Sam kam spät

Claudia Schmid am Dienstag den 27. Januar 2015

Eine Materialschlacht dreier Nachwuchskünstler, Schoggi an der Wand, wenig Bier, warme Würste und ein später Porschefahrer Sam Keller – die erste Ausstellung im Kunsthaus Baselland war ein gemütliches Get-Together nach der Winterpause.

WAS: Vernissage Jahresauftakt-Ausstellung mit Jan Hostettler, Oliver Minder, Katharina Anna Wieser und Kilian Rüthemann
WO: Kunsthaus Baselland
WANN: 22. Januar, 18.30 Uhr (bis 12.4., Rüthemann bis Ende Jahr)

Beim St.-Jakob-Stadion, der Heimstätte des FCB, herrscht zurzeit gähnende Leere: Noch ist Saisonpause, und so verirrt sich kaum jemand an den Stadtrand bei Muttenz. Dank der Vernissage im Kunsthaus Baselland, nur wenige Meter vom «Joggeli» entfernt und auf Muttenzer Boden stationiert, pilgerten am Donnerstag Kunstfreunde in das tötelige Quartier.

Abends in Muttenz: Künstler Jan Hostellter vor seinem Kunstwerk aus Wachs, Hausherrin Ines Goldbach mit dem Fondation-Beyeler-Chef Sam Keller, Künstler Oliver Minder vor seinem «Birkenwald»

Abends in Muttenz: Künstler Jan Hostettler vor seinem Kunstwerk aus 200 Litern mit grünem Malachit gefärbtem Paraffin, Hausherrin Ines Goldbach mit dem Fondation-Beyeler-Chef Sam Keller, Künstler Oliver Minder vor seinem «Birkenwald».

Dort eröffnete Direktorin Ines Goldbach die erste Ausstellung des Jahres – und es kamen viele. Etwa Annette Schönholzer, seit kurzem nicht mehr Co-Chefin der Art, sondern selbstständig als Beraterin tätig, oder Chus Martinez, die neue Leiterin des Kunstinstitutes an der neu gebauten HGK Basel im Dreispitz. Die kleine Katalanin mit besten Kontakten und Nike-High-Heels sollte man im Auge behalten: Sie gleist derzeit Synergien und Plattformen auf, um dank der Kunstschule und Nachwuchsszene die Basler Kunstszene aufzurütteln. «Es ist alles sehr eingespielt und ‹classy› hier, es muss sich was bewegen!», sagt sie. Und musste gleichzeitig lachen, weil sie an diesem Abend wie fast alle eine dunkle, wattierte Jacke trägt. Individualistische Kunstszene? In Basel gibt man sich modetechnisch gesehen konformistisch.

Links: Die neue Kunstleiterin der HGK Basel Chus Martinez (in schwarz) mit Nadja Solari, Mitte: Kuhfell-Monochromie von Oliver Minder, rechts: Kilian Rüthemann

Links: Die neue Kunstinstitutsleiterin der HGK Basel, Chus Martinez (in Schwarz), mit Nadja Solari, Mitte: Kuhfell-Monochromie von Oliver Minder, rechts: Kilian Rüthemann.

Die Ausstellung war allerdings ganz in Martinez’ Sinn: Ihre Kollegin Goldbach holte für die Ausstellung drei Nachwuchskünstler, alle nicht älter als 34  – sowie den mehrfach preisgekrönten Kilian Rüthemann (35). Er ist dieses Jahr für die Gestaltung des Aussenraumes verantwortlich. In einem ersten Schritt hat er eine riesige Plane an der Aussenwand mit einem «Schoggisujet» angemalt; im Frühling wird er auch den Vorplatz bespielen. Das im Graffiti-Stil gemalte Gemälde, das an Schokolade erinnert, lässt einem förmlich das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wer das Kunsthaus nicht kennt, könnte meinen, es sei das Werbeplakat einer Basler Schoggifabrik.

Auch drinnen wurden die Sinne angesprochen. Katharina Anna Wieser, wie die anderen ausstellenden Künstler in Basel wohnhaft, verbindet die oberen Räume des Kunsthauses zu einem einzigen Kunstwerk: Eine schräge, begehbare, pyramidenförmige Rampe aus Holzlatten, die fein nach Terpentin riecht, schmiegt sich durch die Kabinetträume. Die Rampe ist begehbar, ja verlangt geradezu, beschritten zu werden. Da stakst man also über die Schräge und ist wie die Räume Teil des Kunstwerks.

Spektakuläre junge Kunst: Kilian Rüthemanns viskose Schoggi-Fassade, Anna Katharina Wiesers «Rampe», Hostettlers Paraffinobjekt

Spektakuläre junge Kunst: Kilian Rüthemanns fliessende Schoggi-Fassade, Anna Katharina Wiesers «Rampe», Hostettlers «ausgelaufenes» Paraffinobjekt.

Dass der Raum nicht einfach «Hülle» für die Kunst, sondern Teil der Interventionen ist und die Werke aller Künstler verbindet, ist eine grosse Stärke dieser Ausstellung. Dass die Arbeiten den riesigen Räumen des Kunsthauses standhalten, ist genauso eine Leistung. So ist auch die temporäre Installation von Jan Hostettler im Untergeschoss Teil der Räumlichkeiten. Durch den horizontalen Schlitz einer neu aufgebauten, weissen Wand lies Hostettler 200 Liter flüssiges, mit grünem Malachit gefärbtes Paraffin laufen. Die Wand ist mit Wachs überzogen, ein Teil des Ausstellungsbodens ebenfalls. Das technisch genau Geplante, aber zufällig Herausgekommene ist eine Spezialität des Solothurners – wie die Wände im anderen Raum, in die er Löcher gebohrt und aus denen schwarze Tusche gelaufen ist.

Kunstwerk als Rampe: Katharina Anna Wieser auf ihrer Holschräge, Kunsthus Baselland in voller Grösse, nicht mehr Mme ART Annete Schönholzer mit Andreas Bicker

Kunstwerk als Rampe: Künstlerin Katharina Anna Wieser auf ihrer Holzschräge (l.), Einblick ins hell erleuchtete Kunsthaus Baselland (Mitte). Rechts: Annette Schönholzer, ehemalige Co-Chefin der Art, mit Art-Generalmanager Andreas Bicker.

Mit Sepiatusche arbeitet Oliver Minder. Er hat damit verschiedene, grossformatige Polyester-Oberflächen übermalt. Bewegt man sich vor den Bildern, verändert sich die Struktur der Sepiafarbe; sie glänzt mal oder bleibt matt. Neben diversen «Fellbildern» arbeitet Minder auch mit Birkensaft, den er in Finnland entdeckt hat. Er bemalte damit weisse Leinwände mit den Logos verschiedener skandinavischer Black-Metal-Bands. Auch da muss man den Kopf drehen und gut schauen, und immer wieder verändert sich die Struktur des Gemalten.

In Sachen Mode gibt man sich Basel pragmatisch, die wattierte Jacke ist Programm (Links), Teenagerarbeit am Grill (Mitte), Schoggi-Kunstwerk von Rüthemann an der Fassade

In Sachen Mode gibt man sich pragmatisch: Die wattierte Jacke ist Programm (links), Teenagerarbeit am Grill (Mitte), Rüthemann-Fassade in der Nacht.

Lange hielten es die Gäste trotz der tollen Ausstellung nicht in den Räumen des Kunsthauses aus. Sie waren so hell erleuchtet, dass man jeden Pickel und jede Falte der Gäste sah. Deshalb froren sie lieber draussen in der Kälte, während Bier (es gab zu wenig) und Würste (schön wärmend) serviert wurden. Die Kinder des Buchhalters des Museums, fünf lustige Teenager, grillierten das Fleisch, schnitten Brot, drückten hastig den Senf für die Gäste aus und unterhielten sich dabei über gemeinsame Teenie-Freunde. Das war nochmals eine Performance für sich, wie einige anwesende Künstler, darunter Johannes Willi oder Livio Baumgartner, bemerkten.

Der letzte Gast kam kurz vor dem Ende gegen 21 Uhr – fast unbemerkt: Sam Keller fuhr mit seinem Vintage-Porsche vor, begutachtete 10 Minuten lang die Schau, machte Goldbach ein Kompliment und brauste wieder davon. So macht man das. Wo käme man da sonst hin?

Das Wunder von Bern

Ewa Hess am Dienstag den 20. Januar 2015

Früher Vogel fängt den Wurm, und wenn es auch uns reichlich Vögel gab am Sonntagmorgen beim Kornfeld, muss ich euch, die nicht dabei waren, den Speck durch den Mund ziehen: Ihr habt was verpasst. Es wurde ein epochales Werk gefeiert. Die Publikation «One Cent Life» von 1964 ist ein Meilenstein der Pop-Art, und der Galerist Eberhard W. Kornfeld (91) steht im Zentrum ihrer wundersamen Geschichte.

Was: Vernissage der Ausstellung «Fifty Years of ‹One Cent Life›»
Wann: Sonntag, 18. Januar, um 11.30 Uhr (die Ausstellung dauert bis 28.2.)
Wo: Galerie und Auktionshaus Kornfeld an der Laupenstrasse in Bern

Der Umschlag von «One Cent Life» und junger Walasse Ting in Paris

Der Umschlag von «One Cent Life» und der junge Walasse Ting in Paris.

Wenns um die Kunst geht, haben die Schweizer stets ihre Nüchternheit links liegen lassen. Erstaunlich, nicht? Mit Leidenschaft stürzten sich die grossen Figuren des Schweizer Kunsthandels in moderne Kunstabenteuer. Ernst Beyeler, Bruno Bischofberger, Eberhard W. Kornfeld – sie alle und noch einige mehr hatten das Herz auf dem rechten Fleck, wenn es darum ging, der Poesie und der Verrücktheit der Kunst einen soliden Platz zu erobern. So war es in den frühen 60er-Jahren, als Eberhard W. Kornfeld, Auktionator, Verleger und Galerist in Bern, zum Kreis der jungen Künstler in New York stiess, die sich im Atelier von Sam Francis am Broadway trafen.

Der Eingang zum Atelier im ehemaligen Auktionssaal befand sich gegenüber dem Flatiron-Gebäude an der Fifth Avenue – das ist jener erste Skyscraper New Yorks, dessen dreieckige Form und schmale scharfe Ecke bis heute ein Wahrzeichen von Big Apple geblieben ist. Man trank, man lachte, Träume und Fantasien der jungen Künstler hingen wie eine bunte Wolke unter der hohen Decke des Raums.

Einer von ihnen war ein Chinese mit dem Namen Walasse Ting. Er war Dichter, Maler, Abenteurer und Fantast. China lag damals noch am ganz anderen Ende der vorstellbaren Welt, doch Walasse träumte schon damals den Globalisierungstraum. Natürlich schwebte ihm keinesfalls eine Weltvereinigung im Zeichen des internationalen Kapitals vor. Die Poesie und die ästhetische Tollkühnheit waren seine Leitsterne. Man beschloss, die Weltveränderung mit einem Buch zu initiieren. Einem Buch der Bücher, in dem Tachismus, Dadaismus, Pop-Art und was es sonst noch damals an verrückten Bewegungen gab, gemeinsam mit Walasses Gedichten als ein Gesamtkunstwerk  zwischen zwei Buchdeckeln zu Ehren kamen.

Die Rede des Hausherrn, The Repeatles-CDs, Housi Wittlin in action

Die Rede des Hausherrn, The Repeatles-CDs, Housi Wittlin in action.

Gut, dass «Ebi» Kornfeld, damals  ein gestandener Geschäftsmann von 40 Jahren, dabei war! Mit Schweizer Vorliebe für gut gemachte Arbeit und dem helvetisch soliden Portemonnaie stand er von nun an dem Projekt Pate, dessen Realisierung zwei Jahre in Anspruch nahm. Walasse Ting, ein ehemaliger Matrose, war ein grosseur Charmeur und hat sie alle gekriegt, alle wichtigen Künstler dieser Zeit. Mirakulös. «Dass damals Bern eine Schlüsselrolle bei der Publikation und dem Vertrieb übernehmen durfte, ist auch heute noch erstaunlich», sagt Kornfeld in seiner Eröffnungsrede.

Lest mal die Künstlerliste und lasst eure Vorstellungskraft wirken:
Pierre Alechinsky (5 Lithos);
Karel Appel (5 Lithos);
Enrico Baj (2 Lithos);
Alan Davie (2 Lithos),
Sam Francis («Pink Venus Kiki» + 5 andere Lithos);
Robert Indiana (2 Lithos);
Asger Jorn (2 Lithos);
Roy Lichtenstein (Cover + 1 Litho);
Joan Mitchell;
Claes Oldenburg (3 Lithos);
Mel Ramos (2 Lithos),
Robert Rauschenberg (2 Lithos);
Allan Kaprow,
und Rinehound, Jim Dine, Jean-Paul Riopelle, James Rosenquist; Antonio Saura, Kimber Smith, K. R. H. Sonderborg, Bram Van Velde; Oyvind Fahlstrom, Andy Warhol, Tom Wesselmann …

Es gab 2000 Stück «regular edition», alle numeriert und folgende Spezialausgaben: 20 New York edition, 20 Paris edition, 20 «rest of the world»-edition und 40 Stück für Künstler. Dies war auf handgeschöpften Velin gedruckt und jede Litho signiert... Rechts: Walasse Tings Brief an Eberhard Kornfeld

Es gab 2000 Stück der «Regular edition», alle nummeriert, und folgende Spezialausgaben: 20 «New York edition», 20 «Paris edition», 20 «Rest of the world»-Editionen und 40 Stück für Künstler. Diese waren auf handgeschöpftem Velin gedruckt und jede Litho signiert … Rechts: Walasse Tings Brief an Eberhard Kornfeld.

Es hat schon seine Richtigkeit, dass Kornfeld die führende Rolle Berns bei der Herstellung des Buches so hervorhebt. Denn Bern tut sich schwer mit seinem Kunst(selbst)bewusstsein. Erst am Vortag fand aus Anlass des Galerienwochenendes in der Kunsthalle eine Diskussion statt, die hiess: «Bern – eine Kunststadt!» (übrigens moderiert von ebenfalls hier anwesendem Partner Kornfelds, Bernhard Bischoff). Trotz des Ausrufszeichens im Titel war die Diskussion kleinlaut: Als ob man selbst nicht so recht daran glaubte, dass Bern eine Kunststadt sein könnte.

Nun gut, die Matinée bei Kornfeld erinnert kraftvoll an bessere Zeiten. Die Lithos aus einer Vorzugsausgabe und Werke der Künstler aus dem Umfeld des «One Cent Life» werden präsentiert und feilgeboten. Und wenn ich sage feil, ist das keine Floskel. Ab 300 Franken kann man schon eine dieser Lithos erwerben – und sie gehen auch weg wie die warmen Semmeln! Um 13.30 Uhr ist die Ausstellung mit roten Punkten nur so gesprenkelt. Kein Wunder. Es sind wirklich sehr schöne Trouvaillen.

Nebst Lithos der «Grossen» gibt es an den Wänden auch Werke von sehr feinen Künstlern, um die sich der heutige Markt weniger schert. Der Berner Fotograf Dominique Uldry macht mich auf Kimber Smith aufmerksam. Zwei Gouachen und zwei Ölgemälde des eigenwilligen Abstrakten hängen im Raum 3 – wunderschön! Der Fotograf Uldry ist übrigens der Sohn des legendären Serigrafen Albin Uldry, der mit seiner Frau Noëlle die weltweit berühmte Siebdruckstätte in Hinterkappeln gegründet hat, in der Künstler wie Jean Tinguely und Max Bill ihre Werke herstellen liessen und in der immer noch auserlesene Druckkunst entsteht. Sie wird heute von Dominiques Bruder Jacques geführt. Berner, Ihr seid eine Kunststadt!

Dominique Uldry, Gemälde von Kimber Smith

Dominique Uldry, Gemälde von Kimber Smith.

Kornfelds Vernissagegäste sind lauter Habitués, darunter der Berner Design-Guru Christian Jaquet (er war beim Aufbau der Hochschule für Gestaltung, Kunst und Konservierung, HGKK, und ihres Studiengangs Visuelle Kommunikation federführend) sowie die Berner Galeristenlegende Martin Krebs. Erst vor wenigen Tagen haben wir erfahren müssen, dass Krebs seine Traditionsgalerie an der Münstergasse schliessen muss – das Gebäude wird saniert. Bis es so weit ist, ist eine Ausstellung von Urs Stoos dort zu sehen.

Die in Bern lebende Enkelin des grossen Marc Chagall, Meret Meyer Graber, ist von der Ausstellung begeistert. Sie erzählt mir, dass ihr Grossvater, der ja fast 100 Jahre alt wurde und erst 1985 gestorben ist, die farbstarke Pop-Art durchaus wahrgenommen hat. Natürlich war aber die Farbgebung von Matisse und Chagall auch eine wichtige Referenz für die Pop-Art-Künstler. Die sympathische Mme Meyer spricht von den starken Farben als «Yves Saint Laurent»-Farben. Stimmt eigentlich, nicht wahr, meine Damen?

Fullhouse bei Kornfeld: v.l. der «Kunstkorridor» der Galerie, Enkelin Chagalls, Mme Meret Meyer, s.g. Raum zwei

Full House bei Kornfeld (v.l.): «Kunstkorridor» der Galerie, Chagalls Enkelin Meret Meyer, der sogenannte Raum zwei.

Ganz am Anfang hält Kornfeld eine Rede. Auch das ist hier Tradition. In wohl gewählten Worten beschreibt der 91-jährige Unermüdliche in dem an die Galerie angrenzenden Glaspavillon die Geschichte, die mit der Ausstellung zusammenhängt. Es ist, als ob man der Geschichte selbst beim Entstehen zuhören würde. Der Auktionator ist eine wandelnde Enzyklopädie der zeitgenössischen Kunst.

Seit der Name Kornfeld im Zusammenhang mit der Affäre Gurlitt so zwiespältig in die Schlagzeilen kam, scheinen viele meiner Kollegen komplett zu vergessen, wer hier alles an der Laupenstrasse sonst noch verkehrt hat, ausser Cornelius Gurlitt selig. Es ist eine Welt für sich, in der die Kunst regiert. Denn selbst wenn es um die Auktionen geht, bleibt Kornfeld der klassische «scholar dealer», einer, der selbst beim Verkauf noch der Wissenschaft dienen möchte. Partner Bernhard Bischoff und Christine Stauffer, seit 1967 in der Galerie tätig, helfen dem Doyen dabei und auch, honneurs zu machen. (In Bischoffs eigener Galerie, die er weiterführt  – im Progr – sind zur Zeit übrigens Werke der Berner Künstlerin Elsbeth Böniger zu sehen. Don’t miss.)  Am Sonntag beim Kornfeld sind sogar die Schwestern Bischoffs anwesend – eine Berner Familie wie aus dem Bilderbuch. Und ein Buffet mit Berner Burehamme gibt’s auch.

Kornfeld-Partner Bernhard Bischoff mit dem Galeriegründer (rechts) und mit Schwestern Linda und Nina, der Nichte Finja und der Partnerin Tanja Stettler

Kornfeld-Partner Bernhard Bischoff mit Eberhard W. (rechts) und mit den Schwestern Nina, Linda, der Nichte Finja und der Partnerin Tanja Stettler.

Und dann muss ich noch von den The Repeatles erzählen. Kennt ihr die Band? Nein? Schade. Sie besteht aus Berner Rocklegenden. Housi Wittlin ist Gitarrist, Sänger, witzigster Songwriter. Am Schlagzeug Sam Mumenthaler, Medienjurist und Musikhistoriker, dazu Stöffu Kohli (Span) und Stefan Gardo – do I need to say more? Sie rocken den Glaspavillon mit Evergreens aus der Zeit. Selbst Mme Meyer ersteht danach zwei CDs.

The Repeatles: Housi Wittlin, the Band, Sam Mumenthaler

The Repeatles: Housi Wittlin, the Band, Sam Mumenthaler.

Die farbige Dekoration übrigens, die ihr hinter der Band seht, das sind Ausschussbögen der «One Cent Life»-Publikation, also die Bögen, die man durch die Druckmaschine schickt, um die Farbe zu justieren. Die gibt es für nur Franken 20 zu kaufen. Wenn ihr mich fragt: schnellstens zugreifen!

Zum Teufel mit dem Hollywoodgebiss!

Ewa Hess am Dienstag den 13. Januar 2015

Immer wenn die Jahreszahl im Kalender auf die neue Nummer einrastet, lichtet sich der Nebel der unmittelbaren Gegenwart ein ganz klein wenig, und man sieht das vergangene Jahr etwas deutlicher im Rückspiegel. Darum, liebe Leserin, lieber Leser, schlage ich zu Anfang des Jahres eine kleine Rückschau vor. Betrachten wir kurz einige Auffälligkeiten der Kunstwelt 2014. Auf dass wir die Augen besser für die kommenden Entwicklungen justieren können.

Erstens nehmen wir das Phänomen «Crapstraction» ins Visier, für das es bereits eine deutsche Entsprechung, «Kackstraktion», gibt. Der Hauptkritiker des Trends, das ehemalige «Village Voice»- und jetzige «NY Magazine»-Kunstorakel Jerry Saltz, nennt die Sache auch den Zombie-Formalismus. Kurz gefasst, geht es darum, dass viele neuen Künstler komplett abstrakt malen. Während aber die Abstraktion einst ein heiss umkämpftes Feld der Innovation war, wirkt sie heute oft beliebig. Erschwerend kommt dazu, dass sich diese Art von Malerei, sobald sie in Verbindung mit einem angesagten Namen auftritt, sehr gut verkaufen lässt. Weil sie dekorativ aussieht. Und weil sie sich auf dem Bildschirm gut abbilden lässt – in einer Zeit, in der immer mehr Kunst übers Internet verkauft wird, ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Zudem wirkt sie «seriöser» als viele in der Pop-Art wurzelnde Exzentrizitäten der 90er- und Nullerjahre (etwa die schrillen Werke von Jeff Koons, Takashi Murakami oder Damien Hirst). Das Erschreckende daran: Viele dieser Werke sehen zum Verwechseln ähnlich aus. Hier sieht man in etwa, was gemeint ist:

Top row, from left: All You Hear Is Beads Rattling (2012), by Leo Gabin; Untitled #0904 (2009), by John Bauer; Untitled (JS06198) (2006), by Josh Smith. Bottom row: ST-AA (Transfer Series) (2013), by Angel Otero; Big Squid Ink (2014), by Jamie Sneider; I (2011), by Rosy Keyser.

Obere Reihe, von links: Leo Gabin, John Bauer, Josh Smith. Untere Reihe: Angel Otero, Jamie Sneider, Rosy Keyser (Zusammenstellung von Jerry Saltz)

Gemeint sind vor allem Maler wie der in London lebende Kolumbianer Oscar Murillo oder der New Yorker Lucien Smith: noch nicht 30, explodierende Preise, viel Potenzial, aber noch auf der Suche nach dem wirklich Eigenen. Können aber diese Maler etwas dafür, dass ihre Ausflüge in die Welt der Abstraktion weggehen wie warme Semmeln? Andererseits, wenn sich die malerischen «Fingerübungen» so gut verkaufen, kann das schon einen Maler vom Weg abbringen. Somit ist Kackstraktion eine Hürde, die ein echter Maler heute nehmen muss.

Oscar Murillo in seinem Atelier

Oscar Murillos Atelier

Dann gab es auch das Phänomen Ermüdungserscheinungen. Zu den neuen Wörtern, welche durch die englischsprachigen Medien 2014 geisterten, gehören Fairtigue und Biennihilism. Das erste ist aus Fair und Fatigue zusammengesetzt und bedeutet die physische Erschöpfung, welche sich des internationalen Kunsttrosses bemächtigt angesichts der gewaltig angeschwollenen Anzahl von wichtigen Kunstmessen. Was es aber auch bedeuten könnte: dass das grosse Publikum der Messen überhaupt langsam müde wird. Was eine sehr gute Sache wäre, denn dann könnten die Leute, die professionell mit Kunst handeln, wieder in aller Ruhe an den Messen ihrem Gewerbe nachgehen. Und die Galerien könnten wieder zu Hause die Sammlerinnen und Sammler bedienen – sich vielleicht sogar die monströsen Kosten der vielen Messen sparen. Der Auseinandersetzung mit der Kunst käme das bestimmt zugute. Also, Leute: Werdet müde und kommt zur Vernunft.

Mit Biennihilism hingegen ist der fahrige bis verzweifelte Geisteszustand zu umschreiben, in den man durch die langen Reihen von hochakademischen «Conversations» und «Talks» als Rahmenprogramm von Biennalen kommt. Auch diese haben eine exponentielle Ausweitung der Kampfzone erfahren. Hierzu ein Vorschlag: Talks jurieren. Seit die Unternehmen die Intellektualität als eine dem Sport ebenbürtige Form des Marketings entdeckt haben, haben diese Endlos-Talks einen schalen Nachgeschmack.

Rechts Bowie jetzt, Mitte Jessine Heins Skulptur, links alter Exzentriker Bowie

Jessine Heins Skulptur (Mitte), links und rechts Bowie früher und jetzt

Und zuletzt, als eine Art Fazit, möchte ich auf ein mir im Januar aufgefallenes Kunstwerk der deutschen Künstlerin Jessine Hein hinweisen. Sie hat aus Acryl und Gips eine Skulptur gefertigt, welche die Originalzähne von David Bowie zeigt. Die krummen Beisser des skurrilen Individualisten waren sein Markenzeichen. Jetzt hat er sie durch zwei Reihen makelloser weisser Zähne ersetzt. Hein hat in den Tiefen des Internetarchivs gegraben und mithilfe eines Zahntechnikers das Originalgebiss von Ziggy Stardust verewigt. Als ein verschwundenes Mahnmal der Unangepasstheit, sozusagen. In diesem Sinne, Leute: Behalten wir unsere Zähne! Zum Teufel mit dem charakterlosen Hollywoodgebiss.