Unter dem Banner der «Set it Off»-Tour touren derzeit die fünf jungen Produzenten XXYYXX, Slow Magic, Giraffage, Beat Culture und Blackbird Blackbird – mit Ausnahme von Erstgenanntem alle aus Kalifornien stammend – quer durch Europa. Eine neue Generation Musiker, die an ihrer Musik vorwiegend in den eigenen Schlafzimmern bastelt um sie gleich anschliessend ihrem massiven Gefolge auf Twitter und Facebook via Soundcloud oder Bandcamp verteilen zu können – und das meistens ohne dafür Geld zu verlangen. Fünf Produzenten, die dementsprechend mehr Wert auf die korrekte Tumblr- und Vaporware-Ästhetik legen, als mit dem Verkauf von physischen Tonträgern Geld zu verdienen. Gestern Mittwochabend, am 8. Mai 2013, machte die Tour halt in der Kaserne…
Die Auftritte von Beat Culture und Blackbird Blackbird, die den Abend nacheinander eröffnen, gleichen sich dabei wie ein Ei dem anderen: Hinter einem Mischpult inklusive Laptop drehen beide Produzenten während ihren Sets ungebremst an einer Vielzahl von Knöpfchen und präsentieren dabei Eigenproduktionen, die meistens in etwa so klingen, als ob hier gerade jemand dabei ist, Instagram-Filter zu vertonen, streuen dabei aber auch immer wieder Remixes von bekannteren Songs ein. So wird von der ersten Sekunde an jeder Beat und jeder Drop vom angenehm gefüllten Rossstall frenetisch bejubelt und das, obwohl einem beträchtlichen Teil des sehr jungen Publikums wahrscheinlich gar nicht bewusst ist, dass es soeben auch zu einer fast unverfremdeten Version von New Order’s «Blue Monday» abgegangen ist. Ein Song, der offensichtlich auch 30 Jahre nach Erstveröffentlichung nichts von seiner Magie verloren hat – und heute Abend wahrscheinlich fast doppelt so alt wie ein Grossteil des anwesenden Publikums ist.
Wobei jene neue Generation von Bedroom-Produzenten ja sowieso keinen grossen Wert mehr darauf zu legen scheint, wie «alt» oder «neu» ein gewisses Musikstück ist, respektive welchem Musikstil es angehört – hauptsache die Gemütslage stimmt. So tummeln sich auf Blackbird Blackbird’s Soundcloud beispielsweise gleichermassen Remixes von «Indie»-Bands wie Beach House und solche von R’n’B-Stars wie Rihanna und Ginuwine und auch zwischen den Sets der einzelnen Künstlern ist heute Abend ein wilder Stilmix zu hören: James Blake-Tracks wechseln sich mit waschechten Pophits wie Ciaras «Ride» ab und absolut niemand scheint sich daran zu stören. Eine Demonstration für eine Musikwelt ohne Stilbegrenzungen.
Anschliessend an der Reihe ist der 23-jährige Charlie Yin. Der ebenfalls aus der Bay Area-stammende, unter dem Namen Giraffage operierende Produzent, orientiert sich auf seinen Heimaufnahmen zwar eher an Lo-Fi/Alternative-R’n’B Marke How to Dress Well oder Inc., wovon heute aber nur zu Beginn seines Sets via Samples aus Songs von R’n’B-affinen Rappern wie Kirko Bangz etwas zu spüren ist. Nach einem gelungenen Remix von «Music Sounds Better With You», welcher – wenn man Twitter glauben darf – erst vor zwei Tagen fertig geworden ist, geht es dann im Eiltempo Richtung kontemporärem Trap, mit welchem er das Publikum regelrecht zum Ausrasten bringt. Wie oft erlebt man bei Auftritten elektronischer Künstler schon Moshpits? Hätte Baauer’s «Harlem Shake» während den letzten Monaten nicht aufgrund viraler Verbreitung massiv an Coolness-Punkten eingebüsst, er wäre ein perfekter Abschluss von Giraffages Set gewesen.
Slow Magic, der vierte und gleichzeitig anonymste Act am heutigen Abend – im Internet lassen sich weder Hinweise auf seinen richtigen Namen, geschweige denn sein richtiges Aussehen finden – präsentiert dann den wohl originellsten und kurzweiligsten Auftritt des Abends. Im Gegensatz zu den drei Acts vor ihm schiebt Slow Magic MIDI Controller und Laptop beiseite und trommelt passend zur selbstgebastelten Stammesmaske, die er nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf all seinen Promofotos nie ablegt, während dem ganzen Konzert wie ein Wildgewordener auf eine mitgebrachte Floor Tom ein. Immer wieder begibt er sich samt Trommel ins Publikum, bis er sich zum Schluss seines Auftritts bei der Menge revanchiert, indem er Teile des Publikums auf die Bühne einlädt. Dass ein Grossteil seiner Beats unterdessen ab Band kommt, interessiert niemanden.
Das abschliessende Set von XXYYXX tanzt dann ein bisschen aus der Reihe. XXYYXX, eigentlich ein Soloprojekt vom jungen Floridianer Marcel Everett, stehen heute zu Zweit auf der Bühne und präsentieren anstatt dem sommerlich sonnigen Upbeat-Electro der letzten drei Stunden ein sehr gelungenes Set bestehend aus zeitgenössischer Bass music. Auch hier wechseln sich wieder eigene Songs – überwiegend vom gelungenen Debütalbum – mit eigenen Remixes von Künstlern wie Waka Flocka Flame ab und bieten somit eine optimale Einstimmung auf das hoffentlich ebenso gute Konzert von Mount Kimbie, welches diesen Samstag, am 11. Mai 2013 an gleicher Ort und Stelle stattfinden wird.
Mount Kimbie: Diesen Samstagabend (11. Mai) Live in der Kaserne. Anschliessend DJ-Set von Kode9. Doors: 22:00.
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