Nichts, das wirklich gut ist, geht verloren. Darum schenken uns der Kunstgott und die Eingebung des Kurators Simon Maurer ein Wiedersehen mit Alex Sadkowsky. Unter den Schweizer Rebellen der 60er-Jahre war er wohl der Plakativste, auch wenn es später H.R. Giger war, der mit seinem Engagement für Hollywood zum Dauergast der grossen Affichen wurde. In den 70ern gehörten die grossäugigen Schönheiten von Sadkowsky ebenso wie Klassenkämpferisches von Mario Comensoli und Melancholisch-Mysteriöses von Friedrich Kuhn zu den Musts der progressiven Zürcher Sammler. Sie waren die Befreiung aus dem Korsett des Konstruktiv-Konkreten. In Zürich waren sie weltberühmt. Ein Zürcher Weltruhm, der übrigens bereits in Basel nicht mehr galt, wie mir an der Vernissage im Helmhaus der Galerist Corrado Ferrari von Ferrari + Lullin erzählt. In seiner Galerie an der Limmatstrasse sahen wir jüngst einen anderen Beweis für die Jugendlichkeit der Kunst von damals – in den fantastisch frischen Leinwänden von Pierre Haubensak.
Nun aber Sadkowsky. Gerade erst 80 Jahre alt geworden, ist der Unermüdliche so lebhaft wie eh. Bereits an der Pressekonferenz macht er seine Runden durch die Säle, zieht sich mit jugendlicher Geschmeidigkeit blaue Socken an, erzählt mit dramatisch eindringlicher Flüsterstimme (eine überstandene Kehlkopferkrankung hinterliess Spuren) Anekdoten zu den Bildern. «Okay, häsch verschtande?», fragt er zur Bekräftigung des Gesagten.
Im ersten Saal brennt ein Klavier: «Sad-Is-Fiction», der 1969-Film von Fredi Murer, läuft. Da sieht man ihn, den Sadkowsky von damals, nicht einen jungen Mann, sondern bereits irgendwie zeitlos, ein fliegender Holländer, ruhelos unterwegs durch Raum und Zeit. Eine sprunghafte, eruptive Energiequelle, stets von Einfällen und Assoziationen überquellend. Erstaunlich für das rasante Naturell – Sadkowsky ist die ganze Zeit seinem Stil treu geblieben. Kein Wildern in Strömungen, keine Experimente mit ganz anderer Form. Der Stil, von dem Kurator Maurer schön sagt, es sei eine virtuose Malerei, der man den Autodidakten noch ansieht, ist seine Identität.
An der Vernissage trifft man die Weggefährten des Malers: Mr. Zürichkultur Christoph Vitali (er zeigte Sadkowsky im Strauhof), Guido Magnaguagno (er zeigte ihn im Kunsthaus), natürlich Fredi Murer, der ihn filmte. Die Verleger: Ricco Bilger, Thomas Howeg. David Bollag mit Gattin – sein Vater Max war Sadkowskys Galerist.
Die Schau ist als ein Generationentreffen angelegt. Mickry 3 – das sind die Damen Nina von Meiss, Dominique Vigne und Christina Pfander, alle etwas über 30, was erstaunt, schliesslich hat man sich daran gewöhnt, sie als blutjunges rotzfreches Grüppchen zu sehen. Das Werk «Hidden Story», das die Girls im Helmhaus präsentieren, nimmt selbstbewusst den grossen oberen Saal ein. Seit dem «Supermarket» von 2001 ist bei den Mickrys einiges passiert. Man erkennt noch die Thematik, doch die Formensprache hat sich entwickelt. Die aus Styropor geschnitzten und danach mit Fiberglas bezogenen Skulpturen sind keine lustigen, auf schnelle Wirkung ausgelegten Gags mehr. Nichts gegen die Gags, ich bin selbst stolze Besitzerin des Objekts «Weiblicher Orgasmus» von damals – doch das Mickry-3-Werk ist im guten Sinne reifer geworden. Diesen schwierigen Helmhaus-Saal so souverän zu bespielen, das muss ihnen erst mal einer nachmachen. Es ist eine mysteriöse Landschaft, mit wiederkehrenden Formen wie verspiegelten Schnittflächen, einem archetypischen Personal wie Nixen und Zwergen sowie jeder Menge selbstreferenzieller Verweise. Weibliches und Männliches spukt in diesem rosaroten Wald. Die Gebrüder Grimm hätten es nicht besser hingekriegt.
Wenn man etwas meckern will: Eine richtige Begegnung ist die Schau dann doch nicht. Die Protagonisten, die sich vor der Ausstellung gegenseitig überhaupt nicht gekannt haben, führen im Helmhaus keinen Dialog. Dennoch ist es wunderbar, die verschiedenen Generationen – in der Familie würden sie Grossvater und Enkelinnen heissen – als eine Kontinuität zu sehen. Ein erfrischend unmodisches Kontinuum der Fabulierlust.
Meine Lieblingsstelle in der Ausstellung ist eine Tür im oberen Stock, die den Übergang von Sadkowsky zu Mickry 3 markiert. Um diese Tür herum hat der Kurator die «Minis» aufgehängt, kleine Bildchen Sadkowskys, auf welchen viele seiner Motive klein vorkommen: Brote, Münder, Augen, Gesichter, Höschen. Durch ein so entstandenes, wie magisch beschütztes Tor betritt man den Zauberwald der Frauen.
Nach der Vernissage trifft sich die Gesellschaft im Zunfthaus zur Waage – für das auf junge Kunst abonnierte Helmhaus erstaunlich gediegen. In den holzgetäferten Räumen mischt sich die Klientel nun wirklich. Am späteren Abend fängt Fredi Murer zu zaubern an. Er kann es wunderbar! Objekte verschwinden und tauchen wieder auf. Sadkowsky schaut hingerissen zu. Es ist ein Abend der kleinen Wunder.

Galerist Gregor Staiger, visuelle Gestalterin Marie Lusa (hat Ausstellungsplakate entworfen), Sadko zieht blaue Socken an

Das Zaubern geht weiter, Verleger Ricco Bilger schaut auch zu, am Schluss bleiben verbogene Gabeln – war doch Uri Geller da?