Gleich drei neue regionale Rap-Releases lassen die Szene am Rheinknie zur Zeit im besten Licht erstrahlen: Mit «Airplane To Paradise» präsentieren die Ladies PearlBeatz und Quenn ihr erstes Kollabo-Album; Dirty D und Trace ballern mit «Startschuss» ein eindrückliches Signal in den Himmel; und Scout legt nach über einer Dekade seinen allerersten Solo-Release überhaupt vor.
Wie es sich gehört, gewähren wir an dieser Stelle den Damen den Vortritt. Insbesondere in der Testosteron-geschwängerten Rapwelt ist das ganz wichtig. Zum ersten Mal gemeinsam aufhorchen liessen PearlBeatz & Quenn im Herbst 2011 mit einem Song auf Pearls Produzenten-Album. Zwei Jahre später präsentiert das Duo nun ihr Kollabo-Album «Airplane To Paradise». Die samtweiche Stimme von Quenn zieht den Hörer sofort in Bann – der Rapperin und Sängerin würde man vermutlich auch zuhören, wenn sie Packungsbeilagen vorliest. Das Hochdeutsch der Baslerin ist einwandfrei, manchmal fast zu perfekt.
Dass der erste Song «Startklar» reimtechnisch nicht zu den besten des Albums gehört, ist leider etwas unglücklich. Scheint ein älterer Track zu sein, auf dem Quenn eigentlich mein Album-Fazit vorzieht: «Danke denen, die an uns glauben, die jetzt schon das in uns sehen, was erst Entwicklung braucht», rappt die Baslerin und liegt damit absolut richtig. Man hört nämlich, dass Quenns Raps und Pearls Beats hervorragend miteinander harmonieren. Und dass man sich in den letzten zwei Jahren gehörig entwickelt hat. Bester Beweis ist «Showgirl», ein Song über eine selbstbewusste Vorstadtfrau, die weiss, was sie will und macht. Ein Beat wie aus dem Pariser Varieté, dazu der buttwerweiche, lockere Singsang von Quenn – ganz gross, dieses Ding!
Ausnahmsweise auf Englisch: Pearlbeatz & Quenn mit «Evil Clowns». Dieser Song ist nicht auf dem Album vertreten.
Im Titeltrack «Airplane To Paradise» philosophiert Quenn über Todessehnsucht. Und kommt zum Schluss, dass sie das Paradies in sich selbst – im Diesseits – finden kann. Ebenfalls um den Tod gehts im Song «Der Zug rollt»: Über einen knackigen Beat mit sphärischen Stimm- und Piano-Samples schildert die Rapperin, wie sie im Alltagsstress bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt und danach die Szenerie vom Jenseits aus beobachtet. Packendes Storytelling.
Trotz seiner tragischen Momente ist «Airplane To Paradise» keine düstere Platte. Das beweisen Songs wie «Easy» und «Hallo mein Lieber» – zwei Tracks, so stark wie dieses Album, dessen Fazit ihr ja bereits oben lesen konntet. Ein solides Debut eines vielversprechenden Duos.
Ebenso vielversprechend kommen Trace und Dirty D mit ihrer Gratis-EP «Startschuss» (download hier) daher. Auf insgesamt sieben Songs zeigen sich die beiden selbstbewusst und nachdenklich zugleich. Nachdem man der Schweizer Rapszene einen «Tritt ins Gsicht» verpasst hat, lassen der Rodersdorfer Trace und der Allschwiler Dirty D auf «Alles wo blibt» die Höhepunkte und Tiefschläge ihrer bisherigen Rapkarrieren Revue passieren – ein ganz starker Song mit super Hook und stimmigem Beat. In eine ähnliche Richtung geht «Schall und Rauch» (siehe Video), der mich vor das Luxusproblem stellt, dass ich mich nicht entscheiden kann, welchen Song ich mehr mag. Worum es auf Songs wie «Kings» oder «Läbe für das» geht, muss bei diesen Titeln ja eigentlich nicht erklärt werden.
Die Beats auf der «Startschuss»-EP überzeugen durchs Band und bewegen sich alle im Bereich gut bis sehr gut. Vom Club-Banger bis zum melancholischen Piano-Heuler ist alles dabei. Dass die sieben Soundunterlagen von sechs verschiedenen Produzenten stammen (von denen ich schändlicherweise noch nie gehört habe), macht die Sache umso interessanter. Dass Dirty D ein guter Rapper und Hoffnungsträger ist, habe ich ja bereits einmal geschrieben. Die grosse Offenbarung dieser EP ist für mich Trace: Früher hat man den jungen Rapper weniger wegen seiner Skills, sondern vielmehr wegen seiner Aufdringlichkeit wahrgenommen, beziehungsweise ignoriert. Jetzt steht uns da ein selbstbewusster Rapper gegenüber, der massive Fortschritte gemacht hat und wunderbare Refrains schreiben und singen kann. Chapeau! Von der Nervensäge vom Hoffnungsträger – ich mag solche Geschichten. Und ich liebe Gratis-Downloads von derart herausragender Qualität. Jungs, jetzt muss ein Album her!
Als Letzter reiht sich Scout MC aus Pratteln ein. Nach über zehnjähriger Absenz präsentiert der Ausnahmerapper nun sein erstes Solo-Album «Ohni Sorge». Und der Name ist Programm: Man hört dem Familienvater an, dass sich in seinem Leben einiges verändert hat – in die richtige Richtung.
Wenn Scout über Freunde, Familie und das Leben im Allgemeinen rappt, strahlt er eine ansteckende Zufriedenheit aus. Man meint beim Zuhören förmlich das Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. Das erlebt man nicht oft. Aus dem herausragenden Freestyle-Rapper, der um die Jahrtausendwende von sich Reden machte, ist ein Musiker geworden.
Neben dem positiven Vibe bestechen vor allem Scouts intelligente Texte – und seine Gesangskünste, die er etwa auf dem Titeltrack «Ohni Sorge» zeigt. So ist eine Art Songwriter-Rap-Album entstanden, das auch durch die Handschrift des Gitarristen Andreas Röthlisberger geprägt wird. Im Kellerstudio des Muttenzers wurde Scouts Album in Eigenregie produziert und aufgenommen. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits verfügt das Album so über einen ganz eigenständigen Klang; andererseits würde den Gitarren-dominierten Beats auf Albumlänge etwas mehr Abwechslung nicht schlecht bekommen. Scout und Röthlisberger haben mit wenigen Mitteln ein hervorragendes Album erschaffen – und damit auch das Fundament für weitere Musik.
Das funky Supplement kommt an dieser Stelle von DJ Ace. Der Basler bereichert die HipHop-Szene am Rheinknie mittlerweile seit rund zwei Jahrzehnten als Sprayer, Breaker, Party-Organisator, Shop-Betreiber – und vor allem als DJ und Beat-Produzent. In eben dieser Funktion hat der Tausendsassa kürzlich das neue Video zu seinem Breakdance-Song «Arsal The B-Boy» veröffentlicht. Der Track – ich würde ihn liebevoll als Mariachi-Funk bezeichnen – erschien 2012 auf auf dem Soundtrack zum «Battle Of The Year», das sind sozusagen die Weltmeisterschaften im Breakdance. Im Video zu sehen ist das Who-is-Who der Basler Breakdance-Szene: Jay-Roc, Still-Ill, Ben-X, TK-O, Janick und Pedrolic, gemeinsam bekannt als Ruff’n’X. Das Video ist von Jakebeatz (PW Records). Viel Spass…
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Oh mann, die Schweizer Musikszene hat wieder mal einen Tiefstand erreicht..ö.
der massimo hört wohl keinen hiphop und muss alles schlecht reden was nicht seinem musikbild entspricht..
am stärksten von diesen releases kommen trace und dirty d rüber. wirkt einfach am sichersten und am professionellsten. mit scout kann ich leider nichts anfangen, quenn und pearl haben auch noch recht viel luft nach oben. da wär vielleicht eine ep sinnvoller gewesen, weil das für mich noch keine musik ist, die ich unbedingt kaufen muss. startschuss dagegen kann für mich auch auf albumlänge funktionieren. find ich aber super dass es sowas gutes umsonst gibt!
Also Massimo mag wohl kein Hip Hop hören, der Roland hat dafür einfach überhaupt keine Ahnung.