Wir befinden uns in einer Zeit des Jahres… Okay, Sie wissen es. Man kann sich dem gesellschaftlichen Biorhythmus schwer entziehen. Die ersten «Jingle Bells» im November gehen uns noch auf den Wecker, und drei Wochen später ertappen wir uns selbst mitten auf der Strasse mit mehr als drei Einkaufstaschen in der Hand. Darum, liebe Freundinnen und Freunde des Private-View-Blogs: Warum nicht das Schöne mit dem noch Schöneren verbinden? Kaufen Sie doch Kunst.
Ja, ich weiss, nicht jeder verfügt über ein Portemonnaie, um sich am Wettlauf der Preise zu beteiligen, wie sie uns von den Auktionshäusern zugetragen werden. Aber auch ohne Millionen kann man Kunst kaufen. Und trotz des Titels dieses Blogbeitrags muss man dadurch nicht notgedrungen zum «Sammler» werden. Werke zu besitzen oder zu verschenken, die Sinn stiften und zum Nachdenken anregen, kann sehr befriedigend sein. Auch ohne den Drang, immer mehr und mehr davon haben zu wollen. Aber Achtung: Das Sammeln ist ein Virus. Akute Ansteckungsgefahr.

Einstiegsdroge junge Kunst: Augustin Rebetez, «Arrière-tête, (mécanismes)», 2014, Inkjetprint auf Hahnemühle, Total Edition von 6 + 1, Preis je nach Grösse: 27 × 40 cm, 1500 Fr.; 40 × 60 cm 1800 Fr.; 67 × 100 cm 2500 Fr. Bei Galerie Nicola von Senger, wo am 9.1. eine Ausstellung des jurassischen Senkrechtstarters eröffnet wird.
Darum hier schon mal auf den Weg: Fünf Tipps für angehende Sammler. Alle mit Vorsicht zu geniessen.
Erstens. Kaufe mit den Augen, nicht mit den Ohren.
Bedeutet: Nicht auf den «buzz» hören, und nur Sachen kaufen, die einem selbst gefallen. Stimmt unbedingt.
Aber: Sich trotzdem informieren. Und das heisst: Schauen, lesen, vergleichen, Ausstellungen besuchen. Auch eigener Geschmack braucht Bildung.
Zweitens. Kaufe mit dem Herzen, nicht mit dem Geldbeutel.
Bedeutet: Wer beim Kunstkauf auf Gewinn spekuliert, hat schon verloren. Weil ihm die Dollarzeichen in den Augen den Blick auf das Wesentliche verstellen. Moma-Chef Glenn Lowry bringt es folgendermassen auf den Punkt: «Man besitzt ein Kunstwerk, weil man es beschützen will oder weil es geheimnisvoll ist. Man besitzt ein Stück Kultur, man besitzt ein Stück seines Herzens, und man besitzt ein Stück aus seiner Generation und aus seiner Gesellschaft. Man besitzt etwas, das auf undefinierbare Weise etwas für einen bedeutet. Das, was Besitztum eigentlich ausmacht, ist eigentlich unmöglich.»
Aber: Trotzdem soll man sich beim Kunstkauf nicht übers Ohr hauen lassen. Es gibt heute Websites, die einem anhand von Auktionsergebnissen den Marktwert eines Kunstwerks ungefähr zu bestimmen helfen. Etwa Artprice.com oder Artnet.com. Sie sind zahlungspflichtig, aber man kann Pässe für einen Tag oder eine Woche kaufen, das kostet nicht alle Welt. Man soll darauf nach einem vergleichbaren Werk des Künstlers suchen, von gleicher Grösse, Beschaffenheit etc. Für den Anfang kann das eine Orientierungshilfe sein.

Einstiegsdroge Edition: Pipilotti Rist, Parkett-Edition «The Help», 2800 Franken bei www.parkettart.com (Cut-out, 4-color print on fabric, ca. 70 7/8 × 43 5/16” (178 × 110 cm), with 7 straight pins (plus 7 spare pins), Photo by Martin Stollenwerk, printed by Plotfactory, Weisslingen, Switzerland, Ed. 70/XX, signed and numbered).
Drittens. Kaufe Werke von Künstlern aus deiner Generation.
Bedeutet: Im Dickicht der zeitgenössischen Kunst, die heute Werke aus 70 Jahren oder mehr umfasst, versteht man die der eigenen Generation besser. Weil man in der gleichen Zeit gelebt hat und die kulturellen Referenzen besser einschätzen kann.
Aber: Natürlich ist es doch am spannendsten, Werke ganz junger Künstler zu kaufen, weil man da ein noch wenig bekanntes Terrain betritt und Entdeckungen machen kann. Auch hier gilt: Zuerst vieles anschauen, erst dann entscheiden. Die Künstlerin oder den Künstler kennen zu lernen, ist eine wunderbare Entscheidungshilfe. Und oft eine tolle Inspiration fürs eigene Leben und Denken. Ich habe noch keinen Künstler getroffen, der einem Neuling, der sich für sein Werk interessiert, an einer Vernissage aus dem Weg geht. Im Gegenteil!
Viertens. Investiere mehr Zeit als Geld.
Bedeutet: Das ist wie im Militär. Die in Aufklärungsmanöver investierte Zeit ist nie verloren. Man begreift dann besser, was einen ergreift (die alte Maxime des Zürcher Germanisten Emil Staiger). Und Ausstellungen besuchen ist wie das Sammeln auch, eine wunderbare Droge, die zwar süchtig, aber nicht abhängig macht. Im Gegenteil, man wird mündiger davon.
Aber: Will man irgendwann von der Rolle des Verehrers ins Liebhaberfach wechseln, muss man mal Farbe bekennen. The colour of money, verstehen Sie mich?

Einstiegsdroge Originalgrafik: Daniele Buetti, «Dreams Result in More Dreams» 3/2013, Inkjetdruck, Auflage: 35;
Bild: 41,5 × 34 cm, Blatt: 49,5 × 41 cm, Druck: Beat Etter, Zürich, 480 Franken beim Verein für Originalgrafik, Zürich.
Fünftens. Pfeife auf alle Ratschläge und kauf, was dir Spass macht und was dein Portemonnaie mittragen kann.
Bedeutet: Vergessen Sie aber nicht, es gibt auch Werke auf Papier, Editionen, Druckgrafik, signierte Künstlerbücher und viele weniger kostspielige, dennoch ebenso wunderbare Zeugen künstlerischer Suche nach… Wonach? Die Antwort darauf gibt Ihnen das Werk.
Aber: Siehe Tipps eins bis vier!

Auch für Fortgeschrittene: K8 Hardy, Eau d’K8, 2014, Lightbox, 40 × 50 × 12 cm, 3800 Euro bei Karma International, Zürich.

Furios und unaufhaltsam: Beni Bischof, «Anthrax», 2014, Plastilin auf LP-Cover,
31 × 31 × 3 cm, 3000 Franken bei Galerie Nicola von Senger.
Und zuletzt noch dies: Die hier abgebildeten Werke sind nur Beispiele. Schauen Sie wieder herein, bis Weihnachten werden weitere Ideen aufgelistet! (Und damit niemand auf seltsame Ideen kommt, die Autorin dieses Blogs schlägt die Werke aus ureigenster Begeisterung vor und hat keinerlei finanzielles Interesse daran.) Und nun viel Spass beim Selberentdecken!