, dem heutigen Südafrika, als Hausmädchen gearbeitet. Weil sie nach dem Tod von zwei unehelichen Kindern in ihrer Heimat nichts mehr hält lässt sie sich von Caezar sie mit Versprechungen von Abenteuer und Reichtum zur Reise nach Europa überreden. Denn Saartje hat etwas Seltenes zu bieten: ihren Körper.

Caezar und Saartje

Billige Show: Caezar und Saartje. (Bilder Xenix)

Saartje gehört zum Stamm der Khoikhoi, in Europa besser bekannt unter dem Namen «Hottentotten». Die Frauen fallen durch ein enorm ausgeprägtes Hinterteil auf, sowie durch sehr lange innere Schamlippen. Das verrät auch schon die Geschäftsabsicht von Caesar: Er lässt Saartje in einer Freakshow in London als «Hottentot Venus» auftreten. Dort präsentiert sie sich als nur schwer bezähmbare Wilde und wackelt mit ihrem Hintern. Als entwürdigenden Höhepunkt dürfen sich die Zuschauer durch Betatschen von der Echtheit des überdimensionalen Pos überzeugen. Kurz: Es ist die totale Erniedrigung.

Saartje

Abgestumpft: Saartje beim «Frühstück.

Réaux und Saartje

Leder und Peitsche: mit Réaux in Frankreich.

Diese Meinung vertreten allerdings auch bereits im London des Jahrs 1810 viele Leuten – schliesslich ist Sklavenhandel seit 1807 verboten. Deshalb muss sich Caezar vor Gericht für seine Show verteidigen, was ihm mithilfe von Saartje gelingt. Die Hauptdarstellerin erklärt, sie sei aus freiem Willen in England und spiele nur eine Rolle. Sie verrät nicht, dass sie zunehmend unter den Erniedrigungen leidet und immer öfter zur Flasche greift. Das wird auch nicht besser, als der skrupellose Dompteur Réaux (Olivier Gourmet) zur Truppe gesellt, der schliesslich Caezar auszahlt und in Frankreich allein mit Saartje auf Tour geht. In der französischen Oberschicht kommt die exotische Show, die zusehends ins S/M-Genre abgleitet, so lange gut an, bis es Réaux mit der Brutalität übertreibt. Er sucht und findet andere Einnahmequellen. Erst lässt er Saartje für viel Geld von Pariser Naturwissenschaftlern untersuchen und vermessen. Als sie sich weigert, vor den Gelehrten ihre Genitalien zu präsentieren, wird sie ins Bordell abgeschoben, wo sie langsam zugrunde geht.

Saartje in Paris

Katalogisiert wie eine Pflanze: Saartje in Paris.

Abdellatif Kechiche erzählt in «Vénus noire» eine tieftraurige Geschichte mit einer starken Hauptdarstellerin. Die 160 aufwühlenden Minuten sind nichts für Zartbesaitete und zeigen, dass Rassismus nichts mit Stand oder Bildung zu tun hat. Die Folgen der Kolonialzeit werden einem in nicht effektheischenden, aber sehr eindringlichen Bildern vor Augen geführt. Und das Traurigste an der Geschichte: Sie ist wahr. Sarah Baartman hat tatsächlich gelebt, 1815 wurde sie im Alter von nur 26 Jahren von ihrem freudlosen Dasein erlöst. Der Gipsabdruck ihres Körpers ist heute immer noch im «Musée de l’Homme» in Paris ausgestellt. Ihre sterblichen Überreste aber fanden den Weg zurück in die Heimat. 2002 wurde ihr Skelett nach jahrelangem Insistieren von Nelson Mandela nach Südafrika gebracht und dort in einer grossen Zeremonie beigesetzt. Für die arme Saartje war das aber kein Trost mehr.

«Vénus noire» läuft ab 1. August 2013 im kult.kino Camera in Basel.

Weitere Filmstarts in Basel am 31. Juli und 1. August: Gambit, Möbius, Die Schlümpfe 2, Plato’s Academy, Rebelle.

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