Viva la Diva!

Ewa Hess am Dienstag den 27. Oktober 2015

Liebe Sammlerinnen und Sammler – sind wir das nicht alle irgendwie? –, die Londoner Kunstmesse Frieze hat den in sie gesetzten hohen Ansprüchen dieses Jahr kaum entsprochen. Ja, ja, ich weiss, es gab Verkäufe und man kann immer Entdeckungen machen – doch das wichtigste verkaufte Bild, von dem ich gehört habe, war Damien Hirsts «Holbein» (seine Galerie White Cube verkaufte es für 1,2 Millionen Dollar). Das sagt es aber schon: Damien Hirst! White Cube! Nichts Neues in London! Die Galeristen klagten unter vorgehaltener Hand über laue Verkäufe und unschlaue Besucher – London war ein Ärgernis.

Die Bezeichnung «domestiziert» des Marktkenners Kenny Schachter trifft das, was in London passiert, am besten. Frieze, das war doch zunächst, ganz am Anfang, eine Ausstellung der jungen Wilden, in den kalten Thatcher-Jahren. Von diesem Spirit des Authentischen zehrten sowohl die Zeitschrift «Frieze» wie später auch die gleichnamige Messe. Doch seit London die Lieblingsstadt der Celebrities und Oligarchen geworden ist, scheint die Luft langsam zu entweichen.

Die Messe FIAC im Grand Palais: der Stand von Karma International, unnachahmliche Architektur des Grand Palais, der Stand von Hauser & Wirth

Die Messe Fiac: Der Stand von Karma International (an der Wand: Pamela Rosenkranz, am Boden: Bettskulptur von Melanie Matranga). Mitte: Grand Palais. Rechts: Der Stand von Hauser & Wirth mit Ausgaben von «Charlie Hébdo» in der Mitte.

Darum war diesen Herbst nicht London, sondern das künstlerisch aufholende Paris die Messe der Stunde. Natürlich auch die schöne Fiac im spektakulären Grand Palais. (Mir fielen vor allem zwei Stände auf: derjenige von Karma International mit Werken von Pamela Rosenkranz, Melanie Matranga und Simone Fattal sowie der von Hauser & Wirth mit einer kuratierten Ausstellung der Galeriekünstler zum Thema «Charlie Hébdo». Ganz toll die Arbeit von Isa Genzken, eine Assemblage aus gefundenen Objekten, die den revolutionären Geist spiegelt.)

Für den meisten Gesprächsstoff sorgte aber vor allem die ganz neue, erfrischend andere Messe, Paris Internationale, in einem wunderschönen alten Wohnhaus in der Avenue d’Iéna – ich habe sie vor zwei Wochen schon kurz erwähnt hier.

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Aaaaaaaah! Links: Soirée Diva. Mitte: Eingang zur Messe. Rechts: Eine Performance mit Stofftier.

Paris Internationale hatte alles, was man in der Kunstwelt neuerdings so schmerzhaft vermisst: echten Innovationsgeist, Kameradschaft unter den Galeristen sowie Künstlern und auch diesen spontanen Glamour des Unfertigen und Improvisierten. Am Mittwoch traf man sich zu einer Soirée Diva, es gab Performances, schräge Disco und flamboyant gekleidetes Jungvolk, später ging es in den Club Le Baron für eine lange Nacht des Vergessens. Erstaunlich, wie viele Kuratoren und Sammler an die Avenue d’Iéna pilgerten, um am Jungbrunnen der Messe zu nippen.

Keine White Cubes: Der Stand von Gregor Staiger mit Werken von und Florian Germann, Mitte Marc Buers Wandzeichnung bi Freymond-Guth, der Stand Galerie Sultana, Paris

White Cube war gestern (v.l.): Der Stand von Gregor Staiger mit Werken von Marie-Michelle Deschamps und Florian Germann, Marc Bauers Wandzeichnung bei Freymond-Guth Fine Arts, der Raum der Galerie Shanaynay, Paris, mit Werken von Keith Farquhar.

«Paris’s other, edgier art fair», schrieb die «New York Times», und auch die Pariser Kultzeitschrift «Les Inrockuptibles» räumte der neuen Messe viel Platz ein. Die Messe ist eine gemeinsame Initiative einiger Pariser Galerien und der Zürcher Galerie Gregor Staiger. Der Galerist Jean-Claude Freymond-Guth war auch dabei, u.a. mit einer wunderbaren Wandzeichnung des Schweizer Künstlers Marc Bauer. Paris Internationale hätte man dieses Jahr mit besserem Recht Frieze nennen können, denn die Räume, denen man ihre grossartige Vergangenheit gut ansah, hatten den rohen, frösteligen Charme des kaum geflickten Zerfalls. Kleine, kuratierte Kumpelmessen sind vielleicht wirklich das Zukunftsmodell und ein Ausweg aus der viel beklagten Messenmüdigkeit genannt Fair-tigue. Die zürcherisch-jurassische Designerin Marie Lusa (sie ist ein Teil der Galerie Gregor Staiger) verpasste der Messe einen federleichten Auftritt, mit einem verzückten Seufzer Aaaaaaaah! im Titel. Um Mitternacht sang die unnachahmliche Mathilde Fernandez – vive la Diva!

Nur so als eine kleine Frage: Brauchen wir nicht so etwas in Zürich? Nebst der gut etablierten Kunst Zürich könnte die Stadt durchaus etwas zusätzlichen Pioniergeist vertragen!

Mathilde Fernandez singt, eine Messe rockt Paris, Disc Jockey mit Hut

Eine Messe rockt Paris: Mathilde Fernandez singt, ein DJ trägt den Hut eines kanadischen Mounty.

Und à propos Diva und Jurassierin – bestimmt ist Ihnen Gina ein Begriff, die Bühnenkreation der Performerin Eugénie Rebetez? Eugénie tanzte am Sonntag inmitten der Skulpturen des grossen Hans Josephsohn bei Hauser & Wirth im Löwenbräu. Es war eine Erfahrung, die den schläfrigen Sonntagmittag wie ein Blitz erhellt hat, denn die Kunst von Rebetez lässt niemanden gleichgültig. Sie bringt das Unangepasste, Menschliche ohne Scheu vor der eigenen «Unfertigkeit» hervor – nicht auf die gleiche Weise wie die erschütternden Torsi und Reliefs Josephsohns, doch es hat durchaus etwas Kongeniales. Eugénie tanzt am Mittwoch um 19 Uhr nochmals, don’t miss!

Links und rechts: Eugénie Rebetez performt inmitten der Skulpturen von Hans Josephsohn, Mitte: Diva Eugénie Rebetez

Unangepasst, menschlich, berührend: Eugénie Rebetez performt inmitten der Skulpturen von Hans Josephsohn bei Hauser & Wirth in Zürich (Fotos: Nelly Rodriguez und Augustin Rebetez).

(Achtung übrigens, apropos Kunst Zürich, sie geht auch schon diese Woche los – Halle 550 in Oerlikon! Am Freitag spricht Tobia Bezzola mit Dieter Meier, und am Sonntag im Rahmen des «Tages-Anzeigers»-Podiums unterhalte ich mich mit dem Sammler Hubert Looser, jeweils 14 Uhr.)

Picasso-Manie

Ewa Hess am Dienstag den 13. Oktober 2015

Liebe Leserinnen und Leser von Private View, nach dem etwas moderaten Anfang nimmt der Kunstherbst an Tempo zu. Die grossen Herbstmessen und Herbstauktionen stehen vor der Tür! Die Londoner Frieze (und natürlich ihre edlere Schwester Frieze Masters) beginnen am 14. Oktober, und die Woche darauf geht in Paris die FIAC (22. bis 25. Oktober) los. Und mit ihr, erstmals, die junge freche Messe Paris Internationale, mitbegründet von der Galerie Gregor Staiger. Also von Gregor Staiger und der Grafikdesignerin Marie Lusa, der Jurassierin in Zürich, die der Messe auch einen beflügelten visuellen Auftritt verpasst (Paris Internationale, 45, Avenue d’Iéna – 20. bis 24. Oktober).

Logo von Aaaaaaah!!! Design: Studio Marie Lusa

Logo von Aaaaaaah!!! Paris Internationale. Design: Studio Marie Lusa

Ja, ich weiss, ich habe auch schon über Messen geklagt. Aber mit den Messen ist es ein bisschen wie mit Picasso: Man klagt, bis man eines Besseren belehrt wird. Denn eigentlich zürnt man dem Übervater der modernen Kunst, so überpräsent zu sein – bis man wieder einige Bilder von ihm sieht, die einen einfach umhauen. In Paris geht es einem in der  «Picasso Mania» (im Grand Palais) so: Diese unglaublichen Bildnisse von Marie-Thérèse Walther! Man muss sie einfach lieben.

Porträts von Marie-Thérèse Walther: «Marie Thérèse accoudée" von 1939 und «Marie-Thérèse au béret bleu» von 1937 © Succession Picasso 2015 / Photo Béatrice Hatala

Porträts von Marie-Thérèse Walther: «Marie Thérèse accoudée» von 1939 und «Marie-Thérèse au béret bleu» von 1937 © Succession Picasso 2015 / Photo Béatrice Hatala

Die Ausstellung heisst so wie sie heisst, weil sie alle die Hommages der späteren Künstlergenerationen an den grossen spanischen Silberrücken Pablo versammelt. Enkelin Diana Widmaier Picasso half bei der Auffindung der Bilder – sie ist Kunsthistorikerin (und die Tochter von Maya, die ihrerseits aus der Verbindung von Marie-Thérèse und Picasso stammt). Das Gute an der Ausstellung: Sie weiss die kunsthistorischen Trouvaillen mit einem (augenzwinkernd zur Kenntnis genommenen) Celebrity-Kult zu vereinen. Und – das geschieht auf eine wohltuend intelligente Art und Weise. Hier schon mal einige der Ehrerbietungen. Sind diese Grüsse von grossen Malern über Generationen hinweg nicht einfach herrlich?

Maurizio Cattelans Skulptur vor Pei-Ming Yans Porträt, rechts Jasper Johns Reverenz

Maurizio Cattelans Skulptur vor Pei-Ming Yans Porträt, rechts Jasper Johns Reverenz

Wunderbare Malergrüsse: Roy Lichtensteins «Woman with flowered hat» und Martin Kippenbergers «Untitled» von 1988

Wunderbare Malergrüsse: Roy Lichtensteins «Woman with flowered hat» und Martin Kippenbergers «Untitled» von 1988

Meister Picasso selbst lacht bestimmt triumphierend aus dem Grab heraus – er wusste ja schon immer, dass er der Grösste ist. Ich kann mir vorstellen, dass er auch über den spektakulären Verkauf seiner «Algier-Frauen» im Mai dieses Jahres herzhaft lachen musste. Und bestimmt hat er es mit der im Jenseits verliehenen Macht verfügt, dass just zu den Novemberauktionen schon wieder ein verrücktes Bild von ihm auftaucht, diesmal bei Sotheby’s.

Pablo Picasso: «La Gommeuse» von 1901 und ihre Rückseite

Kommt am 5. 11. in New York unter den Hammer: «La Gommeuse» von 1901 und ihre Rückseite

Es handelt sich dabei um eines der sehr seltenen Gemälde aus der blauen Periode – es ist das erste Mal seit 28 Jahren, dass überhaupt eines in einer Auktion auftaucht. Es heisst «La Gommeuse» und stellt eine Nachtclubtänzerin dar. Picasso malte es 1901 mit 19 Jahren, da war er erst seit einem Jahr in Paris. Und als ob das nicht genug der Seltenheit wäre, hat der bisherige Besitzer des Bildes, der US-Milliardär Bill Koch, bei einer erst im Jahr 2000 durchgeführten Restauration entdeckt, dass sich auf der Rückseite ein zweites Gemälde von Picasso versteckte! Dieses zweite Bild ist ein seltsames Porträt von Pere Mañach, Picassos Wohnungsgefährten in Paris. Es ist zum Totlachen: Pablo, der Witzbold, zeigt den Kollegen als einen Weichling, der untenrum wie ein Mädchen aussieht und Pipi macht in einem stilisierten Blumenbeet. Wenn man bedenkt, dass das Porträt mal der Kinolegende Josef von Sternberg gehört hat, der das Bild just in dem Jahr gekauft hat, in dem er Marlene Dietrich für den «Blauen Engel» entdeckt hat, läuft doch auch vor unserem geistigen Auge sofort ein Film ab, nicht wahr? Wir sehen die laszive Lola aus dem «Blauen Engel» und den lächerlichen Professor Unrat. Obwohl man sagen muss, dass die «Gommeuse» noch authenthischer aussieht als die dralle Preussin Dietrich nachher im Film.

Die "Gommeuse" als Vorbild? Marlene Dietrich als Nachtclub-Tänzerin Lola Lola

Die «Gommeuse» als Vorbild? Marlene Dietrich als Nachtclubtänzerin Lola Lola

Das wundersame Doppelgemälde ist auf 60 Millionen Dollar geschätzt. Doch, ehrlich gesagt, nachdem die Algier-Frauen, die ja nicht einmal etwas Besonderes sind, im Mai diesen absurden Rekord von 178 Millionen Dollar gesetzt haben, könnte auch mit diesem Bild noch einiges passieren. Koch hat es übrigens 1984 auch bei Sotheby’s erstanden, damals für 1,4 Millionen Pfund.

Varoufakis in Rage

Ewa Hess am Dienstag den 6. Oktober 2015

Er sprach als Letzter und enttäuschte nicht: Der griechische Ex-Finanzminister Giannis Varoufakis hat in Moskau verbal um sich geschossen. «Ihr Künstler und Kulturschaffende», sagte er zum Publikum der 6. Moskauer Biennale, «solltet von den Mächtigen eurer Länder gefürchtet sein. Falls ihr das nicht seid, macht ihr euren Job einfach nur – lausig.»

Was: 6. Moscow Biennale of Contemporary Art
Wann: 22. September bis 1. Oktober 2015
Wo: Ausstellungspark VDNKh (Exhibition of Achievements of the People’s Economy) in Moskau

Die Moskauer Biennale, muss man wissen, ist unter den Biennalen dieser Welt das Aschenputtel. Das heisst, noch geht sie in Küchenschürze und putzt die Klinken, könnte aber schon morgen die Prinzessin sein. Denn auch wenn die Veranstaltung gegenwärtig weder über Ressourcen noch über Einfluss in Putins Imperium verfügt, so ist sie doch immerhin die wichtigste Kunstbiennale in Moskau – der exotischen Schönen unter Europas Kapitalen. Die erst noch in Sachen zeitgenössische Kunst beinahe jungfräulich vor sich hin schlummert (bis auf Dascha Schukowas neues Museum «Garage», über das ich vor wenigen Monaten hier berichtet habe).

Als ich im Juni am Rande der Garage-Eröffnung in Moskau ein vertrautes Gespräch mit Joseph Backstein führte, dem Chef der Biennale, war nicht einmal die Durchführung der Veranstaltung sicher. Backstein, so etwas wie das Moskauer Urgestein in Sachen zeitgenössische Kunst (er leitete das ICA Moscow in den 1990er-Jahren), klagte über Unsicherheiten – finanziell und politisch. Doch offensichtlich haben Backstein sowie die westlichen Co-Kuratoren Bart De Baere, Defne Ayas und Nicolaus Schafhausen aus der Not eine Tugend gemacht, denn die Biennale fand statt, und zwar nicht als eine teure Installation, sondern als ein spontan organisiertes 10-tägiges Think-in (das ist so etwas wie ein Sit-in, nur dass man dabei fest nachdenkt).

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«Ihr habt euren Job lausig gemacht»: Giannis Varoufakis liest den Künstlern in Moskau die Leviten. Screenshot: ORT

Das Highlight kam am Schluss – die Rede des charismatischen Euro-Rebellen Varoufakis am Sonntag. Sie wurde auf dem staatseigenen, im Ausland tätigen Sender Russia Today live übertragen – denn seit der Grieche den Bad Boy auf dem europäischen Polit- und Finanzparkett gegeben hat, wird er von der Putin-Administration gehätschelt. Wohl nach dem Motto: Wir mögen alle, die jene ärgern, die uns ärgern.

Varoufakis, dem eine künstlerische Grandezza nie abgesprochen werden konnte, biss in seinem Vortrag heftig in die Hand, die ihn füttert und beleidigte gezielt die Veranstalter. Er erklärte die Kunst in Europa für scheintot und griff die Kuratoren an, die ihn nach Moskau eingeladen hatten. Die Musik, die Kunst, sogar das Theater, führte er aus, litten unter der Dominanz des Marktes. Die sich auch darin äussere, dass postmodernistische Kuratoren – wohlverstanden gesponsert aus den Taschen der Grossfinanz (der Sponsor der Biennale ist eine baltische Bank) – Ökonomen als Redner an Kunstanlässe einlüden. Also ihn.

Haben sie ihren Job lausig gemacht? Bart De Baere, Defne Ayas und Nicolaus Schaffhausen, die Kuratoren der Moskau-Biennale

Haben sie ihren Job lausig gemacht? Bart De Baere, Defne Ayas und Nicolaus Schafhausen, die Co-Kuratoren der Moskau-Biennale. Foto: PD

Ökonomen, klagte der Ex-Finanzminister, regieren die Welt. Und den Ökonomen wurde beigebracht, dass Kunst in jeder ihrer Ausprägung nur eine Verzierung der wichtigen Welt sei. Und da unter der Dominanz des Marktes nur die Tauschkraft des Objekts, nicht sein ideeller Wert, zähle, ist die Kunst zum Rohstoff geworden, zu einer Art Reservoir für «spielerisches Querdenken». Als eine «Commodity» wird sie von geschäftstüchtigen Auktionatoren und Galeristen verwaltet, von den selbstherrlichen Kuratoren ins Unverständliche postmodernisiert, von den bürokratischen Förderinstitutionen aller Art gleichgeschaltet und gesäubert.

Viertklassiges Design von einem drittklassigem Designer: fiktive Brückenbögen auf der Euro-Note

«Viertklassiges Design von einem drittklassigen Künstler»: Fiktive Brückenbögen auf der Euronote.

Dabei sei sie ein wichtiges Instrument der Welterkenntnis. Hier einige von Varoufakis’ Beispielen für die Kunst als Indikator der politischen Verhältnisse: Die Kunst von Picasso war besser als diejenige von den Künstlern, die das Franco-Regime unterstützte. Und die Musik der Sandinisten  besser als diejenige der Contras. Beethovens 9. sei besser gewesen als die preussischen Hymnen der Zeit – auch wenn des Komponisten Begeisterung für Napoleon später einen Schiffbruch erlitt.

Vor allem aber zeige das Design der Euronote, dass Europa nicht korrekt zusammengewachsen sei. Die gemeinsamen Banknoten zierten weder Akropolis noch Kolosseum noch der Kölner Dom, sondern von einem viertklassigen Grafiker entworfene fiktive Bogenbrücken – weil man sich nicht darauf einigen konnte, was gezeigt werden sollte.

Kitsch oder Kunst? Für Varoufakis eine wichtige Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Im Bild die Skulptur «Arbeiter und Kolchoz-Frau», Zuckerbäckerstil der VDNKh-Pavillons, Mosfilm-Logo

Kitsch oder Kunst? Für Varoufakis ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Gut und Böse. Im Bild die Skulptur «Arbeiter und Kolchos-Frau», Zuckerbäckerstil der VDNKh-Pavillons, Mosfilm-Logo. Bild: PD

Man muss auch noch wissen, dass das Ganze auf dem Gelände von VDNKh stattfand, dem sowjetischen Ausstellungspark mit den Pavillons der Republiken, wo der sowjetische Architekturkitsch noch in seiner ungesäuberten Pracht zu besichtigen ist, inklusive des Kosmos-Pavillons mit Rakete davor und der goldenen Skulptur des Kolchos-Paares mit Hammer und Sichel in der erhobenen Hand, die man als Logo der sowjetischen Filme kennt.

«Es braucht keine Gulags mehr», redete sich Varoufakis in Rage, «Subversion der Kunst wird neuerdings an der Börse gehandelt! Eurokraten, Kuratoren und Auktionshäuser haben die Künstler besser als jeder Polizist zum Schweigen gebracht.»

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Und plötzlich schnitten sie ihm das Wort ab: Varoufakis redet sich in Rage.

Und dann geschah es: Gerade als der Grieche der Welt erklären wollte, mit welchen politischen Mitteln man «die dunkle Seite der Macht» neutralisieren könnte, um die subversive Kunst zu retten, schnitt ihm die Live-Aufzeichnung von Russia Today das Wort ab, die weiteren Worte des Redners gingen unter.

Gemessen an seinem eigenen Massstab, muss er seinen Job verdammt gut gemacht haben.