Im Zeichen der Katze

Ewa Hess am Dienstag den 7. Juli 2015

Liebe Leserinnen und Leser von Private View: Der Sommer ist da. Vor den grossen Ferien noch ein kleiner schnurrender Ausblick auf die Herbstsaison. Beim Sichten der kommenden Highlights bin ich über eine grosse Schau von Warhol und Ai Weiwei in Melbourne gestolpert. Kluge Paarung! Die beiden Propheten beieinander: Andy Warhol, der Papst des popbesessenen 20. Jahrhunderts, und Ai Weiwei, der Held der Generation Instagram und der aktivistischen Kunst, die erste grosse Figur des 21. Jahrhunderts. Der eine ist West, der andere Ost, und sie spielen beide mit den Grenzen: des Konsums, des Landes, der Toleranz etc. Ich sage aber heute nur: «Miau

Der junge Ai Weiwei macht den grossen Warhol gestisch nach

Der junge Ai Weiwei macht den grossen Warhol nach.

Es wird nämlich in Melbourne eine kleine Nebenschau der grossen Doppel-Retrospektive geben, welche die Besessenheit (oder Freundschaft, um es weniger aufgeregt auszudrücken) der beiden Künstler mit Katzen dokumentiert. Wenn man bedenkt, welch überraschende Führungsrolle die Samtpfoten innerhalb der Internetkultur übernommen haben, muss man doch sagen: Chapeau! Auch in dieser Hinsicht haben die beiden Visionäre den Vogel voll abgeschossen.

Posieren mit ihren Katzen: der Chinese und der Ami

Posieren mit ihrer Katze: Weiwei mit einem struppigen Tiger, Warhol mit einer eleganten Siamkatze.

Warhol lebte in den 50ern mit 25 Siamkatzen und seiner Mutter in New York. Die Vierbeiner hiessen alle Sam (oder Hester, wenn sie weiblich waren). Er malte sie ununterbrochen, seine Mutter schrieb als Legenden in ihrer schönen Handschrift den Katzennamen zu den Bildchen, eben meistens: Sam. Dann wurde ein Buch daraus, es hiess: «25 Cats Name Sam and One Blue Pussy». Eigentlich sollte es ja «A Cat Named Sam» heissen, aber Warhols Mutter hat das «d» am Schluss von «named» vergessen. Andy fand das super.

Das Cover des «25 Cats Name Sam»-Buchs mit Widmung für Lou Dorfsman, den CBS-Werbechef, der Warhol als Illustrator gross machte, Der Künstler mit Katze in seinem Atelier

Das Cover des «25 Cats Name Sam»-Buchs mit Widmung für Lou Dorfsman, den charismatischen CBS-Werbechef, für den Warhol als Illustrator arbeitete; der Künstler mit Brillo-Packung und Katze in seinem Atelier.

An die 40 Katzen tigern durch das grosse, selbst gebaute Atelier von Ai Weiwei in Peking, das er ja lange nicht verlassen durfte, weil die chinesische Regierung ihm nach der Entlassung aus dem Gefängnis Hausarrest aufgebrummt hatte (jetzt darf Ai Weiwei zwar Peking verlassen, aber nicht China). Man sieht es sehr schön in dem Dokumentarfilm «Never Sorry» von Alison Klayman: Die Katzen machen, was sie wollen. Das geht einem schon fast auf die Nerven. Ai Weiwei baut ein Modell, zum Beispiel, und die Katze beginnt, damit zu spielen. Anstatt sie zu verscheuchen, gibt ihr Ai Weiwei mit ernster Miene noch mehr Elemente in die Pfote… Es gibt dort eine Katze, welche die Tür selber aufmachen kann. Ai Weiwei sagt dazu etwas Lustiges: «Der Unterschied zwischen den Katzen und den Menschen ist, dass die Katzen zwar auch lernen können, die Türe aufzumachen, sie aber nie hinter sich schliessen.»

Aus Alison Klaymans Film:

 

Über Warhols Kohabitation mit seinen Katzen hat sein Neffe James Warhola ein lustiges Kinderbuch geschrieben, «Uncle Andy’s Cats». Man sieht darin ein Rudel kleiner Sams zwischen den Beinen des Popgiganten wieseln oder den Mann mit den weissen Haaren unter einer Decke aus warm atmenden Kätzchen schlafen. Ai Weiwei sagt immer wieder in Interviews, sein Haus sei eigentlich das Haus seiner Katzen. Sie würden dort wohnen, Kinder kriegen, sich wohlfühlen. Er findet es nett, dass die Hausherrinnen ihm und seiner Familie auch noch Unterschlupf gewähren.

Hm. Interessante Meinung. Vielleicht gehört das Internet auch ihnen? Denkt darüber nach! Und seid glücklich im Sommer! Wir sehen uns Ende August wieder.

Warhols «So happy» (links), eine Edition von Ai Wewei

Warhols «So Happy» (links), eine Edition von Ai Weiwei.