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Luca Bruno am Montag den 22. Oktober 2012

Die «Akustik-Tour». Sie ist auf der Liste der «Konzert-Gimmicks» wohl am besten gleich neben der «Tour mit Orchester» und «Wir spielen heute unser Debütalbum von Anfang bis Ende und verzichten auf jegliches neue Material… versprochen!» einzuordnen. Dementsprechend war eine gesunde Portion Skepsis im Vorfeld von Patrick Wolf‘s gestrigem Akustikkonzert in der vorbildlich gefüllten Reithalle der Kaserne durchaus angebracht. Glücklicherweise konnte uns Wolf vom Gegenteil überzeugen…

Wer sich nämlich an den Anfang von Wolfs Karriere oder zumindest an sein letztes Konzert in Basel zurückbesinnt, hat sich – auch mit Blick auf den leicht zweifelhaften Pfad, den der 29-jährige Londoner während den letzten vier Jahren eingeschlagen hat – sicherlich nicht wenige Male gewünscht, den schüchternen «Boy who cried Wolf», welcher das Hirscheneck damals im Mai 2005 vor allem mit seiner Unbeschwertheit bezaubern konnte, wenigstens noch ein zusätzliches Mal erleben zu dürfen. Klar, auch der glitzernde Popstar, den Patrick Wolf seit einigen Jahren an seinen Konzerten gibt, kommt mit einem gewissen Etwas daher, aber auch Wolf scheint zu seinem 10-jährigen Bühnenjubiläum erkannt zu haben, dass eine «Back to the roots»-Tour kein schlechter Schachzug ist.

Dabei fing doch alles so gut an: Seinen zwei ersten Alben «Lycanthropy» (2003) und «Wind In The Wires» (2005) liess Patrick Denis Apps, wie Wolf mit bürgerlichem Namen heisst, 2007 sein bisheriges Opus magnum folgen: «The Magic Position», ein wunderbar farbiges und verspieltes Werk, welches nicht zuletzt dank Hits wie dem Titeltrack sowie dem fantastischen «Accident & Emergency» Wolf den Weg zum nächsten (Indie-)Star freimachen sollte. Danach schien er allerdings ein wenig vom Weg abzukommen: Es folgte das änfänglich als Dilogie angekündigte «Battle», auf dessen erster Teil «The Bachelor» (2009) Wolf’s Gothic Folk-Persona, welche sich auch auf seinen früheren Werken bereits zeigte, leider die Überhand gewann und dessen zweiter Teil «The Conqueror» (ursprünglich für 2010 angekündigt) schon gar nicht mehr erschien, sowie sein bisher letztes, reguläres Studioalbum «Lupercalia», welches letztes Jahr veröffentlicht wurde. Eine logische und sicher wohlgemeinte Rückbesinnung zu «The Magic Position», die aber schlussendlich unter zu viel Cheesiness begraben wurde. Die Ankündigung, angesprochenes Bühnenjubiläum mit «Sundark & Riverlight», auf welchem er 16 ältere Kompositionen in neuen, akustischen Versionen präsentieren möchte, zu feiern, war folgerichtig mit verhaltenem Optimismus zu betrachten: Wenn es schon mit den grossen Popmomenten (zurzeit) nicht mehr klappt, dann vielleicht mit der Auffrischung von bereits Bewährtem?

Kaserne Patrick Wolf

Guten Mutes: Das Publikum freut sich auf den Auftritt von Patrick Wolf.

Denn dass Patrick Wolf in seiner Karriere schon zahlreiche gute Songs geschrieben hat, steht ausser Frage. Schon der Beginn seines gestrigen Auftritts, «Overture» aus dem Jahr 2007, beweist dies – und zwar eindrücklich: Die Stuhlreihen der Reithalle sind fast vollständig besetzt und das Publikum hängt – nicht zuletzt dank seiner beeindruckenden stimmlichen Präsenz, welche auch von der für einmal hervorragenden Soundabmischung profitiert – an Wolf’s Lippen. In der Hälfte des Songs gesellt sich schliesslich eine Mitmusikerin dazu, die Wolf fortan während fast des ganzen Konzertes auf zahlreichen Instrumenten (u.a. Geige und Säge) begleitet, oder sich dann ans Piano setzt, wenn Wolf in der Mitte der Bühne ohne eigenes Instrument croont oder mit zärtlichem Harfespiel beweist, dass Joanna Newsom in der Indie-Welt eben doch kein Harfe-Monopol besitzt.

Bei einem Akustikkonzert gestaltet sich die Vorauswahl des Materials als besonders wichtig: Welche Songs passen zu den reduzierten Arrangements, welche eher weniger? Wolf macht, wie bereits auf «Sundark & Riverlight» hierbei einen sehr guten Job. Ausser «Tristan», welches in gedrosselter Version nicht mal halb so viel Intensität wie sein Pendant aus dem Studio erreicht und auf welches Wolf somit besser verzichtet hätte, passen sich alle Stücke ihren neuen Gewändern hervorragend an. Einige von Wolfs Songs, beispielsweise «The Bluebell», werden durch ihre ohnehin schon gezügelten Studioversionen fast unverändert präsentiert und bei «Hard Times», der Leadsingle von «The Bachelor», dessen Studioversion mit so ziemlich allen Problemen besagten Albums daherkommt, wünscht man sich sogar, dass die heute hier dargebotene Version gleich sofort zum Kanon wird. Für «Adder», eine B-Seite aus «Magic Position»-Zeiten, und dem gleich fliessend angehängten «Pigeon Song» begeistern Wolf und Begleitmusikerin zum Ende des Hauptsets dann mit virtuosem Geigengezupfe und -gestreiche, was den bisherigen Höhepunkt des Auftritts darstellt.

Ruhigere Konzerte in solch engem, intimen Rahmen wie das gestrige, eignen sich aber bekanntlich nicht nur dazu, ein gemässigteres Tempo anzuschlagen, sondern bieten sie sich auch dazu an, dem Publikum zwischen den Songs Hintergrundgeschichten zu den Songs zu präsentieren. So können Künstler den Kontakt mit ihren Fans auf einer ganz neuen Ebene knüpfen. Patrick Wolf verzichtet darauf weitgehendst und hält sich im Hauptset an sein selbstdeklariertes Motto «Sometimes I just wanna play music», bis ihm zu Beginn der Zugabe dann aber die Lyrics des laut eigener Aussage sehr selten dargebotenen «Land’s End» entfallen und er den Song auch trotz Zurufens seitens des Publikums nicht mehr beenden kann. Urplötzlich sprudelt es aus ihm heraus: Er beginnt zu kichern, lacht herzhaft, erzählt die Geschichte, die hinter dem Song steckt, zeigt sich begeistert von Basel und schickt das Publikum somit mit mehr als nur einem Lächeln auf den Lippen nach Hause.

Wie lange wir Patrick Wolfs sanftere Seite noch erleben dürfen und wann er wieder zu seinem bowie’schen Alter ego zurückkehrt, steht momentan noch in den Sternen. Aber auch gestern singt Wolf in seinem Song «Pumpkin’ Soup» wieder «Embrace the moment ‘cause everything changes and all this will too», womit anzunehmen ist, dass die nächste Inkarnation von Wolf nicht allzu weit entfernt ist. Geniessen wir es also, solange wir es noch können.

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