
Augen zu und durch: Barack und Michelle Obama kurz vor der Enthüllung ihrer Porträts in Washington. Foto: Jim Bourg (Reuters)
Diese Obamas! Als sie am Montag die von ihnen bei afroamerikanischen Malern in Auftrag gegebenen Porträts in der National Portrait Gallery in Washington enthüllten, hatten viele das Gefühl, dass das Paar immer noch Amerika präsidiert. Die Herzen der US-Kulturszene gehören sowieso dem intelligenten und kunstliebenden Ex-Präsidentenpaar. Dazu trägt der erbitterte und auf beiden Seiten gehässige Krieg zwischen dem amtierenden Präsidenten und den Protagonisten der kulturellen Welt noch zusätzlich bei.

So siehts aus: Die Obamas vor ihren Porträts (Foto via Toofab.com)
Michelle und Barack Obama hatten sich ja für eine Zeit aus dem Rampenlicht zurückgezogen. Jetzt zeigten sie sich wieder. Zuerst gab Barack der Late-Night-Talk Legende David Letterman ein langes Interview, welches dem Streamingdienst Netflix wieder ein Traumpublikum bescherte. Und jetzt diese Enthüllung der Porträts. Alles wieder vorbildlich, es könnte einen schon fast nerven. (Was es auch auf der Alt-Right-Seite auch gehörig tut, nachzulesen hier).

Er im Busch, sie auf dem Thron: Die neuen Porträts von Barack und Michelle Obama. Fotos: Andrew Harnik (AP)
Aber werfen wir mal einen Blick auf all die Fettnäpfchen, denen die Obamas tänzerisch lächelnd ausgewichen sind:
Die Wahl der Maler
Die beiden ausgewählten Künstler sind goldrichtig. Keine millionenschweren Überflieger der Kunstszene, keine Altmeister, keine aufregenden Hot Newcomer, sondern zwei Persönlichkeiten aus dem mittleren Bereich, solide Fahnenträger des Malerberufs mit nicht zu viel und nicht zu wenig Ehrgeiz.
Kehinde Wiley, der das Barack-Porträt gemalt hat, erlangte schon einige Berühmtheit, als er Michael Jackson in der Pose des König Philipps II malte. Er beherrscht die Kunst, historische Posen mit einem gewissen Augenzwinkern wiederzubeleben. Seine Bilder verkaufen sich gut, aber nicht zu exorbitanten Preisen, also im mittleren fünfstelligen Bereich.
Amy Sherald, der Michelle ihr Konterfei anvertraut hat, ist eine noch wenig bekannte Figur, die sehr ernsthaft wirkende Porträts afroamerikanischer Menschen malt, die eine ruhige Würde ausstrahlen. Für die braunen Hauttöne wählt sie meistens Abstufungen der Farbe Grau, das entschärft die Diskussion um die Hautfarbe und verleiht den Bildern eine angenehme Distanz.
Üblicherweise schlägt die National Gallery bei den Porträts der abtretenden Präsidenten die Maler vor – hier haben die kunstaffinen Obamas aber ihre eigenen Präferenzen eingebracht. Es wird ihnen bekannt gewesen sein, dass die aktuelle Renaissance der figurativen Malerei gerade von den Afroamerikanern stark getragen wird. Diese Tendenz haben sie mit ihrer Wahl sowohl honoriert wie begünstigt. Chapeau!

Barack Obama dankt dem Maler Kehinde Wiley an der Enthüllung in der National Portrait Gallery in Washington (die zur Smithsonian-Gruppe gehört).
Die Porträts
Sie sind in der Tat famos. Gut, man könnte sagen, dass die Ausgestaltung der fertigen Porträts nicht von den Modellen abhängt. Doch das Wesen der Porträtierten ist ein wichtiger Faktor dabei. Auf Kehinde Wileys Bild sitzt ein nachdenklicher Barack Obama auf einem schlichten Stuhl, ohne Machtinsignien, ohne Allüre.
Aber Wiley hat gerade mit seinem Michael-Jackson-Porträt bewiesen, dass er auch anders kann, er könnte also allfällige Grössenfantasien seines Modells durchaus karikieren. Hat er hier nicht. So hatte die bescheidene Art Obamas – ein grosser Kontrast zum Gebaren seines Nachfolgers – durchaus einen Einfluss auf dieses schöne Bild, indem er vor einer grünen Wand sitzt, inmitten einer natürlichen Umgebung, in der grüne Blätter von farbigen Blumeneinsprengseln aufgeheitert werden.
Michelle Obamas Bild kontrastiert das Porträt ihres Mannes, weil es gar nicht auf Understatement macht. Wie eine Königin sitzt sie in wallender Robe vor einem schlichten blauen Hintergrund (dieser ist übrigens Markenzeichen der Malerein Amy Sherald). In einer gesellschaftlichen Stimmung, in der Frauen verstärkt um ihre Wahrnehmung als ein souveränes menschliches Wesen (und kein begrapschbares Objekt der Begierde) kämpfen, ist dieses ruhig überhöhende Porträt wohl genau das Richtige. Die an Rodins «Denker» erinnernde Pose unterstreicht dabei die Intelligenz der weiblichen Porträtierten.
Die Enthüllungszeremonie
Auch diese war höchst angemessen. Barack machte Witzchen über seine grossen Ohren, lobte die «Hotness» seiner Frau und blieb der sympathische Kerl mit einem grossen Lächeln, als der er – zumindest auf der Auftrittsebene – den USA als einem vielleicht doch raffiniert zivilisierten Land stets eine gute Visitenkarte ausstellte. Michelle freute sich, dass ihre königliche Pose den kleinen dunkelhäutigen Mädchen ein Grund zum Ehrgeiz liefern könnte. Dem muss man zufügen, den gibt auch ihr schönes Kleid, gab doch in Sachen Mode die First Lady immer ein besseres Vorbild ab als die oft allzu knapp (und allzu milieumässig) bekleidete Beyoncé.

Michelle Obama, schön angezogen, sowohl auf dem Bild wie an der Enthüllungszeremonie. Foto: Shawn Thew (EPA)
Das Echo
Das ist gewaltig. Was die Obamas anpacken, wird doch wirklich immer zum Knüller. Wie machen die das? Alle berichten über die Porträts! Wann ist so was das letzte Mal passiert? Vielleicht 2006, als der Maler Nelson Shanks auf dem Porträt Bill Clintons für die gleiche National Gallery in Washington einen kurvigen Schatten (den alle für Monica L. hielten) versteckt hat. Nur, dass das Shanks-Porträt ein konventionelles Stück langweiliger Porträtmalerei war. Und die beiden Obama-Bilder wirklich gute Beispiele zeitgenössischer Kunst abgeben.